Herr über Leben und Tod

3,00 Stern(e) 1 Stimme

ap

Mitglied
Still. Totenstill. Diese absolute, undurchdringliche Stille, nichts würde sie jemals durchdringen können. Nathan konnte seinem eigenen Puls lauschen, und er hätte den Puls eines jeden hören können, wäre er nicht allein gewesen. Und die, die außer ihm noch hier waren, hatten keinen Puls mehr!

Nathan liebte diese Stille, während er in seinem kleinen Büro saß und lauschte. So konnte er stundenlang dasitzen, einfach nur in die Dunkelheit hinein schauen, lauschen, und sich auf den Atem der Welt konzentrieren.

Nathan Flynt war Nachtwächter in der pathologischen Abteilung des städtischen Krankenhauses in New Orleans. Das Gebäude der Pathologie war dem eigentlichen Krankenhaus ausgelagert, es war ein vollkommen selbständiger Gebäudekomplex. Deswegen gab es hier auch einen eigenen Nachtwächter, eben ihn, Nathan. Und Nathan liebte seinen Job, er machte ihn gut, und darauf war er stolz! Hier kam er sich endlich einmal groß vor, hier war er wichtig, nicht nur die seltsame Type von nebenan. Nachts war ER hier der Boß!

Mitten in die Stille hinein zerriß das schrille Läuten des Weckers Nathans Gedankenspiel.

12 Uhr, Mitternacht. Für Nathan wurde es Zeit, mit seinem Rundgang zu beginnen. Er lächelte voller Vorfreude, nahm seine Stechkarte und die Taschenlampe, und verließ die fragwürdige Sicherheit seines Büros.

Im Korridor vor seinem Büro war es stockfinster. Doch Nathan machte sich schon längst nicht mehr die Mühe, extra den Lichtschalter zu betätigen, die Taschenlampe genügte ihm.

Langsam marschierte er den Gang hinunter. Der hohle Klang seiner Schritte gefiel ihm, und er verschmolz mit der Dunkelheit. Er sah nur so weit, wie der Schein seiner Lampe reichte, was wirklich nicht sehr weit war. Die Lampe war nicht stark. Doch Nathan fürchtete sich nicht vor der Dunkelheit, er genoß sie, liebte sie. Und er kannte sich hier aus, immerhin hatte er diesen Marsch nun schon all zu oft hinter sich gebracht.

Schließlich fiel der Schein der Lampe am Ende des Korridors auf eine Glastür, die ins Treppenhaus führte. Nathan sperrte die Tür mit seinem Generalschlüssel auf und betrat den Treppenschacht. Die Treppe nach oben führte zu den Verwaltungsbüros, doch die interessierten Nathan vorerst nicht. Die Büros waren langweilig, die machte er immer erst zum Schluß. Was ihn viel mehr interessierte und worauf er sich noch immer jedes mal freute, waren die medizinischen Räume, die Labors und die Leichenkammer, die sich im Keller befanden.

Nathan grinste beim Gedanken daran und betrat die erste Stufe nach unten.

Der Treppenschacht des alten Gebäudes sah absolut steril aus, wie alles im Kellerbereich. Das machte das ganze erst richtig spannend.

Seine Schritte wurden von den kalten Stufen seltsam verzerrt zurückgeworfen, Nathan mochte dieses unheimliche Echo. Der fahle Lichtschein seiner Lampe konnte die Dunkelheit kaum verdrängen und verstärkte die unheimlich Atmosphäre eher noch. Nicht zum ersten mal stellte sich Nathan vor, daß diese Stufen in die dunklen Tiefen einer Gruft führten und er in eine dämonische Unterwelt eintauchte.

Am Ende der Treppe nahm er zwei Stufen auf einmal, bis er schließlich unten in einem kleinen Vorraum vor einer eisernen Feuertür stand. Nathan sperrte auch sie auf und wuchtete die schwere Tür zur Seite.

Die dunklen Schatten dahinter fraßen den Schein der Taschenlampe nun fast endgültig auf und Nathan wußte, daß er nun endgültig die Welt der Lebenden verließ. Jedesmal wieder bekam er eine leichte Gänsehaut.

