Esfahan

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petrasmiles

Mitglied
Liebe Ubertas,

in Deinen Texten kann ich mich so gut spiegeln ... wenn ich Dich lese, erfahre ich, dass ich im tiefsten Innern keine Lyrikerin sein kann, Ich muss explizit sein.
Das Schleier in die Luft werfen, die Ahnungen auslösen von einer Welt hinter den Schatten, in den Spiegeln, zwischen den Buchstaben, es ist meine Sache nicht.
Und so stehe ich fasziniert vor Deinen Versen, ganz aufmerksam im Zustand des Nachspürens von Gedankenechos.

Liebe Grüße
Petra
 

Ubertas

Mitglied
Liebe Petra, liebe Maren,

zu erst einmal ganz lieben Dank euch beiden fürs Lesen!
Ich finde die Worte, die mich von
euch beiden erreichen, wunderschön:)
Petra, ich denke gerade über deine Zeilen nach.
Vielleicht ist es bei einem Gedicht nicht immer wichtig, den Schleier aufzuheben. Was mich viel mehr erfreut, wenn außerhalb des Textes etwas zustande kommt. Nicht ein "Was will es?", sondern ein "Was ist es für mich?".
Worte können Spiegel sein. Du hast es so treffend beschrieben! Danke dafür!

Maren, wenn ich jetzt, hier, ein Danke hinschreiben kann, dann steckt in ihm alles, was es nicht mit 'Wortdruck' ausdrückbar macht. Und es ist ein Danke.

Liebe Grüße an Euch
ubertas
 

sufnus

Mitglied
Hey ubertas!
Ich reih mich hier mal flugs in den Lobpreisungs-Chor ein. :)
Aktuell ist das Gedicht durch den Titel eng mit den Gedanken an Krieg und Gewalt verknüpft, es wäre ein interessantes Gedankenexperiment, wie sich der Text in anderen, friedlicheren Zeiten lesen würde. :)
LG!
S.

…. ah und Deine Anmerkung, liebe Petra, lässt mich natürlich nicht ruhen:

wenn ich Dich lese, erfahre ich, dass ich im tiefsten Innern keine Lyrikerin sein kann, Ich muss explizit sein.
Das Schleier in die Luft werfen, die Ahnungen auslösen von einer Welt hinter den Schatten, in den Spiegeln, zwischen den Buchstaben, es ist meine Sache nicht.
Ich verfolge ja hartnäckig eine Lyriktheorie, wonach das Gedicht dazu da sei, in Wort zu kleiden (um mal bei den Schleiern zu bleiben), was sich eigentlich in Worten gar nicht ausdrücken lässt. Jetzt frage ich mich aber, um ein Gedicht notwendigerweise "implizit" sein muss, um die Mitteilungsschicht jenseits des konventionell-sprachlich Mitteilbaren zu haben. Und eigentlich glaube ich, dass dem nicht so ist. Oder nee... eigentlich glaube ich, dass die Frage in der Form keine so rechten Sinn ergibt. Ein "Text", der nur und ausschließlich explizit ist, also keinen "Subtext" besitzt und keine Meta-Ebenen mitschwingen lässt, scheint mir nicht einmal innerhalb "nüchterner" Sach(?)-Disziplinen wie der Mathematik wirklich vorstellbar, um so weniger im Bereich des "Schöngeistigen". Die Besonderheit von Lyrik wäre dann also nur, dass die Textgestaltung und/oder -rezeption die Aspekte jenseits des Expliziten in besonderer Weise "zulässt" und ggf. auch reflektiert oder der Reflektion zugänglich macht.
Ein Gedicht per se kann aber m. E. schon erstmal auch relativ "explizit" im Sinn von Eindeutigverständlich sein - und dann kommen eben die Zusatzebenen als Dreingabe. :)
LG!
S.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Sufnus,

Deine Antwort verwirrt mich ein bisschen - muss natürlich an mir liegen :) - weil ich natürlich das Explizite in meinem Nicht-Lyrikerin-Dasein verortete.
Und über 'explizit' muss man sich nicht streiten - wir müssen ja immer die Sender-Perspektive beibehalten. Was für mich als Sender explizit sein mag, ist es für den Empfänger noch lange nicht, und schon parlieren wir auf das Heftigste über Subtext :) Nur das mit den Schleiern, das bekomme ich nicht hin (wobei ein geteilter Schleier ziemlich explizit sein kann, wohingegen das vermeintlich Explizite ganz schon verschleiert rüberkommen kann.)

