Fragen zum Schreiben

NadineR1985

Mitglied
Hallo Zusammen!
Ich muss noch mal ein paar Fragen loswerden, die sich auf die Kritiken beziehen, die ich mir von Bekannten bisher zu Gemüte führen durfte:
1. Die Langatmigkeit. Gibt es tatsächlich zu langatmige Romane, sodass die Leute die Lust zum Lesen daran verlieren? Bei meinem längsten Roman "Murderer in the night" wurde das beispielsweise von zwei Leuten geäußert. Es ist in der Geschichte nämlich so: Bankkauffrau und Rockstar lieben sich und trennen sich mehrfach, da immer irgend etwas dazwischen funkt (mal betrügt sie ihn, mal zerstört ihre Beziehung einer der Gitarristen, dann mal eine Journalistin mit Fotomontage etc.) Machen diese Trennungen den Roman tatsächlich langweilig? Aber die trennen sich ja nie aus demselben Grund!
2. Die Protagonisten. Müssen die tatsächlich sympathisch, heroisch etc. sein? Da kam von einem meiner Bekannten mal die Kritik, dass meine Protagonisten aus meinem längsten Roman zu emanzipiert, überheblich, zynisch etc. ist. Ist das denn tatsächlich derart schlimm?
3. Was versteht Ihr unter anspruchsvoller Literatur? Wenn viele Fremdwörter auftauchen? Wenn die Handlung zu undurchsichtig ist? Wenn historische Aspekte aufgegriffen werden? Meine Oma meint bei mir beispielsweise, dass es lediglich leichte Lektüre ist, obzwar bei mir Fremdworte, psychologische Beschreibungen etc. auftauchen.
4. Was ist für Euch eigentlich eine wirklich romantische Geschichte? Wenn viel Kitsch drin ist, wie z.B. dass sich die Protagonisten dauernd ihre Liebe gestehen, das Drumherum ganz exzessiv beschrieben wird, die romantischen Gefühle der beiden zu sehr aufgeführt werden?
5.) Schreibt eigentlich jeder Autor tatsächlich "unbewusst" über sich selbst oder sein soziales Umfeld? Bei mir ist es abstruserweise bereits sehr vielen aufgefallen, dass ich über Erlebnisse, Eindrücke in meiner Vergangenheit berichtet habe.
So, ich hoffe, ich überfordere niemanden mit dieser Flut von Fragen. Ich danke schon einmal im voraus!
Eure Nadine
 
K

kuschelmuschel

Gast
Hallo Nadine,

zu 1. Wenn sich deine Protagonisten immer wieder trennen und wieder zusammenkommen, wirkt das wahrscheinlich spätestens nach dem zweiten mal langweilig. Da nützt es nichts, das es immer mal wieder ein etwas (!) anderer Grund ist. Das ist wahrscheinlich nur für Leute interessant, die ansonsten auch am liebsten Liebesromane, Artzromane etc. lesen. Wobei ich natürlich noch nie irgendwas von dir gelesen habe, aber, um es überspitzt zu sagen, erinnert mich die Beschreibung ein wenig an den Unterschied zwischen einem guten Film (Beziehungsdrama) mit ein zwei Sexszenen und einem Pornofilm.

zu 2. Natürlich können und müssen Protagonisten immer mal wieder emanzipiert, überheblich, zynisch sein, aber eben nicht zu sehr. Es muss schon irgendwie glaubwürdig bleiben. sonst kann man sich mit den Protagonisten nicht mehr identifizieren.

zu 3. Hochwertige Literatur ist für mich, wenn Handlung und Stil passend aufeinander abgestimmt sind. Ich zum Beispiel habe häufig eine Abneigung gegen Fremdwörter in Romanen, es sei den notwendige in Krimis, Science Fiction usw. Aber Fremdwörter müssen für mich absolut notwendig sein, wenn ich sie anwende, sie haben nichts damit zu tun ob ein Roman hochwertige Literatur ist oder nicht.

zu 4. Ich bin nicht der Meinung, das beim Schreiben immer irgendwas aus der Lebensgeschichte des Autors drin sein muss. Ich denke, dass man auch Geschichten schreiben kann, die einfach frei erfunden sind und vom Autor noch nie direkt oder indirekt erlebt wurden. Ich kann mich doch auch in völlig Fremde Situationen hineinversetzten und sei es nur, weil ich ein Buch gelesen habe, wo ein Autor sich mit einem ähnlichen Problem einfühlsam beschäftigt hat. Ich denke man kann es immer vermeiden, dass andere Leute es merken, dass autobiographische Züge drin sind, indem man sie gut verfremdet. Die Geschichten die ich schreibe müssen nicht wahr sein, sie müssen nur wahr sein können. D.H. die Figuren müssen nur glaubwürdig handeln, dazu muss ich die Situation aber nicht wirklich erlebt haben, es reicht wenn sie für mich und für andere Leser so möglich wäre.

