Ein Vögelchen im Käfig
Mit einem Aufschrei fuhr Celina aus dem Schlaf hoch. Ihr Herz raste und es dauerte mehrere Atemzüge, ehe sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst wurde – ihr Bett in ihrem Gemach im Ostflügel der Burg Luthring. Der schwere Himmel aus dunkelgrünem Samt war zugezogen, sodass erstickende Dunkelheit über ihr lastete, und ihre Decken und Laken völlig zerwühlt. Fahrig tastete die Prinzessin nach der Kordel, um die Vorhänge zu öffnen. Gerade hatte sie sich von ihren Decken befreit und setzte ihre Füße auf das weiche Lammfell vor ihrem Bett, als Margarete ins Zimmer gestürmt kam. Die Zofe mit den stets vor Aufregung geröteten Wangen, sah ihre Schutzbefohlene besorgt an.»Prinzessin! Was ist geschehen? Ihr habt geschrien.«
»Nur ein Traum. Alles gut. Es war nur ein Traum«, beschwichtigte Celina sie mit den Gedanken noch immer den seltsamen Bildern nachhängend, die noch immer so real schienen.
»Ihr zittert ja, Kind.«
Sofort war Margarete dabei, die Prinzessin in eine Decke zu hüllen.
»Ich brauche frische Luft«, lächelte Celina ihre Zofe entschuldigend an und ging zum geschlossenen Fenster, »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Aber der Traum – er war so real.«
Margarete öffnete beflissen die hölzernen Läden und ließ die frische Luft den anbrechenden Morgens herein. Zartes Rosa färbte bereits den Horizont des von Sternen erleuchteten Himmels und kündigte den nahen Sonnenaufgang an. Tief atmete Celina durch und die Traumbilder verloren langsam ihren Schrecken.
»Ich träumte von einem Ball im großen Saal«, berichtete sie schließlich mit einem entrückten Blick nach draußen, »Da sah ich ihn. Er war auf einmal da und wir tanzten. Es war wunderbar.« Kichernd wandte sie dem Fenster den Rücken zu und lehnte sich gegen die Fensterbank. Mit einem gutmütigen Lächeln nahm Margarete die Hände der Prinzessin in ihre.
»Aber das klingt doch gar nicht grauenerregend. Wer war er denn? Wie sah er aus?«
»Oh, er war wirklich stattlich und gutaussehend, mindestens der Sohn eines Grafen oder ein verdienter Offizier«, schwärmte Celina, »Aber ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Er war einfach da und sah mich an mit diesem Blick, während wir tanzten. Ich bin mir sicher, dass er mich küssen wollte.«
Übermütig zog sie Margarete einfach mit sich und tanzte durch ihr Zimmer. Etwas unbeholfen stolperte die füllige Frau Celina hinterher.
»Und hat er es getan?«, schnaufte sie und war dankbar, dass sich die Prinzessin rückwärts auf ihr Bett fallen ließ. Alle Unbeschwertheit fiel von Celina ab, als die Eindrücke des Traumes sie erneut überkamen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken.
»Alles wurde zerstört. Plötzlich war überall Feuer. Die Erde bebte und Drachen. Da waren Drachen. Sie haben ihn gepackt und in die Finsternis getragen.« Margarete hatte Mühe Celinas Ausführungen zu verstehen, die ihre Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Behutsam nahm die Zofe sie in die Arme und wiegte sie sacht.
»Ist gut mein Täubchen. Es war nur ein Traum. Drachen hat es hier seit über 300 Jahren nicht mehr gegeben.«
Aufgelöst nickte Celina. Margarete hatte sicher recht. Aber es hatte sich alles so real angefühlt. Noch immer spürte sie den fesselnden Blick der purpurnen Augen auf sich ruhen und spürte die Wärme seiner Hand auf ihrer Wange, was ihr ein wohliges Schaudern verursachte und ihren Herzschlag beschleunigte. Konnte es wirklich einfach nur ein Traum gewesen sein?
Fürsorglich wachte Margarete über Celine bis diese wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen war.