Frugalismus und mit 25 in Rente

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Papiertiger

Mitglied

Frugalismus und mit 25 in Rente



Gestern stand ich an der Bushaltestelle und lies meinen Blick schweifen. Ein nicht sehr intelligent wirkender Junge schlug gegen die Anzeigetafel, in der die Buspläne hängen. Niemand sagte etwas obwohl er mitten unter anderen wartenden Fahrgästen stand. Ich beobachtete das, hatte Kopfhörer auf und hörte ein Hörbuch. Fünf Minuten später kam der Knirps zu mir und wollte mich offenbar provozieren, stellte sich vor mich und sagte frech: „Hallo!“, ich reagierte nicht, er ging zu seinen Kumpels zurück. Vor einem Jahr im Schwimmbad, ich war in der Umkleide, kam ein Tross Jugendlicher auf mich zu und pöbelte mich an, vermutlich weil sie lieber die Gemeinschaftsumkleide für sich gehabt hätten. Und heute war ich einkaufen, vor mir an der Kasse stand ein Rentner, der nach sich keinen Warentrenner aufs Band legte, was ich nachholte. Beim Bezahlen entdeckte er eine Tube Zahnpasta, die er nicht gekauft habe. „Vielleicht ist die von dem Mann“ sagte er zur Kassiererin und fragte mich. Ich verneinte. „Vielleicht hat die jemand im Einkaufwagen liegen lassen“ vermutete die Verkäuferin. Es musste jemand zum Stornieren gerufen werden. Es bildete sich eine genervte Schlange. Das alles sind so gar keine erwähnenswerten oder gar dramatischen Ereignisse. Als etwas zu sensibler Mensch sind das für mich bereits Beispiele dafür, dass die Welt nicht mehr so ist wie ich sie vor einigen Jahrzehnten kannte. Die Tür aufhalten für die Person, die nach einem hindurchgehen will. Bitte und Danke sagen. Grüßen. Ein Mindestmaß an Manieren, Respekt und Höflichkeit. Es gab natürlich auch früher schon Idioten, Egoisten und Unzufriedene. Ein bisschen vermisse ich die Rentner, die im Bus den Kindern lautstark erklärten, dass sie die Schuhe von den Sitzen nehmen sollten. Heute scheinen einen ja gleich alle mit dem Messer abzustechen, wenn man nur in deren Richtung guckt. So empfinde ich jedenfalls mitunter das echte Leben. Und dann flüchte ich ins Häusliche und schaue gerne Videos, zum Beispiel über Frugalismus auf YouTube. Sparsam leben, einen gut bezahlten Job, gerne als Informatiker durchziehen und 50 Prozent oder mehr monatlich in ETF und Aktien investieren, damit 400.000 Euro oder mehr in 15 Jahren aufbauen und dann monatlich 1.000 Euro Dividenden pro Monat kassieren und nie wieder arbeiten. Klingt verlockend. Ich verfolge solche Themen wie Minimalismus, das Suchen des passenden Berufs und Investitionen seit Jahren. Und mir fiel ein Film ein, der vor sehr langer Zeit mal im Kinderferienprogramm lief von ARD und ZDF. Der Titel war, glaube ich, „Ravioli“, zumindest aber ging es darum, dass die Eltern in Urlaub fahren, den Kindern Haushaltsgeld daheim lassen, mit dem sie sich selbständig versorgen sollen. Für die Kinder stellt die, aus ihrer Sicht, gigantische Summe eine Riesenverlockung da: endlich die tollsten Spielzeuge und andere ersehnte Dinge kaufen können. Mit dem Geld, das eigentlich für Essen und das Lebensnotwendige gedacht war, in Saus und Braus leben. Und wie soll das gehen? Es werden ausschließlich Dosenravioli gekauft. Jeden Tag Ravioli. Morgens, mittags und abends. Ich kann mich nur an diese Ausgangssituation erinnern. Ich bin mir sicher, dass die Kinder dann rasch bereuten und den Wert einer ausgeglichen, gesunden und guten Ernährung viel besser zu schätzen lernten. Mehr Verständnis und Respekt entwickelten für das kluge Haushalten ihrer Eltern. Hätte noch mit einer Zeile der Rolling Stones abgerundet werden können: „You can`t always get what you want, but if you try sometime you`ll find you get what you need.“. Im Grunde passt das auf vieles: Auf junge Menschen, die mit 25 zum Gerichtsvollzieher müssen wegen Konsumschulden, auf Diskussionen zum Arbeitslosengeld 2 und dem, was im Regelbedarf enthalten ist, nämlich 195,35 Euro. Für Bildung sind 2,03 Euro vorgesehen – nicht so prall.

