Feuer und Wasser; 2.Kapitel

2. Kapitel
Feya bemerkte erst gar nicht, dass der Priester sich bewegte und schreckte auf, als sie sein leises Stöhnen vernahm. Sie griff nach dem Dolch und kauerte sich dicht neben ihn auf den Boden. Plötzlich riss er die Augen auf und blickte sie direkt an. Feya war irritiert über die Klarheit seines Blickes, normalerweise hätte er trüb sein müssen, oder zumindest verschlafen wirken müssen, doch nichts von alledem traf zu.
Sie versank förmlich in ihnen. Verwirrt schüttelte sie sich, wie um sich loszureißen und sah auf den Lappen, den sie ihn um den Kopf geschlungen hatte. Behutsam nahm sie ihn ab, befeuchtete ihn neu und schlang ihn wieder um den Kopf des Priesters. Dieser beobachtete sie mit den Augen und versuchte durch den Knebel hinweg etwas zu sagen, aber er brachte nur ein Summen zustande. Sie blickte wieder zu ihm, den Dolch drohend erhoben. „Ich kann euch nicht losbinden, dass ist zu gefährlich , ... für mich!“ ,sie grinste.
Seine Augen sahen bittend zu ihr auf, wieder war dieses Summen zu hören. Feya seufzte auf, „Schaut mich nicht so an, ich weiß noch nicht was ich mit euch mache!“ Er begann zu husten und zu röcheln bei einem weiteren Versuch zu sprechen, sein Gesicht lief rot an und die Augen quellten hervor. Feya sah es mit steigender Besorgnis, schnell richtete sie ihn auf und zischte ihm drohend zu, „Also gut, ich nehme euch den Knebel ab, aber ich warne euch, wagt es nicht zu schreien. Mein Dolch ist schneller in eurem Herzen, als ihr zuende geschrieen habt!“ ,mit diesen Worten löste sie den Knebel und warf ihn zur Seite, die Hand mit der Waffe auf seinen Hals gerichtet.
Doch der Priester schrie nicht, nur ein röchelndes „Wasser!“ kam über seine Lippen und ein erneutes trockenes Husten. Das Mädchen langte nach einem Becher und hielt ihn an die Lippen des Priesters. Gierig trank er von dem kühlen Nass, um dann erleichtert zu ihr aufzublicken. „Danke!“, seine Stimme klang nun wieder annähernd menschlich. Sie nickte nur, stellte den Becher ab und setzte sich neben ihn auf den Boden, noch immer angespannt. Seine Augen durchsuchten den Raum, nachdem er sich erholt hatte richteten sie sich dann fragend auf sie, „Wo ist dein Bruder?“. Feya konnte ein Auflachen nicht verhindern, deutete mit den Händen einen Zopf an und grinste spitzbübisch, „ Meint ihr den?“. Erkennen blitzte im Gesicht des Priesters auf und er lächelte anerkennend, „Keine schlechte Idee, mein Kompliment!“. Sie ließ die Haare wieder auf den Rücken fallen und zuckte mit den Schultern, „Frau tut was sie kann!“ Er sah sie ernst an, fixierte die geradezu, „Was hast du nun mit mir vor? Du kannst mich nicht ewig hier gefangen halten. Irgendwann werden sie anfangen mich zu suchen und dich suchen sie sowieso schon!“
„Ich weiß es noch nicht.“ Sie überlegte und lächelte dann verschwörerisch. Sie neigte den Kopf zu ihm und flüsterte ihm zu, „Am Besten ich schneide euch die Zunge heraus und die Hände ab. Dann könnt ihr niemanden erzählen wo ich bin und um es perfekt zu machen steche ich euch noch zusätzlich die Augen aus. Hmm, was haltet ihr davon?“, sie ließ sich zurücksinken und nickte sich selbst bestätigend zu, als fände sie ihre Idee phantastisch. Gleichzeitig verkniff sie sich gekonnt das Lachen, als sie die entsetzte Miene des Priesters sah.
„Das würdest du nicht tun, oder?“
„Doch, natürlich! Ich habe keine Garantie, dass ihr schweigt und dies ist der einfachste Weg es zu ermöglichen euch am Leben zu lassen ohne Gefahr für mich!“ sie setzte eine ernste Miene auf. Er konnte nicht wissen, dass sie noch nie getötet und es auch nicht vor hatte. Für sie war es ein Test wie er reagieren würde. „Hör zu, ich verrate dich nicht, wenn ich dich verraten wollte hätte ich es schon heute Morgen getan!“, seine Stimme überschlug sich fast.
