Fluchten Teil 15

Haarkranz

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Fluchten Teil 15

Felix war nach dem der Wecker piepste aufgestanden, hatte sich gerichtet, war zum Airport gefahren, dort abgefertigt worden, sich in den Sitz des Fliegers gekuschelt, war jetzt kurz vor der Landung von der Stewardess damit er sich anschnalle, geweckt worden. Er reckte sich bis die Gelenke knackten, herrlich, in spätestens einer Stunde hielt er Charlie im Arm.
Landung, Passkontrolle und durch! Koffer hatte er keine, die elende Warterei am Belt entfiel, so stürmte er durch zur Halle, in der sicheren Gewissheit Charlie dort in die Arme schließen zu können.
Charlie war nicht die Einzige die einen Reisenden erwartete und so begann er den vor dem Ausgang wartenden Pulk durchzumustern, wobei ihn ein zuerst nur leises Unbehagen beschlich. Er war der Erste gewesen, der aus der Abfertigung kam, sie sollte ihn gesehen haben. Felix wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn, oder war das Schweiß, den er plötzlich unter den Achseln, im Gesicht fühlte? Wo war sie? Auf der Toilette? Das würde sich in den nächsten Minuten klären. Nicht ausmalen wollte er sich, sie wäre in einen Autounfall verwickelt worden. Felix! Ruhe, Profi sein, dies einemal noch, bevor der Urlaub beginnt.
Also suchte er sich einen Platz, setzte sich und wartete. Ein Blick auf die Uhr, dann gab er sich eine halbe Stunde, in der er nichts tun würde als warten. Kein Aktionismus! Wie oft hatte er das seinen Leuten eingeschärft: Kalkulierte Zeit vorgeben, die nutzen um Optionen durchzuspielen, dann zielstrebig handeln!
Also, was gibt es für Optionen! Reifenpanne, Motorschaden, Unfall, in der Reihenfolge. Reifenpanne hieß, gleich steht sie vor mir. Bei Zwei und Drei war nicht damit zu rechnen. Verdammter Esel, das Handy! Nervös fingerte er das Ding aus der Tasche. Ihre Nummer, die Taste Verbindung herstellen drücken, warten. Der Ruf schien ins Leere zu gehen, aber das war immer so. Er zählte die Wecktöne, dann war die Verbindung weg. Jetzt müsste sie zurückrufen, sollte sie seinen Ruf gehört haben. Er wartete, die halbe Stunde war in drei Minuten um. Pierre im Bon Voyage anrufen oder Sascha. Von beiden fehlten ihm die Nummern. Die Auskunft verband ihn direkt mit Pierre, auch da blieb sein Ruf ohne Antwort. Sascha anrufen, eine Frau meldete sich, er fragte nach Ms. Begret. Die Dame zögerte einen Moment, bevor sie sagte Ms. Begret sei nicht zu sprechen. Felix insistierte, ich muss ihn sprechen, ich bin liiert mit seiner Nichte Charlotte! O pardon Monsieur, kam die gehauchte Antwort. Es knackte und Sascha war in der Leitung. „Felix?“ Fragte eine instabile Stimme, „wo bist du?“ Felix klärte ihn auf. „O Merde,“ schluchzte Sascha, „es hat einen fürchterlichen Sturm gegeben, und Charlie war draußen.“
„War draußen, Sascha, wo ist sie jetzt?“
„Immer noch draußen, wir haben die Küstenwache alarmiert, die haben sobald der Sturm es ermöglichte, das Planquadrat in dem ihr Boot unterwegs war und weit darüber hinaus abgesucht, obsvervieren noch. Bis jetzt nicht die geringste Spur von Boot und Besatzung. Da wo sie sich aufhielten fischen Spanier, bis jetzt ist es noch nicht gelungen Kontakt zu ihnen aufzunehmen.
Der Chef der Küstenwache hat die zuständigen Behörden in San Sebastian, Santander und Gijon angesprochen, sie möchten ihre Fischer in dem fraglichen Seegebiet kontakten und befragen, bisher keine Antwort. O Felix ich bin völlig verzweifelt, sie darf nicht ertrunken sein, ich darf sie nicht verlieren, nicht auch noch sie. Die Verbindung brach ab.
