Hutschis Epistel an Serge, aber hauptsächlich an Pegasus, das Pferd mit den Flügeln

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hutschis Epistel an Serge,
aber hauptsächlich an Pegasus,
das Pferd mit den Flügeln

Schwing in den Sattel, Dichter, dich und geh
und reite vorwärts, finde raus den Dreh
und schreibe dicht and dicht an dicht dein Stück,
dir fehlt’s an Witz nicht, Einfall oder Glück,
die Zeit zu kitzeln mit der Tastatur,
sie lebt, sie hüpft inmitten grüner Flur
und lässt die Wurzeln sprießen, dass der Spross
zum Himmel reicht, bis in das Wolkenschloss,
in das verwirrte Schäfchenwolken fliehn
und Wolkenschafe fröhlich bläkend ziehn.
10
Wenn du genug hast, halte alles an,
die Zeit steht still, du stehst in ihrem Bann
und schlägst die nächsten Lettern auf das Bild,
recht weise lächelst du dabei und wild,
denn drehst du dich, betrachtest du im Nuh
die bunte Seite dieser Bühne, du
erkennst, was ich dir sagen will, und machst
den Unterschied, indem du fröhlich lachst,
denn Lachen ist der Gegensatz zu Frost
und Schreiben ist das Gegenteil von Rost.
20
In Furcht, die weißen Seiten blieben leer,
komm ich gerannt und möchte immer mehr
aus den Gedanken trinken ohne einen Halm,
am Feuer sitzen, gänzlich ohne Qualm,
den Drang verspüren, den dein Text mir füllt,
weil doch das Rohrpostrohr den Text verhüllt.
Der Tod ist fern, Komödie wird gespielt,
Tragödie wird’s, wenn keiner danach zielt,
und doch der Schuss nach hinten vorwärts geht
und man vor einem Trümmerhaufen steht.
30
Ich sage nicht, dass ich erfolgreich sei,
der Glorienschein ist oftmals Spielerei,
die Zeit ist lang, vergangene Zeit ist kurz,
nicht, dass ich’s weiß, ist mir auch ziemlich schnurz,
solange Dichtung uns vereint und die Idee,
dass er einst taut, sei er auch noch so heiß, der Schnee,
dass im April, im Mai die Hölle friert
und der Gehörnte in den Himmel stiert.
Die Sprache ist geworden, wie sie ist,
und mein Gedicht ist einfach eine List.
40
 
der Erfolg, der gelungene

Oh bernd, das is wunderbar. Lieben dank.
weißt du, als ich den Titel, bloß erstmal den sah, entrang sich meiner Räucherkehle ein Laut der im gesprochenen Englisch, aber nätürlich im geschriebenen Zustand so aussieht:

"Awwwwwwwwwwwww!!" verfolgt von einem verzückten Grins.

den laut gibt es bei uns nicht, er ist aber ein sehr sehr feiner, sowohl für den lautenden als auch für den dem da geläut getan wird. (Ist so :) )*


Dein Epistelchen fein ist natürlich zu komplex um hier ein umfassendes Blabla meinerseits zum
ausdruck etc zu bringen.

Jetzt nur das :

recht weise lächelst du dabei und wild,
meine spontanreaktion: Mei, wie ers wieda weiß!

und das hier ist erzeugt warmherzlichkeit bei serge :

ist mir auch ziemlich schnurz,
solange Dichtung uns vereint
so wars gemeint!

dein herzlichster

Serge Gurkski


--------------
*natürlich nur, wenn er so gemeint ist wie ich ihn meine. es gibt ihn auch ironisch. aber das hier ist der wohltuende.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Zwischen den Zeilen:
Irgendwo blickt auch John Dryden und lächelt. http://www.online-literature.com/dryden/poetical-works-vol2/11/

Erweiterung der Komplexität durch Einbringung veralteter Zeilennummern.

Alliterationen klopfen sachte an, nicht völlig korrekt.

Verringerung der Komplexität

Fredmann schrieb eine Epistel an diese und jene, aber hauptsächlich an Ulla Winblad. (In Wahrheit hieß der Dichter Bellmann, er schrieb über einen Dichter, der Episteln schrieb.)

Es war meine erste Begegnung mit Episteln, in den 1970ern. Sogar vertont, Manfred Krug sang es damals.
 
