Idylle

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klausKuckuck

Mitglied
Idylle
(auf einen 4/4-Takt zu rappen)
Es war einmal ein Mensch, der war zufrieden,
Der hatte einen Zaun und einen Hund,
Ihm war der hominide Gang beschieden,
Und zur Beschwerde sah er keinen Grund.
Er hatte außerdem ein Gegenüber,
Das ihm den Zweifel von der Seele nahm,
Er litt an gar nichts – nur am Lampenfieber,
Wenn ihm die Zukunft in die Quere kam.
Zum Beispiel fing sein Nachbar an zu fliegen,
Der Mensch sahs durch den Fensterladenspalt,
Und tags darauf ist er aufs Dach gestiegen,
Und in Gedanken flog er Richtung Wald,
Es hat der Mensch die Arme ausgebreitet,
Und nur der Absprung hätte noch gefehlt,
Der Brustkorb war ihm heldenhaft geweitet,
Der Mensch hat froh bis hundertelf gezählt
Und stieg bei hundertzwölf vom Dach herunter,
Er ging zu Bett und träumte von dem Flug,
Der ihn als Schwalbe aus Papier dann unter
Den Sternen hin zum Kinderspielplatz trug.
Dort ist er lautlos übern Sand geglitten,
Verfing sich jäh in einem Purzelbaum,
Und eine Besenhexe kam geritten –
Dann war er aber aus, der schöne Traum.
Der Mensch ist wieder hoch aufs Dach geklettert,
Und nunmehr hob er wirklich ab und flog,
Ist rein in einen Schweinestall gebrettert,
Als ihn der Wind auf Nachbars Grundstück zog.
Die Zukunft, sprach der Mensch, liegt nicht im Fliegen,
Des Bürgers Zukunft liegt im Flugverbot!
Dann ist er einmal noch aufs Dach gestiegen,
Man sah ihn fliegend um den Kirchturm biegen,
Er wollte einen Überflieger kriegen …
(und falls er abgestürzt ist – ist er tot).
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

Mitglied
Vergleichbar:
Seifenkistenfahrt in der Kindheit. Hui!
Auch wenn's letztlich gekracht hat -
Freudeluft!

LG
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @klausKuckuck ,
ich glaube, wir werden erst genug kriegen, erst genug hoch fliegen, wenn man uns verboten hat, im Schweinestall glücklich zu sein.
Ich bin für Zäune, Hunde und Katzen:)

Übrigens: was für ein großartiges Gedicht!!
Da bleib ich gerne.

Lieben Gruß ubertas
 

sufnus

Mitglied
Hey KK!
Es ist wirklich ein großartiges Gedicht.
Ich würds zwar dennoch etwas kürzen, weil es in der jetzigen, ungekürzten Form an der poetischsten Stelle NICHT auffhört, sondern durch sein Gedankfortspinnen zwar an Glanz gewinnt, doch an Schönheit einbüßt - aber! aberaber!!!: Das bin dann halt ich und der Kuckuck soll ja gefälligst (Steigerung von: gefällig) singen wie der Kuckuck singt. :)
Dennoch als Vergleichsfolie und mit zwei nebenbefundlichen unterstrichelten Zusatzvariationsspielereien:


Es war einmal ein Mensch, der war zufrieden,
Der hatte einen Zaun und einen Hund,
Ihm war der hominide Gang beschieden,
Und zur Beschwerde sah er keinen Grund.

Er hatte außerdem ein Gegenüber,
Das ihm den Zweifel von der Seele nahm,
Er litt an gar nichts – nur am Lampenfieber,
Wenn ihm die Zukunft in die Quere kam.

Zum Beispiel fing sein Nachbar an zu fliegen,
Der Mensch sahs durch den Fensterladenspalt,
Und ist sich deshalb selbst aufs Dach gestiegen,
Und in Gedanken flog er Richtung Wald,

Es hat der Mensch die Arme ausgebreitet,
Und nur der Absprung hätte noch gefehlt,
Der Brustkorb war ihm heldenhaft geweitet,
So hat er froh bis hundertelf gezählt

Und stieg bei hundertzwölf vom Dach herunter,
Er ging zu Bett und träumte von dem Flug,
Der ihn als Schwalbe aus Papier dann unter
Den Sternen hin zum Kinderspielplatz trug.

LG!

S.

PS: Die Sterne gelten aber ausdrücklich der Originalfassung! :)
 

klausKuckuck

Mitglied
Als umfassend gebildeter Kunstfreund, lieber sufnus, kennst du dich gut in der Malerei aus, und du erinnerst dich an das Cezanne-Gemälde «Der Knabe mit der roten Weste», das auch den Titel haben könnte: «Der Junge mit dem langen Arm». Vor diesem Bild stehen Picasso und ein weniger bekannter Kunstfreund und eben dieser mäkelt: «Der Arm des Jungen ist im Größenverhältnis viel zu lang!» Worauf Picasso erwidert: «Der Arm ist so wunderbar gemalt, der kann gar nicht lang genug sein!» ;)

Herzlichst
KK.
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Picasso hatte da in Gestalt von Liebermann natürlich völlig recht, aber nicht alle armreichen Reicharme gereichen zum Umarmen. :cool:
LG!
S.
 



 
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