Frodo kehrt heim -Teil 1

  • Frodo kehrt heim - Teil

    Minas Tirith


    Die Autogrammstunde war beendet, Hunderte, wenn nicht gar über Tausend junge Hobbits waren über Stunden bei ihm angestanden -nur um ein Autogramm, ein Widmung, ein persönliches Wort von ihm zu erhaschen. Nicht wenige von ihnen hießen Frodo, Sam, Merry oder Pippin. Namen, die Jahrhundertelang veraltet waren, aber nun seit einigen Jahren wieder als modern, als todschick galten - eine Mode halt. Jetzt konnte er nicht mehr, war in sich zusammengesackt. Frodo war todmüde. Etwa ein Monat war es her, dass er nach Mittelerde zurückgekehrt war und er war vollkommen überwältigt von dem, was er seitdem erlebt hatte.

    Angekommen war er in Minis Tirith – einer völlig unüberschaubaren Millionenmetropole. Millionen?! So viele Menschen gab es damals in ganz Mittelerde nicht! Er war dort mit einer Flugmaschine gelandet, mit der man ihn von den Grauen Anfurten abholte. Er zierte sich sehr darin einzusteigen, aber alle versicherten ihm, dies sei heute die sicherste Art zu reisen. Nein, keine Zauberei sondern Technik, die Welt hatte sich verändert. Minas Tirith war extrem laut und geschäftig aber er bekam davon nicht viel mit. Er wurde von Anfang an abgeschirmt und von einer Gruppe sehr kräftiger Männer begleitet, sie sagten, sie beschützten ihn. In der State University of Gondor, der renommiertesten Universitität Mittelerdes wurde er als Ehrengast im Gästehaus untergebracht. Und dann wurde er Opfer der Professoren. Tagtäglich kamen sie zu ihm und interviewten ihn – den Zeitzeugen aus der Grenze zwischen klassischer Antike und Frühmittelalter. Für sie war er die erhoffte Antwort auf so viele ungeklärte Fragen – eine wissenschaftliche Sensation ersten Ranges. Schon nach einigen Tagen ging es ihm wieder so schlecht wie zu den Zeiten, als er den Ring trug und die letzten Jahre, eigentlich waren es ja Jahrhunderte, in Valinor.
    Als es ihm wieder einmal ganz schlecht ging kamen am Abend eine junge Ärztin und ein Professor für alte Sprachen auf sein Zimmer. Der Professor war wichtig für die Verständigung, denn Frodo hatte gemerkt, dass er sich mit den Menschen nicht mehr verständigen konnte – außer mit einigen dieser Professoren, die die alten Sprachen noch beherrschten. Sie sprachen lange miteinander und schließlich meinte die Ärztin: „Herr Beutlin, sie leiden unter einer schweren depressiven Episode, sie brauchen Schonung, Medikamente und eigentlich bräuchten eine Gesprächstherapie, aber ich denke, das wird kaum zu leisten sein. Im Prinzip leiden sie unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom, einer Anpassungsstörung und ich bin mir sicher, dass da noch weitere Probleme in ihnen liegen, die sie nicht aufgearbeitet haben. Passen sie auf: Die nächsten Tage brauchen sie erst mal Ruhe! Wir werden sie jetzt jeden Tag einmal besuchen, mit ihnen sprechen und wir müssen sehen, ob die Medikamente wirken. Außerdem werden wir ihnen einen Coach schicken, einen Sprachlehrer, damit sie fähig werden selbst mit den Menschen zu kommunizieren“
    Als Frodo wieder alleine war stellte er einen dieser Palantire an, ein schwarzes rechteckiges Gerät aus einem der Stoffe, die er nicht kannte. Plastik sagten sie! Plastik? Nie gehört? Alles keine Zauberei sagten sie – Technik, Elektronik, menschlicher Erfindergeist – sagten sie! Was in diesem Gerät aufflimmerte ließ ihn noch verständnisloser zurück. Obwohl, einmal schien es um ihn zu gehen. Schließlich blieb er an einem Programm hängen in dem kleine anscheinend gezeichnete Lebewesen herumhüpften und -schrien. Er verstand zwar nichts, hatte aber auch nicht das Gefühl, etwas verstehen zu müsse.
  • Abschied von Valinor