Felix hockte wie ein Ballon aus dem die Luft entwichen, auf seinem Stuhl. Aus der Traum! Aus der Traum vom neuen Leben, an der Seite dieser, wie er gehofft hatte, vom Himmel geschickten Frau. Etwas an seinem Bauch juckte, er krazte, sah seine Hand an, es war seine Hand. Merkwürdig wie unbeteiligt die Hand war, kratzte, funktionierte, würde bis zu seinem Tod so weitermachen, die gleiche Hand die Charlies Haut gestreichelt, ihre samtene Weichheit ertastet hatte. So ist das Felix, er sah sein Ebenbild vor sich, mit den Lippen die sie geküsst, den Augen die sie bewundernd verschlungen. Ungerührt kamen sie ihren alltäglichen Pflichten nach, sprachen, sahen, als ob sie nie seine Wonne, die Charlie war, geteilt hätten.
Was jetzt? Zusammenreißen, noch gab es Hoffnung, noch waren die Fischer nicht befragt worden. Ein Auto mieten, in fünf Stunden konnte er an der Küste sein.
Die Fahrt nach La–Tranche sur-Mer wurde zum Albtraum. Er verpasste die richtige Abfahrt von der Periferique, nahm die nächstbeste, und verhedderte sich im Gewirr durch kleine Orte führender Nebenstraßen. Als er endlich die richtige Route erwischte, waren fast zwei Stunden vergangen. Ruhe! ermahnte er sich. Ruhe, was erwartete dich am Ziel? Also, auf Strasse und Handy achten, sobald ich die kleinste Nachricht habe, hänge ich am Apparat, hatte Sascha versprochen. Die Straße zog sich endlos, das Handy war nichts als ein Stück Kunststoff.
Seine Gedanken gingen merkwürdige Wege, kreisten nicht um Charlie und was ihr geschehen sein könnte, sondern waren mit Hatta beschäftigt, den Ondurmans, die hoffentlich hängen würden, mit Robert Memba, seinem und seiner Tochter zukünftigem Schicksal. Er überlegte wie er Robert, zum Guten für sich und ihn, einsetzen konnte, sollte er den Schlag der ihn getroffen, überstehen. Ich gehe nie mehr zurück nach Hatta, wusste er. Vielleicht bleibe ich in La Tranche, vielleicht mit Charlie, vielleicht lebte sie.
Er wurde wach bei diesen Gedanken, bemerkte erst jetzt die Strasse die er direkt am Meer entlang befuhr, einem noch unruhigem, aber nicht mehr stürmischen Meer. Er fuhr zwischen die Dünen, stieg aus und lief hinunter zum Wasser. Ließ die Ausläufer gewesener Wellen seine Schuhe umspülen, hockte sich in das Nasse, umschlang die Knie mit den Armen und weinte.
Er spürte sich wieder, als es um ihn herum ungemütlich wurde. Er sah sich um. Das Wasser hatte die Strasse fast erreicht. Hose und Hemd waren völlig durchnässt, als er aufstand, reichte im das Wasser bis übers Knie. Felix schüttelte sich, stakste zum Auto, wrang Hose und Hemd aus, zog beide mit erheblichen Schwierigkeiten über Arme und Beine. Als er sich ins Auto setzte, checkte er das Handy, da war eine Nachricht von Sascha. Er rief zurück, die zurückhaltende Dame von heute morgen, hauchte nicht mehr, hatte Freude in der Stimme, stellte ihn sofort durch zu Sascha, der ins Telefon brüllte: „Sie lebt, sie lebt, sie lebt, sie lebt!“ erst aufhörte als ihm die Luft wegblieb. Felix außer sich vor Glück, geschüttelt von wildem Schluchzen, brachte nicht mehr heraus, als ich bin in zehn Minuten bei dir, warf das Handy auf den Sitz und startete durch nach La Tranche. Er stellte das Auto auf dem Marktplatz, ein Alter der auf einer Bank Siesta machte, drohte ihm mit erhobenem Zeigefinger und wies auf das Schild Halteverbot, aber Felix war schon weg, spurtete die Gasse hoch zu Sascha, riss die Klingel ab und lag einen Augenblick später, dem vor Glück weinenden Dicken im Arm.