Die einen wollen früher raus aus dem System, andere verhalten sich so als wären sie bereits im Hier und Jetzt ganz und gar befreit von allen Regeln. Früher in Rente kann bedeuten früher zu merken, dass die nächste Station Altern und Tod sein wird. Wer sich nur über seinen Beruf definiert kann in ein Loch der inneren Leere fallen, wenn Posten, Einfluss, Geld und Ansehen wegfallen. Vielleicht ist eine mögliche Lösung, dass wir uns alle nicht mehr mit Dosenravioli begnügen und uns nicht in, nicht so realistische, Träumereien und Verklärung der Rentenzeit flüchten, sondern jetzt losgehen zum vollen Ladenpreis einen Sack Kartoffeln, Spinat und Bioeier kaufen, Freunde oder Familie zum Essen einladen und danach etwas unternehmen, worauf wir schon immer Lust hatten, was wir aber immer verschoben haben. Und im Geschäft sagen wir Guten Tag, Danke und fahren niemandem vor uns mit dem Einkaufswagen in die Hacken und brüllen dem Vordermann nicht „ZWEITE KASSE“ ins Ohr, weil man bereits unglaubliche dreißig Sekunden warten muss.
 

Papiertiger

Mitglied
...eine echt lesenswerte Erzählung - nur einmal stolperte ich beim Lesen:

...die er nicht gekauft hatte - m.E.

LG wirena
Hallo wirena,

Danke für den freundlichen Kommentar. Es soll "haben" lauten, denn der Mann bestritt den Fehler selbst verursacht zu haben und suchte empört nach dem Schuldigen dieses unerhörten Vorfalls :) Wenn jemand anders Schuld hat, dann muss man sich selbst weniger hinterfragen. Aber ich verstehe: diese Gedankem waren in meinem Kopf und der Text hat sie nicht deutlich genug transportiert.

Schöne Grüße

Tiger
 

wirena

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:) spontan kriege ich dieses "haben" nicht in meinen Kopf- nur wenn ich jemanden sprechen höre mit einer anderen als deutscher Muttersprache - liegt vermutlich an meinem "Schweizerdeutsch" - LG wirena
 

jon

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Es entsteht ein recht wirrer Eindruck. Vor allem - aber wohl nicht nur - wegen der fehlenden Absätze, die das Ganze strukturieren könnte.

Im ersten Satz meinst du "ließ", nicht "lies".
 

petrasmiles

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Da muss ich jon recht geben, lieber Papiertiger,

