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A

Architheutis

Gast
Liebe ameise,

auch von mir ein Herzliches Willkommen.

Dein Erstling hat Stärken und Schwächen.

Schwächen:

Versmaß! Ich hebe (^) und senke (-):


Ob ich lachen oder weinen soll?
^ ^ ^ - ^ - ^ - ^
Die Zugvögel fliegen in Scharen.
- ^ - - ^ - - ^ -
Ja, sie wissen, was zu tun ist. Moll
^ ^ ^ - ^ - - - ^
nur oder Dur? Es bleibt im Argen.
^ ^ - ^ - - - ^ -

Es ist unrhythmisch. Es liest sich daher unrund.


Die Zeilenumbrüche wirken auf mich etwas konstruiert, zu sehr dem Reim geschuldet. Der Umbruch ist immer eine besondere Betonung und sollte daher eine Bedeutung haben, die über das Reimen hinausgeht. Das erkenne ich hier nicht.

Stärken:

Ich wein mir eine Flasche leer
Ein toller Satz! "Wein" doppeldeutig benutzt, das reine Leertrinken füllst Du mit einer ganzen Leidensgeschichte. Das alles steckt in diesen paar Wörtchen. Bravo!

Dieser Satz verspricht Dein Talent. Das Handwerk muss dem erst noch folgen. Auch (oder vor allem) darum sind wir alle hier. ;-)

Weiter so,
Archi
 

ENachtigall

Mitglied
unrythmisch?

Ich finde hier im doppelten Rythmus und der feinen Symmetrie zeilenübergreifender Sequenzen mit Binnenreim unbedingt ein Exemplar der so oft heraufbeschworenen revolutionären neuen Poesie in der Landschaft der gereimten Lyrik.

Ob ich lachen oder weinen soll?
Die Zugvögel fliegen in Scharen.
Ja, sie wissen, was zu tun ist. Moll
nur oder Dur? Es bleibt im Argen.

Ich wein mir eine Flasche leer
und der Schweiß verhöhnt den steifen
Kragen. Mir drehts den Magen quer.

Doch dann, nach Stunden im Zergehen ...
hab [strike]habe[/strike] ich die Chimära fliehen sehen.

Ein Liedchen werd ich pfeifen!
Zur Verfeinerung der Melodie striche ich nur in der vorletzten Zeile dem ersten Wort das kleine E.

Inhaltlich beschreibt es auf einfache aber originelle Weise die Überwindung konträrer Stimmungs- und Gefühlsverirrung mittels "spiritueller Verflüssigung".
Form und Inhalt finden im Gesamtkonzept des Gedichtes, sicht- und hörbar respektabel zur Geltung gebracht, Identität.

Mit anerkennenden Grüßen

Elke
 

ameise

Mitglied
Hallo!

@architheutis:

Danke für Deine Draufsicht! Sie wird mir zukünftig helfen, noch ein Auge mehr auf die "Tanzbeine" zu werfen ;-) .

@ENachtigall:

Auch Dir danke ich für Deine Analyse! Volltreffer :)

Es grüßt euch ganz herzlich
die ameise
 

ameise

Mitglied
Fragen

Ob ich lachen oder weinen soll?
Die Zugvögel fliegen in Scharen.
Ja, sie wissen, was zu tun ist. Moll
nur oder Dur? Es bleibt im Argen.

Ich wein mir eine Flasche leer
und der Schweiß verhöhnt den steifen
Kragen. Mir drehts den Magen quer.

Doch dann, nach Stunden im Zergehen ...
hab ich die Chimära fliehen sehen.

Ein Liedchen werd ich pfeifen!
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Ameise,

Kurze Inhaltsangabe: Das LI säuft sich einen an, weil die Freundin den Abgang gemacht hat oder das Geld alle ist - etwas in dieser Dimension. Und nachdem das LI wieder nüchtern
ist, ist alles wieder gut und es pfeift auf seinen Kummer. So schlimm kann der Kummer also nicht gewesen sein.

