Für Kinder und ähnlich wunderliche Menschen

Mein Freund, der Magier

Mister Porter wohnt in dem kleinen roten Backsteinhaus, das am Ende unseres Gartens steht und nur über einen holprigen Waldweg zu erreichen ist. Das Haus ist über und über mit wildem Wein bewachsen und fügt sich in die Natur ein, wie ein Vogelnest in einen Baum.
Mister Porter lebt alleine und verläßt sein Haus nur, wenn er Sachen einkaufen muß, die er nicht selber herstellen kann. In all den Jahren scheint Mister Porter nicht älter geworden zu sein. Er sieht immer noch wie sechzig aus, was wohl an dem Vollbart liegt, den er wie ein wild wucherndes Gestrüpp in seinem Gesicht trägt.
Am meisten fasziniert mich sein Beruf, denn Mister Porter ist Zauberer. Nein, kein gewöhnlicher Zauberer, der Kaninchen aus dem Zylinder zieht oder Jungfrauen zersägt. Er verkauft auch keine Liebestränke und kann kein Blei in Gold verwandeln, aber das Wetter kann er machen.
Seine Arbeit ist nur mir bekannt, denn meine Eltern glauben nicht an Magie. Vor zwei Jahren entdeckte ich zum ersten mal seine besonderen Fähigkeiten. Es war an einem Tag im Mai. Nachdem es tagelang geregnet hatte, brach plötzlich die Sonne durch und tauchte unseren Garten in goldenes Licht. Eigentlich war es mir verboten, auf das nasse Grundstück zu gehen, aber nun gab es kein halten mehr. Ich stapfte den Weg entlang und wollte gerade umkehren, als ich nebenan einen farbenprächtigen Regenbogen entdeckte. Mit meinen dreizehn Jahren wußte ich natürlich, daß man ihn genau so wenig erreichen konnte, wie die beleibte Miß Halifax ihre Schnürsenkel, aber so nahe wie heute war ich dem Farbenspiel noch nie gewesen. Der Regenbogen berührte den Wetterhahn und schien wirklich drüben bei Mister Porter zu enden.
Unser Zaun bestand aus alten morschen Brettern, die meinen Kletterkünsten nicht gewachsen waren. Ich überwand das Hindernis und schlich vorsichtig näher, um besser sehen zu können. Mister Porter stand mit beschwörend erhobenen Armen im Garten und von seinen Händen aus wölbte sich der Regenbogen bis hinüber zum Dorfplatz. Dabei leuchtete die Mütze auf Porters Kopf mit seinem roten Halstuch um die wette. Als er wenig später die Arme senkte, verloren die Farben ihre Kraft und verschwanden schließlich ganz. Mister Porter wirkte nun sehr erschöpft. Schweißperlen bedeckten seine Stirn und er wankte ein wenig, als er ins Haus ging.
Von diesem Tag an beobachtete ich ihn regelmäßig. Dazu baute ich mir ein Versteck aus Zweigen, wie es die Ornithologen bei der Vogelbeobachtung tun. In den folgenden Monaten sah ich oft, wie Mister Porter das Wetter für unsere Gegend zusammen stellte. Für Regen, Sonne, Graupel oder Schnee hatte er jeweils andere Rituale, die alle in einem Buch niedergeschrieben waren. Leider konnte ich von meinem Versteck aus die Beschwörungsformeln nicht verstehen, aber mein Wunsch, auch einmal das Wetter zu machen, wurde von Tag zu Tag stärker. Mister Porters Konzentration ließ immer mehr nach. Einmal zauberte er sogar statt Sonne heftigen Regen herbei. Danach war er völlig durchnäßt und verließ eine Woche lang sein Haus nicht mehr. In dieser Zeit regnete es natürlich ohne Unterbrechung. Als er auch am nächsten Tag nicht in den Garten kam, stieg ich über den Zaun und klopfte an seine Tür. Er meldete sich aus der Dachkammer mit einer Stimme, die nur mehr ein heiseres Krächzen war. Erschrocken eilte ich die steile Treppe hoch, wo er mir auf halbem Weg entgegen kam. "Mister Porter", stotterte ich. "Ich wollte sie bitten, endlich den fürchterlichen Regen abzustellen."
Er schaute mich verdutzt an und fragte, wie er das denn wohl anstellen solle. "Bitte nehmen sie ihr Zauberbuch", sagte ich. "Wir gehen in den Garten und jagen die Wolken fort. Danach bringe ich sie wieder ins Bett und koche einen Kräutertee."
Doch Mister Porter war zu schwach dazu. Wenn er sich nicht am Handlauf festgehalten hätte, wäre er sicher die Treppe herunter gestürzt und es würde heute noch regnen. Es dauerte weitere drei Tage, bis er in den Garten gehen konnte. Dort stellte er den Regen für ganze vier Wochen ab. In dieser Zeit sind wir Freunde geworden. Er war froh, endlich jemanden gefunden zu haben, mit dem er reden konnte.
Nun sitzen wir oft draußen und spielten mit dem Wetter. Einmal durfte ich sogar ganz allein einen winzigen Regenbogen zaubern, der vom Waschzuber bis zur Vogeltränke reichte. Gelegentlich bringe ich die Tageszeitung mit, in der die Wetterprognosen stehen. Wir machen uns dann einen Spaß daraus, das genaue Gegenteil herbei zu zaubern und lachen vergnügt über die hilflosen Ausreden, die unsere Experten am nächsten Tag verkünden müssen.
Mister Porter ist nun ein alter Mann und seine Kräfte lassen nach. Und wenn er mal stirbt, bestatte ich ihn unter dem Lindenbaum. Dort drüben in seinem Garten, wo auch alle seine Vorgänger begraben sind. Auch ich werde dort einmal liegen. Ist doch klar, oder?
 
P

Petra Koch

Gast
Mein Freund, der Magier

Hallo! Deine Geschichte ist in einem sehr schönen, klaren Stil geschrieben. Sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen, denn ich liebe solche Sachen. Doch den Schluss fand ich leider etwas enttäuschend. Da fehlt noch etwas. Lass z. B. Mr. Porter sterben und dir sein Zauberbuch vermachen. Was kannst du alles aus diesem Zauberbuch lernen! Damit trittst Du in seine Fußstapfen...
Lass Deiner Phantasie noch einmal freien Lauf, da ist wesentlich mehr drin als eine Beerdigung unter dem Lindenbaum, denke ich. Grüß Dich.
 

Andrea

Mitglied
5 von 10 Punkten

Zu Beginn finde ich die Geschichte zu sachlich. Anstatt des dreizehnjährigen, der ein wohl gehütetes Geheimnis preisgibt, ist das der Bericht eines Erwachsenen. Vergleichen sich 13jährige wirklich mit Ornithologen? Was ist nur aus den guten alten Indianern geworden?!
Wenn das Rätsel dann gelöst ist, also keine gespannte Atmosphäre mehr aufgebaut werden muß, wird es etwas besser, auch wenn ich ein wenig mehr MAGIE statt Handlung erwartet hätte. Zum Schluß hin, da schließe ich mich meinen Vorrednerinnen an, wirkt der Text hastig und lieblos.

ABER: Mit einigen Ausnahmen ist der Texz sehr schön und glatt geschrieben, und die Idee an sich ist recht nett.
 



 
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