Feuer im Wind - Kapitel 2.2
Die Dunkelheit war umfassend. Er besaß keine Sinne, die sie durchdringen konnten. Verzweifelt streckte er seinen Geist aus, um irgendetwas zu finden, das ihm Halt geben konnte.
Er fand etwas.
Einen Namen.
Sherathan.
Immer wieder hallte dieser Name durch sein Bewusstsein, gab ihm eine neue Gestalt. Er begann sich zu erinnern. Es waren nicht seine eigenen, sondern das gesamte Wissen des Drachenvolkes. Bilder überfluteten ihn. Er sah den ersten Urdrachen aus der Quelle trinken und sich vor der Frau mit den flammenden Flügeln verneigen.
Ilura.
Nun hatte er einen Namen für das Wesen, in deren Flammen sein altes, tierisches Selbst vergangen war. Sie war es, die die Drachen zu ihrem erwählten Volk gemacht hatte und ihnen eine Seele geschenkt hatte. Neue Bilder folgten, in denen die Drachen die Welt unterwarfen und die erste Königin in Drachenhall einzog. In wenigen Augenblicken erlebte Sherathan die Geschichte zahlloser Drachenleben und entstieg schließlich der Asche seines alten Seins.
Doch anstelle des Seeufers fand er einen prachtvollen Ballsaal vor. Marmor, Gold und edles, rot schimmerndes Holz vereinten sich zu einem beeindruckenden Kunstwerk, das von zwei riesigen Kristalllüstern, die unter der Kuppeldecke hingen erhellt wurde. Sherathan legte den Kopf in den Nacken, um die kunstvollen Bilder dort oben zu betrachten. Es waren farbenfrohe Darstellungen von Drachen, magischen Wesen und heldenhaften Menschen verwoben in Geschichten um dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Eine beschwingte Melodie lenkte seine Aufmerksamkeit fort von den Bildern und ließ ihn den Saal in Augenschein nehmen. Ein Streichquartett lud mit seiner Musik die anwesenden Gäste zum Tanz. Männer in edlen Uniformen führten Frauen in extravaganten Kleidern auf die marmorne Tanzfläche und schwebten mit ihnen im Takt der Musik durch den Raum. Befremdet beobachtete Sherathan das für ihn seltsame Treiben.
Menschen.
Sie verstanden das Wirken die Welt nicht, wie die Drachen es dank Iluras Gabe taten und konnten sie deshalb auch nicht beherrschen. Sklaven und Beute, mehr waren sie nicht. Das war es, was Sherathan über Menschen wusste.
Wie seltsam.
Wenn es niedere Tiere waren, wie konnten die Menschen dann so wundersame Dinge erschaffen wie diesen Saal, diese Musik? Wie konnten sie zu dieser Harmonie fähig sein, die sich in ihrem Tanz widerspiegelte? Sein Leben in den Tälern des Alracisgebirges war nur noch ein schwaches Echo, das in ihm widerhallte. Einfache Triebe hatten sein Leben bestimmt – fressen und gefressen werden. Da war kein Platz gewesen für Schönheit oder sogar Kunst, wie diese Menschen sie hier zelebrierten.
Während Sherathan darüber nachsann, bemerkte er ein Mädchen, das sich inmitten der tanzenden Paare allein zur Musik bewegte. Wirkten die anderen Anwesenden trotz ihrer prachtvollen Garderobe irgendwie blass und farblos, so umgab sie ein Glanz, der Sherathan magisch anzog. Ohne viel Rücksicht zu nehmen, drängte er sich zwischen den Menschen hindurch, um ihr näher zu kommen. Jetzt bemerkte er zum ersten Mal, dass auch er wie einer von ihnen aussah und die zerbrechliche Gestalt eines Menschen hatte. Vermutlich hätte es ihn beunruhigen sollen, mit einem Mal so schwach und ungeschützt zu sein. Aber für den Augenblick verschwendete er daran keinen Gedanken. Denn es gab nur noch sie beide auf der Tanzfläche in einem diffusen Kreis der anderen Gäste. Sie war von zarter, anmutiger Gestalt, die umspielt wurde von einem Kleid aus tiefsten Blau, in das silberne Fäden verwoben worden waren. Ihr braunes Haar war ein geflochtenes Kunstwerk gekrönt mit einer silbernen Tiara. Ihr selbstvergessenes Lächeln, während sie nur für sich allein tanzte, ließ sie erstrahlen. Mit einem Mal stand er vor ihr und sie stolperte in seine Arme. Ihre Blicke trafen sich und ließen einander nicht mehr los. Mit dem Finger strich er über die zarte Haut ihrer Wange. Er musste sie einfach berühren.
