Felix und der Glücksdrache Kapitel 5 und 6

Kapitel 5: Ein Freund braucht Hilfe
Der Winter hatte das Land noch lange im Griff und der Frühling gab Mitte März nur ein kurzes Intermezzo, um an Ostern noch einmal Schnee und Kälte Platz zu machen.
Oft dachte Felix an Fortunio und die Rettung von Meike und der Katze Minka. Dann musste er jedes mal lächeln und sah sie vor sich, wie behände sie den imposanten Drachenrücken erklomm und manchmal glaubte er sogar, ihre Umarmung und den flüchtigen Abschiedskuss zu spüren. Hätte Felix am nächsten Morgen nicht Meikes Telefonnummer auf seinem Arm gesehen, wahrscheinlich hätte er alles für einen Traum gehalten. Ihre Handynummer speicherte er sofort unter der Anruferliste in seinem Mobiltelefon. Zur Sicherheit schrieb er sie zusätzlich auch noch auf und legte den Zettel in seine Schreibtischschublade.
„Das Wunder von Axamer Lizum“ schrieben die Zeitungen und mit Vergnügen las Felix sämtliche Interviews, die Meike in der folgenden Zeit gab. Alle Achtung! Sie sollte in die Politik gehen, dachte er grinsend, denn sie schaffte es spielend, mit einem freundlichen Lächeln die Reporter zufrieden zustellen, ohne irgendetwas Interessantes preiszugeben.
Das blieb ihr gemeinsames Geheimnis! Andererseits würden die Erwachsenen die Wahrheit ohnehin nicht glauben.
An dem Morgen nachdem Felix und Fortunio das Mädchen wohlbehalten vor ihrem Hotel ablieferten, fand Felix’ Mutter natürlich seine dreckige Hose und selbstverständlich wollte sie wissen, wie er es geschafft hatte, sie so zu versauen. Wahrheitsgemäß antwortete er, er habe zusammen mit seinem Glücksdrachen einem anderen Kind geholfen. Die Mutter sah ihn eine Weile prüfend mit diesem unnachahmlich strengen Blick an, dann ermahnte sie ihn, das nächste Mal, die Hose gefälligst sofort in die Waschmaschine zu stopfen, da feuchte Flecken meist besser raus gehen als getrocknete.
„Ach übrigens“, meinte sie, bevor sie sein Zimmer mit der schmutzigen Hose in der Hand verließ, „das nächste Mal sagst du entweder die Wahrheit oder von mir aus erklärst du mir, dass mich das nichts angeht, aber spar’ dir bitte, diese abenteuerlichen Ausreden!“
Felix entgegnete darauf nichts, es wäre ja auch zwecklos gewesen. So sind Erwachsene nun einmal! Sie glauben nur, was sie mit eigenen Augen sehen.
Felix und Meike schickten sich von nun an regelmäßig eine SMS oder schrieben sich Emails.
Auf einen verregneten Mai folgte endlich eine Sonnenperiode, mit richtig heißen Tagen.
Felix stand mit Lukas auf dem Pausenhof herum. Wie die meisten Jungs aus seiner Klasse, langweilten sie sich oder machten Blödsinn und hofften, es möge endlich einmal Hitzefrei geben.
Doch der Vormittag verging quälend langsam, ohne dass die erhoffte Durchsage kam. Mit dem Schulgong, der das lang ersehnte Ende des Vormittagunterrichts verkündete, stürmten die Schüler und Schülerinnen aus den Klassenzimmern und verließen fluchtartig das Gebäude.
Allerdings endete diese Flucht meist bereits vor dem Schultor, wo sie sich in Gruppen zusammenfanden und beratschlagten, was sie heute Nachmittag unternehmen könnten. Felix und seine Klassenkameraden einigten sich schließlich auf das Freibad. Seit dem letzten Wochenende hatten die meisten Freibäder geöffnet. Alle Jungs aus der Klasse wollten mit, naja fast alle, denn Mirko fragten sie erst gar nicht. Er würde sowieso nicht mitkommen. Seit einiger Zeit kapselte dieser sich regelrecht ab und irgendwann gaben die anderen es auf, ihn überreden zu wollen. Auch trieb er sich nicht wie die anderen Jungs und Mädchen nach dem Unterricht noch eine Zeit lang vor der Schule herum, sondern eilte immer zielstrebig dem Ausgang zu. Felix blickte ihm stirnrunzelnd hinterher.
„Warum verschwindet der eigentlich immer so schnell?“, raunte er Lukas zu.
Lukas diskutierte gerade mit Sebastian und Philipp über das gestrige Fußballspiel und sah seinen Freund verwirrt an.
„Wer?“
„Na, Mirco!“, erläuterte Felix und deutete mit einem Kopfnicken in Mircos Richtung.
„Keine Ahnung“, erwiderte sein Freund achselzuckend, schnappte sich seinen Rucksack, warf ihn über eine Schulter und trottete auf die, vor der Schule, wild durcheinander abgestellten Fahrräder zu. Er suchte in dem Drahteselgewirr seinen heraus, sperrte das Schloss auf und klemmte seine Schulsachen auf den Gepäckträger.
Felix tat es ihm gleich und einige Minuten später radelten sie nebeneinander nach Hause.
Daheim schlüpfte Felix aus seinen Turnschuhen, ließ seinen Rucksack zu Boden plumpsen, auch wenn er sich dadurch jeden Tag aufs Neue den Unmut seiner Mutter zuzog, und schrie:
„Hallo! Was gibt`s zum Essen?“
Seine Mutter erschien schwer beladen auf der Kellertreppe.
„Hallo! Na wie war’s?“, erkundigte sie sich wie jeden Tag, seinen Ruf nach Essen zunächst ignorierend.
„Hm, wie immer!“, antwortete er gleichgültig.
„Wir gehen nachher ins Schwimmbad!“, informierte er sie und bevor sie sich dazu äußern konnte, versuchte er nochmals auf sein Loch im Magen aufmerksam zu machen, „Ich habe total Hunger!“
„Ich bin gerade erst von der Arbeit gekommen!“, erklärte sie und hob entschuldigend die Hände, „Es dauert also noch eine Weile bis es Essen gibt! Du könntest mir natürlich helfen, dann geht es schneller!“
Da sie ohnehin nicht mit seiner Zustimmung rechnete, zwängte sie sich an ihm vorbei, stellte die Sachen auf den Küchentisch und begann den Salat zu waschen.
„Viele Hausaufgaben und neue Vokabeln!“, nuschelte Felix und verdrückte sich eilig in sein Zimmer. Am Schluss musste er noch den Salat putzen, eine Tätigkeit, die er nun überhaupt nicht leiden konnte. Dann lieber Hausaufgaben!
Nach dem Mittagessen erledigte er in Windeseile die restlichen Hausaufgaben. Zu guter Letzt warf er seine Badehose und ein Handtuch in einen Rucksack, stopfte noch eine Flasche Apfelschorle und eine Packung Kekse, die er aus der Speisekammer stibitzte, dazu.
„Tschüss, bis nachher!“, verabschiedete er sich von seiner Mutter und setzte sich auf sein Fahrrad.
Felix holte Lukas ab und zusammen radelten sie los. Sie bogen gerade in die nächste Straße ein, als sie Mirko sahen. Er hatte wohl gerade seinen kleinen Bruder abgeholt, denn er zog einen widerspenstigen, heulenden Jungen hinter sich her. Felix nickte ihm zu, als sie ihn überholten. Aus irgendeinem Grund, er konnte später selbst nicht erklären, warum, hielt er an, wendete und lenkte sein Fahrrad neben Mirko.