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
… sorry für die fielen Schrehbfieler in Obigem... da war ich wirklich sehr in Eile >_<
Ansonsten - zur Frage der Eindeutigverständlichkeit (das war oben kein Schreibfehler ;) ) - da finde ich, dass es ja durchaus viele, auch "moderne" (zeitgenössische) Gedichte gibt, die durchaus völlig "verständlich" sind.

Das Gedicht "Neolithikum" von Heinrich Detering greife ich mal als etwas willkürliches Beispiel heraus, weil es Google-Findbar ist (wer suchen möchte: Gleich der erste Treffer beim Wallstein-Verlag und dem Band "Wundertiere"). Bei diesem Gedicht gibt es beim Lesen nur eine klitzekleine Hürde, das ist der Verzicht des Autors auf Satzzeichen. Wer es also gerne ganz und gar klar haben möchte, der setze zunächst ein paar Punkte und Kommata und wird dann zu einem Text gelangen, der zunächst einmal keinerlei Verständnisschwierigkeiten macht. Allerdings endet der Text mit Fragen, die er nicht beantwortet und verzichtet auf einen abschließenden "Die-Moral-von-der-Geschicht"-Kommentar. Das macht den Text aber nicht schwer verständlich, es beinhaltet nur eine (jetzt doch:) implizite Aufforderung an den Leser zum Selberdenken und bei diesem, zugegebenermaßen gefahrvollen Vorgang der Eigenhirntätigkeit besteht durchaus eine gewisse Ergebnisoffenheit, sprich: Der Text liefert nicht nur keine abschließende Antwort, sondern er bleibt auch offen für eine Vielzahl möglicher Weiterbedenkungen. An diesem Punkt erst wird der Text auch dann für mich zur Lyrik, aber eben zu einer Lyrik, die (obwohl zeitgenössisch) dennoch nicht "verschlossen", "undurchsichtig" oder "unverständlich" ist. :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Ha! Danke für Deine Promptantwort, liebe Petra! Tatsächlich hab ich meine Deteringausführungen eben ohne Kenntnis und folglich Lesestattgehabtigkeit Deiner Erläuterung vollzogen. Auf Deine Anmerkungen gehe ich daher gerne nochmal gesondert ein - wenn ich sie durchdrungen habe, was mir jetzt ein Aufdemsprungsein verunmöglicht hat. :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
... erstaml: Ups! Habsch gestern doch in der Eile das bereits bereitete Sternepaket vergessen am Zielort zu deponieren. Also jetzt aber!
Und @petrasmiles , wenn ich Dich richtig verstanden habe (habe ich?) geht es Dir darum, dass Du keine Lyrik "hinter Schleiern" verfassen kannst (oder können willst oder wollen kannst) in dem Sinne, dass Dir Texte nicht aus der Feder/Tastatur fließen, die bereits auf der Ebene des Senders (also der den Text verfassenden Seite) keine klare Bedeutung transportieren. Während Du in der Empfangsposition (also lesenderweise) für nicht eindeutige Verständlichkeit oder eindeutige Nichtverständlichkeit "offener" bist. Richtig?
LG!
S.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber sufnus,

da hast Du mich -jetzt?- richtig verstanden, aber es ist keine Frage des Wollens, eher des Könnens. Was sich bei mir 'lyrisch' oder eher poetisch anfühlt, verschafft sich durch das Ausdruck, was ich dann schreibe. Ich stelle mir das so vor, dass schleierwerfende Lyriker entweder etwas Numinoeses empfinden und dem Ausdruck verleihen durch Worte, das dem am nächsten kommt, oder sie wollen etwas ausdrücken und suchen nach den passenden Schleiern. Da ich mich auf Ubertas' Gedicht bezog, meine ich auch diese Art der Lyrik, und wollte keine Aussagen über alle anderen Formen der Lyrik treffen.
Und ja, ich mag es sehr, staunend durch die Schleier zu schlendern und etwas zu erhaschen, mit dem ich etwas anfangen kann - manchmal ist es nur das Staunen, das ich genieße.

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Mein heutfrühiges "erstaml" gefällt mir. Lässt sich zwanglos zum "erstammel" steigern. :)

Worauf ich aber nochmal on-topiziöserweise zurückkommen wollen würde, das ist die Frage nach der Beziehung von Gedichttitel zu Gedicht (ich sehe gerade Petra, wir überschneiden uns gerade mal wieder beim Schreiben :) ).