Als sich beide beruhigt hatten, berichtete Sascha Fischer aus San Sebastian haben sie gerettet. Wegen der schweren See hatten sie alle Hände voll zu tun, um selbst ungeschoren davon zu kommen. Da war keine Hand übrig, um das Funkgerät zu bedienen. Sie hätten eine halbertrunkene aber lebende Frau, mit einer Kopfverletzung, aus dem Meer gefischt und wären unterwegs nach San Sebastian, würden in spätestens sechs bis zehn Stunden dort eintreffen.
„Ich auch, Sascha!“schrie Felix. „Wie weit ist es bis dahin?“ Sascha überlegte kurz: „Ungefähr dreihundert Kilometer auf in Richtung Süden nicht stark befahrener Strasse, das schafft man locker in vier Stunden.“
„Umso besser, Sascha, da kann ich im Krankenhaus organisieren, dass die bereit stehen, wenn Charlie angekommt.“
„Sprichst du baskisch oder spanisch? Felix,“ fragte Sascha.
„Nein, aber die verstehen doch sicher englisch, und bestimmt französisch.“
„Klar, Felix, nur das kreiert keinen goodwill. In San Sebastian tut das nur baskisch, also einer wie ich, der baskisch spricht, wie eine Baske, weil seine Mutter aus Santander stammt. Um davon den goodwill zu haben, fahre ich mit, das heißt wir lassen uns fahren. Jean, der unseren Camion kutschiert, wird sich freuen seinen Patron einen Gefallen zu tun. Wir brauchen dann nur drei Stunden, Jean kennt die Route wie seine Westentasche. Das gibt uns Zeit zu essen und zu trinken, komm mit mir, ich hab alles richten lassen.
Sie aßen und tranken mehr als sie aßen. „Vorsicht Sascha,“ mahnte Felix mit schon etwas schwerer Zunge, „bei großer seelischer Erregung wirkt der Alkohol doppelt schnell.“ Sascha nickte und winkte gleichzeitig ab, dann hob er sein Glas und leerte es auf einen Zug. „So, das war das Letzte. Wir haben drei Stunden Zeit im Auto zu schlafen, das dürfte genügen um den Sprit zu verdauen. Jean wartet schon auf uns, komm lass uns einsteigen.“
Die Fahrt nach San Sebastian verbrachten sie schnarchend. Als sie die Stadtgrenze erreichten, wurden sie angehalten. Ein Polizist überprüfte ihr Papiere akribisch, wollte wissen woher und wohin. Als er hörte zum Hospital, mussten sie ausscheren und auf einem Parkplatz warten.
Nach geraumer Zeit erschienen vier Leute von der Guardia Civil, sie wurden höflich gebeten auszusteigen und in einen abseits stehenden Bus komplimentiert. Man bat sie sich zu setzen, unterrichtete sie von einem Attentat auf das Hospital, zu dem sie unterwegs waren. Das hat an sich nichts zu bedeuten, erklärte ein Beamter der hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte, wenn nicht sie Ms. Sascha Begret-Gujol mütterlicherseits Baske wären. Die Familie Gujol ist, so ergibt sich aus unseren Recherchen, tief in Eta Affären verstrickt. Wie gesagt das soll nichts heißen, sie sind französischer Staatsbürger, wir arbeiten eng mit den französischen Behörden zusammen.
Warum wollten sie zum Hospital?
„Darf ich?“ fragte Felix, und erzählte ihre Geschichte. Als er fertig war, klärte der Beamte mit zwei Anrufen deren Wahrheitsgehalt, bekam von der Hafenbehörde gleichzeitig die Information, das Fischerboot würde in der nächsten Stunde einlaufen.
Felix legte ihm seine Papiere vor, aus denen seine Position in Hatta hervorging.