Nicht schlecht, aber auch nicht mehr, es ist auch kein Merkmal irgendwelcher "neuer Lyrik", das ist einfach ein Gedicht. Kein schlechtes Gedicht, Überragendes oder etwas außerordentlich Besonderes sehe ich nicht (Flasche leerweinen kenne ich schon), gut aber finde ich die beiden Enjambements eingesetzt. Das Gedicht ist in einer freundlichen Säuferstimmung geschrieben, und es hat auch kein Anfänger geschrieben, sondern jemand, der doch schon länger schreibt und weiß, wie man ein Enjambement einsetzt.

Gern gelesen, aber das nächste Gedicht vielleicht mit ein paar Prozente weniger

wünscht Fettauge
 

ameise

Mitglied
Hallo Fettauge,

danke für Deinen umfangreichen Kommentar! Freu mich darüber.
Bis bald vielleicht. Ach so, die "neue Lyrik" etc. ist nicht meine Erfindung. Halte und hänge mich selber an solchen Beschreibungen nicht fest. Also dann,
sei gegrüßt von
ameise.

P.S. Die inhaltliche Interpretation von ENachtigall trifft eher zu. Dennoch ist es ein Glück, dass Gedichte zumeist subjektiv bleiben - beim Leser wie auch beim Schreiber.
Man analysiert / reflektiert diese, wenn auch manchmal unbewusst, oft durch den persönlichen Filter. Daher ist auch Dein Beitrag dazu interessant.
 

ameise

Mitglied
Hallo Curd,

hab grad gemerkt, dass Du mir auch eine 7 gegeben hast, nachdem ich Dein Gedicht bewertet habe :)

LG
ameise
 

Curd Belesos

Mitglied
moin, moin

habe deine Verse erneut gelesen und wollte sie bewerten. Es ging nicht.
Dann habe ich mir die Kommentare angesehen und deinen Eintrag an mich gefunden.
Jetzt weiß ich auch warum ich nicht werten konnte,ich war bereits so frei.
Man kann nüchtern und trocken jedes Gedicht zerlegen und prozentual das Negative überwiegen lassen.
Bei mir überwog das Positive deiner Verse, von der Form über die Wortwahl, bis hin zum Aufbau. Es gefällt mir gut.

Curd
 

ameise

Mitglied
Moin Curd,

ich geb dir recht: Gedichte kann man zerlegen. Manchmal hat die anschließende Bewertung noch die Färbung des ersten Eindrucks in sich oder es gibt auch diverse Fehlersucher, die aus Prinzip handeln oder... oder... oder... .
Hier in der Leselupe hatte ich aber bisher (war unter anderen Namen schon hier) meist konstruktive & somit helfende Kritiken bekommen. Man tauscht sich hier aus und lernt miteinander.

Danke für deine Zeilen!

LG
ameise
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo ameise,
geht vielleicht ein bisschen an deinem Thema vorbei und mag möglicherweise ein bisschen albern anmuten, aber ich habe mir eben folgende Kurzversion deines Gedichts gestrickt und finde sie reizvoll:

Ob ich lachen oder weinen soll?
Die Zugvögel fliegen in Scharen.
Sie wissen die Antwort nicht.


lg wüstenrose
 

ameise

Mitglied
Moin Wüstenrose,

danke für Deine Kurzversion!
Nun, Tiere leben aus dem Instinkt heraus und wägen nicht unentwegt ab. Sie "wissen" praktisch, was zu tun ist. Die Zugvögel folgen geordnet dem Alpha-Tier. Alles ist zielgerichtet.
Wir Menschen hingegen können uns durch zuviele Gedanken, durch ein regelrechtes Kopfkino, das Leben selber zur Hölle machen.
Wenn dieser Fall im wortwörtlichem Sinn eingetreten ist, versuchen wir - im allgemeinen - diesen Zustand zu betäuben bzw. zu überdecken. Das kann man z.B. auch mit Alkohol tun.

