Fuck off, Stephanie Meyer!

WackyWorld

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Als Vampirkerl hast du es leicht. Dich umschwebt eine Wolke testosterondurchsetzter Ruchlosigkeit, ein Schleier blaublütiger Unnahbarkeit, ein wollüstiger Umhang Stephanie-Meyer induzierter Twilightigkeit. Kurzum: Du bist die in totes, aber strammes Fleisch gehüllte pure Leidenschaft.
Fuck off, Stephanie Meyer!

Als Werwolf wirfst du dagegen schon einige Anbeterinnen ab.
Nachts wortlos abhauen mögen schon die Gattinen von „normalen“ Menschen nicht.
Aber wenn das regelmäßig (vollmondgetriggert) vorkommt und du dann auch noch morgens beim Frühstück keinen Bissen runterkriegst, weil das süße Bambi im Magen liegt wie ein Mühlrad und dessen Darmschläuche noch zwischen deinen Zähnen rausbaumeln. Da ebbt dann oft auch die frischeste Liebe ab auf Seiten der Menschenfrau. Besonders, wenn die auch noch Veganerin ist und ihre in die Ehe mitgebrachte Tochter gerade ihr Bambikuscheltier knuddelt. Kann ja selbst ich mit meinem trägen, angeknabberten Gehirn nachvollziehen.

Aber das ist alles noch nichts gegen mein Leid.

Ich bin ein Zombie, ein Untoter, ein Gehirnfresser.

Das einzig Tröstliche ist, dass ich erst nach meiner Teenagerzeit gebissen wurde.

So eine Transformation mitten in der Pubertät zu verarbeiten, das soll richtig hart sein. Einen Freund von mir hat es in der Zeit erwischt, als er gerade frisch mit seiner ersten großen Liebe zusammen war. Eine Stephanie-Meyer-Roman-Verschlingerin, die voll auf Vampirromantik stand. Um ihr zu gefallen, sich in den Rang ihrer unsterblichen Liebe zu heben, hat er sich jedem Vampir vor die Füße bzw. Fangzähne geschmissen, dem er begegnet ist.

Sein Problem war, dass er zwar hunderte von Vampirromanen – ihr zuliebe – gelesen hatte, aber keinen einzigen Zombiestreifen gesehen (wie ich).

Sonst hätte er gewusst, dass Vampire kein Blut aus dem Gehirn saugen. Und Schmatzen bei der Mahlzeit – unter diesen arroganten Blutsaugern ein Unding.

Er hatte einen Untoten erwischt und der hatte – Glück im Unglück – ihn nur als Nachtisch geknuspert. Beim nächsten Treffen mit seiner Mieze fehlte nur ein Ohr, ein Stück aus der Schulter und ein oder zwei Bissen aus dem Oberschenkel, also kaum der Rede wert – wenn man bedenkt, was mein Beißer mir alles entfernt hat.
Sie soll voll ausgeflippt sein. Klar, dass bei uns hin und wieder mal Fleisch abblättert, aber wahre Schönheit kommt doch von innen! Das sagen jedenfalls die nicht gebissenen Menschen. Und dieser süßliche Mülltonnengeruch, ja, der mag am Anfang etwas befremdlich sein, aber Rechtsmediziner/innen halten das ja auch aus. Und die meisten lieben ihren Job.

Aber zurück zu mir, ich will hier nicht abschweifen. Es tut nur unheimlich gut, auf das Elend anderer zu schauen, denen es noch beschissener geht als einem selbst. Das habe ich noch aus meiner Zeit als Mensch. Als Zombie findest du kaum mehr Leute, denen es beschissener geht. Da gewöhnst du dir dieses Entwertungsdenken schnell ab. Ich habs mir konserviert. Geraten hat mir dazu meine Therapeutin. Seit 170 Jahren Ghul. Hässlich wie ein verbranntes Toastbrot. Ghule haben das Beschissen-Fühlen erfunden, glaub mir.

