Fingerübung KW52

ex-mact

Mitglied
Informationen zum Hintergrund der Fingerübungen gibt es hier: http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=14805

Willkommen zur Fingerübung in KW 52 - wer an dieser Übung teilnehmen möchte, stellt bitte in diesen Thread einen Text ein, in dem die unten aufgeführten Begriffe (direkt oder nachvollziehbar verwandt) vorkommen (und möglichst in einem sinnvollen Zusammenhang stehen). Der Text darf nicht länger als zwei Standard-Seiten (maximal 3600 Zeichen) sein, und sollte möglichst eine Seite (1800 Zeichen) überschreiten.
Der Text soll den Leser dazu verführen, mehr von der Geschichte zu erfahren - oder vom Autor zu lesen.

Nach der Einführung soll ein kurzes, präzises Konzept für den weiteren Story-Verlauf erstellt werden, dieses kann sowohl in Stichworten wie auch ausformuliert geschrieben sein. Dabei soll der grobe Handlungsverlauf, eventuelle einzelne Höhepunkte und die wichtigsten Protagonisten dargestellt werden.

Die Begriffe für die Fingerübung (alle Begriffe bzw. die "Platzhalter" in den Klammern oder erkennbar verwandte Alternativen sollen im endgültigen Text Verwendung finden, dabei sollen sie nicht einfach nur erwähnt werden sondern wesentlicher Bestandteil des Plots sein):

- Freundschaft (Definition von... Verständnis von... Bedeutung...)
- Verlust (nicht notwenidgerweise der Freundschaft von oben)
- Erkenntnis (aus ... etwas lernen)
- Wandlung (z.B. Protagonist wird durch einen Verlust ein "anderer Mensch" - was für einer?)

Diese Begriffe müssen nicht notwendigerweise auf den ersten beiden Seiten erscheinen oder beinhaltet sein, sie stellen vielmehr eine Anregung für das Gesamtkonzept des Textes dar.
 
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Rote Socke

Gast
Die kranke Seele
von Volkmar S.P.

Mit dem Begriff ‚Reichtum’ verbinden die Menschen gerne Sachwerte die sich aufzählen lassen: Bargeld, Häuser, Kleidung, Schmuck oder ein dickes Aktienpaket und vieles andere mehr. Von all diesen Dingen besaß Elfriede Johannsen nur sehr wenig. In den Augen der Nachbarn, galt die unscheinbare Elfriede, als eine wortkarge, kettenrauchende Sozialhilfeempfängerin. Sie war 36 Jahre alt und faktisch ein Niemand, eine Last des Steuerzahlers. Elfriede lebte allein in ihrer 40qm-Wohnung im achten Stock. Ihr verstorbener Mann hinterließ Nichts, weder eine kleine Lebensversicherung, weder Bargeld oder sonstige Sachwerte. Im Gegenteil, seit dem Tod ihres Gatten, war der Schuldenberg noch größer geworden. Elfriede hatte nie einen Beruf erlernt. Als Putzfrau würde sie auf sich allein gestellt, niemals einen besseren sozialen Status erlangen. Schon gar nicht, als auch diese Arbeitsstelle im Kaufhaus verloren ging. Sie rutschte ab in die Armutsfalle. Trotzdem war Elfriede reich. Sie war reich in Gedanken. Von morgens bis abends lebte sie glücklich in ihrer Gedankenwelt. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Bettina, ihre kleine Tochter, auf der Wiese herumhüpfen. Ewald, ihr Mann, mauerte im Vorgarten eine Feuerstelle, wo bald saftiges Fleisch gebrutzelt werden sollte. Dieses glückliche Bild in ihren Tagträumen sah Elfriede jeden Samstag. Der Sonntagstraum war geprägt vom morgendlichen Kirchgang mit ihren Lieben und dem festlich gedeckten Mittagstisch. Die Wochentagsträume begannen morgens, wie sie Bettina zum Schulbus begleitete und Ewald einen Abschiedskuss gab, der zur Arbeit aufbrach. Ewald war selbständiger Maurermeister und in seiner kleinen Firma beschäftigte er zwei Gesellen und einen Lehrling. Mit diesen Tagträumen schlich Elfriede durchs reale Leben. Mit dem was wirklich Geschehen war, konnte sie sich nicht auseinandersetzen. Ewald hatte kurz vor seinem Tod das alte Häuschen gekauft und die kleine Firma gegründet, deswegen auch die Schulden. Und Bettina hatte es in der Realität auch gegeben, bis zu dem Tag, als sie mit ihrem Vater in den Tod fuhr. Aus bisher ungeklärten Gründen, war Ewalds Auto von der Straße abgekommen und eine Felswand gerast. Ewald war sofort tot und Bettina verstarb während der Fahrt zum Krankenhaus. Acht glückliche Jahre hatte sie mit ihrer Familie verbracht. Sie lebten bescheiden, aber sorglos. Ewald war in den ersten Jahren ihrer Beziehung ein guter Ehemann und Vater. Später war er für Elfriede der beste Freund. Jeden Nachmittag wartete sie ungeduldig auf seinen Feierabend. Kam er nachhause, saßen sie eine Weile gemeinsam in der Küche, tranken Kaffee und erzählten sich von ihrem Tag. Anschließend kümmerte sich Elfriede um das Abendessen und Ewald half Bettina bei den Schulaufgaben. Wenn Bettina eingeschlafen war, erledigte Ewald die Büroarbeit und sank danach erschöpft zu Elfriede auf die Couch. Sie sahen sich gemeinsam die Nachrichten an, manchmal auch einen Film. Im Bett erzählten sie einander weiter, von den kleinen Sorgen und von ihren Träumen und Wünschen. Obwohl durch das Haus und Ewalds Selbständigkeit ein großer Schuldenberg auf ihnen lastete, hielten sie sich jede Nacht wie zwei verliebte Teenager die Hand und schliefen glücklich ein. Elfriede hatte keine Verwandten und mit der Familie von Ewald war nie gut Kirschen essen gewesen. Aber sie hatten sich und sie waren zufrieden. Sie erzählten sich alles, es gab kein Tabu.


