Flurgeschichte

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Mit dem sanften, gelben Licht der bauchigen Flurlampe mit dem Papierschirm beginnt ein neuer Tag für uns. Wie jeden Morgen hören wir zuerst das Rauschen der Toilettenspülung, bevor das laute Rattern der Kaffeemühle gefolgt vom monotonen Brummen der in die Jahre gekommenen Siebträgermaschine einsetzt. Von da an bleiben uns etwa 20 Minuten, um noch einmal das Gefühl des weichen Flokati-Teppichs in uns aufzusaugen, bevor es spannend wird. Wen von uns wird das Schicksal heute treffen? Sind es die Puma-Schwestern mit ihren abgewetzten Schnürsenkeln? oder die Rieker Brüder mit dem warmen Felleinsatz?
Der Blick nach draussen könnte Hinweise geben - das Fenster jedoch bleibt für uns die wir im Flur beheimatet sind in unerreichbarer Ferne. Regen, Graupel, Schnee oder Sonne - das alles erfährt bloss das auserwählte Paar nach dem Verlassen des dunkelbraun gefliesten, tristen Treppenhauses.
Es ist soweit - die Entscheidung ist gefallen. Der Kontakt mit dem trockenen, warmen, wenn auch etwas fadenscheinigen lila Stoff mit den bunten Regentropfen verrät auf Anhieb, dass wir heute an der Reihe sind. Welch eine Freude, schon zu lange mussten wir mit ansehen, wie Tag für Tag ein anderes Paar an unserer Stelle die Enge des immergleichen Wohnungsflurs verlassen durfte. Ein angenehmer Druck macht sich breit, gefolgt von einem leichten Ziehen, als der Knoten festgezogen und die Schleife gerichtet wird.
 

ARIIOOL

Mitglied
Hallo
schöne Geschichte, habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was in meinem Schuhschrank abgeht. Wenn ich dir einen Hinweis geben darf geben,
die vielen Adjektive bremsen die Geschichte aus. Das Licht der Flurlampe …


Sind es die Puma-Schwestern mit ihren abgewetzten Schnürsenkeln? oder die Rieker Brüder mit dem warmen Felleinsatz?
Klasse Idee!
 

lietzensee

Mitglied
Hallo SynapsenSchreiber,
das ist eine originelle Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Sprachlich könnte man sie noch polieren. Viele Sätze wirken für mich überfrachtet. Zum Beispiel der Einstieg:

Mit dem sanften, gelben Licht der bauchigen Flurlampe mit dem Papierschirm beginnt ein neuer Tag für uns.
Zwei mal -Mit- ließt sich holprig und die Lampe ist auch ohne dem Papierschirm schon sehr ausführlich beschrieben. Den Einschub könnte man streichen.

Wie jeden Morgen hören wir zuerst das Rauschen der Toilettenspülung, bevor das laute Rattern der Kaffeemühle gefolgt vom monotonen Brummen der in die Jahre gekommenen Siebträgermaschine einsetzt.
Das sind viele Adjektive vor vielen substantivierten Verben. Auch hier würde ich aussieben. Wenn ich -Rattern- lese, gehe ich schon davon aus, dass es ein lautes Geräusch ist. Brummen ist auch immer monoton. Beides könnte man streichen. Dann hat der Leser Kapazität, das stimmungsvolle "in die Jahre gekommen" in sich aufzunehmen.

Das ergäbe dann:
Mit dem sanften, gelben Licht der bauchigen Flurlampe beginnt ein neuer Tag für uns. Wie jeden Morgen hören wir zuerst das Rauschen der Toilettenspülung, bevor das Rattern der Kaffeemühle, gefolgt vom Brummen der in die Jahre gekommenen Siebträgermaschine einsetzt.

Es gibt immer viele Wege, wie sich ein Text noch verbessern lässt. Aber das wäre sicher einer.

Viele Grüße
lietzensee
 



 
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