Lieber Andreas,
wie verschieden Menschen doch auf Texte und deren (vermeintliche) Botschaft reagieren. - Willst du wissen, was ich sozusagen vollatomatisch gelesen habe?
gnadengesuch
ich suche absolution
meine priester und henker
stehen mir bei
verhüllt von ihren schatten
fühle ich mich
unendlich [blue]frei[/blue]
Dadurch erhielte der Text aber einen anderen Focus, der dir vermutlich nicht lieb sein wird, denn es handelte sich um eine doppelte Absolution, die aufgrund von Nichthandeln zustande käme. Also eher um ein spöttelndes, zynisches Gnadengesuch.
Bei dir geht es um die Einsamkeit des Menschen im Kreise seiner "Priester und Henker", um einen toten Punkt, den der Suchende erreicht hat. Längst wird erkannt, dass es unmöglich ist, zur Zufriedenheit aller zu existieren. Gleichwohl ist es nicht einfach, sich von Werturteilen anderer vollkommen unabhängig zu machen.
Ein interessanter, vielschichtiger Text.
Du könntest überlegen, ob du ein wenig anders formatierst:
ich suche absolution
meine priester und henker
stehen mir bei
verhüllt von ihren schatten
fühle ich mich
unendlich allein
Duch die Absetzung ("ich fühle mich") käme ein zusätzlicher Aspekt in das Gedicht: Aufgrund meiner Lebenssituation (Selbstzerfleischung) fühle ich mich überhaupt (lebendig?).
Nachdenkliche Grüße
Heidrun