„Wir treffen uns alle im Freibad!“, erklärte er, „Komm’ doch mit! Wird bestimmt lustig! Wir liegen meistens irgendwo am Kanal!“
Mitten durch das Freibadgelände floss der Eiskanal, ein kleiner Seitenarm der Isar, und den Namen ‚Eiskanal’ trug er zurecht, denn eisiges Wasser zog die Schwimmer mit sich, die sich hinein wagten.
„Ich weiß nicht!“, antwortete Mirko, den Blick verlegen auf den Bürgersteig gerichtet und an einer Hand immer noch den zappelnden Bruder.
„Ich will auch zum Schwimmen!“, plärrte dieser nun los.
„Halt die Klappe!“, fuhr Mirko ihn an.
„Überleg’s dir einfach!“, meinte Felix achselzuckend, verabschiedete sich und kehrte zu Lukas zurück, der die Szene von der Ferne beobachtet hatte.
„Was wolltest du denn von dem?“, erkundigte sich Lukas neugierig, als Felix ihn erreichte.
„Ich hab ihn nur gefragt, ob er ins Freibad mitkommt!“
„Was?“ Lukas sah ihn entgeistert an. „Diese Spaßbremse? Na, du hast Nerven! Da werden die anderen sich bestimmt freuen!“
„Wahrscheinlich kommt er ja eh nicht und wenn doch, er tut mir halt leid, weil er immer alleine rumhängt!“, gab Felix trotzig zurück, ärgerte sich jedoch insgeheim selbst, dass er Mirko gefragt hatte. Das konnte er jedoch nicht zugeben und so radelten sie die restliche Strecke schweigend nebeneinander her.
Mirko kam nicht, wie Felix zugegebenermaßen erleichtert feststellte, und irgendwo tief in seinem Inneren meldete sich deswegen sein schlechtes Gewissen, welches er jedoch gekonnt ignorierte.
Die Jungen blieben drei Stunden im Freibad, dann machten sie sich auf den Heimweg.
Nach dem Abendessen saß Felix an seinem Schreibtisch und brütete über seinem Übungsaufsatz. Morgen musste er ihn abgeben. Dies wusste er bereits seit über einer Woche, doch er hatte bisher keine Lust gehabt damit zu beginnen. Auf seinem Stift herumkauend, dachte er über eine Formulierung nach, während er draußen eine Katze beobachtete, die die Dämmerung zum Mäusefang nutzte.
Er riss sich von dem Anblick los und arbeitete von nun an konzentriert an seinem Deutschaufsatz. Die zunächst noch leeren Seiten füllten sich und nach einer Stunde fehlte nur noch der Schluss.
Er verließ kurz das Zimmer, um sich aus der Küche etwas zu Trinken zu holen.
Felix ließ sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl fallen und öffnete die Limonadenflasche.
"Endlich fertig?", fragte eine ihm sehr gut bekannte Stimme. Vor lauter Überraschung verschluckte sich Felix und musste husten.
Seelenruhig watschelte Fortunio über den Schreibtisch, während der Junge versuchte seine Hustenattacke in den Griff zu bekommen. Der Minidrache blieb stehen und mit einem erleichterten Stöhnen plumpste er mitten auf die beschriebenen Heftseiten.
"Wie bist du herein gekommen?", röchelte Felix mit hochrotem Kopf, während Fortunio den Jungen interessiert beäugte.
"Unwichtig", winkte der Drache lässig ab und legte den Kopf ein wenig schief. „Schönen Nachmittag gehabt heute?“, erkundigte er sich nebenbei, während er sich Staub von seinen Flügeln säuberte.
„Könntest du dich eventuell woanders putzen?“, erkundigte sich Felix höflich, „Den Aufsatz muss ich morgen nämlich abgeben und ich habe absolut keine Lust ihn nochmals zu schreiben, nur weil mein Glücksdrache seine Katzenwäsche ausgerechnet hier erledigt! Warum bist du eigentlich so dreckig?“
„Lange Geschichte, aber nicht so wichtig!“, wiederholte Fortunio.
„Aha!“, grinste Felix, „Und weil alles nicht so wichtig ist, schaust du mal kurz hier vorbei! Lag wahrscheinlich auf deinem Heimweg!“
„Nicht direkt!“, gab der Drache zu und begann wieder auf dem Schreibtisch hin und her zu marschieren. Der Junge sah ihm dabei zu, ohne jedoch näher nachzufragen. „Willst du gar nicht wissen, warum ich hier bin?“, platzte Fortunio schließlich heraus.
„Nur wenn du es mir unbedingt erzählen willst!“, schwindelte Felix, „Aber wenn es nicht so wichtig ist, kannst du es ruhig für Dich behalten!“
„Ich dachte, Menschen, allen voran die Kinder, wären so neugierig!“, gab Fortunio patzig zurück.
„Nur die Mädchen!“, grinste Felix, „Männer sind höchstens interessiert!“
„Na, wenn das so ist, wünsche ich dir eine gute Nacht!“
Der Drache flatterte einmal um Felix herum und steuerte dann auf die Balkontüre zu.
„Sei doch nicht gleich beleidigt!“, rief Felix und hob beschwichtigend die Arme, „Natürlich interessiert mich, was dich zu mir führt! Also, rück schon raus damit!“
„Hm!“, grummelte Fortunio und ließ sich auf dem Teppich nieder. Er präsentierte Felix seinen schuppigen Drachenrücken und blickte aus dem Fenster. Da die Nacht die Dämmerung ablöste, gab es dort allerdings nicht mehr viel zu sehen, zumindest für Felix nicht, der sich neben Fortunio gesellte und nun ebenfalls aus dem Fenster starrte. Langsam wendete sich der Drache ab.
„Ein Freund von dir braucht Hilfe!“, erklärte er schließlich knapp, „Wir sollten mal nachschauen!“
Felix nickte, schnappte sich wortlos seine Jacke und schlüpfte in seine Turnschuhe. Danach öffnete er die Balkontüre und zog sie vorsichtig hinter sich zu, als die beiden draußen standen. Da er wusste, was nun passieren würde, stellte er sich breitbeinig über den Minidrachen und spürte, wie dieser zu seiner wahren Größe wuchs und ihn dabei empor hob.
Bevor Felix sich jedoch eine bequeme Sitzposition suchen konnte, landeten sie bereits wieder, auf einem Balkon, der zu einem der zahlreichen Wohnungen eines Hochhauses gehörte. Blitzschnell schrumpfte der Drache, zusammen mit dem Jungen und vorsichtig linsten sie in das Wohnzimmer hinein.
„Aber das ist doch Mirko!“, rief Felix erstaunt aus.
„Ach ja!“, murmelte der Drache, „Habe ich dir das nicht gesagt? Naja, wenn man so alt ist, wie ich, darf man schon etwas vergesslich werden!“
Der Junge betrachtete ihn mit zusammen gezogenen Augenbrauen.