So ich hoffe, das beantwortet deine Fragen.

Viele Grüße,

Michael
 

die jutta

Mitglied
Sicher gibt es langatmige Romane. Das sind solche, bei denen nur beschrieben wird, statt zu zeigen, bei denen die Figuren blass bleiben, bei denen moralisiert wird und noch einiges andere mehr. Ob die Trennungen in Deinem Roman langatmig wirken, kann ich nicht beurteilen, aber ich kann mir vorstellen, dass das mit der Zeit ziemlich langweilig wird.
Die Protagonisten sollen so sein, dass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann, dass er mitleidet oder sich mitfreut. Sie sollen aber unterschiedlich sein, wenn jeder Protagonist zu emanzipiert, überheblich, zynisch etc. ist, wirkt das auch langweilig.
Viele Fremdwörter machen jeden Text kaputt. Psychologische Beschreibungen machen auch keinen guten Text aus, wenn wirklich nur beschrieben wird und es nicht durch das Handeln und Denken der Personen gezeigt wird. Handlung und Sprache sollen klar sein. Einen guten Text machen der doppelte Boden aus, also das Lesen zwischen den Zeilen, so dass die Geschichte von jedem immer wieder anders interpretiert werden kann, das Vermeiden von abgedroschenen Bildern und Redewendungen, das Verwenden von rhetorischen Mitteln und vieles andere mehr.
Kitsch gehört in keinen Text. Wenn die Leute sich dauernd ihre Liebe gestehen, ist das trivial. Überhaupt ist etwas Neues über die Liebe zu schreiben, eines der schwersten Dinge, die es beim Schreiben gibt. Liebeserklärungen sind meist schon hundertmal gelesen. Und wieder: Es darf nicht beschrieben werden, sondern es muss gezeigt werden. Man kann einen Text, in dem es um Liebe geht, schreiben, ohne das Wort „Liebe“ überhaupt zu erwähnen.
Unbewusst ist der Autor in jeder Geschichte, er kann nur über das schreiben, was er gesehen, erlebt oder gehört hat. Wieso ist das aufgefallen, dass Du über Erlebnisse und Eindrücke in Deiner Vergangenheit berichtet hast? Das kann der Leser doch gar nicht wissen, und ich finde, das geht ihn auch nichts an.
Einer der wichtigsten Tipps, damit ein Text nicht langweilig wird, ist, auch wenn ich mich wiederhole, wirklich: Zeigen, nicht beschreiben.
Ich hoffe, ich habe ein kleines bisschen geholfen. Der Platz ist hier leider zu knapp, als dass ich ausführlich Deine Fragen beantworten kann.
 

NadineR1985

Mitglied
Herzlichen Dank für Eure Beschreibungen! Sie helfen mir in der Tat. Nun gut, die Geschichte, die von mehreren kritisiert wurde, schreibe ich noch mal komplett neu!
Nadine
 
@ nadineR1985

nur zu (5)

Ja, jeder Schreiber schreibt unbewusst über sich, und nur über sich, und zwar in dem Sinne, daß er aus seinem eigenen Kopf heraus arbeiten muß. Deshalb ist "Schriftstelllen" eine höchst individuelle Angelegenheit.

Er nimmt als Mensch ununterbrochen Ideen, Signale, Anregungen, usw. aus seiner Umwelt auf. Diese verarbeitet er innerlich und gleicht sie so an sein eigenes Sein an. Gelingt diese stille intime Synthese, kann er danach auch über Dinge schreiben, die nicht zu seinem "milieu" gehören (aber eben nur, wenn er diese Dinge vorher an seine Befindlichkeit adaptiert hatte). Daraus entsteht dann das, was man "Authentizität" nennt, seine Schriften sind "mit ihm selbst" gefärbt.