Vor ihm lag wieder ein langer, dunkler Gang, zu beiden Seiten waren Türen in die Wände eingelassen. Am Ende des Korridors war nochmals eine schwere Eisentür ähnlich der, durch die er gerade gekommen war. Ohne zu zögern setzte Nathan seinen Rundgang fort.

In diesem Teil des Gebäudes roch es immer leicht nach Chemikalien, wie in einem Krankenhaus, nur widerwärtiger. Nathan störte sich nicht daran und saugte den ekelerregenden Geruch sogar gierig in sich hinein.

Hier unten betätigte er nun doch den Lichtschalter. Kaltes Neonlicht überflutete den Korridor und spiegelte sich auf dem gefliesten Boden. In der Mitte des Ganges flackerte eine der Neonröhren und warf dämonische Schatten an die Wand.

Nathan ging weiter in den Korridor hinein. Pflichtschuldig öffnete er die erste Tür und schaute hinein. Es war eines der Labors, die er nun schon zu Genüge kannte. Verschiedenste Meßinstrumente, Computer und ein großes Mikroskop standen auf den Tischen. Alles war, wie es sein sollte. Nathan schloß die Tür hinter sich wieder ab und ging weiter, auf die letzte Tür im Gang zu.

Er kam an einer Glaswand vorbei, die in der Wand eingelassen war und durch die er in einen der OP`s schauen konnte. Der nüchterne Eisentisch in der Mitte erinnerte Nathan beinahe an einen Altar. Dort, so wußte er, wurden die Leichen seziert. Nathan schaute flüchtig durch die Scheibe, sah aber nichts besonderes und ging weiter.

Die flackernde Röhre war nun hinter ihm, er hörte noch die für defekte Neonröhren typischen elektrischen Entladungen hinter sich. Das flackernde Licht warf seinen Schatten immer wieder seltsam verzerrt an die Wand.

Langsam, beinahe majestätisch, ging Nathan weiter, er konzentrierte sich nur noch auf sein Ziel, die eiserne Tür am Ende des Korridors.

Schließlich war er da, Nathan stand vor der Tür zur Leichenhalle.

Er schloß die Augen und berührte die Tür mit der flachen Hand. Das kalte Eisen prickelte unter seiner Handfläche, und Nathan glaubte beinahe, er könne Leben hinter der Tür spüren.

Selbstverständlich war da kein Leben mehr!

Nathan öffnete die Tür und wuchtete sie zur Seite, dann betrat er den Raum dahinter.

Das erste, was ihm immer wieder auffiel, war die Kälte. Nathan mußte immer an den Kühlraum einer Metzgerei denken. Hier unten wurden die verstorbenen Patienten des Krankenhauses, Unfall- und Mordopfer, und alle die anderen Toten aufbewahrt, bis sie zur Autopsie kamen.

Nathan tastete nach dem Lichtschalter und knipste ihn an, wieder überflutete kaltes Neonlicht den Raum. Auch hier herrschte wieder die selbe Sterilität vor, wie sie überall in den Kellerräumen anzutreffen war, grauer PVC-Boden, weiße Kacheln.

Und an den Wänden standen die Metallgestelle, auf denen die Toten lagen. Heute waren es derer nur vier, alle mit weißen Laken zugedeckt. Vorerst kümmerte Nathan sich noch nicht um sie.

Er schaute nur auf die Stechuhr am anderen Ende des Raumes. Dafür hatte er seine Karte. Diese Stechuhren gab es im ganzen Gebäude, um zu kontrollieren, ob er auch seine Runde machte. Offenbar hatten sie schon schlechte Erfahrungen mit Nathans Vorgängern gemacht. Die meisten Uhren waren jedoch oben, in den Verwaltungsräumen, hier unten im Keller gab es nur die eine in der Leichenhalle.

Nathan ging in den Raum hinein, vorbei an den aufgebahrten Toten auf die Uhr zu. Es gab ein leises elektronisches Piepsen, als er seine Karte einführte, und damit war die Sache für ihn erledigt. Nun begann für Nathan der Teil, der ihm wirklich Spaß machte.

Er wandte sich den Toten zu, holte noch einmal tief Luft und sog die unheimliche Atmosphäre gierig in sich hinein. Dann ging er auf die erstbeste Leiche zu.