„Mirko ist nicht mein Freund!“, brummte Felix verärgert, „Du hast mich belogen! Ich möchte zurückfliegen, mein Aufsatz ist noch nicht ganz fertig!“
„Oh“, entgegnete Fortunio gespielt erstaunt, „da habe ich wohl etwas falsch verstanden! Fragtest du ihn nicht heute erst, ob er mit ins Freibad kommen wolle?“ Der Drache wartete keine Antwort ab. „Ich ging davon aus, dass nur ein Freund gebeten wird, so einer Einladung zu folgen!“
Felix runzelte die Stirn. Manchmal war ihm Fortunio wirklich unheimlich. Woher wusste er das alles? Konnte er Gedanken lesen?
„Er ist nicht mein Freund!“, wiederholte Felix, „Ich habe ihn nur gefragt, weil er mir leid tat!“
„Nur aus Mitleid also?“, hakte der Drache nach.
„Genau“, nickte Felix, „einfach aus Mitleid!“
Lautes Schimpfen unterbrach ihre Unterhaltung und sogar durch das geschlossene Fenster konnten sie einzelne Wortfetzen verstehen. Mirko stand mit gesenktem Kopf vor seinem Vater, sein Körper verdeckte seinen kleinen Bruder, der sich angstvoll an Mirkos T-Shirt klammerte.
„Er wird sie doch nicht schlagen, oder?“, wisperte Felix erschrocken.
Fortunio zuckte mit den Schultern.
„Heute vielleicht nicht, kam aber durchaus schon vor!“
„Warum hilfst du ihm dann nicht?“ Felix verstand den Drachen nicht. „Du bist doch ein Glücksdrache!“
„Manchmal“, erklärte Fortunio, „nützt ein Glücksdrache nicht so viel! Natürlich könnte ich den Vater daran hindern die Kinder zu schlagen! Heute! Jetzt! Und was ist morgen und übermorgen oder in einer einem Monat?“
Beschämt senkte Felix den Kopf und dachte nach.
„Aber irgendwie müssen wir ihm doch helfen!“
„Was Mirko jetzt am meisten benötigt, sind Freunde und zwar sowohl Gleichaltrige, als auch Erwachsene, die mit dem Vater sprechen! Dafür ist ein Glücksdrache ungeeignet! Jetzt bist du an der Reihe!“
Felix nickte langsam und blickte Fortunio fest in die goldenen Drachenaugen.
„Gleich morgen nach der Schule statte ich ihm einen Besuch ab!“, versprach er, „Meinst du, ich soll mal mit meinen Eltern darüber sprechen? Ich meine, sie kennen eine Menge Leute! Vielleicht fällt ihnen eine Lösung für dieses Problem ein?“
„Das ist eine gute Idee!“, lobte der Drache, „Und jetzt bringe ich dich wieder heim! Das heißt-!“ Er hielt seinen Kopf schief und grinste den Jungen liebevoll an. „Vielleicht hast du ja noch Lust auf einen kleinen Rundflug über die Stadt?“
Natürlich hatte er und kurz darauf schraubte sich der Drache fast geräuschlos in die Höhe und in weiten Kreisen überflogen sie München.
Am nächsten Tag klingelte Felix wie versprochen bei Mirko, doch niemand öffnete und so ging er unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Dort kramte er in seiner Schreibtischschublade nach der Klassenliste, suchte Mirkos Telefonnummer heraus und rief ihn auch sogleich an.
„Ja?“, blaffte jemand laut und verärgert, nachdem er es mindestens zehnmal klingeln ließ.
„Grüß Gott! Mein Name ist Felix Morgenroth. Mirko und ich gehen in dieselbe Klasse!“, stellte sich Felix höflich vor, „Könnte ich ihn bitte sprechen?“
„Bin ich seine Sekretärin?“, bellte Mirkos Vater unfreundlich in den Hörer und legte einfach auf.
Nachdenklich stellte Felix das Telefon zurück und überlegte. Plötzlich hatte er eine Idee. Mirko holte seinen kleinen Bruder vom Kindergarten ab und Felix ging davon aus, dass dies gestern keine Ausnahme, sondern die Regel war, und wahrscheinlich immer zur selben Zeit. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er ihn noch erwischen könnte, wenn er Glück hatte. Er lief nach unten und suchte im Gartenhaus seinen Basketball. Den Ball vor sich her tippend, hüpfte er die Straße entlang.
Und wirklich! Es dauerte keine fünf Minuten, da sah er die beiden Brüder um die Ecke biegen.
Scheinbar völlig auf sein Spiel konzentriert, blickte er erst auf, als sie fast vor ihm standen und er ihnen den Weg versperrte.
„Oh! Hallo! Ich habe euch gar nicht gesehen!“, schwindelte er und trat einen Schritt beiseite.
„Hallo!“, entgegnete Mirko leise und Felix überlegte fieberhaft, mit welchem coolen Spruch er ein Gespräch in Gang bringen könnte.
„Schade“, entgegnete er hastig, da die beiden einfach weiter gehen wollten, „dass du gestern nicht mit ins Freibad bist! War echt lustig!“
Schon wieder gelogen, dachte er ärgerlich und auch nicht besonders originell.
„Ist das dein Ball?“, fragte Mirkos Bruder und deutete auf den Basketball. Felix nickte und lächelte den Kleinen aufmunternd an, der den Ball mit sehnsüchtigem Blick betrachtete.
„Dennis komm!“, befahl Mirko, packte ihn an der Hand und wollte weiter.
„Darf ich auch mal spielen?“
„Na klar!“, entgegnete Felix, „Aber hier direkt an der Straße ist es ein bisschen gefährlich. Auf dem Sportplatz oder notfalls auf einem Spielplatz hättest du mehr Platz und man braucht keine Angst zu haben, dass der Ball auf die Straße rollt!“
Der Kleine nickte wichtig mit dem Kopf!
„Weiß ich doch!“, nuschelte er und warf seinem Bruder einen flehenden Blick zu, „Gehst du mit mir auf den Sportplatz?“
„Wir müssen heim!“, erwiderte dieser barsch und zog den Kleinen weiter.
Felix sah ihnen nach. Plötzlich drehte sich Mirko noch einmal um.
„Heute am Spätnachmittag, so gegen fünf!“
„In Ordnung!“, nickte Felix, „Ich werde da sein! Bis später dann!“
Er hob lässig die Hand zum Gruß, überquerte die Straße und verschwand im Hauseingang.
Den Ball legte er in die Garderobe und die Turnschuhe blieben dort liegen, wo er sie von den Füßen streifte, wohl wissend, dass er sich damit den Ärger seiner Mutter zuzog. Doch da diese heute ausnahmsweise den ganzen Tag arbeiten musste, hatte er noch viel Zeit alles ordentlich aufzuräumen.
In der Küche holte er eine Schüssel und die Packung Schokoflakes aus dem Schrank und stellte beides auf den Tisch.
„Gut gemacht!“, sagte plötzlich jemand und vor Schreck verschüttete Felix einen Teil der Milch.
Wieder einmal tauchte der Minidrache wie aus dem Nichts auf. Er stand neben der Cerealienschachtel und beäugte misstrauisch die Milch, die sich langsam den Weg in seine Richtung bahnte.
„Kannst du dich nicht bemerkbar machen?“, brummte Felix ungehalten und putzte unwillig die ausgeschüttete Flüssigkeit auf.
„Soll ich etwa klingeln?“, erkundigte sich Fortunio leicht eingeschnappt.
„Zum Beispiel!“, gab Felix, immer noch ärgerlich zurück.
„Am besten noch in meiner wirklichen Größe, oder wie!“, fauchte der Drache empört.