„Alles in Ordnung, Kollege, bis auf Ms. Begret-Gujol. Den müssen wir festhalten, bis einwandfrei geklärt ist, wo er sich in den letzten vierundzwanzig Stunden aufgehalten hat. Ihre und auch des Fahrers Ausage genügen uns nicht. Das muss die französische Polizei vor Ort klären. Also vierundzwanzig Stunden kann das dauern. Wenn ich mich Ihnen vorstellen darf, ich bin Major Juan Manter, von der Guardia Civil.“
Sascha grinste belustigt: „Senor ich war noch nie in einem Gefängnis, muss ich da wirklich rein, oder genügt ein Hotel, wenn Ms. Petaux sich für mich verbürgt?
Wir wären auf jeden Fall länger hier geblieben, jedenfalls so lange bis meine Nichte gründlich untersucht und ärztlich versorgt ist. Ich kann mich auch im Hospital einmieten, dass doch sicher von ihren Leuten bewacht wird, wenn es einen Anschlag gegeben hat? Schließlich habe ich ein bombenfestes Alibi, da braucht die Polizei vor Ort keine halbe Stunde, um das zu bestätigen.“
„Ich glaube Ihnen, Ms. Begret-Gujol, wenn Ms. Petaux sich für sie verbürgt, dürfen sie in ein Hotel, ich schlage den Baskischen Hof vor, da wohnen ich und einige meiner Herren auch.“
„Na wunderbar, seufzte Sascha erleichtert, meine Nichte in Empfang nehmen und zum Hospital begleiten, darf ich das?“
„Nein, sie müssen im Hotel bleiben, geht leider nicht anders. Ich strapaziere meine Vorschriften sehr, mit der Genehmigung sie dort wohnen zu lassen. Bitte haben Sie Verständnis! Ich nehme an Ms. Petaux wird zum Hafen wollen, das Fischerboot wird bald anlegen? Mein Dienst, Ms.Begret-Gujol ist für heute beendet, ich nehme sie mit zum Baskischen Hof.“
Sascha schickte sich drein, und Felix machte sich auf zum Hafen. Jean kannte den Weg, und schimpfte unterwegs auf die dämlichen Polypen. „Mich haben die von Kopf bis Fuß durchsucht, waren dann aber zufrieden, wohl wegen meines Namens. Ich heiße Albrecht, mein Vater kommt aus Straßburg, Elsässer sind nicht ETA verdächtig.
An der Pier stand ein Krankenwagen, den konnte nur Major Manter dort hingeschickt haben. Sehr bedacht auf beste Beziehungen zum Nachbarland und seinen Bewohnern, war der Herr. Felix ging hinüber zum Krankenwagen, stellte sich vor und erfuhr von dem die Ambulanz begleitenden Arzt, dass die Guardia Civil den Wagen an den Kai beordert hatte. Eine fast ertrunkene Seglerin, mit einer Kopfverletzung soll sich an Bord befinden. Er lud Felix ein im Wagen mit zum Hospital zu kommen, das erspare ihm erneute Kontrollen. Wir werden ihre Dame sofort untersuchen, vielleicht hat sie Glück gehabt und es ist alles glimpflich verlaufen, tröstete er.
Felix kam die kurze Zeit auf dem Kai länger vor, als die Fahrt nach San Sebastian. Endlich nahm ein kleiner Kutter direkten Kurs auf sie zu. Das musste er sein. Das Anlegemanöver nahm kaum Zeit in Anspruch, mit einm Satz war Felix an Bord, öffnete die einzige Tür die es gab und stand direkt vor Charlie, die winzig klein mit einem Riesenverband um den Kopf, in einer Koje lag und schlief. „Darf ich,“ hinter ihm die Stimme des Arztes. Er trat zur Seite, der Arzt fühlte Charlies Puls, nickte, und ließ sie schlafend wie sie war, auf eine Trage legen und von Bord transportieren. Felix hatte kaum Zeit sich bei den Fischern zu bedanken, ließ sich die Adresse des Chefs geben und stieg zu Charlie in den Wagen.
Sie rührte sich immer noch nicht, der Arzt beruhigte. „Sie wird eine gehörige Gehirnerschütterung haben und heftig ausgekühlt sein, darauf lässt ihre Erschöpfung schließen. Sollte es mehr nicht sein, können Sie sie, nach dem sie ausgeschlafen hat mitnehmen. Wichtig ist, die ersten vier Wochen liegen, einfach nur liegen. Danach sehr vorsichtig anfangen normal zu leben, auch das verteilt auf mindestens sechs Wochen. Verfahren sie so, wird sie ohne Folgen gesunden.“
Der Wagen fuhr in die Notaufnahme, Charlie wurde in einen OP-Raum gerollt, die Tür schloss sich hinter ihr und Felix stand allein im trüben Funzellicht einer uralten, zugestaubten Neonröhre.
