Immer wieder Violetta
Über Daniel Hausmann gab es nur zwei Dinge zu sagen: Er war Fotograph und er sah verdammt gut aus. Er sah so gut aus, dass sich Frauen nach ihm umdrehten und so manche in ihm einen Filmstar erkannten. Diese Eigenschaft war ihm durchaus bewusst und verhalf ihm zu der Fähigkeit, ohne jeglichen Aufwand Kontakte zu knüpfen.
In einem Seitentrakt der Mensa suchte er ein Gespräch mit einer etwa 25Jahrigen, die ohne Begleitung an einem Tisch saß und in einer Pasta stocherte. Er hatte sie schon tagelang beobachtet, sogar Fotos aus der Distanz geschossen und war nun bereit, sie anzusprechen. Mit einer Tasse Tee in der Hand näherte er sich ihrem Tisch und tat so, als wolle er daran vorbeigehen. Plötzlich blieb er stehen.
„Corinnaaaa?“, stieß er erstaunt aus. „Was machst du denn hier?“
Normalerweise hätte eine so angesprochene Frau sofort auf Abwehr geschaltet und sich eine solche Anmache verbeten. Aber Daniel lächelte sie mit seinem Modelgesicht an, ließ seine schneeweißen Zähne aus dem 3-Tage-Bart hervorblitzen und sah sie aus flehenden Augen an.
„Du musst dich täuschen, ich bin nicht deine Corinna“, wehrte sie ihn zum Schein ab, und gleich darauf machte sie deutlich, dass sie an einem Gespräch durchaus interessiert war. „Ist das wohl deine Freundin?“
„Nein, darf ich?“ Er setzte sich, ohne eine Antwort abzuwarten. „Sie ist meine Schwester und studiert in Reutlingen.“
„Und was soll sie hier in Freiburg machen?“
„Sie ist ein Wirbelwind, macht mal dies, mal das und reist gern.“
„Aha!“
Er kramte in seiner Westentasche und holte seine Brieftasche hervor. „Da, schau, das ist sie.“ Er legte ein Foto auf den Tisch.
„Das ist ja der Wahnsinn!“, staunte sie. „Die sieht mir wirklich sehr ähnlich. Ihre Haare sind zwar brünett und ihr Augen-Make-up intensiver als meins, aber ansonsten könnte ich es sein. Was ist das für ein Gebäude im Hintergrund?“
„Das ist die Royal Albert Hall. Wir haben mal zusammen eine Städtetour gemacht.“
Sie schauten sich in die Augen, lächelten und schwiegen einen Moment. Ein Funken war dabei überzuspringen, sie wussten nur noch nicht genau, was er einleitete.
„Hab dich hier noch nie gesehen, welches Fach studierst du?“, wollte sie wissen.
„Fotographie.“
„Aber dafür gibt es doch gar keinen Lehrstuhl.“
„Uni Hamburg. Ich bin schon fertig. Hab hier einen Auftrag abgewickelt, deswegen bin ich auf dem Campus. Und was studierst du?“
„Psychologie. Bin kurz vor dem Examen. In zwei Monaten geht es los.“
Nach fast zwei Stunden vereinbarten sie, sich wiederzusehen. Sie wollen sich gleich am folgenden Tag treffen. Leonie war überzeugt, dass er durchaus für eine feste Beziehung geeignet war.
Ihr Spaziergang führte sie an einen See am Stadtrand. „Das mit dem Tod deiner Frau tut mir sehr leid, David. Ich hoffe, ich kann dir ein bisschen helfen, darüber hinwegzukommen.“
„Das tust du von dem Moment an, als wir uns kennenlernten. Und dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Er schaute sie liebevoll an. „Ach Leonie, ich bin wirklich glücklich, dass wir uns begegnet sind.“ Er nahm sie bei der Hand, trat ans Ufer des Sees und sah zu den von Büschen überwachsenen Felsen am gegenüberliegenden Ufer. „Lass uns noch ein Stück gehen.“
„Ich liebe dich, David“, hauchte sie ihm zu. Sie stellte sich vor ihn, umarmte ihn, legte ihre Hände auf seinen Rücken und drückte sich an ihn. Dann küssten sie sich.
Nach einer halben Stunden hatten sie das gegenüberliegende Ufer erreicht. Sie setzten sich auf zwei riesige Steine, die in den See ragten, und nach wenigen Sekunden lagen sie sich in den Armen. Schweigend, nur in ihre Gefühle vertieft.