„Das würde bestimmt interessant werden!“, erwiderte Felix und konnte sich ein Lachen nicht verbeißen, „Du wärst auf einen Schlag berühmt!“
Der Minidrache richtete sich kerzengerade auf.
„Nur weil das Menschenvolk die Existenz von Fabelwesen leugnet, bedeutet das noch lange nicht, dass ich bei anderen Völkern nicht bekannt wäre!“, verkündete er hoheitsvoll, zog einen imaginären Hut und fügte hinzu, „In meiner Welt bin ich, wie nennt Ihr das doch gleich, ach ja, ein Star! Jawohl, ein allseits bekannter Star!“
„In Ordnung!“, lachte der Junge und deutete eine Verbeugung an, „Es ist mir eine Ehre eure Bekanntschaft machen zu dürfen und ich weiß es wohl zu würdigen, dass Ihr euch herablasst, um mit dem niederen Volk zu sprechen!“
„Schon besser!“, grinste der Drache und wedelte mit den Flügeln.
Felix setzte sich an den Tisch und begann zu essen.
„Oh, Verzeihung!“, sagte er gleich darauf undeutlich mit vollem Mund und schob Fortunio die Müslischachtel hin, „Möchtest du auch etwas essen?“
Der Glücksdrache kam näher und linste in die Müslischüssel, in der die Schokoflakes in der inzwischen braunen Milch schwammen und verzog angewidert das Maul.
„Nein, danke!“, entgegnete er, dann kam er einige Schritte näher. „Mal ganz ehrlich!“, flüsterte er Felix zu und betrachtete den Jungen voller Mitleid, „Das schmeckt? Und du isst das wirklich freiwillig?“
Felix musste lachen und verschluckte sich prompt.
„Ganz freiwillig!“, versicherte er prustend, „Und es schmeckt wesentlich besser als es aussieht!“
„Aha“, brummte Fortunio wenig überzeugt, sparte sich jedoch jeden weiteren Kommentar und sah Felix schweigend zu, wie dieser die Müslischüssel leerte und sich noch einmal nachfüllte. Anschließend stellte er das Geschirr in die Spüle und die Milch zurück in den Kühlschrank.
„Nachher treffe ich mich mit Mirko und seinem Bruder“, berichtete der Junge, „aber ich nehmen an, das weißt du schon!“
Fortunio nickte, sagte jedoch vorerst nichts.
„Kommst du mit?“, wollte Felix wissen.
„Möchtest du das denn?“, fragte der Drache zurück.
„Mmh!“, antwortete der Junge gedehnt, „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht!“ Er überlegte! „Wenn ich nein sage, flatterst du dann trotzdem hinterher?“
„Du bist ja ganz schön misstrauisch!“, brummelte der Glücksdrache und stieß einen theatralischen Seufzer aus, „Nein, das würde ich natürlich nicht tun! Es sei denn, ich wüsste dich in Gefahr. In so einem Fall sähe ich es als meine Pflicht an, deinen Wunsch zu ignorieren. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass auf dem Sportplatz irgendetwas passiert!“
„Ich glaube dir!“, versicherte Felix lächelnd, „Ich würde mich aber freuen, wenn du mich begleitest!“
„Wenn du mich natürlich so nett bittest!“, grinste der Drache, umkreiste mit einigen Flügelschlägen rasch den Küchentisch und landete anschließend wieder direkt vor dem Jungen.
Kurz vor siebzehn Uhr klemmte Felix seinen Basketball auf den Gepäckträger seines Fahrrads und radelte zum Sportplatz. Obwohl der Junge wusste, dass der Glücksdrache ihn begleitete, blieb dieser vor menschlichen Blicken verborgen und zeigte sich nicht.
Die Kirchturmuhr der nahegelegenen Kirche schlug gerade Fünf, als Felix über den Platz schlenderte und nach Mirko und Dennis Ausschau hielt. Die beiden saßen am Rand der Wiese im Gras und sahen den Fußballern beim Training zu.
„Hallo!“, sagte Felix freundlich.
„Hallo!“, entgegnete Dennis und lächelte Felix schüchtern an.
„Hätte ja wetten können, dass du nicht kommst!“, brummte Mirko und schützte seine Augen mit einer Hand vor der Sonne, als er zu Felix hochsah. Die Brüder standen auf und zu dritt steuerten sie einen der Plätze mit einem Basketballkorb an.
„Schon mal gespielt?“, erkundigte sich Felix bei Dennis. Dieser schüttelte nur den Kopf.
„Ok!“, meinte Felix, „Dann zeigen wir dir jetzt erst einmal wie man den Ball auf den Boden tippt und dann üben wir Körbewerfen, wenn du möchtest.
Dennis nickte begeistert mit dem Kopf! Felix und Mirko warfen sich den Ball einige Male zu, liefen einige Schritte, während sie gleichzeitig den Ball auf den Boden tippten, stießen sich vom Untergrund ab und platzierten den Ball im Korb.
„Ich wusste gar nicht“, richtete Dennis leise das Wort an seinen Bruder und sah ihn schüchtern von der Seite an, „dass du Basketball spielen kannst!“
„Dein Bruder beherrscht praktisch alle Ballsportarten ziemlich gut!“, lobte Felix Mirko, doch der verzog keine Miene, sondern warf seinem Bruder den Ball zu.
„Los jetzt bist du dran!“
Dennis schnappte sich den Ball und versuchte damit zu laufen, doch meistens verlor er ihn und der Ball rollte an den Spielfeldrand.
„So wird das nie was!“, schimpfte Mirko und sah seinen Bruder finster an. Mit hängenden Schultern stand Dennis auf dem Platz und zuckte bei jedem Wort, das ihm Mirko entgegen schleuderte furchtsam zusammen. Felix hatte den Eindruck, als ob er gleich weinen würde.
„Warte!“, mischte er sich ein, „Ich zeig’s dir noch einmal!“ Er ging zu ihm hinüber, nahm den Ball und während er diesen mit der linken Hand von unten stützte, legte er die rechte Hand mit gespreizten Fingern darauf. „So muss die Hand auf dem Ball liegen, dann verlierst du ihn nicht, wenn du tippst. Das muss man eine Weile üben, genau wie das Körbewerfen! Probier es doch einfach einige Male!“, versuchte Felix den Kleinen aufzumuntern.
Dennis nickte eifrig, nahm den Basketball und begann auf’s Neue. Die beiden anderen ließen sich am Spielfeldrand nieder und sahen dem kleinen Jungen zu.
„Warum spielst du eigentlich nicht mehr beim TSV?“, unterbrach Felix nach einiger Zeit das Schweigen.
„Geht dich nichts an!“, gab Mirko patzig zurück.
Fieberhaft überlegte Felix, wie er Mirko zum Reden bringen könnte, doch es wollte ihm nichts einfallen. Vielleicht sollte er einfach über ganz belanglose Dinge mit ihm reden?
„Laß ihm Zeit!“, flüsterte ihm da eine Stimme ins Ohr.
Vorsichtig drehte Felix den Kopf, aber er konnte Fortunio nirgends erblicken. Doch er folgte seinem Rat und so saßen sie stumm nebeneinander.
„Tut mir leid!“, murmelte Mirko irgendwann und starrte auf seine Schuhspitzen, „Ich wollte nicht so unhöflich sein, aber-!“ Er schluckte. Es entstand eine lange Pause und Felix merkte, wie schwer es ihm fiel weiterzureden.