Nathan betrachtete kurz den verhüllten Körper, dessen Konturen sich vage unter dem Leinen abzeichneten. Ehrfürchtig strich er mit der Hand über das Leichentuch und streichelte den Körper darunter, dann zog er das Tuch langsam von der Leiche herunter.

Als er sah, was darunter zum Vorschein kam, stieß er enttäuscht und beinahe verächtlich die Luft aus.

Da lag nur ein alter Mann mit ruhigem, beinahe friedlichen Gesichtsausdruck. "Scheiß verdammt, vermutlich sogar ein natürlicher Tod." murmelte Nathan, "Ist doch langweilig!" Nein, der interessierte ihn nicht. Vermutlich hatte er ein langes und erfülltes Leben gehabt, zu unbedeutend, als daß Nathan auch nur einen Gedanken an ihn verschwenden wollte.

Nathan drehte sich um und wandte sich dem nächsten Toten zu. Langsam aber sicher zog er auch ihm wieder das Leichentuch herunter.

Da lag ein Schwarzer, vielleicht Anfang zwanzig. Er sah verwahrlost aus, war ausgezehrt, die Rippen traten hervor und sein Gesicht war bläulich angelaufen. "Nur ein blöder Junkie," meinte Nathan, "sieht aus wie ein Zombie!" Nathan grinste über diese widerliche Gestalt, die so weit unter seiner Würde war. Auch an ihn verschwendete Nathan keinen Gedanken, als er sich abwandte und zur gegenüberliegenden Seite des Raumes ging, zu den beiden anderen Toten.

Nathan ging auf die erste Leiche zu, langsam verlor er schon die Geduld. Darum berührte er das Leinen nur flüchtig und zog es dann mit einem Ruck herunter.

Nathan sog beinahe erschrocken die Luft ein! Beim Anblick des Körpers, der da zu Vorschein kam, stockte ihm der Atem. Da lag eine Frau, eine wunderschöne tote Frau!

Langsam, um sich auch ja keine Einzelheiten entgehen zu lassen, betrachtete er ihren nackten, kalten Körper.

Sie war eine Schönheit aus Südamerika, Brasilien vielleicht. Ihre rassigen Gesichtszüge sahen friedlich aus und die Augen hatte sie geschlossen, als schliefe sie. Nathan sah sich ihren schlanken sonnengebräunten Körper genau an, ihre langen schwarzen Haare, die vollen Lippen und ihre prallen Brüste. Einen kleinen Teil der berühmten südamerikanischen Leidenschaft hatte sie sich sogar bis in den Tod hinein bewahrt.

Auch das halbe Dutzend Messerstiche in ihrer Bauchgegend taten ihrer Schönheit keinen Abbruch.

Nathan grinste, so eine schöne Frau hatte er hier unten schon seit langem nicht mehr gehabt. Heute aber hatte er Glück, und er würde es auch voll auskosten. Warum auch nicht, wer konnte denn schon wissen, wann er wieder mal so ein schönes Wesen in seinem Reich hatte?

Dann beugte Nathan sich zu ihr hinunter und schnupperte an ihrer Haut! Seine Nasenflügel glitten zitternd über ihre kalten Wangen, über ihr Kinn und den Hals hinunter. Er liebte den Geruch des Todes, er gab ihm ein Gefühl von Macht, er törnte ihn an und geilte ihn auf!

Nathan sog den Geruch ihrer Haut weiter gierig in sich hinein, ihr Duft strömte wie ein Wasserfall in seine Lungen und brachte sein Blut in Wallung.

Dann küßte er sie, beinahe vorsichtig, auf den Hals.

Sie schmeckte leicht salzig und barg noch eine winzige würzige Erinnerung ihres einstigen Lebens in sich. Er ließ sich den Geschmack genußvoll auf der Zunge zergehen, es brachte ihn beinahe zur Ekstase.

ER WOLLTE MEHR DAVON!

Nathan küßte sie nochmals, zuerst vorsichtig, dann immer stürmischer auf ihre Wangen, den Hals und die Brüste. Der Geschmack des vergangenen Lebens, den er doch schon so oft genossen hatte, war bei ihr besonders stark und hatte einen seltsamen süßen Unterton. Nathan mochte das, er liebte es, es war ein neuer bisher unbekannter Aspekt des Todes.