„Was du dir da geleistet hast, wird nie wieder passieren. Und halt den Mund; du kannst das nicht kleinreden“, polterte er plötzlich mit drohender Stimme.
„Hey, was ist los, David, mach mal langsam? Was wirfst du mir denn vor? Und dein Ton! Hab ich was falsch gemacht?“
„Niemand darf es wagen, mich zu betrügen. Und wer es trotzdem tut, wird gnadenlos bestraft. Das solltest du schon längst begriffen haben, Violetta!“
„David!! Was soll denn das jetzt? Ich bin nicht Violetta, und ich möchte auch nicht mit ihr verglichen werden.“
„Du widersprichst mir!?“
„Was soll ich denn gemacht haben?“ Sie schaute ihn entgeistert an. „Du bist doch irre, David!“
„Fremdgehen ist das Schlimmste, was einem Partner angetan werden kann. Wie konntest du das nur tun? Und auch noch in der Öffentlichkeit? Du hast mich bloßgestellt, ja, blamiert hast du mich, Violetta. Ich steh da wie der Gehörnte …“
„Hör auf damit, David. Du spinnst doch! Ich gehe jetzt.“ Sie wollte aufstehen, aber David war schneller.
Mit seiner Linken ergriff er ihren Arm, und ehe sie sich befreien konnte, hatte er mit seiner Rechten ihren Hals erreicht. Seine Finger schlossen sich wie ein Schraubstock, drückten auf ihre Schlagader, Gurgel und Luftröhre. Dabei stieß er ihren Körper nach unten, tauchte schließlich ihren Kopf unter Wasser, und während er in ihre aufgerissenen Augen starrte, fauchte er sie an: „Du glaubst gar nicht, wieviel Spaß es mir macht, dich zu ersäufen. Ja, beim Verrecken will ich dir zuschauen. Stirb langsam, Violetta, schön langsam!“
*
Vier Wochen später beobachtete und fotographierte David eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die jeden Tag um 18.10 Uhr den Juwelierladen in der Lessingstraße verließ, in dem sie arbeitete. Nach wenigen Tagen sprach er sie auf der Straße an. „Hallo Corinna … was machst du denn hier? Oh, verzeihen Sie, ich …“
Über Daniel Hausmann gab es nur zwei Dinge zu sagen: Er war Fotograph und er sah verdammt gut aus. Er sah so gut aus, dass sich Frauen nach ihm umdrehten und so manche in ihm einen Filmstar erkannten. Diese Eigenschaft war ihm durchaus bewusst und verhalf ihm zu der Fähigkeit, ohne jeglichen Aufwand Kontakte zu knüpfen.
In einem Seitentrakt der Mensa suchte er ein Gespräch mit einer etwa 25Jahrigen, die ohne Begleitung an einem Tisch saß und in einer Pasta stocherte. Er hatte sie schon tagelang beobachtet, sogar Fotos aus der Distanz geschossen und war nun bereit, sie anzusprechen. Mit einer Tasse Tee in der Hand näherte er sich ihrem Tisch und tat so, als wolle er daran vorbeigehen. Plötzlich blieb er stehen.
„Corinnaaaa?“, stieß er erstaunt aus. „Was machst du denn hier?“
Normalerweise hätte eine so angesprochene Frau sofort auf Abwehr geschaltet und sich eine solche Anmache verbeten. Aber Daniel lächelte sie mit seinem Modelgesicht an, ließ seine schneeweißen Zähne aus dem 3-Tage-Bart hervorblitzen und sah sie aus flehenden Augen an.
„Du musst dich täuschen, ich bin nicht deine Corinna“, wehrte sie ihn zum Schein ab, und gleich darauf machte sie deutlich, dass sie an einem Gespräch durchaus interessiert war. „Ist das wohl deine Freundin?“
„Nein, darf ich?“ Er setzte sich, ohne eine Antwort abzuwarten. „Sie ist meine Schwester und studiert in Reutlingen.“
„Und was soll sie hier in Freiburg machen?“
„Sie ist ein Wirbelwind, macht mal dies, mal das und reist gern.“
„Aha!“
Er kramte in seiner Westentasche und holte seine Brieftasche hervor. „Da, schau, das ist sie.“ Er legte ein Foto auf den Tisch.
