Er weiß einen Scheiß

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Max Neumann

Mitglied
Er weiß einen Scheiß vom Rücken
Nix vom Nacken
Vom Blut
Der Straße im Norden
Den Malern

Durchgeknallter Louis
Kopf voll mit Stimmen
Thaibox-Story
Halt die Zähne
Zugekifftes Kippendreckszimmer
Stinkend

Er weiß einen Scheiß von H-Town
Linden-Nord
Organisierte Kriminalität
Macheten, Playboys
Hate Clean Trains
Finger und Messer
Selbstmörder, Boxereien, Milieu
Tür, Ring, Psychose, Steine, Schläge
Gerade machen

Er weiß einen Scheiß von Dennis
Der ins Heim mit 7 kam
Niemals weinen
Sonst geschlossenes
Früh in die Gewalt rein
Auf Butterflymesser geboren
Nordstadt
Gelddruckernächte
Scheine wechseln
Päckchen Kippen
Kippenstangen Kioskbrüche

Er weiß einen Scheiß von Gino
Mutter auf Hero und tot
Vater im Bau: Mental im All
Beerdigung, Drogenszene
Gefühle unter Kapuze begraben
Brust raus

Er weiß nix
Nur ein bisschen
Nur die Spitze
Den Eisberg trägt
Ein anderer mit sich herum

Er weiß nix
Rein gar nix
Das ist sein Segen
 
Zuletzt bearbeitet:

Ubertas

Mitglied
Lieber Max,

ich finde dein Gedicht beeindruckend.
Darüberhinaus ist es zutiefst traurig, wenn man die Schicksale dieses Gedichts einzeln versteht.
Ja, wer weiß schon von dem "Scheiß"? Was mir ganz ganz gut gefällt, ist das Beibehalten der, ich nenn es jetzt mal Non &Poser-Perspektive. Bis zu dieser Strophe:

Er weiß einen Scheiß
Nur ein bisschen
Nur die Spitze
Den Eisberg trägt der
Koloss in seiner Seele
Da zerfällt alles. Das Nichtwissen und Wissen, wo ist es?
In der letzten Strophe.

Ein hervorragendes Werk - hier geht es nicht um einen Eindruck in eine Umgebung oder um Abgrenzung von dieser, hier geht es um uns alle - mit unserem Scheiß-Nichtwissenwollen.
Stark.

Liebe Grüße,
Anita.
 

Pennyfeather

Mitglied
Hey Max,

starkes, rohes Street-/Slam-Gedicht. Die wiederkehrende Keule „Er weiß einen Scheiß…“ funktioniert als Refrain und baut Druck auf; die letzte Zeile kippt das Stück klug („Segen“) und verleiht Tiefe.

Was mir gut gefällt:

- Bilder & Sound: „Kippendreckszimmer“, „Kippenstangen Kioskbrüche“ – schöne Wortschöpfungen, dichte Alliteration, harter Klang.
- Dramaturgie: vom Körper → Kiez → Einzelschicksale (Dennis/Gino) → Innenleben/Eisberg → Fazit. Das ergibt einen Sog.
- Inventar: Namen/Orte/Gangs geben Authentizität; die Aufzählungen arbeiten wie Takt-Schläge.

Chancen zu optimieren:

-„Shizo-Kind“ wirkt stigmatisierend. Bessere Alternativen: „Kind mit Stimmen im Kopf“, „diagnostiziert, nicht gehört“, „Psychosekind“ vermeiden; lieber „mit Diagnose im Rucksack“ o. ä.
-Insiderkürzel (HCT, PBS, „Permpool“) sind ohne Kontext schwer. Ein einzelnes Andeutungswort, das deren Funktion zeigt, würde helfen.
-„Genau“ als Einzelzeile bricht den Flow; entweder streichen oder härter pointieren („Genau so.“ / „Punkt.“).
-Refrain-Dichte: Zwei, drei minimale Variationen könnten Überraschung bringen („Er weiß nix…“, „Er tut so, als wüsste…“).
-Manche Listen sind ein Tick lang – eine kleine Kürzung steigert Wucht.

Aber das ist nur mein "Scheiß" zu dem Thema ;-)
In diesem Sinne,
Penny
 

Max Neumann

Mitglied
Liebe Ubertas, lieber Penny,

vielen Dank für euer Feedback – das war sehr hilfreich. Ich habe alles gesammelt und den Text inzwischen überarbeitet.

Ubertas, du hast absolut recht: Was hat der Eisberg in Verbindung mit dem Selbstporträt zu suchen? Das wirkt narzisstisch gefärbt und stört am Ende tatsächlich. Ich habe die Passage deshalb komplett herausgenommen.

Und Penny, dein Hinweis zu den Abkürzungen und weitere Anregungen sind ebenso wichtig. Solche Rückmeldungen brauche ich – ich habe die Stellen entsprechend angepasst.

Ich hoffe, der Text ist damit klarer und verständlicher geworden. Ich freue mich sehr über den Austausch mit euch!
 



 
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