Hoffnungslosigkeit

Asbest

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Nach und nach
macht sich Hoffnungslosigkeit breit.
Man hofft und hofft,
Hofft schließlich auf Hoffnung.
Dann ein Hoffnungsschimmer.

Ich kann es nicht glauben,
Weil ich gern würde
fange ich an es zu glauben.

Hoffnungsvolle Blicke,
Umarmungen.
Schlaflose Nächte,
Hoffnung auf Küsse.

Dann trifft die Enttäuschung
Die Hoffnung wie ein Blitz
Und die Hoffnung zerbricht.

Nach der Hoffnung kommt
der Schmerz
die Stille
die Leere
Es dreht sich alles
Im Kreis

Nach und nach
macht sich Hoffnungslosigkeit breit.
 

sufnus

Mitglied
Hey Asbest!

Es gibt das Phänomen des therapeutischen Schreibens. Was aber hierbei die therapeutische Wirkung hervorruft, ist im Einzelfall wohl sehr unterschiedlich.

Es mag sein, dass der Schreibeprozess der Einsicht förderlich ist; dabei kann die wiederholte Lektüre dessen, was man aufgeschrieben hat, besonders nützlich sein. Es mag auch sein, dass ein therapeutischer Effekt von etwaigem Beifall ausgeht, den das Aufgeschriebene beim Publikum hervorruft - manch eine(r) wird über diesen Weg zur Schriftstellerei gefunden haben. Sodann kann über das Schreiben auch ein autosuggestiver Prozess gebahnt werden: Wenn man erst einmal liest, dass man sich gerade als ganz famose Person "beschrieben" hat, glaubt mans am Ende noch wirklich. Da ist fast ein bisschen Magie im Spiel. Aber der Schritt ins Zauberische wird erst bei der vierten Variante vollends vollzogen: Schreiben als Machtmittel. Das wissen schon die alten Märchen: Wer den richtige Namen findet, öffnet damit die Tür zum Schatzversteck oder besiegt den bösen Zauberer. Du bist das Rumpelstilzchen. Gelangen am Ende die richtigen Worte gar in die Schriftlichkeit, ergeben sich Lesezugänge, die in der bloß mündlichen Darbietung verschlossen sind. "Sator arepo tenet opera rotas" ist in mündlicher Rede ein lateinischer Satz, der nur bedingt Sinn ergibt (auch für römische Ohren), ungefähr etwas wie "Der Säher Arepo meistert die Mühen, die Räder" (häh?!) Zum Quadrat angeordnet und in allerlei festgelegten Lesehüpfern durchschritten, öffnen sich plötzliche ganz neue Bedeutungen: "Vater unser, Vater unser: Alpha Omega" oder "Ich flehe Vater, ich flehe Vater, Du heilst".
Schreiben ist von alters her also eine magische Handlung.

Aber so wie nutzbringende weiße Magie postuliert wird, gibt es auch den schädlichen Schatten: Das Geschriebene verfehlt den Erkenntniszugewinn, weil es eh nur die immer ausgetretenen Gedankenpfade reproduziert. Der Applaus des Publikums bleibt aus. Die Autosuggestion nimmt eine Wendung ins Bittere. Der Zauber findet nicht statt.

Ob sich nun bei diesem Text ein therapeutischer Effekt manifestiert, hängt offensichtlich nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie von der Leserschaft ab (wenn man vom Applausaspekt einmal absieht). Dennoch kann das Publikum auch bei der Frage nach Erkenntnissen, nach autosuggestiven Wirkungen und nach der Bannkraft verborgener Zusammenhänge einen sinnvollen Echoraum anbieten. Womit ich also jetzt umständlich, umständlich, den Weg zum Feedback beschritten habe. ;)