wobei mich die fehlenden Absätze mehr gestört haben als die wechselnde Gedankenfolge, weil 'irgendwie' klar wird, was Du meinst.
Ich finde, gerade bei diesen gesellschaftskritischen Themen, kommt man leicht von Hölzchen auf Stöckchen, weil einem parallel so viel einfällt, was auch noch dazu gehört, aber dann zerfasert es, wenn man nicht aufpasst.
Die Absätze, also die nicht nur optische Gliederung, unterstützen dabei den prüfenden Blick, wann man welches Ereignis schildert, wie sie gegen andere abgegrenzt werden, wie sich die Einzelaussagen am Ende zusammenfügen.
Inhaltlich sehe ich folgende Absätze
Gestern stand ich an der Bushaltestelle und lies meinen Blick schweifen. Ein nicht sehr intelligent wirkender Junge schlug gegen die Anzeigetafel, in der die Buspläne hängen. Niemand sagte etwas obwohl er mitten unter anderen wartenden Fahrgästen stand. Ich beobachtete das, hatte Kopfhörer auf und hörte ein Hörbuch. Fünf Minuten später kam der Knirps zu mir und wollte mich offenbar provozieren, stellte sich vor mich und sagte frech: „Hallo!“, ich reagierte nicht, er ging zu seinen Kumpels zurück. Vor einem Jahr im Schwimmbad, ich war in der Umkleide, kam ein Tross Jugendlicher auf mich zu und pöbelte mich an, vermutlich weil sie lieber die Gemeinschaftsumkleide für sich gehabt hätten.
Hier fehlt der Hinweis, wofür es steht - sicher weder für Frugalismus noch Rente mit 25, sondern eigentlich sogar mehrere Aspekte schlechten Verhaltens - das aber wiederum für Dinge steht, die mit der Kernaussage nichts zu tun haben.
Und heute war ich einkaufen, vor mir an der Kasse stand ein Rentner, der nach sich keinen Warentrenner aufs Band legte, was ich nachholte. Beim Bezahlen entdeckte er eine Tube Zahnpasta, die er nicht gekauft habe. „Vielleicht ist die von dem Mann“ sagte er zur Kassiererin und fragte mich. Ich verneinte. „Vielleicht hat die jemand im Einkaufwagen liegen lassen“ vermutete die Verkäuferin. Es musste jemand zum Stornieren gerufen werden. Es bildete sich eine genervte Schlange.
Das ist die nächste Situation, die wiederum mit der ersten nicht zusammenschwingt und auch wieder nichts mit Frugalismus oder Rente mit 25 zu tun.

Im nächsten 'Absatz' erklärst Du dann Dein 'wahres' Anliegen: Die Welt hat sich verändert und nicht zum Besseren. Das ist keine Geschichte und unter dem Stichwort 'Frugalismus' oder 'Rente mit 25' wird sie es auch nicht durch die Ereignisse, die Du schilderst.
Und dann flüchte ich ins Häusliche und schaue gerne Videos, zum Beispiel über Frugalismus auf YouTube. Sparsam leben, einen gut bezahlten Job, gerne als Informatiker durchziehen und 50 Prozent oder mehr monatlich in ETF und Aktien investieren, damit 400.000 Euro oder mehr in 15 Jahren aufbauen und dann monatlich 1.000 Euro Dividenden pro Monat kassieren und nie wieder arbeiten. Klingt verlockend. Ich verfolge solche Themen wie Minimalismus, das Suchen des passenden Berufs und Investitionen seit Jahren.
Das ist nun keine Gesellschaftskritik und ich sehe auch nicht wirklich das 'Frugale' an diesen Plänen. Ist es Bescheidenheit, wenn man mit einem hochdotierten Job viel Geld verdient, dieses gut anlegt und dann davon zehrt? Nach meinem Verständnis nicht. Für mich ist es sogar eher ein Beleg für eine sehr egozentrische Lebensweise - und das wäre wiederum ein Ansatz für Sozialkritik, weil die zunehmend um sich greifende Fürsorge nur für sich selbst eben die in den ersten beiden 'Absätzen' genannten Auffälligkeiten - vorsichtig formuliert - flankiert.
Und mir fiel ein Film ein, der vor sehr langer Zeit mal im Kinderferienprogramm lief von ARD und ZDF. Der Titel war, glaube ich, „Ravioli“, zumindest aber ging es darum, dass die Eltern in Urlaub fahren, den Kindern Haushaltsgeld daheim lassen, mit dem sie sich selbständig versorgen sollen. Für die Kinder stellt die, aus ihrer Sicht, gigantische Summe eine Riesenverlockung da: endlich die tollsten Spielzeuge und andere ersehnte Dinge kaufen können. Mit dem Geld, das eigentlich für Essen und das Lebensnotwendige gedacht war, in Saus und Braus leben. Und wie soll das gehen? Es werden ausschließlich Dosenravioli gekauft. Jeden Tag Ravioli. Morgens, mittags und abends. Ich kann mich nur an diese Ausgangssituation erinnern. Ich bin mir sicher, dass die Kinder dann rasch bereuten und den Wert einer ausgeglichen, gesunden und guten Ernährung viel besser zu schätzen lernten. Mehr Verständnis und Respekt entwickelten für das kluge Haushalten ihrer Eltern.
Diesen Absatz finde ich zu lang - es ist ja nur eine Erinnerung, die einen heutigen Eindruck flankiert - wobei auch hier nicht wirklich klar wird, wo hier die Frugalität angesprochen wird - bei der Entscheidung der Kinder spielt ja nun wirklich Bescheidenheit keine Rolle. Könnte eigentlich weg - oder reduzieren auf die Erinnerung an eine alte Sendung, in der Kinder die ihr Kostgeld während der Abwesenheit der Eltern lieber in Spielzeug investiert hätten und sich deshalb nur von Ravioli ernährten konnten.
Ich bin mir sicher, dass die Kinder dann rasch bereuten und den Wert einer ausgeglichen, gesunden und guten Ernährung viel besser zu schätzen lernten. Mehr Verständnis und Respekt entwickelten für das kluge Haushalten ihrer Eltern.
Dass Du aus der sehr kargen Erinnerung heraus dessen so sicher bist, halte ich für gewagt. Ich glaube das nicht, vor allem nicht das 'rasch' - aber vielleicht im Laufe ihres Lebens; ob sie dann ihren Eltern Respekt gezollt haben, sehe ich auch nicht als erwiesen an - ist aber auch insgesamt überflüssig.

