anbas
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Gruber auf Tour
Gruber ist auf dem Weg von Hamburg an die Ostsee. Er fährt mit der Bahn. Ab Lübeck muss er den Schienenersatzverkehr nehmen, da pünktlich zur Urlaubssaison die Gleise erneuert werden. Gruber trägt es mit Fassung, er hat sich vorab informiert und weiß daher, was ihn erwartet. Hier kommt ihm seine fatalistische Grundeinstellung zugute. Weshalb soll er sich über Dinge aufregen, die er sowieso nicht ändern kann.
Leicht amüsiert beobachtet er am Lübecker Busbahnhof andere Reisende, die hektisch nach dem Bus suchen, der sie weiter mitnehmen soll. Eltern, am Rande des Nervenzusammenbruchs, treiben ihre Kinder beim Umsteigen zur Eile an, und dann sieht man noch jene, deren Finger emsig über das Smartphone jagen, um die verspätete Ankunft mitzuteilen.
Unter den Reisenden befinden sich viele Touristen – vom angenehmen Zeitgenossen bis zur absoluten Nervensäge ist so ziemlich alles an menschlichen Lebensarten vertreten. Natürlich hält sich Gruber für die angenehme, pflegeleichte Variante, aber ihm ist durchaus klar, dass dieses Bild fast jeder Mensch von sich selber hat. Also übt er sich auch hier in stoischer Nachsicht bezüglich der Macken seiner Mitreisenden und den eigenen Anflügen von Überheblichkeit – denn, wie sagte Kater Garfield schon: "Abgesehen von meiner grenzenlosen Bescheidenheit bin ich vollkommen!".
Aber seine Nachsicht hat auch Grenzen. So sind ihm Touristen, die sich aufführen, als wären sie Kaiser Großkotz, der am Urlaubsort Hofstaat hält, ein Dorn im Auge. Diese Leute scheinen tatsächlich der Meinung zu sein, dass sie mit ihrer Urlaubskasse nicht nur für Unterkunft, Verpflegung und Infrastruktur zahlen, sondern die Menschen vor Ort inklusive ihrer Lebensgewohnheiten gleich mit einkaufen. Sie benehmen sich so, als müsste jeder Einheimische ihnen auf Knien für ihren Besuch danken.
Inzwischen hat sich der Bus in Bewegung gesetzt. Da Gruber bis zur Endstation fährt, lehnt er sich zurück und macht es sich bequem. Es sind insgesamt sechs Bahnhöfe, die der Bus anfährt. Zwischendurch gibt es keine weiteren Haltestellen. Doch in einem der kleinen Orte macht der Fahrer eine Ausnahme und lässt eine junge Frau direkt im Ortskern aussteigen, da der Bahnhof außerhalb des Dorfes liegt und sie sonst zu Fuß zurückgehen müsste.
Sofort stürzt sich ein Touristen-Rudel auf den Bus und bittet den Fahrer, sie zu einer bestimmten Haltestelle mitzunehmen. Dieser erklärt ruhig und freundlich, dass es sich bei seinem Bus um einen Schienenersatzverkehr handeln würde, der nur die einzelnen Bahnhöfe anfährt. Ferner weist er noch darauf hin, dass er ansonsten ortsfremd ist und nur diese Strecke kennt, weshalb er gar nicht weiß, wo sich die gewünschte Haltestelle befindet.
Der stark dialektsprechende Rudelführer der Touristengruppe lässt aber nicht locker. Er will verhandeln und Auskünfte haben, die ihm der Busfahrer gar nicht geben kann. Während dieser immer wieder betont, dass er und sein Busunternehmen nichts mit dem öffentlichen Nahverkehr vor Ort zu tun haben, sondern nur ersatzweise die einzelnen Bahnhöfe anfahren würde, redet sich der Tourist immer weiter in Rage. Er schimpft über das schlechte Netz des öffentlichen Nahverkehrs und die insgesamt schlechten Bedingungen für eine Urlaubsregion. Der Busfahrer bemüht sich, weiterhin freundlich zu sein. Doch seine Anspannung nimmt zu, schließlich verzögert sich die Weiterfahrt immer mehr. Noch einmal versucht er, dem Urlauber klarzumachen, dass er ihm wirklich nicht weiterhelfen kann. Doch dieser steht inzwischen mit einem Fuß in der Tür und besteht darauf, sofort zu besagter Haltestelle mitgenommen zu werden.