Aktuell muss man beim Stichwort Esfahan (Isfahan) an den unerklärten Krieg zwischen Israel und Iran mit zwischengeschalteter US-Beteiligung denken. Und in Anbetracht der Tatsache, dass in Isfahan erstens auch mehrere Kernreaktoren auf dem Forschungsgelände herumstehen, die bei den Bombardierungen durch Israel doch womöglich GAU-mäßig durchbrennen könnten (oder könnten sie nicht?) und dass zweitens dort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an der Entwicklung von Kernwaffen geforscht wird, gewinnt das Stichwort der Apokalypse im Gedichttext mehr Substanz als einem Lieb sein kann.

Zugleich ist aber in dem Gedicht von alldem nicht direkt die Rede (deshalb ja meine Schleierdiskussion mit Petra), so dass man sich vorstellen kann, mit dem nötigen zeitlichen Abstand auch zu ganz anderen Lesarten des Gedichts gelangen zu können.

Zunächst ist es ja ein Gedicht über Natur-Erscheinungen im weitesten Sinn, also einen (Sommer-)Tag mit Herbstzeitlosen (welche die Sommerhaftigkeit des Tages dann wieder einkassieren). Und es ist ein Gedicht über die Stille. Dabei schwingen in dem Wort "Stille" natürlich ganz unterschiedliche Kontexte, seien es friedvolle oder sprachlose oder bedrohliche oder zerstörerische Aspekte. Allen gemeinsam, den positiven wie den negativen Schwingungen, ist wohl das Fehlen von etwas. Es ist also auch ein Gedicht über das Fehlen. Daher war mein weiter oben erfolgter Verweis auf das Detering-Gedicht nicht so off-topic, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag.

Desweiteren gefällt mir hier aber auch, dass mich Wikipedia darauf stieß, es gebe ein persisches Wortspiel, wonach Isfahan "die Hälfte der Welt sei" (offenbar ist dieser Spruch inspiriert von der Klangähnlichkeit (Esfahān nesf-e Dschahān) und dem riesigen Meidān-e Naqsch-e Dschahān, dem "Bild-der-Welt-Platz" in dieser Stadt) - jedenfalls fragt man sich hier, im Kontext vom "Fehlen" des Gedichts, wo dann wohl die andere Hälfte der Welt steckt.

LG!

S.
 

Ubertas

Mitglied
Mit etwas uber-mäßiger Verspätung möchte ich mich jetzt in erster Linie bei allen bedanken, die mein Gedicht gelesen haben und in den Genuss des wunderbaren Gedankenaustausches zwischen dir, lieber Petra und dir, lieber sufnus gekommen sind! Ich bin wirklich gerührt angesichts der so detaillierten Ausführungen. So etwas gibt es wirklich nur auf Leselupe und ist gewiss den brillanten Menschen hinter den Tastaturen zu verdanken:) daher steht hier gleich ein ganz großes DANKE!!!
Liebe Petra, du hast eingangs gewissermaßen den Stein ins Rollen gebracht:) das ist wundervoll. Es hat auch bei mir wertvolle Gedankenechos ausgelöst. Lieber sufnus, ganz toll finde ich deinen Verweis auf Deterings Gedicht. Es zeigt ganz glasklar auf, dass auch in der vermeintlich deutlichen Ausdrucksweise, hinter leichter Lesbarkeit das Implizite liegt. Lyrik kann einen Schleier tragen, sie muss es aber nicht;-) Ein Raum entsteht. Den Grundstein für das Indirekte legt der Dichter selbst. Also kann nichts die "Feder" verlassen, dem nicht das Ungesagte anhaftet. Wenn ich etwas schreibe, setze ich mich selten hin und beschließe, ausschließlich über -nennen wir es den Gartentisch- zu sinnieren. Es ist immer ein Prozess, dessen Ende oft offen bleibt und es auch soll. Daher gefällt mir auch dein Vorschlag des Gedankenexperiments mehr als gut. Was für ein Gedicht wäre es, gelesen mit dem Aspekt des Friedens?
Ein weiteres Phänomen (klingt jetzt irgendwie recht wissenschaftlich) ist gerade das, was Petra so treffend geschildert hat: Auch ohne rätselfüchsige Zerglaubung kann beim Lesen eines Gedichts etwas ganz neues und dadurch völlig eigenes entstehen. Stichwort nochmals Gedankenecho, Reflexion auf dem unendlichen Spiegelsee des Wortes und/oder des eigenen Spiegelgewässers:)
Ich bin überzeugt, lieber Sufnus, mir wäre es niemals gelungen, so sinnhafte, ausführliche und bereichernde Worte zu formulieren, Worte voller Wissen. Fest steht, solltest du dieses Jahr noch Geburtstag haben: eine Glaskugel bekommst du von mir nicht:) auch nicht nächstes Jahr. Denn du besitzt sie bereits! Du hast sämtliche Schleier meines Gedichts gelüftet, vom Titel bis zur letzten Verszeile. Für so etwas schönes reicht mein gesagtes Danke nicht im geringsten. Ich bin verblüfft:) und zutiefst begeistert.
Und ich glaube, ich habe es jetzt nur bruchstückhaft geschafft, auf all das von Euch Geschriebene einzugehen.
Es hat mir zu vielen, sehr vielen neuen Impulsen verholfen. Danke dafür!