Jaja Hutsch jetz lenk nur ab ;-)

sowas! Mir fällt grad auf dass hier eine im titel nämlich
nachträgliche voranstellung des Pegasus , vor den serge, nämlich vorgenommen wurde und wahrscheinlich mit absicht.

Das war selbstverständlich zu erwarten. ;-)

ich muss aber doch darauf bestehen, dass hier eine Nachverhandlung (post-negation) einberufen wird:

Kontrahenten:

das Pegasus, gern in Begleitung einer fröhlich vor sich hingaloppierender Schar Eierschecken (aus richtung radebeul natürlich)

Gegenkontrahent:

Gurkski, Sersche gern in Begleitung von dem einen (Bier nämlich) oder andren, oder beiden vonmirausauch.

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blitzernster Nachwurf:

Bernd: auf den dryden etc.

geh ich später ein.

Die Form ist spannend. Kannte nur die paulinischen bislang.


herzlich
serge
 
nicht völlig korrekt.

das ist mir de Hauptsache.
Perfektion gibt es im Leben nicht und wenn - das ist meine Mission - Literatur Leben abbilden soll, dann lügt sie, wenn sie gaukelt, nämlich vor.

das Konzept fand ich im Japanischen:
wabi-sabi.

Ich finde es sehr schön und zwar weil es menschelt.
Für mich ist jede Ästhetik die oben drauf noch ein bisserl Herz legt immer besser als die kalten maschinenhaften (hier übrigens wieder mit Heidegger d'accord (die Kehre).


herzlich

serge
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die hintenanstellende Voranstellung war erforderlich, weil sie einen gewissen Schutz bietet, denn Pegasus ist eitel und hat Hufe.
Serge aber sieht deutlich den Zweck, wodurch die hintenanstellung eine Hintenanstellung der Hintenanstellung bildet und sich aufhebt.

Eigentlich wollte ich das Dryden-Werk übersetzen, aber ich fand es spannender, die Form zu verwenden und an Serge zu schreiben.
So ist aus der Verbindung der Jahrhunderte Neues entstanden.
Aber ohne den Bellmann hätte ich es wohl nicht geschrieben.
Pegasus aber reitet in die Gedankenwelt und überlässt Serge den Rum - äh Ruhm.
Dieser Kommentar ist aber nun hinwiederum ein Text, der sich hinter den anderen verbirgt.
Wabi-Sabi kenne ich noch nicht.

Nichts ist, wie es scheint. Nichts scheint, wie es ist. Wo aber ist die Scheinbar?

---

Koste Kniekeulchen.

Trage Meißner Fummel. (... dürfen nicht brechen)
 
ich möchte dir, bernd, wenn du erlaubst, einfach ein paar Beispiele für wabi-sabi zeigen:
weil ich glaube, es wirkt spontan besser (intensiver).
es sind fotos, landschaftsfotos und ich (als Europäer ) halte das for den unmittelbarsten Zugang zu dieser aesthetik (ist natürlich zen-gespeist etc aber siehst du : schon trudeln wieder weg. ;-)

also ich mail dir frech wie ich bin oafoch (schönes bayerisches wort) was.;-)


wichtig ist; sag mir NICHT deine Meinung dazu. Ist höheres wabisabbel.


Bernd, diese Epistel hat ihren adressaten erreicht.

und nachdem der rum noch reicht. du weißt schon.

Übrigens: deine Eierschecken stehen kurz davor eine internationale Krise ausgelöst zu haben. Aber das kleine Lachkasterl heb i mia für später auf .
also gut: Ein Keyword vorab:

simultandolm


(als Phänomen, aber diesmal -keine Bange - in dynamischer Narration erfasst.)


in diesem sinne

serge


verdammt, schon wiedr:
mein beitrag enthält überwiegend


mei o mei


was moch i wonn der beitrag
konstruktive texassoziationen ent-hält
 
s'psapferl

die Psappho, s'gdichtla kumt boid.

was ich noch nicht rausgefunden habe ist:
Sappho auf ihrem inselchen konnt aufs festland sehen und zwar auf die lydische küste und hat auch eins ihrer schönsten liebeleien einer lyderin gewidmet.
nun gibt es zwar allerhand von gusmani zum lydischen (ein junges altanatolisch) aber wenn ich doch bloß ein einziges wort fände, in sapphos sprache, das sie sich ausgeborgt hätte aus der sprache ihrer geliebten!