„Vergesst ihr mich und auch, dass ich hier wohne?“ fragte sie spitz. Er schüttelte resigniert den Kopf und senkte den Blick, „Das kann ich nicht!“ Sie sprang auf und ließ im Raum auf und ab, „Warum nicht?“ Seine Augen folgten ihren Bewegungen, „Ich kann es nicht weil, ... weil ich fühle das du etwas besonderes bist und... hmm, ich mir sicher bin, dass etwas passieren wird und du...“, sie schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung die Worte ab und bedeutete ihm still zu sein. „Was ist los?“ sie sprang auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Mund, „Still!“. Sie deutete auf ihre Ohren und dann nach draußen. Der Priester verstand und lauschte.
Gedämpft drangen Stimmen zu ihnen nach unten, kaum wahrnehmbar, aber doch deutlich fühlbar, wie eine Bedrohung. Feya schlich zum Kellerfenster und lugte kurz hinaus, dann duckte sie sich erschrocken und huschte zum Priester zurück, der sie gespannt beobachtete. Leise raunte er ihr zu, „ Die Wachen?“, sie nickte und packte mit fliegenden Fingern ihre Habseligkeiten zusammen. „Ihr hattet Recht Priester, sie suchen mich!“ Er rutschte mit gefesselten Gelenken mühsam auf sie zu, um nicht laut sprechen zu müssen. „Binde mich los, bitte. Ich kann dir vielleicht helfen!“ Sie betrachtete ihn kurz amüsiert und schüttelte dann den Kopf, „Nein, alleine bin ich schneller.“ , sie griff nach dem hohlen Stein in der Mauer. „Das kannst du nicht tun, wenn sie mich hier finden jagen sie dich nicht nur in der Stadt, sondern auch im ganzen Umland.“ Während sie hastig das Geld in einen Leinenrucksack stopfte, zusammen mit Proviant, Wechselkleidung und natürlich der Pfeife, redete der Priester auf sie ein. „Ich finde dich wieder, ich habe dich zwei Mal gefunden, da werde ich es auch ein Drittes Mal schaffen. Außerdem hast du keinen anderen Unterschlupf. Wo willst du dich denn verstecken? Ich könnte dir eine Weile Unterschlupf geben, wenn du mir nur die Fessel abnimmst!“
Sie hielt inne, „Wisst ihr, ihr hört euch an, als wolltet ihr auf keinen Fall gefunden werden, vielleicht suchen sie ja euch und nicht mich?“ Selbst wenn sie ins Schwarze getroffen hatte, ließ er sich nichts anmerken, „Ich gebe zu, das es peinlich wäre, würden sie mich hier in diesem Zustand entdecken, aber das ist nicht der Grund.“
„So? Was dann?“ fragte sie pikiert und beugte sich zu ihm herab. „Dafür bleibt jetzt keine Zeit, ich erkläre es dir, wenn du in Sicherheit bist. Jetzt binde mich endlich los!“, er streckte ihr die gefesselten Hände entgegen. Sie seufzte auf und schnitt die Fesseln durch. „Ich weiß zwar nicht warum ich das tue, aber ich hoffe ich bereue es nicht.“, sie half ihm auf die Beine. Er massierte sich die Gelenke und löste dann die Fesseln an den Füßen, „Danke!“.