Andernfalls kann er natürlich trotzdem über alles Mögliche schreiben, aber -außer Zufallstreffern- wird ihm nur wenig gelingen. Er erfühlt dann auch selbst (wenn er sensibel ist), daß ihn die bearbeiteten Themen innerlich "nichts angehen", ihn nicht wirklich berühren.
Darunter wird dann sehr schnell auch die Motivation zum Schreiben leiden, denn es ist ARBEIT zu "Schreiben", und das unterscheidet sich erheblich vom "einfach-was-hinschreiben".
 
@ nadineR1985

nur zu (3)

"Anspruchsvolle Literatur" als eine objektiv vorhandene, quasi statische Gegebenheit zu verstehen, heißt einer Schimäre hinterherjagen.

Sprache ist nur ein Sonderfall von Kommunikation, und Kommunikation ist dynamisch und funktionell, nicht-statisch.

Die Funktionalität eines Textes bestimmt seine Wertung, und diese Funktionalität ist immer eine andere bei jeder einzelnen Text-Leser-Wechselwirkung.

Im Bild: Eben gerade, weil Sprache lebt, ist das Leben von (sprachlichen) Texten als "schön", bedeutend", "wichtig" usw. ebenfalls allermeist begrenzt.

Derselbe Text bedeutet zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Menschen (Kulturen auch) völlig Verschiedenes, und eigentlich müßte ein vorhandener Text für jeden einzelnen Leser und für jede einzelne Zeit spezifisch neu übertragen werden, damit er in dem Sinne "verständlich" bliebe, daß die ursprünglichen Intentionen des Autors kommunizierbar bleiben.

Nur der Autor selbst aber kennt seine Intentionen, und sagar das ICH des Autors driftet im Rahmen biologischer Gegebenheiten mit dem Lebensalter (es verändert sich/ d.h., noch nichtmal "der Autor" als ICH bleibt stabil, und damit auch seine Intentionen nicht!)

Jeder einmal geschriebene Text (eine gestaltete Idee) lebt also eine Zeit, altert und stirbt, ODER, er müßte sich stets verändern.
(Wenn Texte scheinbar "ewig" leben, so liegt oft das daran, daß sie in Wahrheit abgestorben sind, und per Überinterpretation potentiell unendlich lange als "Gespenster" in einem Scheindasein gehalten werden, das nennt man "Hypersemiose". Die Bibel ist ein gutes Beispiel für einen solchen "abgestorbenen Text" (eingefroren als Dogma), der per Phantasien der Gläubigen immer wieder neu belebt wird, wobei man dem Text (Worte sind geduldig) sogar die Gewalt antut, ihn als "Gotteswort" überzuinterpretieren.

Jeder Versuch Sprache einzufrieren (z.B. als Dogma, oder als Kodex (wie in Gesetzbüchern), tötet sie auf der Stelle.
Das ist immer eine fürchterliche Gratwanderung.

Die Bedeutungen aller Worte jeder Sprache driften im Ablauf der Zeiten, sie verändern sich, meist unmerklich und subtil. Jeder fertige Text ist aber nur gültig im Kleid der aktuellen Bedeutungen seiner Worte zu der Zeit, als er geschrieben wurde.

Als "gute" "anspruchsvolle" Literatur gilt in der Lebensrealität solche, die funktionell ist ("etwas auszusagen scheint"), UND wenn sie diese Eigenschaften im Auge der Leser über verschiedene Zeiträume hinweg behält, und/oder auf möglichst vielen sozialen Levels behält.

Primitiv formuliert: Je größer die scheinbare Aussagekraft und je mehr reale Lebenssituationen der Leserschaft abdeckend, desto scheinbar "anspruchsvoller".

Diese Eigenschaft anspruchsvoll zu sein, kann natürlich durch Demagogie, Suggestion, Persuasion der Medien und interessierter Kreise usw. künstlich erzeugt werden. Beispiele sind heute die bestseller-charts u.v.a.

Aus all solchen Gründen, und es gibt noch viel mehr dazu, ist es unmöglich per Vorsatz "anspruchsvolle Literatur" zu erzeugen. Kunst ist genausowenig "produzierbar" wie Wissenschaft, auch, wenn man im Rahmen kapitalistischer Produktions- und Lebensweise gerne das Gegenteil annimmt und bewirbt. Das ist alles Blödsinn.