»Darf ich um den nächsten Tanz bitten?«, unterbrach Sherathan schließlich die Stille des Augenblicks. Wie von selbst waren ihm diese Worte von den Lippen gekommen. Er trat einen Schritt zurück und verneigte sich, während sie in einen anmutigen Knicks sank und ihre Hand in seine legte. Im Kreis der Zuschauer bewegten sie sich zu einem Walzer. Sherathans Füße fanden allein die richtigen Schritte und er Gefallen an der kunstvollen Einfachheit dieses Tanzes. Es war, als würde die Zeit still stehen. Ihr Anblick hatte ihn verzaubert und sein Herz berührt. Aber so stolz und sicher ihrer beiden Bewegungen waren, brachten sie doch kaum ein Wort hervor, bis der letzte Takt verklang.
Dann brach die flammende Hölle los. Ein Beben riss den Ballsaal auseinander. Die Gäste schrien und Feuer schlug durch die Fenster in den Raum, zerfraß die schweren Vorhänge und suchte sich neue Nahrung. Scharfkantige Felsen brachen aus dem Boden und trieben einen Keil zwischen Sherathan und seiner Tanzpartnerin. Angsterfüllt streckte sie die Hand nach ihm aus. Aber ihre Finger entglitten ihm und sie verschwand hinter fauchenden Flammen. Etwas packte ihn am Rücken und zerrte ihn hinaus in die kalte Dunkelheit.
Die Dunkelheit war umfassend. Er besaß keine Sinne, die sie durchdringen konnten. Verzweifelt streckte er seinen Geist aus, um irgendetwas zu finden, das ihm Halt geben konnte.
Er fand etwas.
Einen Namen.
Sherathan.
Immer wieder hallte dieser Name durch sein Bewusstsein, gab ihm eine neue Gestalt. Er begann sich zu erinnern. Es waren nicht seine eigenen, sondern das gesamte Wissen des Drachenvolkes. Bilder überfluteten ihn. Er sah den ersten Urdrachen aus der Quelle trinken und sich vor der Frau mit den flammenden Flügeln verneigen.
Ilura.
Nun hatte er einen Namen für das Wesen, in deren Flammen sein altes, tierisches Selbst vergangen war. Sie war es, die die Drachen zu ihrem erwählten Volk gemacht hatte und ihnen eine Seele geschenkt hatte. Neue Bilder folgten, in denen die Drachen die Welt unterwarfen und die erste Königin in Drachenhall einzog. In wenigen Augenblicken erlebte Sherathan die Geschichte zahlloser Drachenleben und entstieg schließlich der Asche seines alten Seins.
Doch anstelle des Seeufers fand er einen prachtvollen Ballsaal vor. Marmor, Gold und edles, rot schimmerndes Holz vereinten sich zu einem beeindruckenden Kunstwerk, das von zwei riesigen Kristalllüstern, die unter der Kuppeldecke hingen erhellt wurde. Sherathan legte den Kopf in den Nacken, um die kunstvollen Bilder dort oben zu betrachten. Es waren farbenfrohe Darstellungen von Drachen, magischen Wesen und heldenhaften Menschen verwoben in Geschichten um dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Eine beschwingte Melodie lenkte seine Aufmerksamkeit fort von den Bildern und ließ ihn den Saal in Augenschein nehmen. Ein Streichquartett lud mit seiner Musik die anwesenden Gäste zum Tanz. Männer in edlen Uniformen führten Frauen in extravaganten Kleidern auf die marmorne Tanzfläche und schwebten mit ihnen im Takt der Musik durch den Raum. Befremdet beobachtete Sherathan das für ihn seltsame Treiben.