„Unser Vater hat vor einem Jahr seine Arbeit verloren. Seitdem ist nichts mehr wie es war!“ Mirko redete leise und fast machte es den Eindruck, als ob er zu sich selbst spräche. „Er lungert nur noch auf dem Sofa herum, schaut fern und trinkt Bier! Ich kann nicht zum Training, ich muss doch Dennis abholen und auf ihn aufpassen! Wenn er schlechte Laune hat, also ständig, seit unsere Mutter auf Kur ist, schreit er uns an und manchmal-“ Er brach ab und vergrub den Kopf in seinen Händen.
„Manchmal schlägt er euch?“, fragte Felix sanft nach.
Mirko nickte fast unmerklich.
„Ich kann nicht ins Training!“, erklärte er trotzig, „Wenn ich nicht da bin, wer passt dann auf Dennis auf?“
Felix war klar, dass Mirko Angst um seinen kleinen Bruder hatte.
„Wann kommt denn eure Mutter wieder?“, wollte er wissen.
„Erst in vier Wochen!“, seufzte Mirko.
„Und du kümmerst dich in der Zeit um den Haushalt und um deinen Bruder? Aber was ist mit der Schule? Du musst doch auch lernen!“, erkundigte sich Felix entsetzt.
Mirko zuckte nur mit den Schultern.
„Ich hätte einen Vorschlag!“, sagte Felix vorsichtig, „Hör’ ihn dir an und denke in Ruhe darüber nach! Ok?“
Misstrauisch betrachtete Mirko Felix von der Seite, nickte jedoch mit dem Kopf.
„Meine Mutter kennt jemanden, der beim Sozialdienst arbeitet und mein Vater ist Arzt! Ich könnte ihnen deinen Fall schildern, wenn du willst, ohne deinen Namen zu nennen, zunächst wenigstens, und sie bitten, mir mitzuteilen an wen man sich da wenden könnte!“
Mirko presste die Lippen aufeinander, entgegnete jedoch erst einmal nichts, da in diesem Augenblick Dennis auf sie zugelaufen kam und sie bat, mit ihm eine Runde Basketball zu spielen.
Sie taten ihm den Gefallen und spielten eine Weile zu dritt, dann machten sie sich auf den Heimweg. Die beiden Brüder gingen zu Fuß, während Felix sein Fahrrad nebenher schob. An der Straßenecke verabschiedeten sie sich.
Felix stieg auf sein Rad, setzte seinen Helm auf und wollte eben losfahren, als Mirko sich noch einmal umdrehte.
„Ich hab’s mir überlegt! Du kannst es ihnen erzählen! Wer weiß, vielleicht nützt es ja wirklich etwas!“
„In Ordnung!“, rief Felix und winkte ihnen noch einmal zu.
Daheim stellte er sein Fahrrad in die Garage und schloss das Tor sorgfältig hinter sich zu.
„Gut gemacht!“, raunte ihm Fortunio ins Ohr.
„Was meinst du?“ Felix runzelte die Stirn.
„Na, du hast es geschafft, dass Mirko dir von seinen Problemen erzählt!“, lobte der Drache.
„Genau genommen“, stellte Felix trocken fest, „begann er ganz von alleine zu reden. Im Gegenteil, wenn ich etwas zu ihm sagte, reagierte er darauf ziemlich ungehalten! Und seine Sorgen verringern sich nicht, nur weil er sie mir anvertraut!“
„Nein, nein, nein!“, widersprach Fortunio, „Wie heißt das Sprichwort bei euch Menschen noch einmal?“ Er legte den Kopf schief und dachte nach. „Ach ja“, rief er, „Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen! Es war mir nur eben entfallen! Also ich finde, du kannst ruhig stolz auf dich sein!“
„Kommst du noch mit?“, erkundigte sich Felix, ohne darauf näher einzugehen.
„Ähm“, entschuldigte sich Fortunio und schlug verlegen mit den Flügeln, „Ich habe noch einen anderen Termin! Aber keine Sorge, morgen bin ich wieder zurück, oder spätestens übermorgen!“
Beim Abendessen ergab sich die seltene Gelegenheit mit beiden Eltern gleichzeitig zu sprechen und so erzählte er, zunächst stockend, von Mirko, seinem kleinen Bruder und deren Problemen. Er berichtete, dass der Vater vor ungefähr einem Jahre seine Arbeit verlor und immer öfter Alkohol trank. Danach rastete er besonders leicht aus, vor allem, wenn die Mutter nicht da war, und schlug auch hin und wieder zu.
Entsetzt lauschten die Eltern Felix’ Bericht. Anschließend legte sich minutenlanges Schweigen über den Abendbrottisch. Felix schob schließlich den Teller von sich, er hatte keinen Appetit mehr und seinen Eltern ging es ebenso.
„Ich werden morgen mal die Sabine anrufen, die Leiterin des Familienzentrums.“, erklärte die Mutter schließlich. „Sie ist ausgebildete Familienpädagogin und -therapeutin. Sie weiß bestimmt Rat oder kann uns zumindest einen Namen beziehungsweise eine Telefonnummer nennen!“ Sie stand entschlossen auf und begann den Tisch abzuräumen.
„Wenn sich herausstellt“, mischte sich nun auch sein Vater mit ruhiger Stimme ein, „dass Mirkos Vater wirklich ein Alkoholproblem hat, dann besorge ich ihm einen Therapieplatz. Ich kenne da jemanden, einen Kollegen, der wird uns sicherlich weiterhelfen!“
Felix atmete erleichtert auf. Seine Überlegungen trugen Früchte und jetzt konnte er nur noch hoffen, dass alles möglichst schnell passierte, damit Mirko und Dennis wieder ein geregeltes Familienleben führen konnten, ohne Angst vor einem betrunkenen Vater. Und vielleicht spielte Mirko dann wieder in der Schülermannschaft, entweder Fuß- oder Basketball. Er konnte beides gut. Dann hätten sie wieder gute Chancen beim nächsten Schulwettkampf zu gewinnen. Keiner konnte so geschickt mit dem Ball am Fuß dribbeln wie Mirko, dachte Felix ein bisschen neidisch, denn er selbst war eine völlige Niete am Ball. Klar, er holte bei jedem Leichtathletikwettkampf im Sprint über 100 oder 200 Meter eine Medaille, aber Anerkennung bei den Mitschülern brachte dies nur in geringem Maß.
Felix stieg die Treppe in den ersten Stock hoch und legte sich auf sein Bett. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte er an die Decke. Wo blieb nur Fortunio? Er musste ihm unbedingt eine Frage stellen.
Da er heute Abend zu nichts Lust hatte, beschloss er ausnahmsweise einmal früh zu Bett zu gehen. Normalerweise las er noch mindestens eine halbe Stunde, oft sogar länger, darüber vergaß er dann meist die Zeit und musste am nächsten Tag unausgeschlafen zur Schule gehen. Doch heute blieb sein Buch unbeachtet auf dem Nachtkästchen liegen. So viele Gedanken schwirrten ihm im Kopf herum, dass er sich sicherlich nicht auf ‚Eragon’ konzentrieren konnte. Fortunio ließ sich jedoch nicht blicken und irgendwann fielen Felix vor Müdigkeit die Augen zu.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, sah sich Felix suchend im Zimmer um. Er stand auf und hob einen Wäschestapel hoch, den er längst hätte in seinen Kleiderschrank räumen müssen. Er wühlte im Haufen mit der Dreckwäsche, die ihren Weg in die Waschküche einfach nicht alleine fand, doch nirgends entdeckte er eine Spur seines Glücksdrachens. Ein wenig enttäuscht ging er frühstücken und kurze Zeit später machte er sich auf den Weg in die Schule. An der Ecke traf er sich mit Lukas und sie radelten gemeinsam weiter. Sie suchten sich einen freien Platz für die Fahrräder, schlossen sie ordentlich ab und schlenderten gemächlich auf den Eingang zu.