Schließlich streckte er seine Zunge raus und leckte ihr über die Wange, um noch mehr auf einmal in den Mund zu bekommen. Er leckte nochmal und nochmal, bis er den ganzen Mund voll von diesem köstlichen Geschmack hatte, mit der Hand massierte er ihre kalte Brust. Nathan schloß die Augen, genoß einfach und ließ sich ihren Geschmack auf der Zunge zergehen.

Dann streichelte er ihr mit beiden Händen übers Gesicht und seine Lippen bewegten sich langsam auf die ihren zu. Er küßte sie kurz aber leidenschaftlich auf den Mund.

Ihre Lippen waren beinahe noch ein wenig warm und sie schmeckten ihm noch besser als der Rest ihrer Haut. Nathan wurde beinahe wahnsinnig vor Gier, als er ihr seine Zunge in den Mund schob.

Er mußte ihre Lippen aufdrücken, doch dann war er drinnen und er schmeckte ihre warme trockene Zunge und liebkoste sie mit der seinen.

Was für eine Frau dachte er Warum hab ich hier nicht öfter solche Prachtweiber wie diese?

Nathan löste seine Lippen wieder langsam von ihr.

Er kniete nun vor der Eisenbahre, auf der sie lag, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

"Genug gespielt!" murmelte Nathan. Er grinste böse, ein kleiner Speichelfaden rann ihm den Mundwinkel hinab und tropfte auf den Boden. "Jetzt fängt der Spaß erst richtig an!"

Mit seiner rechten Hand streichelte er ihr wieder über die Brüste. Sie waren üppig und fest, genauso wie Nathan sie mochte. Dann beugte er sich über sie, sein Gesicht nur noch ein wenig von ihren Titten entfernt, und liebkoste ihre Nippel mit der Zunge. Seine Hand glitt langsam über ihren Bauch, auf die Stichwunden zu. Er fühlte das geronnene Blut und die Löcher in ihrem Bauch.

Langsam wurde Nathan wirklich geil, ein weiterer Speichelfaden rann ihm aus dem Mund, und er bekam eine Erektion. Nathan hielt es nicht länger aus, jetzt wollte er alles!

Er richtete sich auf, schwang sein Bein über die Bahre und stützte sein Knie am Rand der Liege ab, dann zog er das andere Bein nach. So kniete er nun auf allen Vieren auf der Bahre über der Leiche der Frau, mir einem Hammer in der Hose und bereit, sich wieder einmal mit einem Orgasmus ins Nirwana zu katapultieren!

Mit der linken Hand stützte er sich neben ihrem Gesicht ab, währen er sie auf den Mund küßte und mit der rechten versuchte, sich die Hose zu öffnen. Die Gier machte ihn schon halb wahnsinnig, Gefühle übermannten ihn und er mußte aufpassen, das es für ihn nicht schon zu früh vorbei war.

In diesem Moment öffnete sie ihre Augen!

Nathan erstarrte, die Zeit schien stillzustehen. Nathan konnte es erst gar nicht fassen, er sah der toten Frau ins Gesicht, und sie sah zurück!

Für einige Sekunden setzte sein Herzschlag aus, und er bekam keine Luft mehr!

Er konnte es kaum glauben, plötzlich hatte die tote Frau ihre Augen geöffnet, und sie sah ihn an!!

Dann geschah alles auf einmal. Nathans Herzschlag setzte wieder ein, wie ein Hammer schlug es in seinem Brustkorb. Nathan fing an zu schreien, ein widerliches panisches Kreischen entwich seiner Kehle.

Und die Tote bewegte sich!

Zuerst hob sie nur langsam ihren Kopf, sie schien sich umzusehen, sich zu orientieren, als sei sie gerade eben nur aus einem tiefen Schlaf erwacht. Dann aber sah sie wieder Nathan an, der noch immer über ihr kniete und schrie! Sie packte ihn an der Kehle und stieß ihn von sich!