alles ist zerstört
fast von ihr weil
leute wie lactanz
und schlimre als er,
erst die schein.
bare quintessenz
hellenischer wort.
wunderbarkeiten
zum mißzweck
apologetischer
second hand
sophisterei
ausgesaugt und
dann despektierlichst
verbrannt haben.

das vierte jahr hundert,
lest libanios, nicht mich
aber lest ihn.
war eins der gräßlichsten
für die menschliche seele.

schauts leit, wer wird's verstehn?

die Kirchenhistoriker
oder Slang-wise
(h)oi ecclesio-logoi
vernichte
...
wer eusebios aus caesarea
zum papa hat, der
...
ach ich will nicht mehr
zorning sein : was war das war.

weil ihr schönes vernichtet habt,
darum, darum bin ich traurig,
darum trau're ich

wie kann man sowas
kostbares wie:
/sappho/
déduke men a Selánna
kai pléijádes, mésai de
núktes páraderkhétora
égode móna katévdo.
wie kann man solche
schönheit nur zerstörn?

bloß weil eine traumstimme
liebestaumelnd
die Göttin des Mondes
anfleht?


serge

und jetzt, care amice. it his hight time
to listen to the polt-man
doing the ratzinger good.
(wobei der Karle, da beneedetto
wiad d christen eam nenna,
der weiß
weil er nicht blöd ist
genau
was ich meine.

Däts de drama
(hätt da Polt Gerhoard gsögt)-

a hoibe und an Polt

happy tidings
my sweet know-somethings.

(macht schon alles sinn. wissen hilft, aber spüren reicht.)


ach gott .
 
macht schon sinn (erläuterung)

kompromiert hat herr gurkski gesagt:

es tut ihm weh, das so vieles, was von sapphos dichtung einmal da war, von Eiferern der jungen Kirche (der christlichen) zerstampft wurde.

Natürlich warn des harte zeiten.
Ich finde es nur schade.

Nun?

woher würdest du, serge, denn wissen gewollt haben, dass es da meher gab,von der ... die du so goutierst?

sag ich euch:

dort wo die Schnitzrl, die Fragmente herkommen, nämlich aus den mehr-oder-weniger überlieferten alexandrinischen Grammatikern, dort gibt es referenzen zu sapphischer lyrik. wer nachdenkt macht sinn.

dazu muss man nicht sapphisch können. ein krudes koine greek,
wie's jeder sagen wir drittsemestertheolog schon drauf haben sollte, reicht völlig, um zu sehen, wie mal wieder
ein singendes Herz fürallezeit kaputtgehasst wurde.


whatever
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Drin steckt die Seele des Dichters. So schlüpfte Pegasus hinein und wurde eins mit ihm, ohne die anderen Ichs zu verdrängen. Und die Hintanstellung löste sich auf.

Die Werke gefallen mir sehr. Es ist eine ungewöhnliche Poetik.
Musik: Meine Mutter hatr zum Geburtstag meiner Frau Handharmonika gespielt. Kam sehr gut an. Lyrik war einst zur Lyra, der Charakter der Musik steckt auch heute noch teilweise drin.

Psappho/Sappho hat sicher gesungen oder es war Sprechgesang.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Alles Neue zerstampft das Alte. Wir ehren die Großväter, nicht die Väter. Das stimmt nicht. Nicht immer nicht.
Die Architektur der vorherigen Gesellschaft wird zerstört, die Reste werden hunderte Jahre später verehrt ...
 
auch episteln

der Hinweis auf Libanios ist ein Hinweis auf Gore Vidals Roman über den römischen Kaiser Julian "Apostata" (der abtrünnige).
Der Roman beginnt mit Episteln...

The story of the novel begins in March of CE 380, nearly 20 years after the death of Julian. It starts as the text of a series of letters between Libanius and Priscus of Epirus, two confidants of Julian. In their various letters they discuss their lives and in particular the recent events involving an imperial edict of Theodosius involving the Nicene Creed of Christianity
aus dem englischen wikipedia entry zum Roman: http://en.wikipedia.org/wiki/Julian_(historical_novel)


(einer meiner Lieblingsromane)

mhg

serge
 



 
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