Geschwister im Schmerz

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Ubertas

Mitglied
Sind Menschen,
die aus Angst gelernt haben
andere Menschen zu lesen.

Das ist eine Strophe. Da bleibe ich stehen.

Lieben Gruß ubertas.
 

sufnus

Mitglied
Hey Nika!

Ich muss an Rupi Kaurs Gedichtband "Milk & Honey" denken, der sich um die Themen von Schmerz und Heilung dreht.

Ehrlich gesagt, schätze ich persönlich Rupi Kaurs, m. E. häufig in ihrer Eindeutigkeit geheimnislose, Gedichte nicht so besonders; mich berührt aber sehr ihre Erklärung für den Titel des Gedichtbandes. Der sei inspiriert von den Sikh-Frauen, die den Terror der Pogrome im Jahr 1984 erlebten und die aus all dem Schrecklichen, den Vergewaltigungen, der Ermordung ihrer Männer und Kinder, hervorgegangen sind: "Smooth as milk and thick as honey".

Rupi Kaur hat somit das Bild von Milch & Honig, das sonst Luxus bis zur Dekadenz kennzeichnet, regelrecht umgedreht und zum Zeichen für den Widerstand der Machtlosen erklärt. Vielleicht ist es ja wirklich diese Fähigkeit, aus einem üblichen Denkschema auszubrechen und die Dinge anders zu betrachten, die manchen Menschen eine besondere Widerstandsfähigkeit verschafft.

Im Vergleich dazu lese ich Deine Zeilen als eher so, dass sie den Bahnen "normaler" Sprach- und Denkfiguren verhaftet sind: Alle, die nicht in Milch und Honig gebadet haben, die sind (vom kalten Wasser) abgehärtet worden, denen hat die Angst Klugheit verliehen und sie bilden schließlich eine Art Gemeinschaft von Geschwistern im Schmerz.

Wenn man das so liest, mag man womöglich zustimmend mit dem Kopf nicken ("Ganz genauso ist es!") oder aber bedenklich das Haupt wiegen ("Naja - also so einfach ist es auch wieder nicht!"), aber eine Reaktion, die vermutlich eher selten eintritt, ist völlige Verwirrung ("Häh? Wieso sind den Menschen abgehärtet, wenn sie nicht in einem Luxusleben aufgewachsen sind?"). Ich glaube aber, dass es kaum die Möglichkeit gibt, etwas relativ "Neues" (naja) zu denken, ohne zuvor durch ein Stadium der Verwirrung gegangen zu sein und ich gehe sogar davon aus, dass die Verwirrung geradezu ein Anstifter zu frischen Denkimpulsen ist.

Ob man manchmal auch chronische Seelenschmerzen durch Verwirrung lindern, auf diese Weise vielleicht sogar eine (teilweise) Heilung erreichen kann? Eine zugegebenermaßen gewagte These. Vielleicht auch eine etwas ärgerliche These. Eine verwirrende gar?

LG!

S.
 

Nika

Mitglied
@snufus: danke für den Literaturtipp (schaue ich mal rein) und das Feedback.
Menschen lesen zu können, deren Emotionen eher zu erkennen als die meisten ist, wie Du auch schreibst, nicht nur ein Nachteil, sondern auch eine Qualität. In meiner Arbeit und auch in meinem sozialen Umfeld profitiere ich sehr davon.
Je nach Definition für Resilienz kann diese nur entstehen, wenn man auch gelernt hat, Probleme und schwierige Lebenssituationen zu bewältigen. Dafür muss man diese aber auch erlebt haben. Neben der Posttraumatischen Belastungsstörung gibt es auch das Posttraumatische Wachstum.
Nur eben nicht in diesem Text.
LG
 



 
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