Halloween im Keller

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Rosa Feder

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In 13 Tagen war Halloween und dieses Fest war genau nach Chris Geschmack. Bereits im Kindergarten mochte er es, sich zu verkleiden und in furchterregende Rollen zu schlüpfen. Schließlich liebte er auch schaurige Kindergeschichten. Ein Kostüm für dieses Jahr hatte er noch nicht, seine Mutter wollte es am Wochenende mit ihm aussuchen. Bisher war er schon mal als Pirat, als Geist und zuletzt als Vampir gegangen. Diesmal sollte es noch gruseliger werden, Chris wollte noch eine Schippe daraufsetzen. Es musste so gut sein, dass Jakob die Spucke wegblieb! Jakob Müller, der Nachbarssohn von nebenan und Tyrann der dritten Klasse. Ständig musste er ihn und seine Freunde piesacken.

Gedankenversunken wurde er von seiner Mutter auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt:
„Chris, reich mir mal bitte das Brett. Da drüben, das Holzbrett bitte.“
Sie saßen am Küchentisch und er hatte sich bereiterklärt, ihr zu helfen. Zumindest ein bisschen Halloween gab es heute schon. Der Kürbis stand direkt vor ihm und sie wollten ihn gemeinsam schnitzen.
„Du bist schon wieder ganz woanders mit deinem Kopf, oder?“ Mama hatte ihn durchschaut. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wir schnitzen ihn ja gleich, ich will nur noch schnell den Rest fürs Essen vorbereiten.“
Chris reichte ihr das Holzbrett und musste in sich hineinkichern, weil er sich schon ausmalte, wie Jakob bibbernd vor ihm stand. Es war höchste Zeit, mal diesem Fiesling eine gehörige Portion Angst einzujagen. Das hatte er verdient!

„Ich könnte schon mal vorschnitzen, wenn du magst. Er bekommt am besten eine richtig furchteinflößende Kürbis-Fratze. Damit sich die Nachbarn erschrecken, wenn sie ihn im Vorgarten sehen.“
„Mist, ich habe die Herbst-Deko im Keller vergessen und das Essen brennt gleich an.“ Seine Mutter wirkte abgelenkt und ging nicht gleich auf seinen Vorschlag ein. „Lieb Schatz, aber wir machen das gleich zusammen. Die Kürbisschale ist echt hart, hab mich selbst mal verletzt dabei. Was hältst du davon: Du holst mir bitte noch schnell die Herbst-Deko aus dem Keller, ganz unten im Deko-Schrank, und danach legen wir los. Okay?“
„Klaro, dann kann ich auch gleich mal nach der Schminke für Halloween schauen. Die ist ja auch noch unten.“

Zum Glück war es mitten am Tag, da machte ihm der Gang in den Keller nichts aus. Jetzt kam Tageslicht durchs Kellerfenster. Kein Grund zur Panik. Am Treppenabsatz angekommen, bemerkte er aus dem Augenwinkel etwas rechts von sich, hinten in der Kellerecke. Mist, bis in die Ecke kam das Tageslicht natürlich nicht und der Lichtschalter war auch noch ein Stück entfernt. Vielleicht versteckte sich wieder dieser üble Jakob dort und wartete nur darauf, ihn auf den Arm zu nehmen.

„Hallo? Ist da jemand?“, rief Chris in die Ecke. Keine Antwort. Vielleicht hatte er es sich auch nur eingebildet. Er sammelte seinen ganzen Mut zusammen und lief ein paar Schritte weiter auf ihren Kellerabteil zu. Dort konnte er alles sehen, es gab genug Licht. Er war da, schloss die Tür auf und setzte einen Fuß hinein.

Plötzlich fauchte etwas aus der dunklen Kellerecke, hinter seinem Rücken. Kkkkkkccccch. Er spürte eine Kralle an seiner Schulter. Chris ließ den schweren Schlüsselbund vor Schreck fallen, schrie und duckte sich schnell runter. Das Monster war an ihm vorbei gesprungen, das spürte er an dem Lufthauch an seinem Arm. Da er wusste, dass es keine Geister gab, traute er sich, langsam ein Auge zu öffnen. Er schielte nach oben und….atmete auf!

