Hey Otto!
Im Hinblick auf die (ganz wunderbaren!) ersten vier Strophen hätte man dieses Gedicht auch unter "Gereimtes" stellen können, weil Strophe 1 und Strophe2 bzw. Strophe 3 und Strophe 4 über durch die Wiederholung von "sehen" (gesehen - sehen) bzw. "geht" (geht - untergeht) verklammert werden.
Hier handelt es sich also um eine Reimform, die beim traditionellen deutschsprachigen Endreimgedicht geradezu als fehlerhaft angesehen wird, den sogenannten "identischen Reim" (Reim durch Wortwiederholung). Ich finde aber, dass sich hier ein sehr schöner strukturgebender Effekt einstellt und dieser Outcast unter den Reimen endlich einmal zu seinem Recht kommt.
Insofern bedauere ich es sehr, dass dieses Schema dann zum Ende hin nicht mehr zum Tragen kommt. Eigentlich hätten zwei mit dem Wort "Leben" abschließende Strophen das Finale bilden müssen, um die Regel durchgängig einzuhalten.
In der hier realisierten, formal sozusagen abgebrochenen Variante bringt die Abschlussstrophe für mich auch eine beinahe schon pathetische Gravitas ein, die das luftig-elegante der ersten Strohen ein bisschen beschädigt.
LG!
S.