Nathans Schrei brach abrupt ab, als ihn der Schlag an die Kehle traf und er wie eine Puppe durch die Luft geschleudert wurde. Unsanft landete er auf dem Boden, rollte rückwärts und stieß sich den Kopf an der Wand. Der Aufschlag raubte ihm beinahe das Bewußtsein, und kurzzeitig wurde ihm schwarz vor Augen. Einen Moment saß er benommen da, dann wurde er wieder einigermaßen klar im Kopf.

Nathan sah auf.

Wie ein Tier kauerte die untote Frau auf der Bahre und fletschte ihn an, ein drohendes Knurren entwich ihrem Maul. Dann duckte sie sich, spannte ihre Muskeln und sprang katzengleich auf Nathan zu!

Nathan schrie wieder, als er die Frau auf sich zufliegen sah! Sie landete genau auf ihm, ein Arm auf seinem Brustkorb, der andere neben seinem Gesicht. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen und sein Schrei wurde zu einem kläglichen Röcheln.

Der Schock schaltete Nathans bewußtes Denken endgültig aus, instinktiv zog er die Füße an und rammte dem Zombie seine Knie in den Bauch, genau in die Messerstiche. Gleichzeitig verpaßte er der Toten einen rechten Haken unters Kinn, und mit einem seltsam dumpfen Stöhnen fiel die Leiche von ihm herunter.

Blind vor Panik rappelte sich Nathan auf und stürzte zur Tür. Sein Herzschlag tat ihm beinahe weh, er bekam kaum Luft, und er war der Bewußtlosigkeit nahe, als er die Tür schließlich erreichte und erstmal mit voller Wucht dagegen rannte.

Hinter sich hörte Nathan, wie sich auch die Frau wieder bewegte, aber er wagte nicht zurück zu schauen. Er drückte einfach nur die Klinke hinunter, zerrte die Tür auf und rannte in den Gang hinaus, rannte um sein Leben.

Er kam an der flackernden Neonröhre vorbei und an dem Glasfenster zum OP, aber er sah nur die Feuertür am Ende des Korridors. So schnell er konnte lief er auf die Tür zu, aber er kam ihr kaum näher. Nathan schien es, als würde sich die ganze Welt in Zeitlupe bewegen, alles kam ihm seltsam irreal vor, und er mußte um jeden Schritt, den er der Tür näher kommen wollte, kämpfen! Die Tür war sein einziges Ziel, sie kam ihm schon beinahe wie das Licht am Ende des berühmten Tunnels vor. Nathan glaubte, dahinter würde er in Sicherheit sein.

Hinter Nathan wurde die Tür der Leichenhalle mit voller Wucht gegen die Wand geschlagen, und dieser Knall weckte ihn wieder irgendwie auf. Er keuchte vor Schreck, zu einem richtigen Schrei war er nicht mehr fähig.

Plötzlich war er beinahe da, er fiel der Tür regelrecht entgegen, nur noch ein paar Schritte, ein letzter Sprint, dann hatte er sie erreicht.

Mit der Kraft der Verzweiflung riß er die Tür auf und trat hindurch.

Nathan mußte sich am Türstock abstützen, er atmete schwer und er versuchte, wieder Luft zu bekommen, sein Herz raste. "Oh mein Gott!" stöhnte er, der Schweiß lief ihm in Strömen herunter.

Er stand noch immer in der offenen Tür, als er Schritte hinter sich im Korridor hörte! Plötzlich wurde ihm eiskalt. Er konnte nicht anders, er mußte es sehen, und so wandte er sich um und schaute zurück. Und was er da sah, ließ ihn endgültig den Verstand verlieren!

Die Untote lief mit tödlicher Eleganz den Gang entlang auf ihn zu, ihr Gesicht war zu einer grauenerregenden Fratze verzerrt und ihre Zähne schienen plötzlich größer zu sein als normal! Sie war gerade unter der defekten Neonröhre. Das Flackern der Röhre und das seltsame Schattenspiel ließen ihre Bewegungen unheimlich ruckartig erscheinen, wie eine Marionette, und doch war sie verdammt schnell!

Nathans Kehle entwich erneut ein widerliches Kreischen, dann drehte er sich um und stürzte die Treppe hinauf. Er nahm mehrere Stufen auf einmal, er sprang die Treppe regelrecht hinauf.