Bei mir was das mit der Transformation so als falle ein Schafott herunter und teile mein Leben in 2 Teile.

Als Mensch war ich Finanzbeamter, habe regelmäßig Betriebskontrollen durchgeführt und selbstverständlich gingen da einige Betriebe über die Wupper. Aber ich hatte ja um 16 Uhr Feierabend, warum sollte ich da den Mittelständlern nachtrauern, ich hatte ganz andere Probleme. Zum Beispiel hatte ich oft Hornhaut unterm Zeh, die verdammt weh getan hat.

Dann kam der Biss.

Es war ein Mittelständler, ich glaube so ein Handwerker, der wirklich arbeitete, der hatte wegen der leicht angestiegenen Energiepreise eine Autowäsche seiner Frau als dienstlich deklariert.

Steuerhinterziehung per Excellence.

Ich also hin. Habe ihn zur Rede stellen wollen, zu meiner Überraschung saß seine ganze Familie heulend auf der Terrasse.
Das erlebe ich oft. Aber immer erst, wenn ich nach der Buchprüfung wieder gehe, nicht bei der Ankunft.
Da stimmte was nicht. Und dann sprudelte es aus ihnen raus. Der Steuerschuldner hätte sich das Leben genommen, sich im naheliegenden Moor versenkt.
Ich fluchte, weil das wieder mal Überstunden bedeutete. Nichtsdestotrotz musste ich das nachprüfen.
Ich hin zu diesem Moor. Zum Glück hatte ich noch Dienstdiesel im Tank.

Und da roch ich es schon: Dieser schwarze, ölige Mief von verrottendem Protein – als ob man menschliche Überreste im Ofen aufwärmen würde.

Ich stellte mich an den Rand des einzigen Moorlochs, das dort zu sehen war, und verlas die Bußgeldliste. Und dass ich den Betrieb dieses Steuersünders schließen lassen würde und dass es das Letzte sei, dass mein Feierabend verlegt werden würde.

Da schnellte eine Hand aus dem Morast hervor.

Zum Glück hat er gleich beim Herz angefangen und sofort danach taten ihm die Beißer weh (eiskalt, kein Zombiedyne). Er hat auch nur ein Ohr gefuttert (, das mit dem ich meinem Vorgesetzen zuhöre, das andere nutzte ich nicht, war für Beschwerden).

Ich bin dann zurück zu meiner Frau, dachte, dass alles so bliebe wie vorher. Aber sie hat die Wasserpistole unseres Sohnes mit Weihwasser geladen und mich damit beschossen. Das hat mir am meisten weh getan. Nicht das Weihwasser, sondern, dass sich ihr Wissen sich auf Vampire bezog. Weihwasser macht uns Zombies nichts aus.

Vermutlich hat sie auch diese Stephanie Meyer Romane gelesen.

Fuck off, Stephanie Meyer!

Für mich war ungerecht. Ich hatte mein Leben lang 200 Betriebe stillgelegt, 100 Steuersünder ihrer Strafe zugeführt (also 100 waren unschuldig), ich war der Inquisitor des Finanzministers.

Ich war verdammt gut.

Und der Dank: Ich war jetzt ein Zombie, stank nach Verwesung und mir fehlte ein Ohr (Zuhören war zum Glück nicht in meiner Stellenbeschreibung aufgeführt).

Meine Familie musste ich loslassen. Das war mir klar.

Aber ich war ja noch Steuerfahnder.

Ich also zu meinem Chef und war ganz offen:

„Chef, mir haben sie das Herz für den Mittelstand herausgebissen, in meinem Hirn fehlt der Teil, der Insolvenz definieren kann und ich würde gerne weiterhin mehr als 10.000 Euro verdienen, was können wir da machen?“

"Das klingt eigentlich nach Wirtschaftsminister."

Ich strahlte.

"Aber 10.000 Euro verdienen nur Vampire."

Und dann zog er den Pflock.

Fuck off, Stephanie Meyer!
 
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