Auf der großen Haupttreppe verdichtete sich der Schülerstrom und es ging nur noch sehr langsam vorwärts. Weiter vorne bemerkte er Mirko. Dieser drehte sich um, als ob er Felix’ Blick gespürt hätte und hob leicht die Hand. Felix erwiderte lächelnd den Gruß und ließ sich von dem Gewusel mitziehen. Im ersten Stock verteilten sich die Kinder, manche mussten hier nur noch ihre Klassenzimmer aufsuchen, der Rest ging in den zweiten oder dritten Stock. Da der Unterrichtsbeginn unmittelbar bevorstand, beeilte man sich. Mit dem Schulgong witschten sie gerade noch rechtzeitig ins Klassenzimmer.
Ein ereignisloser Vormittag ging vorüber. Der Deutschlehrer sammelte die Aufsätze ein und auch Mirko zog ein leicht verknittertes Blatt Papier hervor. Der Lehrer zog verwundert die Augenbraue hoch, legte den Aufsatz jedoch kommentarlos zu den anderen.
Mirko warf Felix einen kurzen Blick zu und Felix nickte ihm lächelnd zu.
Fünf Tage später erhielten sie die Aufsätze korrigiert und benotet zurück. Diese Bewertung zählte jedoch nicht und diente nur dazu, dass die Kinder besser einschätzen konnten, ob sie die Vorgaben des Lehrers umgesetzt hatten oder welche Teile noch verbesserungswürdig waren.

Abends lag Felix auf seinem Bett, hörte Musik und las ein Buch. Als er meinte ein Geräusch zu hören, stellte er die Lautstärke seiner Stereoanlage niedriger und lauschte. Richtig! Da klopfte jemand an seine Fensterscheibe. Felix sprang auf und öffnete die Balkontüre.
„Seit wann so förmlich?“, fragte er grinsend und ließ Fortunio hinein.
„Wenn ihr auch alle Türen und Fenster geschlossen haltet!“, maulte der Drache und tappte möglichst würdevoll über den Teppich, „Es ist Sommer und ihr verbarrikadiert euch geradezu! Ts, ts, ts! Das nächste Mal fliege ich wieder nach Hause!“
„Freut mich dich zu sehen! Was verschafft mir denn die Ehre?“, entgegnete Felix lächelnd, ohne auf die Beschwerde einzugehen.
„Kann ich denn nicht einfach so vorbei schauen?“
„Selbstverständlich!“, gab ihm der Junge recht, „Doch da ich weiß, wie kostbar die Zeit eines Glücksdrachen ist und wie knapp bemessen seine freie Zeit ...!“
„Ja, ja, schon gut!“, unterbrach Fortunio und wedelte mit den Flügeln, „Ich wollte mich nur erkundigen, ob es dich zufällig interessiert, wie es Mirkos Familie geht?“
Felix nickte eifrig.
„Klar möchte ich das wissen, aber ich habe mich nicht getraut ihn in der Schule zu fragen. Allerdings macht er neuerdings wieder seine Hausaufgaben und gestern wollte er wieder ins Training! Also geht’s ihm wohl besser!“
Felix hielt inne und betrachtete den Glücksdrachen nachdenklich.
„Woher weißt du das eigentlich?“
„Ich habe da so meine Methoden!“, entgegnete Fortunio bescheiden, doch seine goldenen Augen blitzten und Felix erkannte darin den Stolz des Drachens auf seine Fähigkeit alles zu wissen oder zu erfahren.
„Ach ja?“ Felix ließ sich wieder auf sein Bett fallen. „Und welche Methoden sind das, wenn man fragen darf?“
„Das, mein liebes Menschenkind“, erwiderte Fortunio und landete auf dem Kopfkissen, „ist eines unserer Drachengeheimnisse!“
Der Drache drehte sich ein paar Mal im Kreis und suchte sich eine bequeme Position. Wie ein Hund, bevor er sich in sein Körbchen legt, dachte Felix und musste grinsen, hütete sich allerdings seine Gedanken laut auszusprechen.
„Deine Eltern haben Wort gehalten!“, begann der Drache, wurde jedoch sofort von Felix unterbrochen.
„Hast du daran vielleicht gezweifelt?“, entrüstete sich der Junge.
„Nein“, beschwichtigte Fortunio, „Andererseits, wenn ich es mir genau überlege, wollte dein Vater nicht letzten Herbst mit dir zu einem Basketballspiel gehen?“
„Ja, schon! Aber er musste dann zu einem wichtigen Ärztekongress!“, verteidigte Felix seinen Vater, obwohl er sich genau daran erinnerte, dass er damals ziemlich sauer war. Verärgert und vor allem enttäuscht! Doch woher wusste der Glücksdrache das schon wieder?
„Drachengeheimnis!“, erklärte Fortunio, als ob er Gedanken lesen könnte.
„Zurück zu Mirko!“, wechselte der Drache das Thema, „Das Jugendamt hat ausnahmsweise einmal schnell reagiert und für die Dauer des Kuraufenthaltes der Mutter eine Haushaltshilfe zur Verfügung gestellt, die der Familie einige Stunden am Tag zur Hand geht und auch Dennis vom Kindergarten abholt! Der Vater ist in therapeutischer Behandlung, meldete sich inzwischen auch beim Arbeitsamt als arbeitssuchend und hat nächste Woche ein Vorstellungsgespräch in einer Druckerei! Mirko darf wieder ins Fußballtraining, der Vereinsbeitrag wird ausgesetzt, bis der Vater wieder einen Job hat! Ich glaube“, endete Fortunio, „das wäre das Wichtigste!“
„Wow“, entfuhr es Felix, „Das hast du wirklich gut hingekriegt!“
Der Glücksdrache schüttelte den Kopf.
„Nein! Nicht ich, du hast Mirko geholfen! Naja, und deine Eltern natürlich!“
Felix errötete leicht, doch dann fiel ihm etwas ein und das machte ihn traurig.
„Nachdem die Sache mit Mirko ein glückliches Ende gefunden hat, verschwindest du wieder!“, stellte er leise fest.
„Ja“, gab der Drache zu, „aber du weißt doch, dass ich immer wieder komme. Und wenn du Hilfe brauchst, musst du mich nur rufen!“

Kapitel 6: Ein Drache im Freibad
Das Wetter blieb die nächste Zeit sommerlich warm. Felix und seine Schulkameraden nutzten die Schönwetterperiode und verbrachten jede freie Minute im Freibad.