Sie packte die restlichen Sachen zusammen, dann zog sie ihr Hemd aus und legte wieder das straffe Brustband an, stülpte die Kapuze über und steckte die Haare hinein. Er wandte sich zu ihr um, „Schön, dass du es dir noch einmal überlegt hast, wo ist dein Fluchtweg?“ Sie deutete auf das Kellerfenster und grinste ihn an. Er stutzte „Was, da durch? Direkt in die Arme der Wachen?“. Sie nickte und winkte ihn heran, „Ich höre einen Teil der wachen oben im Haus, also können nicht mehr viele draußen sein.“ Er spähte durch das Fenster und wandte sich dann wieder ihr zu, „Zwei Wachen, die anderen müssen im Haus sein, aber es sind trotz allem zu viele!“ Sie strich sich eine vorwitzige Locke aus dem Gesicht „Ja, ich höre sie schon herunterkommen, es gilt nun die Wachen im Hof abzulenken. Habt ihr einen Vorschlag? Alleine wäre ich einfach gerannt, aber mit euch...“, sie ließ die letzten Worte ungesagt, doch der Priester verstand auch so. Er verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf, gab aber dann resigniert auf. „Gut, ich lass mir was einfallen, was auch immer passiert, wenn ich jetzt sage, quetschst du dich durchs Fenster, ohne dich umzusehen, rennst zu Perina, dort treffen wir uns wieder, verstanden?“. Sie verkniff sich eine Patzige Antwort und nickte, während er schon die Augen schloss und sich konzentrierte. Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Hände beschrieben Figuren in der Luft, dann keuchte er kurz auf und japste nur noch, „Jetzt!“
Sie zwängte sich durch das Fenster und kam im Hof zum stehen, der Anblick der sich ihr bot war erschreckend. Die zwei Wachen, die im Hof gestanden hatten brannten lichterloh, wälzten sich schreiend auf dem Boden, während die Flammen immer höher schlugen. Es war ein unnatürliches Feuer, denn es ließ sich nicht löschen, nein, es war zu schnell, immer wenn eine Stelle nur noch schwelte, hüpfte ein Funke darauf um das Feuer neu zu entfachen. Wie kleine Irrlichter sprangen die Funken umher und bald war nur noch ein Wimmern von den beiden Männern zu hören. Feya starrte gebannt auf das grausame Schauspiel und zuckte entsetzt zurück, als der Priester neben ihr auftauchte und sie wütend anfunkelte. Er schnappte sie am Arm und zerrte sie hinter sich her. Irgendwann blieb er stehen und Feya starrte ihn mit neuem, ängstlichem Respekt an. „Ihr habt euch die ganze Zeit selbst befreien können! Ihr habt mit mir gespielt! Wie habt ihr das gemacht?“ sie wich vor ihm zurück. Er ging auf sie zu, legte die Hände auf ihre Schulter und schüttelte sie unsanft, „Verdammt noch einmal Mädchen, was glaubst du tun Priester, hmm? Hatte ich dir nicht gesagt, dass du laufen sollst? Deine Reaktion hätte uns beinahe Kopf und Kragen gekostet!“ Feya blickte ihn unverstanden an nur ihren letzten Satz wiederholend.. “Wie habt ihr das gemacht?“
Nun riss dem Priester der Geduldsfaden, sie sah wie er die Augen verengte und die Hand hob, aber sie konnte nicht ausweichen, sie war noch immer von den Geschehnissen benommen. Er schlug sie nicht fest, aber es reichte um sie wieder klar denken zu lassen, ihre Hand tastete nach ihrer Wange und sie straffte sich merklich. Erleichtert seufzte er auf, „Tut mir leid, aber es war nötig!“ seine Stimme klang nun weich und er schaute sie fast besorgt an. „Verzeih mir, bitte!“ er wollte sie berühren, doch sie wich zurück, ihr Blick war hart. „Wohin soll ich gehen?“ Er ließ die Hand enttäuscht sinken, zuckte dann mit den Schultern. „Ich kenne ein Gasthaus im Händlerviertel, dort wird nicht nachgefragt.“ Langsam rollte eine kleine Träne ihre Wange herunter, doch sie biss sich auf die Lippe und fragte nur wie sie hinkäme. Wieder wollte er sie trösten, sagen das es ihm leid tat, doch er wagte es nicht. Enttäuscht von seiner Überreaktion beschrieb er ich in kurzen Sätzen den Weg. Sie wandte sich um, um sofort das Gasthaus zu suchen, als er seine Hand auf ihre Schulter legte und sie erstarrte. Sie drehte sich nicht um, wartete nur. „Geh erst in der Dämmerung hin, ich werde alles arrangieren. Versprich mir, das du da sein wirst!“ seine Stimme klang spröde, bittend, so als wäre er nicht gewohnt zu bitten, jedenfalls nicht ehrlich zu bitten. Sie nickte kurz und riss die Schulter los, dann verschwand sie in eine Seitengasse. Traurig blickte er ihr nach und hoffte sie würde da sein.


(Übernommen aus der 'Alten Leselupe'.
Kommentare und Aufrufzähler beginnen wieder mit NULL.)
 



 
Oben Unten