(Elfriede Johannsen ist durch den Verlust von Mann und Kind eine gebrochene Frau geworden. Der Schuldenberg und der soziale Abstieg stören sie dabei gar nicht. Sie überlebt mit ihren Tagträumen und bemerkt nicht das Abgleiten in ein schizoides Verhalten. Sie wird in eine Nervenklinik eingewiesen, in der sie viele Monate verbringt. Der Neubeginn in der realen Welt nach ihrer Genesung, gestaltet sich sehr problematisch. Eines Tages aber, durch ein schicksalhaftes Erlebnis, nimmt ihr Leben eine rasante Wende).
 

ex-mact

Mitglied
Hallo, Volkmar,

der Anfang Deines Textes ist einmal "ganz anders" und wieder, wie ich finde, sehr gelungen. Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

- "ihr Mann hinterließ ihr Nichts" ist bereits mehr als "keine Versicherung...", entweder streiche das "Nichts" (dann wirkt's auch schön erzählt) oder die beiden Beispiele
- ein paar Worte fallen etwas aus dem Rhythmus, wie ich finde: z.B. "Armutsfalle" (entspricht in meinem Gefühl nicht der übrigen Wortwahl)
- ab der Beschreibung von Elfriede werden die Sätze sehr eintönig, sehr gleich gebaut - eine Zeitlang funtkioniert das, weil es die "Einfachheit" von Elfriede zeigt, etwa ab Mitte des Textes finde ich es aber nicht mehr angenehm zu lesen
- ebenfalls ab Mitte des Textes nehmen mir die Beschreibungen der Vorgeschichte zu sehr Überhand, ich verliere den Faden. Elfriedes Vorleben könnte durchaus erst sehr viel später erzählt werden, zu Beginn finde ich es etwas "erschlagend"
- durch die Vorgeschichten-Erzählung fehlt der "richtige Einstieg" in die eigentliche Geschichte. Dieser wird zu Beginn zwar angedeutet (sie ist reich an Gedanken...) aber nicht mehr aufgegriffen, der Text verliert sich in Erklärungen

Wo sind die anderen? Habe ich euch so verschreckt? :)

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Ein Footer:
Es waren einst vier Teddies,
die gehörten den Töchtern unserer Caddies,
     und spielten wir Golf,
     mit Jürgen und Rolf,
beschwerten sie sich, daß das nicht nett is'
 
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Rote Socke

Gast
Ja marc,

um diesen Aufbau hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Deine Kritik dazu passt genau und ich werde an dem Strickmuster noch basteln. Danke!


Ja schade, irgendwie haben die Leutchen keine Lust für FÜ's.

Aber was ist denn mit der Charakterübung, da fehlt noch Dein Komentar???

LG
Volkmar
 

ex-mact

Mitglied
Moin,

jup, der Kommentar zu den Charakter-Beschreibungen kommt noch (die will ich zweiwöchentlich machen). Ich hoffe, daß ich nicht wirklich jemanden vergrault habe hier :)

Es wäre ja auch schön, wenn diejenigen, die mir "privat" schon gesagt haben, daß sie mit DIESEN Übungen nichts anfangen können, einfach mal einen Vorschlag machten, was sie denn dann gerne sähen...
 
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Rote Socke

Gast
Mir geht es genauso!

Ich wurde auch schon darauf angesprochen, dass ein anderes Übungsmodell besser wäre. Aber bis heute warte ich auf konkrete Vorschläge. Solange nichts anderes kommt, beteilige ich mich gerne weiter an den jetzigen FÜ's. Wie so oft fällt das Meckern immer leichter, als Taten zu vollbringen.
Bin mir auch sicher, dass die Mehrzahl der User am Ausstellen ihrer Werke mehr gefallen findet, als dem Handwerk durch Übungen zu frönen. Man muss es wohl akzeptieren. Ein Angebot wie dieses sollte trotzdem bestehen bleiben, auch wenn die Beteiligung gering ist. Vielleicht ändert sich das noch. Es kommen ja stets neue User zur Plattform.
 



 
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