Nun... da gefällt mir vor allem der gestalterische Aspekt, dass Du die kreisenden Gedanken der Hoffnungslosigkeit durch die nochmalige Wiederholung der ersten beiden Zeilen am Ende des Gedichts abgebildet hast. Ich glaube tatsächlich, dass es für viele Aspekte des therapeutischen Schreibens wichtig ist, wenn die Autorin oder der Autor bei einem Text eine zumindest minimale gestaltende Kontrolle ausübt. Nicht, dass völlig spontane, ungeformte Texte nach Art einer écriture automatique nicht auch seelisch sehr wertvoll sind, sie sind es aber meiner Meinung nach eher im diagnostischen Sinn (auch als Mittel zur Selbstdiagnose) und nur bei äußerst günstigen Glückstreffern (oder sehr geübten Schreiber*innen) tatsächlich auch im therapeutischen Sinn. Was nun diesen Aspekt der Schreibkontrolle angeht, bin ich mir nicht sicher, ob Du die im Hauptteil (vor allem in Strophe 4 und Strophe 5) in ausreichendem Maße ausüben konntest, um dem Text eine heilsame Wirkung zu schenken. Mir scheint, dass hier eher die Stimme der Hoffnungslosigkeit Besitz vom Schreibprozess ergriffen hat. Vermutlich passiert das bei Gedichten sogar besonders leicht. In Deinen Prosatexten, die ich mir mit Interesse und Lesefreude angeschaut habe, scheinst Du mir stärker "das Sagen" zu haben und der Text "passiert" nicht ausschließlich, sondern wird, zumindest in Teilen und vielleicht auch nur vorbewusst, geformt. Gottfried Benn hat mal über Gedichte gesagt, dass diese sich "nicht ereignen" sondern "gemacht" werden. Er hat also auch die wichtige Kontrollfunktion der Autorin oder des Autors beim Schreibprozess betont. Die meisten Hobbyschreiber*innen werden das vielleicht anders sehen. Und auch ein Typ, der wohl nicht unter die Hobby-Kategorie fällt und der vor ein paar hundert Jahren in England z. B. ein paar Theaterstücke und ein paar Sonette verfasst hat, sprach vom "fine frenzy" (wie übersetzt man das?), der den Künstler befällt. Schwerlich ein kontrollierter Vorgang. Hab ich mich also zu später Stunde ein gutes Stück zu weit vorgewagt. Der Wein könnte Schuld gewesen sein. :)

LG!

S.

LG!

S.
 
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Johnson

Mitglied
Hey Asbest!

Es gibt das Phänomen des therapeutischen Schreibens. Was aber hierbei die therapeutische Wirkung hervorruft, ist im Einzelfall wohl sehr unterschiedlich.

Es mag sein, dass der Schreibeprozess der Einsicht förderlich ist; dabei kann die wiederholte Lektüre dessen, was man aufgeschrieben hat, besonders nützlich sein. Es mag auch sein, dass ein therapeutischer Effekt von etwaigem Beifall ausgeht, den das Aufgeschriebene beim Publikum hervorruft - manch eine(r) wird über diesen Weg zur Schriftstellerei gefunden haben. Sodann kann über das Schreiben auch ein autosuggestiver Prozess gebahnt werden: Wenn man erst einmal liest, dass man sich gerade als ganz famose Person "beschrieben" hat, glaubt mans am Ende noch wirklich. Da ist fast ein bisschen Magie im Spiel. Aber der Schritt ins Zauberische wird erst bei der vierten Variante vollends vollzogen: Schreiben als Machtmittel. Das wissen schon die alten Märchen: Wer den richtige Namen findet, öffnet damit die Tür zum Schatzversteck oder besiegt den bösen Zauberer. Du bist das Rumpelstilzchen. Gelangen am Ende die richtigen Worte gar in die Schriftlichkeit, ergeben sich Lesezugänge, die in der bloß mündlichen Darbietung verschlossen sind. "Sator arepo tenet opera rotas" ist in mündlicher Rede ein lateinischer Satz, der nur bedingt Sinn ergibt (auch für römische Ohren), ungefähr etwas wie "Der Säher Arepo meistert die Mühen, die Räder" (häh?!) Zum Quadrat angeordnet und in allerlei festgelegten Lesehüpfern durchschritten, öffnen sich plötzliche ganz neue Bedeutungen: "Vater unser, Vater unser: Alpha Omega" oder "Ich flehe Vater, ich flehe Vater, Du heilst".
Schreiben ist von alters her also eine magische Handlung.

Aber so wie nutzbringende weiße Magie postuliert wird, gibt es auch den schädlichen Schatten: Das Geschriebene verfehlt den Erkenntniszugewinn, weil es eh nur die immer ausgetretenen Gedankenpfade reproduziert. Der Applaus des Publikums bleibt aus. Die Autosuggestion nimmt eine Wendung ins Bittere. Der Zauber findet nicht statt.

Ob sich nun bei diesem Text ein therapeutischer Effekt manifestiert, hängt offensichtlich nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie von der Leserschaft ab (wenn man vom Applausaspekt einmal absieht). Dennoch kann das Publikum auch bei der Frage nach Erkenntnissen, nach autosuggestiven Wirkungen und nach der Bannkraft verborgener Zusammenhänge einen sinnvollen Echoraum anbieten. Womit ich also jetzt umständlich, umständlich, den Weg zum Feedback beschritten habe. ;)