@schwarzer lavendel , Liebe Charlotte, danke für deine Worte. Was du geschrieben hast, ermöglicht, die anderen Tage neu wahrzunehmen. So wäre es zumindest meine Hoffnung dafür.

Was ich nicht vergessen möchte: ein ganz großes Dankeschön für die so zahlreich vergebenen Sterne @seefeldmaren again @Tula @sufnus @schwarzer lavendel @Aniella :)
Ich habe mich über jeden Beitrag, jedes Lesen und jede Bewertung von Herzen gefreut und tue es:)

Wollen wir hoffen, dass sich die Hälften wieder finden.
Denn das Bild der Welt zu teilen, lässt nur noch zu, die Hälfte zu sehen.

Liebe Grüße an Euch alle
ubertas
 

mondnein

Mitglied
Aktuell muss man beim Stichwort Esfahan (Isfahan) an den unerklärten Krieg zwischen Israel und Iran mit zwischengeschalteter US-Beteiligung denken.
ach so.

Man muss?

Ich habe mich schon gewundert, was dieses Gedicht mit den kunstvollsten Teppichen der Welt und den schönsten Moscheekuppeln des Orients zu tun hat, wofür isfahan ja weltweit steht. Natürlich "muss" man diese Gärten und Paradiese nicht kennen. Ist vielleicht ja nicht so wichtig wie der Versuch, heimlich Atombomben zu bauen.
 

wiesner

Mitglied
Es ist Quatsch mit Soße, was mondnein dahersagt. Das Drohmoment ist durchgängig erspürbar und zeigt die tiefe Sorge der Autorin, dass die orientalischen Schätze einer Apokalypse anheimfallen könnten. Die beißende Knappheit ist sehr überzeugend! Bravo, Ubertas!

Gruß
Béla
 

mondnein

Mitglied
ich glaube eher, daß die persische Kultur durch die Bombenbastler gefährdet wird. Immerhin benutzen sie bisher nicht die eigenen überragenden Kulturgüter und die Bevölkerung als Pfand und Schutzschild, wie es ihre linke Hand, die Hamas im Gazastreifen, tut, die ihre Raketenbasen und Tunnel unter Schulen und Krankenhäuser legt.
Daß das theokratische Regime die Bevölkerung drangsaliert und die Revolutionsgarden sowohl die wirtschaftlichen als auch die politischen Schaltstellen im Iran besetzen, und daß die Hinrichtungsrate der "Justiz" nur noch von der ihrer chinesischen Freunde übertroffen wird, steht natürlich nicht in diesem surrealistischen deutungsfreien Angebot hier oben, es sei denn, es verbirgt sich hinter den schönen Worten. Oder ist es Propagandamist, wie die meisten Kommentare es auffassen und feiern? Ich kanns nicht glauben.

Was darin steht, ist gleichwohl rätselhaft, und erst durch die propagandistischen Interpretationen unter den Versen bin ich darauf gestoßen worden, daß es wohl doch um die Gefährdung der islamischen Kultur zu gehen scheint. Die schlimmsten Feinde, Vernichter und Abwerter des schiitischen Islam sind die Revolutionsgarden. Das Ergebnis ihrer Religionsanmaßung ist, daß die meisten Iraner sich nach und nach von der Religion abwenden. Das führt, wenn es nicht endlich beendet wird, zur Vernichtung des schiitischen Islams durch resignierende Gleichgültigkeit, Abwendung, Desinteresse und einen schlichten, kaum offen geäußerten Atheismus der jungen Bevölkerungsmehrheit.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ubertas

Mitglied
Hallo @Shallow ,
ich danke dir fürs Lesen und freue mich sehr, dass dir diese Stelle im Gedicht gefällt. Danke für deine Worte:)
Lieben Gruß ubertas
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
Danke für dein großes Lob und auch den "Flankenschutz", was meine Gedichtszeilen betrifft. In Sorge sein zu müssen, ist nicht unbegründet in Hinblick auf die Brandherde dieser Welt.
Danke auch für deine tolle Bewertung. Ich freue mich sehr darüber:)
Lieben Gruß ubertas
 



 
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