Nun ist für Gruber die Grenze erreicht, an der seine Gelassenheit endet. Für alle deutlich hörbar lässt er verlauten, dass er endlich weiterfahren möchte. Dies bringt den Touristen, der Gruber scheinbar für einen Einheimischen hält, nun richtig auf Zinne. Er pöbelt ihn an, dass dieser sich nicht einmischen solle, schließlich würde er hier in der Region viel Geld lassen. Grubers Verhalten und das des Busfahrers wären absolut geschäftsschädigend für den Tourismus vor Ort.
Gruber atmet langsam durch. Er spürt, wie eine dunkle Seite in ihm geweckt wird. Eine Seite, der es Spaß macht, in den Krieg zu ziehen, das Gegenüber zu vernichten anstatt es bedingungslos zu tolerieren. Gruber weiß, dass er rhetorisch einiges zu bieten hat.
"Sie scheinen zu denken, dass ich von hier bin", sagt Gruber ganz ruhig. "Das ist aber nicht so."
"Aha, woher kommen Sie dann, dass Sie denken, sich hier einmischen zu müssen?"
"Aus Berlin", lügt Gruber.
"Na, das merkt man. Die sind da alle so unhöflich", raunzt der Mann. "Hören tut man das aber nicht."
"Ich habe Hochdeutsch gelernt", erwidert Gruber gelassen. "Das würde Ihnen auch gut tun!"
"Arschloch!"
"Na geht doch", sagt Gruber grinsend. "Das war jetzt sauberes Hochdeutsch."
Für norddeutsche Ohren unverständlich fluchend tritt der Mann vom Bus zurück, während es sich Gruber wieder in seinem Sitz bequem macht, etwas enttäuscht darüber, dass der verbale Schlagabtausch schon so schnell endete. Aber die Fahrt kann jetzt endlich weitergehen.
Gruber auf Tour
Gruber ist auf dem Weg von Hamburg an die Ostsee. Er fährt mit der Bahn. Ab Lübeck muss er den Schienenersatzverkehr nehmen, da pünktlich zur Urlaubssaison die Gleise erneuert werden. Gruber trägt es mit Fassung, er hat sich vorab informiert und weiß daher, was ihn erwartet. Hier kommt ihm seine fatalistische Grundeinstellung zugute. Weshalb soll er sich über Dinge aufregen, die er sowieso nicht ändern kann.
Leicht amüsiert beobachtet er am Lübecker Busbahnhof andere Reisende, die hektisch nach dem Bus suchen, der sie weiter mitnehmen soll. Eltern, am Rande des Nervenzusammenbruchs, treiben ihre Kinder beim Umsteigen zur Eile an, und dann sieht man noch jene, deren Finger emsig über das Smartphone jagen, um die verspätete Ankunft mitzuteilen.
Unter den Reisenden befinden sich viele Touristen – vom angenehmen Zeitgenossen bis zur absoluten Nervensäge ist so ziemlich alles an menschlichen Lebensarten vertreten. Natürlich hält sich Gruber für die angenehme, pflegeleichte Variante, aber ihm ist durchaus klar, dass dieses Bild fast jeder Mensch von sich selber hat. Also übt er sich auch hier in stoischer Nachsicht bezüglich der Macken seiner Mitreisenden und den eigenen Anflügen von Überheblichkeit – denn, wie sagte Kater Garfield schon: "Abgesehen von meiner grenzenlosen Bescheidenheit bin ich vollkommen!".
Aber seine Nachsicht hat auch Grenzen. So sind ihm Touristen, die sich aufführen, als wären sie Kaiser Großkotz, der am Urlaubsort Hofstaat hält, ein Dorn im Auge. Diese Leute scheinen tatsächlich der Meinung zu sein, dass sie mit ihrer Urlaubskasse nicht nur für Unterkunft, Verpflegung und Infrastruktur zahlen, sondern die Menschen vor Ort inklusive ihrer Lebensgewohnheiten gleich mit einkaufen. Sie benehmen sich so, als müsste jeder Einheimische ihnen auf Knien für ihren Besuch danken.
