herbst aversion

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Mimi

Mitglied
herbst aversion


die bäume kahlen, welch ein graus,
der herbst, er kommt! nun rasch ins haus!
statt sommerduft und sonnenglanz,
gibt's regensturm mit blättertanz.

die nachtigall ist längst schon fort
(bestimmt an einem warmen ort)
und während ich im nassen steh,
wird mir ganz kalt vom kopf bis zeh.

auch kürbisse, die mag ich nicht,
erst recht nicht die mit grinsgesicht.
und überall nur dekokram,
als wär das herbsten lobesam.

der dichter tönt von gold'ner welt,
vom blatt, das sich am ast noch hält,
vom nebelband am wetterhahn
und allzu gern vom löwenzahn.

ich frag mich nur: wozu der mist,
wenn doch der sommer schöner ist?
verzieh dich, herbst, mach platz geschwind,
ich bin und bleib des sommers kind.
 
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petrasmiles

Mitglied
Liebe Mimi,

da hast Du mir aus der Seele gesprochen, ich kann mit dem Krams auch nichts anfangen, zumindest nicht lobpreisend.
Man fügt sich. Und redet es sich schön - ja klar, wenn es draußen kalt und nass ist, dann ist man drinnen besser aufgehoben, wo soll man auch sonst hin.

Aber die Gedichte, diese Melancholie, dieses 'wird in den Alleen hin und her wandern, wenn die Blätter treiben', ach ja, das braucht es auch. Ist jetzt sehr deutsch, aber ich liebe den Wandel, dieses nahe Erleben von 'Stirb und Werde' mit der Muttermilch aufgesogen, wenn man denn noch in der analogen Welt zu Hause ist und auch mal raus geht... da kommt dann das Sehnen geich nach der 'Aversion', dem Abschied, dem Grauen vo dem Eis und Matsch und doch auch eine Erinnerung an die besondere Stille, die in einer verschneiten Landschaft herrscht - selbst in der Stadt. Und dann die Vorfreude - Weihnachten ist kaum rum, schon sieht man die Tage länger werden und dann kommt das erste frische Grün und bald zaghaft neue Knospen und Blütenköpfchen, dann der Duft, nachdem man schon dachte, man riecht gar nichts mehr durch die Kälte, und dann der Farbrausch und dann ist er wieder da: el verano, l'été, the summer ...

Liebe Grüße
Petra
 

anbas

Mitglied
Hallo Mimi,
mir gefällt das Gedicht - auch, wenn mir eher der heiße Sommer zuwider ist :cool:.
Liebe Grüße
Andreas
 

Mimi

Mitglied
Liebe Petra,

Du hast das wirklich wunderbar eingefangen, diese ganze Palette von Abschied, Melancholie, aber auch Sehnsucht und Neubeginn, die man mit Herbst und Winter verbindet.
Ja, da steckt schon viel Wahrheit drin: draußen Kälte und Nässe, drinnen Wärme und Geborgenheit, und irgendwann dann diese von Dir beschriebene Stille einer verschneiten Landschaft.
Okay, das hat etwas, das gebe ich zu.:)

Aber (es gibt schließlich immer ein kleines großes aber!) mein Herz gehört trotzdem dem Sommer (dem Frühling auch).
Ich brauche das Licht (ganz viel), die Farben, die Wärme, dieses Gefühl, dass die Welt aufblüht und alles wieder( gefühlt) leichter wird.
Herbst und Winter sind für mich daher eher die Durchgangsstationen, die ich „erdulde“, bis es wieder grünt und nach Sommer riecht.

Nun ja, liebe Petra, vielleicht liegt genau darin der eigentliche Zauber: wir brauchen das eine, um das andere umso mehr zu lieben ...

Gruß
Mimi
 

fee_reloaded

Mitglied
der dichter tönt von gold'ner welt,
vom blatt, das sich am ast noch hält,
vom nebelband und wetterhahn
und allzu gern vom löwenzahn

ich frag mich nur: wozu der mist,
wenn doch der sommer schöner ist?
Hihi, ich fühl mich ertappt, liebe @Mimi . :cool:

Zackig-knackig und höchst unterhaltsam verreimt, deine Herbst-Aversion. Man möchte fast sagen, man kann spüren, dass der Text von Herzen kommt. ;)

Gern gelesen! Liebe Grüße,
fee
 

Mimi

Mitglied
Hihi, ich fühl mich ertappt,
Nun ja, liebe fee, ist doch gerade Hochsaison, würde ich mal sagen ...:p

Vielen Dank für Deine lobende Rückmeldung!
Schön, dass meine Zeilen Dich erreichen konnten.
Und ja, der Herbst und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr werden ...
(Was nicht heißt, dass ich nicht hin und wieder Herbstgedichte lesen oder schreiben werde.);)


Gruß
Mimi
 
Zuletzt bearbeitet:

Mimi

Mitglied
wem? dem winter?
brrrrh!
Ach nein, Hansz mondnein, nicht dem Winter
(der ist nur der noch frostigere Cousin des Herbstes) ... ich wollte dem Sommer nur etwas Platz schaffen, falls er zurückkehren möchte.
Ich hoffe ja immer noch, dass er sich irgendwo im Süden langweilt und spontan beschließt, hier noch ein paar Runden zu drehen.;)

Gruß
Mimi
 

James Blond

Mitglied
Nein, liebe Mimi,
keine Sorge: Ich nehme nicht teil an der Pro&Kontra-Herbstdiskussion. Allerdings ist eine gereimte Herbst-Aversion auch ein Herbstgedicht und zwingt den Verfasser zur Auseinandersetzung mit den Erscheinungen dieser Jahreszeit. Doch für meine Beurteilung spielt das Für&Wider keine Rolle. Mir gefällt das schlüssige Gedicht in seiner Strophenfolge mit dem abschließenden Appell: "Verzieh dich".

Durchgängig vierhebige Jamben mit betonter Kadenz vermitteln einen in sich stimmigen, recht stabilen und auch etwas naiven Ansatz, einem Kindergedicht nicht unähnlich, dem diese direkte, leicht oberflächliche Betrachtung der Jahreszeit entspricht, einzig das Kunstverb "kahlen" fällt dazu aus dem Rahmen.

Da es hier in erster Linie um eine Aufzählung von (empfundenen) Nachteilen geht, wird das wiederholte "und" nur schwer zu vermeiden sein. Um so wichtiger ist es, diese Konjunktion nach Möglichkeit zu vermeiden, z.B. hier:

statt sommerduft und sonnenglanz,
gibt's regensturm und mit blättertanz.


Ein "und" pro Strophe sollte reichen.

Dann ist mir aufgefallen, dass sich die Verspaare aus der 3. und 4. Strophe tauschen lassen, um das Ganze schlüssiger zu machen.

...
wird mir ganz kalt vom kopf bis zeh.

vom ein nebelband am wetterhahn
und allzu gern vom statt Wiesen voller löwenzahn
auch kürbisse, die mag ich nicht,
erst recht nicht die mit grinsgesicht,

der dichter tönt von gold'ner welt,
vom blatt, das sich am ast noch hält,
und überall nur dekokram,
als wär das herbsten lobesam.

ich frag mich nur: wozu der mist,
...


Das sollen natürlich nur Anregungen sein ...

Gern kommentiert!

Viele Grüße
JB
 

sufnus

Mitglied
James hat sich jetzt so eingehende Gedanken zur sozusagen technischen Seite gemacht, dass ich jetzt doch nochmal ganz platt inhaltlich werde:
Hab ich schon mal erwähnt, wie sehr mir der Sommer zuwider ist? Wenn nicht, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt!
Ich feiere gerade jeden nieseligen Tag und jede kühle Nacht und kann mich an den Wettervorhersagen gar nicht sattsehen.

Es ist einfach wonniglich:
Endlich nicht mehr sonniglich!


;)

LG!
S.
 

Aniella

Mitglied
@Mimi - wie treffend! Wieder habe ich hier Gegensätze, die einander ihre Wertschätzung geben.
Ich mag die Beispiele und finde mich wieder in Deinen Versen. Bei Sonnenlicht und Trockenheit hat jede Jahreszeit ihre schönen Seiten, ich bin ein Frühlingskind mit all seiner Aufbruchstimmung. rüher liebte ich den Sommer auch sehr, aber ins Extreme gerutscht, bleibe ich doch beim Frühling.

Gefällt mir gut in seiner Leichtigkeit und James hat prima Vorschläge für den Feinschliff gemacht.

LG Aniella
 

Mimi

Mitglied
Lieber James Blond,
herzlichen Dank für Dein hilfreiches Feedback, das mir nochmal ein paar Schwachstelle im Gedicht deutlich(er) gemacht hat.

Ich habe einige Deiner Vorschläge dankend umgesetzt.
Finde ich definitiv besser so!

An der Stelle ein dickes Lob für Deine Textarbeit und Dein feines, sprachliches Hineinspüren, nicht nur unter diesem Gedicht ... :)

Gruß
Mimi
 

Mimi

Mitglied
Danke auch an @sufnus und @Aniella für die freundlichen Kommentare und die guten Bewertungen.

Hat mich gefreut!

Gruß
Mimi


er (der Sommer) kommt immer wieder, Jahr für Jahr,
meistens nach dem Frühling,
der übrigens in der Regel wesentlich kälter ist als der Altweibersommernachklang des beginnenden Herbstes.
Oder wie heißt's bei Rolf Zuckowski so schön ...

"Immer wieder kommt ein neuer Frühling
Immer wieder kommt ein neuer März."



Ich freue mich jedenfalls drauf!
 



 
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