Er setzte sich, warten, wieder warten, langsam wurde das Routine. Obwohl, was hieß das? Habe ich tatsächlich so viel gewartet? Nein, eigentlich nicht. Was nervte, war die absolut nicht erwartete Situation. Hinzu kam der nicht verdaute Stress aus Hatta. Er hatte die Tragödie noch garnicht als Mensch wahrgenommen. Achmed war tot, und wie schrecklich er sterben musste, war er noch nicht bereit sich vorzustellen. Bisher hat ihn sein Rachedurst völlig beherrscht, hatte kein menschliches Gefühl neben sich zugelassen. Aber jetzt hier in diesem Warteraum, zwischen Hoffen und Bangen, begann der Knoten sich zu lösen.
Endlich kam der Arzt. „Sie schläft,“ berichtete er, „wir haben sie untersucht, außer der Kopfverletzung und Haematomen wo man hinsieht, ist sie o.k. Wir haben hier keinen Tomographen, die nächsten steht in Bilbao und für Sie bequemer in Bordeaux. Ihr Tiefschlaf macht uns ein wenig nervös, deshalb sollte alsbald ein CIT gemacht werden. Wenn Sie es einrichten können, mache ich einen Termin für morgen gegen vier Uhr, in der Röntgenologie der Universitätsklinik Bordeaux. Ich habe ihr Auto gesehen, dass lässt sich leicht umbauen, eine Trage geht da rein. Wenn Sie einverstanden sind, steht ab 11 Uhr morgen früh, dem Transport nichts mehr im Wege. Stopp, vorausgesetzt es ergeben sich keine Komplikationen.“
„Kann ich sie sehen?“fragte Felix.
„Wenn es unbedingt sein muss, es hat sich nichts verändert, seit Sie sie auf dem Boot sahen. Für die Patientin wäre es besser, sie könnte ungestört durchschlafen. Auch wenn sie nicht auf ihre Gegenwart reagiert, besteht die Möglichkeit, sie erfasst ihre Anwesenheit emotional, was ihren Tiefschlaf belastete.“
„Doktor, vergessen Sie es. Ich bin morgen um elf hier.“
„Schön Ms. Petaux, bis dahin also,“ verabschiedete sich der Arzt.

Felix machte sich auf zum Baskischen Hof. Vor der Tür fragte er einen, der das Hospital bewachenden Beamten, ob das Hotel zu Fuss zu erreichen sei, keine fünhundert Meter von hier, erhielt er Auskunft. Einfach immer der Nase nach.
Das war so, zehn Minuten später stieß er auf Sascha, den Major Manter und seine Herren, die sich tränenlachend in ihren Sesseln wanden.
„Nein, nein, nicht weiter!“ schrie der Major, dass ist ein feindseliger Akt, sie sind von der ETA beauftragt, mich und meine Leute per Zwerchfellriss außer Gefecht zu setzen.“
Als er Felix sah, wandte er sich an ihn, versuchte vergeblich artikuliert zu sprechen, wurde immer wieder durch wiehernde Lachsalven seiner Kollegen gestört und stotterte. „ Wo haben Sie den her? Macht der das mit Ihnen auch? Nie im Leben so gelacht, mein Gott wo der das her hat!“
Felix sah Sascha an, der tat ganz unschuldig und erklärte, dass sind Witze wie sie unter Wein und Austernhändlern jeden Tag erzählt werden. Schmierstoff, ohne Gelächter kein Umsatz. Sie sollten mal auf einer Wein Auktion dabei sein, meine Herren, da gehen sie garantiert mit geplatztem Zwerchfell nach Hause.
