farne (distichen)

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mondnein

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farne


ziehn ihre bahnen die menschen da zweigen die straszen die städte
blühen als krusten von salz​
in ihren schaum-spuren aus​
vorne vorweg vor den wegen der wogen durchpflügen die surfer
mit spitzer zehe den raum​
stürzen verzückt in die nacht​
schneiden den kreis der delphine die fronten der bugwellen biegen
ihren zyklonischen sog​
wach durch die schlafende zeit​

und diese bögen durchqueren einander in sprieszenden spreiten
schieszen wie kandis-kristall​
aus ihrer kreuzung hervor​
häuser paläste arkaden und gänge wo sie sich begegnen
wo ihre reise beginnt​
gärten in prächtiger tracht​
brechen hervor aus den sternigen plätzen die palm-feder-farne
aus deren wipfeln der sturm​
traumbild um raumbild entrollt​

 

zurabal

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Hallo mondnein,

wenn man über die Mysterien der Erotik nachdenkt, dann würde man Farne wahrscheinlich als erotisches Gedicht bezeichnen. Das Bild über die Anziehungskraft des Geheimnisvollen ist hier lyrisch eindrucksvoll in Distichen eingefangen.

Viele Grüße zurabal
 

zurabal

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Sorry, ich wollte Dir eigentlich fünf Sterne rüberschicken. Is aber irgendwie verrutscht :oops:. Also zumindest hier: fünf Sterne
 

mondnein

Mitglied
Dankeschön, zurabal, sowohl für die Sterne als auch für den Interpretationsansatz.
erotisches Gedicht
In der Tat ist es natürlich eine Frage der verschiedenen möglichen Interpretationsdimensionen, "der Leser macht das Gedicht".
Zu dieser Kunst des Lesers gehört, die erotische Seite eines jeden Liedes, einer jeden Formulierung und jeder einzelnen metaphorischen Imagination hervorzuheben. Ich denke, es gibt keine Ausnahmen; selbst abstraktere Oberflächen können von verborgenen Fischen berührt und zu Kreiswellen angeregt werden. Erotik liebt solche Verborgenheiten, und platte Pornos offenbaren die Geschäftserotik und den Sadismus mancher Bilderhändler. Das Antierotische und Häßliche kann den Erotik-Hinblick nicht vermeiden. Das primärste aller sexuellen Primärorgane ist das Augenpaar, das des Betrachters wie das des Betrachteten. Und der flüsternde Mund und das empfängliche Ohr der Menschen, der Dichter, der Verliebten.

Ich selbst lese, etwas weniger in den Weiten des Erotischen verloren, möglicherweise etwas dichter am Text, eine wüste Folge von Phantasien, die immerhin assoziativ-logisch miteinander verknüpft sind. Gemeinsame Verknüpfungs-Operation dieser Assoziationen ist wahrscheinlich das Hindurchgleiten durchs Meer, durch den Ozean der Zeit, mit einer Entwicklung der kulturellen Menschen-Auswirkungen aus den Bewegungskeimen: Wie bei Fichte und Schelling gehen alle Welt-Entwicklungen aus menschlichen Bewegungen hervor, zu allererst der Selbstsetzung des Bewußtseins in der "Tathandlung" des Ich. Z.B. in Schellings "System des transzendentalen Idealismus". Und im ersten Satz der "Lehrlinge zu Sais" von Novalis: "Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wundervolle Figuren entstehen sehen ..." http://12koerbe.de/phosphoros/novalis.htm

Aber natürlich steht es jedem einzelnen Leser frei, in diesen Pool zu springen, oder kopfschüttelnd daran vorbei zu gehen, oder Shakespeare zur Hilfe zu rufen, der gerade nach seiner all zu gut versteckten Haschischpfeife sucht und deshalb nicht so beliebig-schnell für die Kommen-Kucken-Gehen-Touristen (die "K-K-Gs") zur Verfügung steht.

Aber ich bestimme die allen absolut freigestellten Interpretationswege nicht, ich gebe sie nicht vor, ich bin nur der erste Leser.

grusz, hansz
 
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