Im Ruheforst

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rubber sole

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Ein ruhiger Nachmittag im Spätherbst. Die Sonne scheint durch die Baumkronen. Sanfter Wind spielt mit dem Laub. Herbstlich gefärbt. Ich genieße die friedliche Stimmung. Löse mich vom Alltagsstress. Brauche Abstand. Für kurze Zeit. Das Ende des Waldwegs geht über in einen Ruheforst. Dort eine Begegnung. Unerwartet. Ich sehe eine Frau am Gedenkplatz. Die Haltung verrät Trauer. Schmerz. Ich gehe auf sie zu. Spontan. Verhaltenen Schritts. Mit dem Wunsch, ihr die Einsamkeit nehmen zu wollen. Als Fremder. Falls sie es mag. Ich stelle mich vor. Zurückhaltend. Und beginne ein Gespräch. Sie zögert. Dann beginnt sie zu erzählen. Von ihrem Mann. Kürzlich verstorben. Von ihrem Schmerz. Von tiefer Verbundenheit. Gemeinsame Erinnerungen. Von geplatzten Träumen. Hier im Ruheforst lebt sie es aus. Trauer und Verlust. Ich höre zu. Unterbreche sie nicht. Spüre den Kummer. Nun der Versuch, Trost zu spenden. Erst zögerlich. Ich erzähle von meinen Erfahrungen. Von eigenen Verlusten. Liegen länger zurück. Die Eindrücke hallen nach. Sporadisch. Wir teilen unsere Geschichten. Finden Gemeinsamkeiten. Vertrautheit entsteht.

Wir begegnen uns wieder. Im Ruheforst. Zufällig zunächst. Später regelmäßig. Tauschen uns aus. Wir können uns gegenseitig zuhören. Teilen uns mit. Auch jenseits von Trauer. Eine unerwartete Freundschaft entsteht. Aus einem zufälligen Treffen.

Der Ruheforst bleibt ein besonderer Ort. Für uns beide. Er hat einen Teil unseres Lebens verändert. In einem wichtigen Bereich. Ein einfacher Spaziergang. Ein unerwartetes Treffen. Führte zu Trost. Milderte das Gefühl von Trauer. Wir erinnern uns. An den Beginn. An intensives Reden. Über Menschen, die zuhören. Die bereit sind beizustehen. Man muss zugänglich sein. Aufeinander zugehen. Sich anvertrauen.
 

petrasmiles

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Hallo @rubber sole,

sehr mutig, dieser Mann - dieser Mensch.
Er muss die richtigen Worte gefunden haben.
Ich würde es mich - glaube ich - nicht trauen, oder muss man das Gefühl erst haben, vielleicht Beistand leisten zu können? Vielleicht ist es so, so lange man sich nicht 'traut', ist man noch zu sehr bei sich, und hat auch nichts zu geben - und geht besser weiter.
Du hast mich sehr nachdenklich gemacht.

Liebe Grüße
Petra
 

rubber sole

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Hallo
ubertas,

deine gefühlvollen, wertschätzenden Worte zu meiner Geschichte habe ich gerne gelesen. Herzlichen Dank dafür – auch für deine Bewertung.

Gruß von rubber sole
 

rubber sole

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@Petra smiles:

Hallo Petra,

es ist schwierig, einem fremden Menschen in einer erkennbaren prekären Gefühlslage nahe zu treten. Ein diskretes Darüberhinwegsehen ist einfacher. Ob man eine solche Schwelle übertreten will, ist jedem unbenommen. Das Ärgste, das einem dabei geschehen kann, ist abgewiesen zu werden – im günstigen Fall hilft man jemand in einer schwierigen emotionalen Lage. Erfahrungsgemäß wird eine 'dezente' Annäherung positiv aufgefasst.

Gruß von rubber sole
 

rubber sole

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@minimalist:

...so wie ich deinen Kommentar sehr gerne gelesen habe, danke. Ja, über ein solches Thema zu schreiben, ist nicht leicht, man kann da in der Tat abgleiten. Es freut mich, dass meine Gedanken eingänglich rübergekommen sind.

Gruß von ruber sole
 



 
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