Doch Nathan war erschöpft, er war dem Zusammenbruch nahe, und schließlich, als er beinahe oben war, stolperte er über eine Stufe. Er fiel und konnte seinen Sturz gerade noch abbremsen.

Hinter ihm kam der Zombie die Treppe rauf, und Nathan, am Ende seiner Kräfte und wimmernd vor Angst, kroch einfach auf allen Vieren weiter. Nur weiter, die Treppe hinauf auf die Glastür zu.

Beinahe hatte er die Tür erreicht. Nathan kniete auf dem Treppenabsatz davor und strecke schon seine Hand nach der Klinke aus, als der Zombie plötzlich direkt hinter ihm war.

Nathan hörte ein leises drohendes Knurren hinter sich und erstarrte mitten in der Bewegung. Langsam sah er hinter sich.

Da, auf der obersten Stufe, kauerte die Untote. Wie ein Raubtier saß sie auf allen Vieren da, fletschte die Zähne und musterte Nathan. Sie begutachtete Nathan beinahe neugierig, wie eine Katze eine Maus ansehen würde, bevor sie die Maus fraß! Und Nathan schaute zurück, er konnte nicht anders. Er bewegte sich nicht, war erstarrt, wie hypnotisiert erwiderte er ihren Blick.

Der Blickkontakt hielt vielleicht eine halbe Minute, dann stieß die Frau ein gewaltiges Brüllen aus! Sie spannte kurz ihre Muskeln und sprang dann mit gewaltiger Kraft auf Nathan zu!

Der Aufprall war fürchterlich. Nathan wurde nach hinten geschleudert und mit dem Kopf voraus durch die Glasscheibe der Tür! Die Scheibe barst, Scherben zerschnitten Nathan das Gesicht.

Der Aufprall war nicht stark genug, um Nathan ganz durch die Tür fliegen zu lassen, er blieb mitten in der zerbrochenen Scheibe liegen. Eine der Scherben bohrte sich wie ein Dolch in Nathans Bauch und schlitzte ihn auf!

Nathan röchelte vor Schmerz und spuckte Blut, aber er kroch weiter, er wollte nur noch weg, weg von der untoten Frau. Er zerrte sich aus der Scheibe hinaus. Die Scherbe, die sich in seinen Bauch gebohrt hatte, schlitzte ihn noch weiter auf, brach dann ab und blieb in ihm stecken. Er wollte einfach nur weiter, er kroch den Gang entlang auf sein geliebtes Büro zu. Nathan blutete stark, aber er spürte keine Schmerzen mehr. Er kroch nur weiter den Gang entlang, und er hinterließ auf dem Boden eine lange Spur aus Blut.

Da hörte Nathan plötzlich wieder Schritte hinter sich. Irgend jemand kam da, und es war nicht der Zombie. Vielleicht Hilfe!

Mit letzter Kraft drehte sich Nathan auf den Rücken, um zu sehen, was da geschah.

Vor ihm stand plötzlich einer der Doktoren aus dem Krankenhaus.

Nathan kannte ihn, es war Dr. Lazarus. Er arbeitete oft hier in der Pathologie.

Nathan versuchte, etwas zu sagen, aber er brachte kein Wort raus. Nur ein weiterer Schwall Blut lief aus seinem Mund und über sein Kinn.

Erhobenen Hauptes stand Dr. Lazarus vor Nathan und sah herablassend auf ihn hinab, neben ihm kauerte die Untote auf dem Boden und schmiegte sich an sein Bein. Lazarus kraulte sie wie einen Schoßhund hinter dem Ohr.

"Nathan, Nathan, Nathan!" Dr. Lazarus schüttelte bedauernd den Kopf, "Sie kleines Ferkel, Sie!" Nathan röchelte und spuckte noch mehr Blut. "Ihr Pech, daß sie sich diesmal an der falschen Leiche vergangen haben. Aber sehen Sie es doch positiv. Mein Experiment ist endlich erfolgreich verlaufen, und das ist ein immenser Erfolg für die Wissenschaft! Die Wissenschaft fordert nun mal ihre Opfer!"