„Das ist ja der Wahnsinn!“, staunte sie. „Die sieht mir wirklich sehr ähnlich. Ihre Haare sind zwar brünett und ihr Augen-Make-up intensiver als meins, aber ansonsten könnte ich es sein. Was ist das für ein Gebäude im Hintergrund?“
„Das ist die Royal Albert Hall. Wir haben mal zusammen eine Städtetour gemacht.“
Sie schauten sich in die Augen, lächelten und schwiegen einen Moment. Ein Funken war dabei überzuspringen, sie wussten nur noch nicht genau, was er einleitete.
„Hab dich hier noch nie gesehen, welches Fach studierst du?“, wollte sie wissen.
„Fotographie.“
„Aber dafür gibt es doch gar keinen Lehrstuhl.“
„Uni Hamburg. Ich bin schon fertig. Hab hier einen Auftrag abgewickelt, deswegen bin ich auf dem Campus. Und was studierst du?“
„Psychologie. Bin kurz vor dem Examen. In zwei Monaten geht es los.“
Nach fast zwei Stunden vereinbarten sie, sich wiederzusehen. Sie wollen sich gleich am folgenden Tag treffen. Leonie war überzeugt, dass er durchaus für eine feste Beziehung geeignet war.
Ihr Spaziergang führte sie an einen See am Stadtrand. „Das mit dem Tod deiner Frau tut mir sehr leid, David. Ich hoffe, ich kann dir ein bisschen helfen, darüber hinwegzukommen.“
„Das tust du von dem Moment an, als wir uns kennenlernten. Und dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Er schaute sie liebevoll an. „Ach Leonie, ich bin wirklich glücklich, dass wir uns begegnet sind.“ Er nahm sie bei der Hand, trat ans Ufer des Sees und sah zu den von Büschen überwachsenen Felsen am gegenüberliegenden Ufer. „Lass uns noch ein Stück gehen.“
„Ich liebe dich, David“, hauchte sie ihm zu. Sie stellte sich vor ihn, umarmte ihn, legte ihre Hände auf seinen Rücken und drückte sich an ihn. Dann küssten sie sich.
Nach einer halben Stunden hatten sie das gegenüberliegende Ufer erreicht. Sie setzten sich auf zwei riesige Steine, die in den See ragten, und nach wenigen Sekunden lagen sie sich in den Armen. Schweigend, nur in ihre Gefühle vertieft.
„Was du dir da geleistet hast, wird nie wieder passieren. Und halt den Mund; du kannst das nicht kleinreden“, polterte er plötzlich mit drohender Stimme.
„Hey, was ist los, David, mach mal langsam? Was wirfst du mir denn vor? Und dein Ton! Hab ich was falsch gemacht?“
„Niemand darf es wagen, mich zu betrügen. Und wer es trotzdem tut, wird gnadenlos bestraft. Das solltest du schon längst begriffen haben, Violetta!“
„David!! Was soll denn das jetzt? Ich bin nicht Violetta, und ich möchte auch nicht mit ihr verglichen werden.“
„Du widersprichst mir!?“
„Was soll ich denn gemacht haben?“ Sie schaute ihn entgeistert an. „Du bist doch irre, David!“
„Fremdgehen ist das Schlimmste, was einem Partner angetan werden kann. Wie konntest du das nur tun? Und auch noch in der Öffentlichkeit? Du hast mich bloßgestellt, ja, blamiert hast du mich, Violetta. Ich steh da wie der Gehörnte …“
„Hör auf damit, David. Du spinnst doch! Ich gehe jetzt.“ Sie wollte aufstehen, aber David war schneller.
Mit seiner Linken ergriff er ihren Arm, und ehe sie sich befreien konnte, hatte er mit seiner Rechten ihren Hals erreicht. Seine Finger schlossen sich wie ein Schraubstock, drückten auf ihre Schlagader, Gurgel und Luftröhre. Dabei stieß er ihren Körper nach unten, tauchte schließlich ihren Kopf unter Wasser, und während er in ihre aufgerissenen Augen starrte, fauchte er sie an: „Du glaubst gar nicht, wieviel Spaß es mir macht, dich zu ersäufen. Ja, beim Verrecken will ich dir zuschauen. Stirb langsam, Violetta, schön langsam!“
*
Vier Wochen später beobachtete und fotographierte David eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die jeden Tag um 18.10 Uhr den Juwelierladen in der Lessingstraße verließ, in dem sie arbeitete. Nach wenigen Tagen sprach er sie auf der Straße an. „Hallo Corinna … was machst du denn hier? Oh, verzeihen Sie, ich …“