Nun... da gefällt mir vor allem der gestalterische Aspekt, dass Du die kreisenden Gedanken der Hoffnungslosigkeit durch die nochmalige Wiederholung der ersten beiden Zeilen am Ende des Gedichts abgebildet hast. Ich glaube tatsächlich, dass es für viele Aspekte des therapeutischen Schreibens wichtig ist, wenn die Autorin oder der Autor bei einem Text eine zumindest minimale gestaltende Kontrolle ausübt. Nicht, dass völlig spontane, ungeformte Texte nach Art einer écriture automatique nicht auch seelisch sehr wertvoll sind, sie sind es aber meiner Meinung nach eher im diagnostischen Sinn (auch als Mittel zur Selbstdiagnose) und nur bei äußerst günstigen Glückstreffern (oder sehr geübten Schreiber*innen) tatsächlich auch im therapeutischen Sinn. Was nun diesen Aspekt der Schreibkontrolle angeht, bin ich mir nicht sicher, ob Du die im Hauptteil (vor allem in Strophe 4 und Strophe 5) in ausreichendem Maße ausüben konntest, um dem Text eine heilsame Wirkung zu schenken. Mir scheint, dass hier eher die Stimme der Hoffnungslosigkeit Besitz vom Schreibprozess ergriffen hat. Vermutlich passiert das bei Gedichten sogar besonders leicht. In Deinen Prosatexten, die ich mir mit Interesse und Lesefreude angeschaut habe, scheinst Du mir stärker "das Sagen" zu haben und der Text "passiert" nicht ausschließlich, sondern wird, zumindest in Teilen und vielleicht auch nur vorbewusst, geformt. Gottfried Benn hat mal über Gedichte gesagt, dass diese sich "nicht ereignen" sondern "gemacht" werden. Er hat also auch die wichtige Kontrollfunktion der Autorin oder des Autors beim Schreibprozess betont. Die meisten Hobbyschreiber*innen werden das vielleicht anders sehen. Und auch ein Typ, der wohl nicht unter die Hobby-Kategorie fällt und der vor ein paar hundert Jahren in England z. B. ein paar Theaterstücke und ein paar Sonette verfasst hat, sprach vom "fine frenzy" (wie übersetzt man das?), der den Künstler befällt. Schwerlich ein kontrollierter Vorgang. Hab ich mich also zu später Stunde ein gutes Stück zu weit vorgewagt. Der Wein könnte Schuld gewesen sein. :)

LG!

S.

LG!

S.
Geht es dir gut?
 

Asbest

Mitglied
Falls du mich meintest, wegen dem eher depressiven Charakter meines Gedichts... Na ja, so gehts dahin. Ich lebe, und ich hab nicht vor, das zu ändern, so schlimm stehts nicht um mich.
Wenn ich schreibe geht es mir danach besser. Und ich hab auch schon schlimmere Phasen erlebt, langsam wird es eh zur Routine, enttäuscht zu werden, solang nicht nochmal nachgetreten wird macht mir das normalerweise nur kurz was.

Was die Rezension betrifft... Na ja. Mir ist nicht danach, das ganze ins positive zu wenden. Warum auch? Bestenfalls wärs Eskapismus, ich könnte mir meinen alter ego kreieren und ihm literarisch alles geben, was mir fehlt, oder auch noch mehr. Das würde mir aber nicht helfen, mich im realen Leben besser zu fühlen, im Gegenteil, ich würd mich immer mehr in eine Scheinwelt flüchten.
Abgesehen davon, ich bin kein großer Freund von tragischen Gedichten und Kurzgeschichten, die dann doch ein glückliches Ende nehmen. Vielleicht hat das auch persönliche Gründe, aber für mich wirkt das dann entweder erzwungen oder kindlich-naiv. Oder das ganze wird zu einer Schnulze degradiert, das gute Ende entwertet die Ernsthaftigkeit der vorhergegangenen Handlung.
Vielleicht hab ich mich auch zu sehr von Dürrenmatt und seinen Vorstellungen vom schlimmstmöglichen Ende beeinflussen lassen, und von Thomas Bernhard und seinen pessimistischen Ergüssen.
 

sufnus

Mitglied
Falls du mich meintest, wegen dem eher depressiven Charakter meines Gedichts...
Da Johnson nur meine Ausführlichkeiten bei der besorgten Rückfrage zitiert hat und nicht etwa dich, wird er wohl seine wohlmeinende Anteilnahme ausgedrückt sehen haben wollen (ich mag Hilfsverbenreihungen), ob womöglich ein Schlaganfall mein Wernicke-Sprachzentrum ruiniert haben könnte. Er macht sich halt immer schnell sorgen, der Gute. :)

Was Deine Anmerkungen zur Eskapismus- und Kitschgefahr beim "positive writing" (als Analogie zu positive thinking) angeht, kann ich Dir sehr gut folgen. :)

LG!

S.
 



 
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