Dr. Lazarus wandte sich ab und ging den Weg zurück in den Keller, der Zombie folgte ihm. "Komm mit, Franceska, ich bring dich wieder zurück. Lassen wir den kleinen Leichenficker in Ruhe sterben!" Wie ein Kind nahm die Untote die Hand von Lazarus und ließ sich von ihm zurück in die Leichenhalle führen.

Nathan hörte noch, wie ihre Schritte langsam im Treppenhaus verhallten, dann wurde ihm schwarz vor Augen.



ende
 

visco

Mitglied
Hi ap!

Deine story geht wirklich unter die Haut. Leider war ich von der überraschenden Wendung, auf die ich in gespannter Erwartung zu gelesen habe, etwas enttäuscht. Eine markerschütternde, heimtückischere Lösung, mit der Nathan für sein moralisch verwerfliches Tun bestraft wird, wäre mir allerdings lieber gewesen. Etwa in der Art, daß er nach einer sich bei seinen Untrieben zugezogene Krankheit verstirbt und selber zum Opfer perverser Gelüste wird.
Schlimmer wäre noch, wenn er ungestraft davon käme (dann müßte jede Leserin fürchten, eines Tages vielleicht zu seinen Opfer zu zählen).
Richtig brutal würde es, wenn er erwischt und seinen Job verlieren würde, und aus der Not heraus zum Mörder würde, um seinen Trieben nachgeben zu können (brisanter Bezug zu aktuellem Tagesgeschehen; Stichwort: Julia). Die Verantwortung für diese Morde läge dann bei seinem früheren Arbeitgeber (zumindest als eigene Rechtfertigung).


Zum Text:
Etwas nervig empfand ich die wiederholte Namensnennung. Bei so vielen Charakteren (nur einem;-) ist es unwahrscheinlich, daß er Leser dessen Namen vergißt. Sofern er denn überhaupt von Belang ist?
Was die Namenswissentschaftler zu der mit dem Namen "Nathan" verbundenden Persönlichkeit sagen, kannst du unter:
http://www.kabalarians.com/male/nathan.htm
nachlesen (leider nur in englisch).


Einige Male hast du einen eigenständigen Satz, der für sich gestellt mehr Betonung erfahren hätte, zu einem Anhängsel des vorherigen degradiert. (Beispiel: "Nathan öffnete die Tür und wuchtete sie zur Seite, dann betrat er den Raum dahinter." oder "Schließlich war er da, Nathan stand vor der Tür zur Leichenhalle.") Letzteres hätte prägnanter formuliert vielleicht eine größere Wirkung erzielt, z.B. "Dann stand er endlich vor ihr: die Tür zur Leichenhalle."


Das Ertasten der kalten Türe, hinter der er beinahe Leben zu spüren glaubte, ist für mich nicht plausibel, erweckt es doch den Eindruck, als ob er sich dieses wünsche, und das ist wohl ganz sicher nicht der Fall.


"Diese Stechuhren gab es im ganzen Gebäude, um zu kontrollieren, ob er auch seine Runde machte." halte ich für unglücklich formuliert. Stechuhren kontrollieren nicht sondern Arbeitgeber, die Stechuhren zur Kontrolle einsetzen.


"Offenbar hatten sie schon schlechte Erfahrungen mit Nathans Vorgängern gemacht." Ich fürchte, "sie" bezieht sich auf "Stechuhren", was leider wenig Sinn macht. Wie wäre es mit "Offenbar hatte man schon ..." ?
Falls du mit diesem Hinweis Nathans Unverständnis über ein unberechtigtes Mißtrauen bzgl. seiner Gewissenhaftigkeit bzw. Tauglichkeit für diesen Job zum Ausdruck bringen wolltest, hättest du es meiner Ansicht nach stärker herausstreichen müssen. Er könnte sich auch darüber lustig machen.


"Er liebte den Geruch des Todes, er gab ihm ein Gefühl von Macht, er törnte ihn an und geilte ihn auf!" wäre auch ein Beispiel für eine - wie ich finde - unpassend gewählte Form der Aufzählung. Ich glaube nicht, daß es der Geruch ist, der bei ihm das Gefühl von Macht auslöst, vielmehr das Bewußtsein, daß sich Tote seinem Vorhaben nicht widersetzen können, also die Hilflosigkeit seiner Opfer, die ihm ausgeliefert sind.
Statt der Ausdrücke "törnte ihn an" und "geilte ihn auf" hätte ich das Wort "Erregung" bevorzugt, welche du anschließend - wie ich finde - einfallsreich beschrieben hast.


