Geschwister

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Hera Klit

Mitglied
Man sieht die Ähnlichkeit deutlich,
ruft lachend die freundliche Dame mit
dem lieben Hund und reißt sich los.
Ich lenke den knarzenden Rollstuhl
der heillos Erkrankten nahe an
die schattenspendende Fasaneriemauer
und lausche ihren freudigen Fantasien
über eine späte Schwangerschaft
ohne zu widersprechen.
So vermeide ich den Zorn
der kinderlos gebliebenen.
Hoch droben schwenken zwei Störche
in großem Bogen in den Südwind.
 

sufnus

Mitglied
Hey Hera!
Die freundliche Dame mit Hund, die sich dann unerwarteterweise losreißt, gefällt mir richtig gut!
Insgesamt scheint mir der Text aber nach dieser Einstiegsszene eher etwas sehr Privates an sich zu haben, er wirkt für mich auf eine gewisse Weise "authentisch", die mir als Leser ein regelrecht indezentes Gefühl vermittelt.
Ich würde mich mit dem Text daher wohler fühlen, wenn er in eindeutigerer Weise eine Art von "literarischer Bearbeitung" zeigen würde, die mir helfen würde, das Gedicht etwas "allgemeiner" zu lesen und damit für mich persönlich, mit meinem ganz anders gearteten Erfahrungs- und Gefühlshorizont, greifbarer zu machen. Das durchaus zu Herzen gehende des Textes "funktioniert" sozusagen dadurch, dass ich in eine Art Schaulustigenrolle gerate, mit der ich mich etwas unbehaglich fühle.
LG!
S.
 

Hera Klit

Mitglied
Hey Hera!
Die freundliche Dame mit Hund, die sich dann unerwarteterweise losreißt, gefällt mir richtig gut!
Insgesamt scheint mir der Text aber nach dieser Einstiegsszene eher etwas sehr Privates an sich zu haben, er wirkt für mich auf eine gewisse Weise "authentisch", die mir als Leser ein regelrecht indezentes Gefühl vermittelt.
Ich würde mich mit dem Text daher wohler fühlen, wenn er in eindeutigerer Weise eine Art von "literarischer Bearbeitung" zeigen würde, die mir helfen würde, das Gedicht etwas "allgemeiner" zu lesen und damit für mich persönlich, mit meinem ganz anders gearteten Erfahrungs- und Gefühlshorizont, greifbarer zu machen. Das durchaus zu Herzen gehende des Textes "funktioniert" sozusagen dadurch, dass ich in eine Art Schaulustigenrolle gerate, mit der ich mich etwas unbehaglich fühle.
LG!
S.
Vielen Dank, lieber Sufnus,

da kann ich dir nicht helfen,
das Gedicht ist 100 % authentisch und
beruht auf reiner Anschauung.

Liebe Grüße
Hera
 

sufnus

Mitglied
Hey Hera!
Ja... das Authentische hört man auf alle Fälle sehr deutlich heraus - und der Rest ist natürlich in der Tat mein Problem und nicht Deins. ;)
LG!
S.
 

petrasmiles

Mitglied
Nur mal so, dem einen wirds zu politisch, dem anderen zu authentisch, am besten teilen wir nur noch Katzenbilder (und ein paar Welpen? :D)

Sorry, das musste mal raus - ich empfinde das als eine sehr gelungene Momentaufnahme eingebettet in eine sehr stimmige Szene, die trotz der 'Diskrepanz' großen Frieden ausstrahlt.

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Nur mal so, dem einen wirds zu politisch, dem anderen zu authentisch, am besten teilen wir nur noch Katzenbilder (und ein paar Welpen? :D)
"Zu politisch" kann ein Gedicht (wenn es ein politisches Gedicht sein möchte) kaum sein - bei einem als Liebesgedicht gedachten Liebesgedicht wäre logischerweise unterhalb der Genieebene der gesellschaftsrelevante Zeitkommentar wiederum themaverfehlend.
Mein Denkanstoß (mehr war es nicht - und es muss sich ja niemand davon gegen seinen Willen angestoßen fühlen), dass "je mehr, desto besser" bei Authentizität m. E. nicht gilt, wird ja keinesfalls gleich zur Annihilierung aller authentischen Beiträge führen (und ist so auch nicht gemeint gewesen - was Du sicher ahnst).
Wenn es aber jemandem gelingen sollte, den NIedlichkeitsgegenwert eines entsprechenden Katzenbildes in Gedichtform zu präsentieren, dann seht Ihr mich aber mal Tirilieren, Alta! :)
LG!
S.
 

fee_reloaded

Mitglied
Wenn das Thema "Geschwister" lautet, kann man nicht nur einen höchst authentischen, sondern auch auf besondere Weise "intimen" Text erwarten, wie ich meine. Geschwister sind einander nun mal die "nähesten" Menschen. Niemand anderer teilt mit uns eine so lange Lebensstrecke (im Optimalfall) wie ein Geschwister!