In dem Sinne entziehen sich Lit. und Kunst jeweils vorhandenen Herrschafts- Geld- Mode-Interessen (sie bleiben -genau besehen- unbeherrschbar/ unkontrollierbar, und stellen umgekehrt durch ihre bloße Existenz bereits, diese Verhältnisse in Frage.
(die systemkonforme Kunst u. Lit. sind ein anderes, großes Thema)
 
@ nadineR1985

nur zu (4)

Du darfst "romantisch" nicht mit Kitsch verwechseln. Es geht nicht das hier auszuführen (zu lang), aber mache Dich kundig. Dein Mißverständnis wiegt "schwer"!

Es gibt z.B. "Kitsch in der Romantik" und umgekehrt "romantischen Kitsch". Dies allein läßt schon die Nichtidentität beider Begriffe aufscheinen.

zum Liebesgeflüster früherer Zeiten:

Ist eben nicht Kitsch, aus den Zeiten her interpretiert, in denen es üblich war (die Geschichtlichkeit ist unbedingt zu beachten):
Ich schrieb's schonmal. Wenn Du dir eine Zeit vorstellst, in welcher der reine Sexualakt nicht nur "mit einem mystischen Überbau Gott" abgesprochen werden mußte, sondern auch fast automatisch zur biol. Vermehrung führte, die wiederum mit Hunger, Krankheit, Nahrungsmangel, Tod durch Kindbettfieber usw usw untrennbar verknüft war, erkennst Du, daß Sexualität auch aus rein lebenspraktischen Gründen damals eine völlig andere Bedeutung haben mußte! als heute.

Dann ist plötzlich das "elendlange Gedöns" bevor die mal in die Kiste hüpften, gar nicht mehr so kitschig. Unsere Altvorderen waren nicht triebschwach, blödsinnig, verklemmt usw, es gab damals soziale (und psychologische) massive Gründe, sich lieber 50x verbal z.B. die Liebe "zu gestehen", als ein einziges Mal miteinander im Bett zu landen.

Mit welcher Existenzangst muß sich eine völlig abhängige Frau des Mittelalters an den Erzeuger ihres vielleicht ungewollten Kindes geklammert haben, von dem (Erzeuger) ihre eigene weitere Existenzfähigkeit in größtem Umfang abhing?
Die Menschen früherer Zeiten, genau wie heut noch in der Dritten Welt, lebten im Schnitt etwa 40 Jahre. Das reichte gerade mal für eine Liebschaft, eine Jungenaufzucht, und dann war's schon vorbei. (daher der Mythos heute noch: EIN Partner, eine Liebe, für ewig, usw.....)

Die Zeiten waren nicht immer so herrlich frei wie heute, wo man Sex und Vermehrung per Wissenschaft!!! trennen kann.

PS: Wenn ein heutiger Text in dem obigen Sinne historisch ist, kann er auch heute "Romantiken" plausibel kommunizieren.
Wenn man mittelalterliches Liebesgedöns hingegen (unhistorisch) zwischen Präservative und Antibabypillen setzt, ist es lächerlich.
Ein solcher Text ist dann unredlich, oder -falls Absicht- Satire/Karrikatur usw.
 
M

margot

Gast
nadine, bei waldemar hast du ein beispiel für langatmige
kommentare vor augen. langatmige romane gibt`s jede
menge - trotzdem kann ein roman oder eine erzählung dir
langatmig erscheinen, während ich den inhalt faszinerend
und spannend finde. ich denke, du solltest dich von äußeren
kriterien des gefallens oder nicht-gefallens am anfang
deiner schreibentwicklung nicht zu sehr beeindrucken
lassen. der autor selbst sollte für seinen text das
erste und kritischste publikum sein. es heißt also
erstmal beim schreiben, eine gewisse selbstverliebtheit
weitmöglichst abzulegen. und das ist schwieriger, als
man anfangs glauben mag.
wenn du das geschafft hast und den überflüssigen text
über bord warfst, dich wie der erfinder der glühbirne
über das leuchten deines textes freust, dann magst
du ihn vorführen -
und es sollte dir dabei wurscht sein, ob er als
anspruchsvolle literatur oder kitsch angesehen wird,
denn du hast dein möglichstes gegeben.
als beispiel: wenn du dich zum ausgehen schminckst und
kleidest - letzlich bleibt deine ausstrahlung als
person wichtig. alles andere ist beiwerk.
es geht um dein selbstbewußtsein als autorin. und das
mußt du in sprache übersetzen ... deine sprache finden.
darum geht es.

gruß
ralph
 
M

margot

Gast
ach ja, nadine, und lese, lese, lese, lese ...
finde die schriftsteller, die dich beeindrucken.
lerne von ihnen.

ralph
 



 
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