Menschen.
Sie verstanden das Wirken die Welt nicht, wie die Drachen es dank Iluras Gabe taten und konnten sie deshalb auch nicht beherrschen. Sklaven und Beute, mehr waren sie nicht. Das war es, was Sherathan über Menschen wusste.
Wie seltsam.
Wenn es niedere Tiere waren, wie konnten die Menschen dann so wundersame Dinge erschaffen wie diesen Saal, diese Musik? Wie konnten sie zu dieser Harmonie fähig sein, die sich in ihrem Tanz widerspiegelte? Sein Leben in den Tälern des Alracisgebirges war nur noch ein schwaches Echo, das in ihm widerhallte. Einfache Triebe hatten sein Leben bestimmt – fressen und gefressen werden. Da war kein Platz gewesen für Schönheit oder sogar Kunst, wie diese Menschen sie hier zelebrierten.
Während Sherathan darüber nachsann, bemerkte er ein Mädchen, das sich inmitten der tanzenden Paare allein zur Musik bewegte. Wirkten die anderen Anwesenden trotz ihrer prachtvollen Garderobe irgendwie blass und farblos, so umgab sie ein Glanz, der Sherathan magisch anzog. Ohne viel Rücksicht zu nehmen, drängte er sich zwischen den Menschen hindurch, um ihr näher zu kommen. Jetzt bemerkte er zum ersten Mal, dass auch er wie einer von ihnen aussah und die zerbrechliche Gestalt eines Menschen hatte. Vermutlich hätte es ihn beunruhigen sollen, mit einem Mal so schwach und ungeschützt zu sein. Aber für den Augenblick verschwendete er daran keinen Gedanken. Denn es gab nur noch sie beide auf der Tanzfläche in einem diffusen Kreis der anderen Gäste. Sie war von zarter, anmutiger Gestalt, die umspielt wurde von einem Kleid aus tiefsten Blau, in das silberne Fäden verwoben worden waren. Ihr braunes Haar war ein geflochtenes Kunstwerk gekrönt mit einer silbernen Tiara. Ihr selbstvergessenes Lächeln, während sie nur für sich allein tanzte, ließ sie erstrahlen. Mit einem Mal stand er vor ihr und sie stolperte in seine Arme. Ihre Blicke trafen sich und ließen einander nicht mehr los. Mit dem Finger strich er über die zarte Haut ihrer Wange. Er musste sie einfach berühren.
»Darf ich um den nächsten Tanz bitten?«, unterbrach Sherathan schließlich die Stille des Augenblicks. Wie von selbst waren ihm diese Worte von den Lippen gekommen. Er trat einen Schritt zurück und verneigte sich, während sie in einen anmutigen Knicks sank und ihre Hand in seine legte. Im Kreis der Zuschauer bewegten sie sich zu einem Walzer. Sherathans Füße fanden allein die richtigen Schritte und er Gefallen an der kunstvollen Einfachheit dieses Tanzes. Es war, als würde die Zeit still stehen. Ihr Anblick hatte ihn verzaubert und sein Herz berührt. Aber so stolz und sicher ihrer beiden Bewegungen waren, brachten sie doch kaum ein Wort hervor, bis der letzte Takt verklang.
Dann brach die flammende Hölle los. Ein Beben riss den Ballsaal auseinander. Die Gäste schrien und Feuer schlug durch die Fenster in den Raum, zerfraß die schweren Vorhänge und suchte sich neue Nahrung. Scharfkantige Felsen brachen aus dem Boden und trieben einen Keil zwischen Sherathan und seiner Tanzpartnerin. Angsterfüllt streckte sie die Hand nach ihm aus. Aber ihre Finger entglitten ihm und sie verschwand hinter fauchenden Flammen. Etwas packte ihn am Rücken und zerrte ihn hinaus in die kalte Dunkelheit.