Felix setzte sich dazu, erklärte was der Doktor geraten hatte. „Für Charlie kommt nur Bordeaux infrage, kannst du morgen mit, Sascha, oder sitzt du noch fest?“
„Ich bin frei, Felix. Gendarm Salbout hat vor zehn Minuten angerufen und mein Alibi bestätigt.“ Der Major der sich, wie seine Kollegen langsam beruhigt hatte, nickte sein Einverständnis. „Aber bleiben Sie doch bitte einen Moment bei uns, Kommissar,“ bat er Felix, „sie können sich denken, wie brennend wir an der Polizeiarbeit, in einem Konglomerat wie Hatta, interessiert sind. Wenn ich sage Konglomerat, liege ich doch richtig?“
Felix überlegte einen Moment, dann antwortete er:„Ja und nein, Major. Hatta ist mit europäischen Maßstäben weder erfass noch beschreibbar. Konglomerat ist insofern richtig, als es sich bei Hatta um eine gigantische Rührtrommel handelt, in der ständig, mindestens fünfhundert Ethnien durcheinandergewirbelt werden. Ethnien, Menschen die verschiedene Sprachen sprechen, und sich in ihren kulturellen Eigenarten stark unterscheiden. Dabei sind sie äußerlich gleich, kein Hinweis wie: Mann oder Frau, mit türkischem oder spanischem Habitus und Aussehen. Sie können sich denken, dass die meisten, der in Europa gängigen Fahndungsmethoden, da nicht greifen.“
Wie aus einem Munde kam die Frage: „Und wie gehen Sie vor?“
Felix lachte, „individuell, in jeder Gruppe einen, meist mehrere Zuträger, der Kontrolle wegen. Das geht nur über Einheimische, als Europäer koordinieren sie und schaffen sich eine Vertrauensbasis bei ihren Leuten. Ich kenne jeden unserer Stabilisatoren, so nennen wir sie in der Amtssprache, persönlich. Kenne seine Verhältnisse bis in die Einzelheiten. Es ist kein Geheimnis, dass er mit der Polizei arbeitet und bringt ihm im Normalfall keinen Schaden. Um die wachsende Bevölkerung nur in etwa zu kontrollieren, hat jeder der Stabilisatoren seine Zuträger und so fort. Ein ähnliches System wie es Polizeien in den kommunistischen Staaten pflegten, natürlich ohne Sanktionen und kein Zugriff ohne Richter, jedenfalls in Hatta. Wäre es anders, hätte ich das nicht mitgetragen.“
„Desungeachtet ist aber die Kriminalität außerordentlich hoch, Ms. Petaux, hört man hier,“ warf Manter ein.
„Die Kriminalität mit europäischem Maß gemessen ist immens, Major. Berücksichtigen Sie bitte, dreiviertel der Bevölkerung lebt ohne festes Einkommen, von einem Tag in den anderen, von der Hand in den Mund. Hier gab es einmal den Begriff Mundraub, Straffreiheit bei durch Hunger veranlasstem Diebstahl, ich glaube das hat sich in Europa erübrigt. In Afrika ist dieses Delikt Tagesordnung, wer das verfolgen wollte, stieße schnell an seine Grenzen, was den Aufwand, aber auch das Verständnis der Menschen anging.“
Es gab noch Fragen und viel hin und her, Vergleiche mit der Situation der Polizei, die in Spanien mit einer kulturell grundierten Geheimorganisation konfrontiert ist. Letztlich lief es darauf hinaus, dass jedes Land seine speziellen Probleme hat, die nur landesspezifisch zu lösen waren.
Sascha hatte schon mehrfach vernehmlich gegähnt, und meuterte endlich: „Meine Herren, ich hab ihr Zwerchfell erschüttert, nun gönnen sie mir meinen verdienten Schlaf. Hatte heute allerlei zu verdauen, die Auferstehung meiner Nichte, Gefangenschaft und Freilassung. So etwas bleibt nicht in den Kleidern stecken. Erbarmen sie sich!“
Felix stand sofort mit ihm auf, sie verabschiedeten sich von der Runde, und suchten ihre Zimmer auf. Sascha wollte natürlich jede Einzelheit über Charlies Zustand wissen, und Felix beantwortete geduldig seine vielen Fragen, auch wenn er sie drei oder viermal stellte. Als er endlich zufrieden war, verabredeten sie sich für zehn Uhr zum Frühstück und gingen schlafen.
 



 
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