Will sagen, liebe Wüstenrose, dass der Inhalt Deiner Kurzversion sich davon unterscheidet. Aber aus einer anderen Perspektive ist er sicherlich auch interessant.

Ich danke Dir fürs Reinlesen und Dichten!

LG
ameise
 

ameise

Mitglied
Nochmal zur Aussage Deines Verses:

Ich geb Dir recht, die Zugvögel wissen die Antwort nicht.
Sie sind im herkömmlichen Sinne keine Ratgeber.
Vielleicht zeigen sie uns durch ihr Bild am Himmel auf, wie man sich in Harmonie bringt oder sich mit dem Leben arrangiert.
Jedoch dem Alpha-Tier zu folgen, ist nicht immer gut, zumindest bei uns Menschen. Dieses Verhalten hat ja z.B. in der deutschen Geschichte schreckliche Ausmaße angenommen.
Also: wir leben sozusagen in einem Dilemma ;-).
Aber wir können das Leben mit echtem Humor annehmen, wenn wir es durchschauen und keine falschen / unmöglichen Erwartungen hegen, die unerfüllbar sind.
Doch das ist ein Prozess, der viel Zeit braucht.
Das wirst Du als Wüstenrose sicher wissen :)!

LG
ameise
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe ameise,

einmal war ich 4 Tage lang traurig nur wegen der Aussagen in den Bildern einer Ausstellung von El Greco. Dann habe ich mir gesagt, ich bin nicht auf der Erde, um traurig zu sein und habe diesen Zustand (in meinem Falle ohne Alkohol) wieder beendet.

Ja, das kann man tun, dass man sich sagt, ich kann es nicht ändern, also lass ich es so, wie es ist.
So viel mal inhaltlich dazu.

Die von Dir gewählte Form gefällt mir sehr gut. Da könnte ich jetzt alles wiederholen, was ENachtigall schon gesagt hat. Am besten gefallen mir die Binnenreime.

Aber das ."ich wein mir eine Flasche leer" ist natürlich auch sehr intelligent gelöst zur Erwähnung einer Weinflasche.

Auch, dass Du hier auf die Zugvögel gekommen bist, finde ich beeindruckend. Sie wissen in der Tat immer, wann es Zeit ist, dem Schlimmen zu entfliehen.

Dieser Text ist eine Bereicherung für die LL, finde ich jedenfalls.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

ameise

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

vielen Dank für Deinen Kommentar inkl. Wertung!
In der Tat ist es so, dass Alkohol nur vorübergehend vom "Thema", welches es uns auch immer im Leben gestellt wird, ablenkt.
Das Schlimme dabei ist die Gefahr der Abhängigkeit.

Bin mir dessen bewusst, dass regelmäßiger bzw. maßloser Alkoholkonsum keine wirkliche Lösung bieten kann.
Ja, ich geb dir recht, wir können die Geschehnisse nicht zu 100 % in unserem Sinne kontrollieren. Da alles fließt, steht das KONTROLLIEREN WOLLEN dazu im absoluten Gegensatz. Oft, und zwar rückblickend, hatten sogenannte negative Erlebnisse oder daraus resultierende innere Zustände, letztlich einen Sinn.
Man muss sozusagen die einzelnen Scherben seines Lebensmosaiks sammeln, manchmal schneidet man sich dabei...
aber letztendlich ist man über das Gesamtbild froh.
Will sagen, dass, was am Anfang einen eher schlechten Eindruck auf uns macht, erweist sich oft als nützlich - im Sinne der persönlichen Entwicklung.

Die Zugvögel wissen, was zu tun ist. Wir hingegen können durchaus froh sein, nicht alles wissen zu können ;)
Dadurch entstehen SPIELRÄUME.

So, jetzt reichts aber :)

LG
ameise
 



 
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