Und der Stones-Anklang, ja, tolles Lied mit einer guten Botschaft, hat aber wieder nichts mit dem Thema der Überschrift zu tun, weil es um das Spannungsverhältnis geht, dass wir uns etwas wünschen könnten, was nicht gut für uns wäre und wir von Glück sagen können, wenn wir (vom Leben) bekommen, was wir (wirklich) brauchen.
Im Grunde passt das auf vieles: Auf junge Menschen, die mit 25 zum Gerichtsvollzieher müssen wegen Konsumschulden, auf Diskussionen zum Arbeitslosengeld 2 und dem, was im Regelbedarf enthalten ist, nämlich 195,35 Euro. Für Bildung sind 2,03 Euro vorgesehen – nicht so prall.
Nein, passt es eben nicht. Siehst Du eine Parallele von Armut zu frugal?

Im letzten Absatz fasst Du ein bisschen die losen Enden zusammen, aber das wirkt aufgepfropft und entwickelt sich nicht wirklich aus der 'Geschichte'.
Warum jetzt auch noch die Lebensentscheidungen von Rentnern dazukommen, erschließt sich mir nicht. Die haben ja nun wirklich nichts mit der 'Rente mit 25' zu tun, und frugal wohl eher in diesem Armuts-Missverständnis.

Das ist der zentrale Klammersatz:
Die einen wollen früher raus aus dem System, andere verhalten sich so als wären sie bereits im Hier und Jetzt ganz und gar befreit von allen Regeln.
aber zu wenig und zu ungenau. Wer Regeln missachtet, hat sie vielleicht nicht gelehrt bekommen und misst seinen eigenen Wert an den Phantasieleben aus Werbung und sozialen Medien.
Vielleicht ist eine mögliche Lösung, dass wir uns alle nicht mehr mit Dosenravioli begnügen und uns nicht in, nicht so realistische, Träumereien und Verklärung der Rentenzeit flüchten, sondern jetzt losgehen zum vollen Ladenpreis einen Sack Kartoffeln, Spinat und Bioeier kaufen, Freunde oder Familie zum Essen einladen und danach etwas unternehmen, worauf wir schon immer Lust hatten, was wir aber immer verschoben haben.
Das ist jetzt so sympathisch wie unpassend. Frugal passt nicht, auch nicht in diesem Zusammenhang. Und wenn es um Rentner in Deiner Geschichte gehen soll, müsste es eine andere Geschichte sein.

Ich wollte Deine Geschichte eigentlich gar nicht zerpflücken, denn nach dem ersten Lesen hatte ich kein schlechtes Gefühl, aber logisch betrachtet prasselten dann doch so viele Ungenauigkeiten auf mich ein, dass ich am Ende feststellen muss: Da müsstest Du eigentlich noch einmal ran.

Ich hoffe, Du konntest mit meiner Rückmeldung etwas anfangen.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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