Insofern ordne ich die Authentizität - oder das Private bzw. die Nähe (denn ich ahne, dass es diese ist, die dich, lieber @sufnus , irritiert) dem Thema des Gedichtes zu und empfinde sie als höchst angebracht. Wenn du den Leser diese Nähe spüren lassen willst, musst du ihn eben auch ganz dicht heranholen.
Ich weiß, es gibt manchmal Gedichte, wo auch ich mich als Leserin unfreiwillig zur "Voyeurin" gemacht fühle - aber hier ist das nicht der Fall.

Sehr gerne gelesen, liebe @Hera Klit !
Wie immer ein "starkes Stück", das dir da gelungen ist!

LG,
fee
 

sufnus

Mitglied
Hey Fee! :)

Gute Frage, was mir hier störend auf die Gemütstaste drückte. Das Nähe-Momentum? Ja... könnte man vermutlich so sagen... eigentlich lese ich das als ein Drei-Generationen-Gedicht, auch wenn explizit nur von einer Generation, den beiden Geschwistern, die Rede ist.
Es ist hier also keine frohe Nähe geschildert, sondern eine schmerzliche Nähe oder vielleicht noch richtiger: Der Schmerz einer nicht (mehr?) vorhandenen Nähe zu der lebenden Schwester.

Wie ja überhaupt der Schmerz und die Trauer ein unvermeidlicher Preis von Nähe sind (oder einer Möglichkeit oder einer Unmöglichkeit von Nähe).

Ich kenne kein Gedicht, dass dieses Existenzproblem besser ausdrückt, als das "sechste Sonett" von Brecht (ganz schön selbstbewusst, wenn man seine Sonette durchnummeriert wie weiland dieser Typ vom River Avon):

"ich meine nur: wenn einer an nichts hinge,
dem stünd auch keine schlimme Zeit bevor"


Und Brecht wäre nicht der doppelgleisige Dichter, wenn er nicht einige Zeilen zuvor von einer "schäbigen Lehre" geschrieben hätte.

Über dieser offensichtlich persönlichen Themenempfindlichkeit hinausreichend, will ich aber - als ganz allgemein gesprochene Überlegung - unbedingt die mutmaßliche Minderheitenposition im Protokoll festgehalten sehen, dass (m. E.) "Authentizität" in einem Gedicht nicht notwendigerweise etwas Positives ist. Sie kann (muss aber natürlich nicht!), wenn es dumm läuft, wahlweise dem Verfasser schaden, den Leser irritieren oder dem "Mehrwert" (keine tolle Bezeichnung - ein Arbeitsbegriff) eines Textes schaden.

LG!

S.
 

fee_reloaded

Mitglied
dass (m. E.) "Authentizität" in einem Gedicht nicht notwendigerweise etwas Positives ist. Sie kann (muss aber natürlich nicht!), wenn es dumm läuft, wahlweise dem Verfasser schaden, den Leser irritieren oder dem "Mehrwert" (keine tolle Bezeichnung - ein Arbeitsbegriff) eines Textes schaden.
Ja. Ich weiß, welche Art der Authentizität du meinst, lieber sufnus,
und stimme dir da zu.

Hier sehe ich das allerdings so gar nicht.

Ich nehme auch keine abhandengekommene Nähe wahr unter den Geschwistern...im Gegenteil...ich habe es eher so gelesen, dass das Thema nicht aufgegriffen wird, weil das Geschwister um den Schmerz des anderen dahinter weiß und nicht unnötig Öl ins Feuer gießen möchte. Ich lese die Situation eher wie eine eingespielte Routine zwischen zwei Menschen, die einander eben so nah sind, dass sie um die Minenfelder mit Selbstverletzungspotential des jeweils anderen wissen. Der Zorn, der zwar das Gegenüber träfe, ist doch in erster Linie der Ausdruck des eigenen Verdrängen-Wollens, das unterwandert wird, wenn man die Fantasie als solche aufdeckt. Diesen zu vermeiden, schützt letztlich beide vor Leid. Das kann auch eine wohlmeinende Geste sein, sich da zurückzunehmen, anstatt die Realität unbedingt wahrgenommen sehen zu wollen. Cui bono?

Aber vielleicht lese auch nur ich das so. Das ist nicht auszuschließen.

Liebe Grüße,
fee
 



 
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