    Seit dem Gespräch hatte sich vieles gebessert – die Menschen achteten sehr auf ihn und seine Bedürfnisse. Schließlich äußerte er den Wunsch, das Auenland zu besuchen – und dort saß er jetzt, erschöpft und müde nach dieser Autogrammstunde. Er schleppte sich auf sein Hotelzimmer und dachte nach: Warum war überhaupt wieder zurückgekommen? Wie viele Jahre mochte er in Valinor verbracht haben? Ihm kam es schon sehr lang vor, aber die Professoren sagten, es wären fast zweitausend Jahre gewesen. Zweitausend Jahre?! Frodo erinnert sich, die erste Zeit dort war sorgenfrei, alles war ruhig, alle kümmerten sich um ihn, den Weltretter, alle mochten ihn. So gingen die Jahre ins Land. Jahre? Es gab ja keine Jahreszeiten, keine Ereignisse, keinen erkennbaren Jahresrhytmus, alles verschwamm zu einem zähen Zeitbrei. Die Elben trafen sich ständig zu Gesangs- Lyrik- und Rezitationsabenden. Am Anfang ging Frodo noch gerne hin, aber irgendwann wurde es ihm langweilig. Als er schließlich beschloss, sie nicht mehr zu besuchen, merkte er wie die Elben unterschwellig verstimmt waren. Auch an ihren Tischtennisturnieren wollte er nicht teilnehmen. Die Elben spielten oft tagelange Ping-Pong-Turniere, sie brachten es darin zu einer unglaublichen Meisterschaft, zu Ballwechseln, die minutenlang dauerten - sie hatten ja nichts anderes zu tun. Gandalf war zwar weiterhin sein Freund aber auch er veränderte sich mit der Zeit. Während die Elben in Valinor nicht alterten und auch Frodo sich nur sehr langsam veränderte, galt das für Gandalf nur eingeschränkt. Er war zwar äußerlich immer schon ein alter Mann – aber das war ja nicht seine eigentliche Gestalt. Geistig wurde er immer eingeschränkter, verlor seinen Charme, erzählte immer wieder das Gleiche. Manchmal erkannte er auch seine Freunde nicht mehr wenn sie ihn besuchten. Zuletzt erzählte er immer wieder absurde Verschwörungs- theorien, dass Sauron, hinter allem steckte, dass die Welt, auch Valinor in Wirklichkeit von den Abgesandten der Nazgul regiert würde und so weiter. Er wurde immer misstrauischer und zog sich von den Elben zurück, die er alle für Werkzeuge Saurons hielt. Frodo ertrug es manchmal nicht mehr. Elrond wirkte immer unnahbarer und er strahlte eine fast irrationale Wichtigkeit und unendliche Bedeutungstiefe aus, vor der Frodo zunehmend zurückschreckte. „So wie ein Eisschrank“, dachte er, nachdem er viel später einmal in Minas Tirith ein Bier aus einem solchen holte und dabei fröstelnd an ihn zurück dachte.
    Schließlich kam der Tag, an dem dieses Schiff im Hafen auftauchte. Ein Menschenschiff, ein Schiff, wie es noch nie jemand gesehen hatte. Es brauchte keine Segel, es fuhr von selbst. Es was größer als jedes Elbenschiff und drohte, seine Waffen zu gebrauchen, wenn die Elben nicht mit ihnen verhandeln wollten. Und das wollten sie nicht – sie wollten mit den "primitiven, minderbemittelten" Menschen nichts zu tun haben. Sie betrachteten sich als das Zentrum des Lebens und der Kultur auf ganz Arda und die schwachen Menschen hätten ihnen nichts von Interesse zu bieten. Ihre Kunstfertigkeit und Geistesschärfe wären einzigartig und allem anderen turmhoch überlegen. Das Schiffe hatte unbekannte Waffen an Bord mit der sie große Explosionen und Verheerungen anrichten konnten. Sie ließen zur Demonstration ein Schiff versenken und sprengten einen alten Tempel. Das überzeugte auch die Elben. Nun kamen immer wieder solche Schiffe und schließlich auch Menschen, die nach Personen wie Frodo oder Gandalf fragten. Gandalf lebte zwar noch, war aber geistig nicht mehr erreichbar und Frodo war unglücklich und so war er froh, als sie ihm anboten, Mittelerde zu besuchen. Schon die Überfahrt nach den Grauen Anfurten überforderte Frodo – auf dem Schiff war nichts so wie er es kannte und es gab niemandem außer einem alten Professor, mit dem er sprechen konnte. Ständig zuckte er zusammen, wenn plötzlich ein Licht anging oder irgendwo eine Stimme aus dem Nichts erschall. Alles keine Zauberei – so versicherten sie ihm.

 



 
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