Inzwischen hat sich der Bus in Bewegung gesetzt. Da Gruber bis zur Endstation fährt, lehnt er sich zurück und macht es sich bequem. Es sind insgesamt sechs Bahnhöfe, die der Bus anfährt. Zwischendurch gibt es keine weiteren Haltestellen. Doch in einem der kleinen Orte macht der Fahrer eine Ausnahme und lässt eine junge Frau direkt im Ortskern aussteigen, da der Bahnhof außerhalb des Dorfes liegt und sie sonst zu Fuß zurückgehen müsste.
Sofort stürzt sich ein Touristen-Rudel auf den Bus und bittet den Fahrer, sie zu einer bestimmten Haltestelle mitzunehmen. Dieser erklärt ruhig und freundlich, dass es sich bei seinem Bus um einen Schienenersatzverkehr handeln würde, der nur die einzelnen Bahnhöfe anfährt. Ferner weist er noch darauf hin, dass er ansonsten ortsfremd ist und nur diese Strecke kennt, weshalb er gar nicht weiß, wo sich die gewünschte Haltestelle befindet.
Der stark dialektsprechende Rudelführer der Touristengruppe lässt aber nicht locker. Er will verhandeln und Auskünfte haben, die ihm der Busfahrer gar nicht geben kann. Während dieser immer wieder betont, dass er und sein Busunternehmen nichts mit dem öffentlichen Nahverkehr vor Ort zu tun haben, sondern nur ersatzweise die einzelnen Bahnhöfe anfahren würde, redet sich der Tourist immer weiter in Rage. Er schimpft über das schlechte Netz des öffentlichen Nahverkehrs und die insgesamt schlechten Bedingungen für eine Urlaubsregion. Der Busfahrer bemüht sich, weiterhin freundlich zu sein. Doch seine Anspannung nimmt zu, schließlich verzögert sich die Weiterfahrt immer mehr. Noch einmal versucht er, dem Urlauber klarzumachen, dass er ihm wirklich nicht weiterhelfen kann. Doch dieser steht inzwischen mit einem Fuß in der Tür und besteht darauf, sofort zu besagter Haltestelle mitgenommen zu werden.
Nun ist für Gruber die Grenze erreicht, an der seine Gelassenheit endet. Für alle deutlich hörbar lässt er verlauten, dass er endlich weiterfahren möchte. Dies bringt den Touristen, der Gruber scheinbar für einen Einheimischen hält, nun richtig auf Zinne. Er pöbelt ihn an, dass dieser sich nicht einmischen solle, schließlich würde er hier in der Region viel Geld lassen. Grubers Verhalten und das des Busfahrers wären absolut geschäftsschädigend für den Tourismus vor Ort.
Gruber atmet langsam durch. Er spürt, wie eine dunkle Seite in ihm geweckt wird. Eine Seite, der es Spaß macht, in den Krieg zu ziehen, das Gegenüber zu vernichten anstatt es bedingungslos zu tolerieren. Gruber weiß, dass er rhetorisch einiges zu bieten hat.
"Sie scheinen zu denken, dass ich von hier bin", sagt Gruber ganz ruhig. "Das ist aber nicht so."
"Aha, woher kommen Sie dann, dass Sie denken, sich hier einmischen zu müssen?"
"Aus Berlin", lügt Gruber.
"Na, das merkt man. Die sind da alle so unhöflich", raunzt der Mann. "Hören tut man das aber nicht."
"Ich habe Hochdeutsch gelernt", erwidert Gruber gelassen. "Das würde Ihnen auch gut tun!"
"Arschloch!"
"Na geht doch", sagt Gruber grinsend. "Das war jetzt sauberes Hochdeutsch."
Für norddeutsche Ohren unverständlich fluchend tritt der Mann vom Bus zurück, während es sich Gruber wieder in seinem Sitz bequem macht, etwas enttäuscht darüber, dass der verbale Schlagabtausch schon so schnell endete. Aber die Fahrt kann jetzt endlich weitergehen.
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