So auch an jenem Donnerstagnachmittag. Zunächst hatte Felix Gitarrenunterricht. Es machte ihm Spaß und normalerweise ging er ganz gerne zu seinem Gitarrelehrer, doch heute fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er wusste, die anderen trafen sich bereits um viertel vor zwei und da fing seine Stunde gerade erst an. Schwänzen kam jedoch nicht in Frage, darüber wachte seine Mutter mit Argusaugen. Doch jede Übungsstunde geht einmal zu Ende und da er die Gitarre nicht mit ins Schwimmbad nehmen wollte, radelte er zunächst nach Hause, tauschte seine Gitarrentasche gegen den Rucksack mit den Badesachen und machte sich anschließend endlich auf den Weg ins Freibad.
So schnell er konnte trat er in die Pedale. Er kam dabei gehörig ins Schwitzen.
„Ganz schön schnell!“, raunte ihm jemand ins Ohr, „Zumindest für ein Menschenkind!“
„Spinnst du?“, fauchte Felix und versuchte gleichzeitig die Balance zu halten und den Glücksdrachen, der auf seiner Schulter gelandet war, anzusehen, „Fast wäre ich vom Radl gefallen. Ich hätte mir etwas brechen können!“
„Entschuldigung!“, erwiderte der Drache beleidigt und ein bisschen kleinlaut, „ich dachte, du freust dich. Ich wollte natürlich nicht, dass du einen Unfall baust!“
„Schon gut!“, brummte der Junge und konzentrierte sich wieder auf den Straßenverkehr, „Ich freu mich ja auch! Ich bin bloß so erschrocken! Was machst du eigentlich hier? Wieder ein Stückchen Welt retten?“
„Nein“, sagte Fortunio fröhlich, „mir ist eingefallen, dass ich noch niemals in einem Freibad war!“
„Aha“, meinte Felix skeptisch, „und du hältst das für eine gute Idee?“
„Da der Einfall von mir stammt“, entgegnete Fortunio ziemlich selbstgefällig, „muss er gut sein! Um nicht zu sagen - ausgezeichnet!“
„Na gut!“ Felix gab sich geschlagen. „Du bist während der ganzen Zeit unsichtbar und klein? Versprochen?“
„Ähm“, druckste der Glücksdrache herum, „also, unsichtbar auf alle Fälle. Ich weiß ja jetzt, wie schreckhaft die Menschen sind!“
„Du bleibst eine Minidrache!“, befahl Felix, „Versprich es!“
„Aber“, jammerte der Drache vorwurfsvoll, „ich fühle mich viel wohler, wenn ich meine wahre Größe einnehmen kann!“
„Nichts da!“, widersprach der Junge, „Dort ist es eng! Es gibt wenig Platz und schon gar nicht für einen so riesigen Drachen, selbst wenn er unsichtbar ist!“
„Das ist unfair!“, versuchte Fortunio nochmals seinen Freund zu überzeugen, doch Felix blieb unerbittlich und so gab der Drache schließlich grummelnd nach.
Einige Minuten lang sprachen sie kein Wort und erst als Felix sein Fahrrad an einen Baum lehnte, die vorgesehenen Abstellplätze boten nicht mehr die geringste Lücke, fragte er: „Kannst du eigentlich schwimmen?“
„Selbstverständlich!“, antwortete der Drache und krallte sich an der Schulter des Jungen fest, um nicht herunter zu plumpsen, als dieser sich vorbeugte und sein Fahrrad abschloss. „Glaubst du“, fügte er hinzu, „wir hätten uns eine Insel ausgesucht, wenn nicht jeder einzelne von uns ein ausgezeichneter Schwimmer wäre!“
„Hätte mich auch gewundert!“, murmelte Felix und reihte sich in die Schlange ein, die sich jeden Nachmittag vor dem Kassenhäuschen bildete.
Der Junge zahlte und hielt dann nach Lukas Ausschau. Lukas überragte alle anderen Jungs um mehr als einen Kopf und es dauerte nicht lange, da erspähte Felix seinen Freund.
Er zog sich in Windeseile um und die ganze Bande verlegte ihre Aktivitäten ins Wasser.
Es ging hoch her und niemandem fielen die kleinen Fontänen auf, die mal hier, mal dort aus dem Wasser aufstiegen oder die einzelnen Wellen, die im Zickzack das Becken durchquerten.
Hin und wieder ermahnte der Bademeister die Jungen, wenn sie im Eifer des Gefechts die anderen Badegäste vergaßen, doch meist reichte ein kurzer Pfiff in seine Trillerpfeife, denn keiner wollte es riskieren dem Wasser verwiesen zu werden.
Irgendwann kamen sie prustend und lachend zu ihrem Platz zurück. Die meisten zogen sofort weiter in Richtung Kiosk, wo sie sich mit Pommes, Cola oder Eis eindeckten. Felix hatte weder Hunger noch Durst und so legte er sich auf sein Handtuch, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und betrachtete die weißen Wölkchen, die vereinzelt träge vorüberzogen. Auch Mirko blieb hier und so starrten sie gemeinsam schweigend in den strahlend blauen Himmel.
Es dauerte nicht lange und die anderen kehrten unter wildem Geschrei zurück, wofür sie manch bösen Blick der übrigen Badegäste ernteten.
Als auch das letzte Pommes verzehrt und kein Tropfen Cola in den Flaschen zurückblieb, entschieden sie Fußball zu spielen. Und so rannte die ganze Gruppe an den Rand der Liegewiese. Dort gab es ausreichend Platz und sie störten niemanden.
Sie bildeten rasch zwei Mannschaften und eine Weile kickten sie friedlich hin und her.
„He!“, schrie Sebastian empört, der sich soeben auf den Hosenboden gesetzt hatte und starrte Lukas böse an, „Du spinnst wohl! Du kannst mich doch nicht einfach so wegschubsen!“
„Der spinnt!“, verteidigte sich Lukas und tippte sich mit dem Finger an die Stirn, „Ich hab’ dich überhaupt nicht berührt!“
Kurz darauf beschimpfte Mirko Philipp und machte ihn dafür verantwortlich, dass er ihn so unsanft zur Seite geschoben habe, dass er stolperte und hinfiel. Da schwante Felix, wer hier mit unfairen Methoden spielte.
„Fortunio“, zischte er in Richtung Ball, „hör sofort auf damit!“
„Hä?“ Alex sah ihn verwundert an. „Meinst du mich?“
„Wie bitte?“, fragte Felix.
„Du hast doch gerade was zu mir gesagt?“, erklärte Alex ungeduldig.
„Quatsch!“ Felix schüttelte den Kopf und lief weiter dem Ball nach, gab es jedoch bald auf. Er entschuldigte sich bei den anderen mit der Ausrede, er müsse mal auf die Toilette.
Dort umrundete er das Toilettenhäuschen, hoffte, dass Fortunio ihm folgte, lehnte sich an die Mauer und wartete.
„Warum soll ich nicht mitspielen?“, fragte kurz darauf eine Stimme. Felix hob den Kopf. Der Glücksdrache saß auf der Regenrinne über ihm und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Das ist ein sehr lustiges Spiel und ich verstehe deine Aufregung überhaupt nicht!“
„Sehr richtig!“, erklärte Felix geduldig, „Es ist ein Spiel, wobei sich alle amüsieren sollen. Es macht jedoch keinen Spaß, wenn man ständig von einem Drachen geschubst wird und im Dreck landet!“
„So dreckig ist die Wiese nun auch wieder nicht!“, verteidigte sich Fortunio, „und außerdem fallt ihr auch ohne meine Hilfe hin!“
„Aber es ist einfach nicht fair!“, versuchte der Junge es noch einmal, „Erstens bist du sehr groß, hast mehr Kraft und außerdem können die anderen dich nicht sehen! Ganz davon abgesehen: Hattest Du nicht versprochen, ein Minidrache zu bleiben? Und hast du dir mal den Boden angesehen?“
„Ich weiß nicht, was du meinst?“, schwindelte der Drache.