„Du mieser Kater! Hast mir weh getan, scher dich raus jetzt!“
Es war Don gewesen, Jakobs Kater. Chris mochte ihn genauso wenig wie seinen Besitzer. Beide waren hinterhältig und gemein, fand er. Eigentlich würde er sich als sehr tierlieb einschätzen, aber mit Don stand er auf Kriegsfuß. Ständig hüpfte dieses Tier durch offene Fenster in fremde Wohnungen oder Kellerabteile, sobald es möglich war und sorgte nur für Chaos. Puh, er wischte sich über die Stirn. Ein bisschen Bammel hatte er schon gehabt. Völlig unbegründet zum Glück.

Chris fand die weiße Faschingsschminke auf Anhieb. Er hatte sie selbst dorthin verräumt, weil er wusste, er würde sie an Halloween wieder brauchen. Unter der Schublade mit der Schminke guckte ein roter, samtbezogener Stoff-Zipfel heraus. Seine Neugier war gepackt. Er öffnete langsam die Schublade darunter und fand…

Einen bunten Haufen voller Kostüme! Hier hatten seine Eltern also die Faschingskiste, von der sie manchmal sprachen. Er fand Erwachsenen-Kostüme immer langweilig, weil sie meist viel zu bunt, peinlich und plüschig waren. Aber das hier sah nach etwas anderem aus, es war viel Rot, Schwarz und Weiß dabei. Wow! Das waren Halloween-Kostüme! Wieso hatten sie das nie erzählt? Er hatte immer gedacht, seine Eltern wären zu alt, um Halloween zu feiern. Zumindest konnte Chris sich nicht mehr daran erinnern, dass sie sich mal richtig gruselig gekleidet hätten.

Er zog ein Kostüm nach dem anderen hervor, bis er auf eine unheimliche Maske stieß. Boa, die brauchte er unbedingt für Jakob! Er würde sich in die Hose machen, garantiert! Schnell zog er sie sich über und warf noch dazu den schwarzen, langen Mantel um, den er daneben fand. Ein kleiner, schwarzer Zylinder war fein säuberlich rechts hinten in seiner Original-Verpackung in die Schublade gestellt worden. Chris hatte keine Ahnung, was er gerade tat, aber riesen Spaß dabei, einfach alles anzuziehen.

Vorsichtig holte er den Hut aus der Verpackung und setzte ihn sich auf. Da hörte er Schritte von draußen. Das war ganz sicher seine Mutter. Er hatte zu lange gebraucht und sie wollte sich bestimmt nach ihm erkundigen. Erstes Test-Objekt für meinen Spuk, dachte sich Chris und rieb sich vor Schadenfreude die Handflächen. Er drehte sich zur Tür und duckte sich, um dann im richtigen Moment hochspringen und erschrecken zu können. Beim Ducken bemerkte er kaltes Glas an seinem nackten Ellenbogen. Er wollte nachsehen, woran er sich gerade gelehnt hatte, als...

„Woaaaaaaah, Hilfe!!!!“, hörte er sich selbst schreien. Sein Herz rutschte ihm in die Hose.
„Chris, wo bist du? Was ist passiert? Oh mein Gott, Hilfe!!!!“, schrie auch plötzlich seine Mutter.
Hahahahahahaha, Chris hatte es geschafft. Er hatte es geschafft, nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mutter in Angst und Schrecken zu versetzen.

„Wie siehst du denn aus? Das ist echt unheimlich!“ Seine Mutter hatte sich beruhigt und prustete los.
„Ich habe eure Halloween-Sachen gefunden und miteinander kombiniert. Selbst vor meinem eigenen Spiegelbild erschrecke ich mich, so gut sind die Sachen! Wieso habt ihr mir nie etwas von eurer Schublade erzählt?“
„Na genau, deshalb. Bei deinem Drang dich verkleiden zu wollen, hätten wir dich sonst nie davon abhalten können und du hättest jeden erschreckt! Aber jetzt wo du sie gefunden hast, darfst du dir gern etwas raussuchen. Bitte nicht ganz so angsteinflößend, diese Kombination hat es echt in sich. Das lassen wir mal lieber, die erschreckt dich ja sogar selbst.“

Beide mussten lachen. Chris war außer sich vor Freude. Er durfte sich schon heute sein Kostüm aussuchen und musste nicht bis zum Wochenende warten! Jakob würde nicht nur vor Schreck umfallen, er würde ihn beneiden dafür! Er fiel seiner Mutter um den Hals und bedankte sich auf seine Weise.
„So bekomme ich also Umarmungen von dir“, murmelte seine Mutter und musste dabei grinsen. „Ist schon gut. Und nun komm, wir holen jetzt die Herbst-Deko und gehen dann wieder hoch. Essen ist auch schon fertig. Komm.“
 



 
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