Den Hinweis am Ende, daß die Wissenschaft nun mal ihre Opfer fordere, halte ich für unglücklich. Effektreicher, da skrupelloser, könnte eine abschließende Bemerkung des Verantwortlichen an sein Instrument sein, etwa bezüglich des hohen Verbrauchs an Wachleuten in der letzten Zeit.


Ich hoffe, du bist nicht sauer, weil ich soviel herumgemäkelt habe.

Weiterhin viel Erfolg - und natürlich viel Spaß beim Schreiben!

Gruß,
visco
 

ap

Mitglied
Hi visco

Danke für deine enorm lange Kritik! Sowas ließt man immer gerne. :)

Zur Wendung: Hm, ich finde eigentlich schon, das ich hier die Ideallösung gefunden habe. Sie ist durchaus überraschend und ungewöhnlich, mit Sicherheit hätte das vorher niemand erahnen können, oder?
Zumindest wüßte ich keine bessere Wendung, alle anderen währen etwas banal, finde ich.

Bei den anderen Kritikpunkten muß ich dir jedoch recht geben. Ich weiß selber, das mein Satzbau nicht immer 100%ig ideal gemacht ist und meine Aussagen dadurch nicht immer so rüber kommen, wie ichs gedacht hätte. Aber ich arbeite daran, versprochen. ;-)

Grazias nochmal für deine Kritik, und nen schönen Tag noch,

Alex
 
S

stephy

Gast
kritik

Geh ich richtig in der Annahme, daß Du siehst, was Du schreibst? ;) Irgendwie kommt es mir so rüber...

Die Geschichte ansich ist wirklich nicht schlecht. Du hast allerdings etwas oft diese "!"-Zeichen benutzt, was Deine eigene Euphorie (?) beim Schreiben irgendwie zur Geltung gebracht hat... ;)
Du hättest die Sache mit dem Doktor etwas ausdappen können... Z.B. eine Einleitung wäre hier nicht schlecht gewesen; gleich am Anfang hättest Du von einem Gespräch zwischen Nathan (ich muß da immer an "Nathan der Weise" denken - völlig unbeabsichtigt! HÖHÖ :D) und dem Doktor erzählen können... Das wäre vielleicht besser gewesen, denn dann hätte man zum Schluß eher einen richtigen Schock verspürt. Die Einleitung wäre hierbei nämlich sehr wichtig geworden, was keiner hätte ahnen können... Oder so... *gg*

Ansonsten finde ich die Geschichte eigentlich ganz gut.

Griasle
stephy
 

ap

Mitglied
Hi Stephy

>Geh ich richtig in der Annahme, daß Du siehst, was Du schreibst? Irgendwie kommt es mir so rüber...

äähm, keine Ahnung. ;-) wie meinst du das?



>Die Geschichte ansich ist wirklich nicht schlecht. Du hast allerdings etwas oft diese "!"-Zeichen benutzt, was Deine eigene Euphorie (?) beim Schreiben irgendwie zur Geltung gebracht hat...

hehehehe, ;-) ja, war halt schon etwas begeistert von dieser wundervoll ekelhaften Story. :)


>Du hättest die Sache mit dem Doktor etwas ausdappen können... Z.B. eine Einleitung wäre hier nicht schlecht gewesen; gleich am Anfang hättest Du von einem Gespräch zwischen Nathan (ich muß da immer an "Nathan der Weise" denken - völlig unbeabsichtigt! HÖHÖ ) und dem Doktor erzählen können... Das wäre vielleicht besser gewesen, denn dann hätte man zum Schluß eher einen richtigen Schock verspürt. Die Einleitung wäre hierbei nämlich sehr wichtig geworden, was keiner hätte ahnen können... Oder so... *gg*

ok, klingt gar nicht mal schlecht :))


>Ansonsten finde ich die Geschichte eigentlich ganz gut.

Danke :)

Alex
 



 
Oben Unten