Blinzelnd, da von der Sonne geblendet, betrachtete Felix seinen Glücksdrachen.
„Du verstehst mich ganz genau!“, gab er deshalb knapp zurück, „Und wir bekommen dann den Ärger!“
„Daran habe ich nicht gedacht!“, gab Fortunio kleinlaut zu.
„Lass uns zurück gehen!“, erwiderte Felix, „Spiel doch als Minidrache mit! Das würde bestimmt nicht auffallen!“
„Blöder Vorschlag!“, beschwerte sich Fortunio empört, „Wenn der Ball über mich hinwegrollt, bin ich bald ein ziemlich platter Drache! Nein, nein, nein! Kommt gar nicht in Frage! Dann schaue ich schon lieber zu!“
Die beiden liefen wieder zu den anderen und während Felix wieder mitspielte, flatterte der Drache auf den untersten Ast eines Baumes und sah ihnen zu. Nach einer Weile wurde es ihm zu langweilig und er flog ein paar Runden über das Freibad.
Er überquerte gerade das Schwimmerbecken zum dritten Mal und hielt nach spielenden Kindern Ausschau, als er einen kleinen Jungen bemerkte, der seinen Ball immer wieder von sich wegwarf, ihm nachrannte und zurückholte. Der Ball rollte dabei jedesmal ein Stückchen näher ans Wasser. Gefährlich nahe!
Fortunio beobachtete ihn eine Weile, doch der Ball kam immer rechtzeitig zum Stehen oder der Knirps holte ihn ein. Übrigens ein schöner Ball, fand Fortunio, naja vielleicht ein bisschen kitschig, aber was soll’s- pink mit neongrünen Drachen!
Schreiende Jugendliche lenkten Fortunio schließlich ab. Vier Jungs hatten ein Mädchen an Händen und Füßen gepackt und trugen sie in Richtung Eiskanal. Das Mädchen wand sich und kreischte. Es landete etwas unsanft im kalten Wasser, tauchte kurz unter, um dann prustend und lachend gleich darauf an der Wasseroberfläche zu erscheinen.
Der Drache wollte sich soeben wieder zu Felix und seinen Freunden gesellen, als sein Blick auf die Wasseroberfläche fiel. Dort schwamm ein Ball: pink mit neongrünen Drachen! Doch wo war das Kind? Fortunio erschrak fürchterlich und ohne nachzudenken, stürzte er sich dem Ball hinterher. Drachen können zwar besser fliegen als schwimmen, und sie sehen unter Wasser nur halb so elegant aus wie in der Luft, doch zweifellos tauchen sie besser als Menschen. Allerdings führt das nasse Element augenblicklich dazu, dass sie wieder ihre wahre Größe einnehmen. Und so passierte es, dass Fortunio zwar nicht direkt gesehen, doch seine Wellen bemerkt wurden.
„Da ist was im Wasser!“, rief ein Mädchen.
„Iiih!“, kreischte ein anderes, „Ein Krokodil!“
Schon schrieen alle durcheinander und verließen in heller Panik das Schwimmbecken.
Natürlich entging Felix und seinen Freunden die Aufregung nicht und neugierig näherten sie sich dem Beckenrand. Überall standen Badegäste und starrten auf das Wasser und überall hörte man dieselben Dialoge.
„Das ist bestimmt ein Krokodil!“
„Nein, eher eine Schnappschildkröte!“
„Quatsch! Ganz klar eine Wasserschlange! Schlangen gibt’s hier! Ich hab’ schon mal eine gesehen! War allerdings eine Ringelnatter!“
Felix schwante böses und so zwängte er sich zwischen den gaffenden Menschen hindurch und sprang hinein, ehe ihn jemand daran hindern konnte. Er kraulte zu der Stelle, an der sich die Oberfläche noch kräuselte.
Ein Raunen ging durch die Menge.
„He“, rief der Bademeister, „Komm sofort wieder raus! Spinnst du?“
„Fortunio!“, schimpfte Felix möglichst leise, aber doch laut genug.
„Luft holen!“, raunte ihm jemand ins Ohr und ehe er nachdenken konnte, packte ihn etwas und zog ihn in die Tiefe. Naja, bis zum Boden des Schwimmbeckens! Felix bemühte sich etwas zu erkennen, doch die Algen machten das Wasser trüb und so musste er sich darauf verlassen, dass Fortunio wusste, was er tat.
Plötzlich legte ihm Fortunio etwas in die Arme und Felix spürte, dass das ein Körper war. Fortunio schob die beiden so schnell er konnte zum Beckenrand und setzte sie oben ab. Seltsamerweise wunderte sich niemand, wie ein schmächtiger Junge wie Felix es wohl schaffen konnte, mit einem Satz aus dem Wasser zu gelangen, noch dazu mit einem Kleinkind auf dem Arm.
„Schnell! Einen Arzt!“, rief Felix und legte den kleinen Jungen vorsichtig ab.
„Ich übernehm’ das!“, erklärte der Bademeister und schob die Leute beiseite. Er erteilte Befehle, dann begann er mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Die Mutter des Kleinen war inzwischen weinend neben ihrem ohnmächtigen Kind auf die Knie gesunken. Es dauerte keine fünf Minuten da traf der Notarzt ein. Sobald sich die Türen des Krankenwagens schlossen, löste sich die Menge auf und bald war wieder der ganz normale Baderummel im Gange.
„Mensch Felix!“ Lukas haute seinem Freund anerkennend auf die Schultern. „Du bist ja ein richtiger Held!“
„Super! Felix!“, sagte Sebastian.
„Hätte ich dir gar nicht zugetraut! Echt toll!“, gab auch Alex seinen Kommentar dazu ab.
„Woher wusstest du eigentlich, dass der da unten lag?“, fragte ein anderer.
„Sein Ball“, flüsterte Fortunio ihm ins Ohr, „schwamm alleine auf dem Wasser!“
„Sein Ball“, wiederholte Felix, „schwamm alleine auf dem Wasser!“
„Da sind doch viele Bälle!“, gab Lukas zu Bedenken.
„Aber nur einer mit neongrünen Drachen drauf!“, soufflierte Fortunio und Felix wiederholte auch das.
„Du hast echt eine super Beobachtungsgabe!“ Lukas betrachte Felix voller Bewunderung und Felix errötete, angesichts so viel Lob, welches eigentlich nicht ihm, sondern Fortunio gebührte.
„Danke“, flüsterte Felix kurz darauf Fortunio zu, als er seine Badesachen zusammenpackte und im Rucksack verstaute, „danke, dass du auf den Jungen aufgepasst hast!“
„Keine Ursache!“, raunte dieser, „Dafür sind Glücksdrachen ja schließlich da! Und immerhin bist du einfach ins Wasser gesprungen, obwohl du gar nicht wissen konntest, ob da nicht vielleicht ein Krokodil drin schwimmt!“ Fortunio verlor vor Lachen das Gleichgewicht und purzelte ins Gras. „Ich bin noch nie für ein Krokodil gehalten worden, oder gar für eine Schnappschildkröte!“, prustete er und hielt sich den Bauch, so sehr musste er lachen.
 



 
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