In den Gemächern Shakiras

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schreibfuchs

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Prinzessin Shakira saß in Gedanken an ihre Mutter, der ehemaligen 1. Haremsdame des Sultans, die an diesem Tag ihren 35. Geburtstag gefeiert hätte. Sie wußte von den Erzählungen Aischas, dass ihre Mutter Guai hieß und eine anmutige, glutäugige Schönheit von der Grenze zur asiatischen Welt gewesen sein soll, die es, als junge Sklavin in den Palast ihres Vaters gekommen, bis in den Harem geschafft habe und dem Sultan dort besonders aufgefallen sei, dass er sie lieb gewann, zur ersten Haremsdame erhob und sie zu seinem ersten Weib erwählte. So wurde Guai zu dem Weib, das dem Sultan Kinder gebären sollte. Jedoch Shakira lernte ihre Mutter niemals kennen, denn sie starb bei ihrer Geburt. Gemeinsam mit ihr starben auch die Visionen des Sultans, der sich so sehr einen Sohn für seine Amtsnachfolge gewünscht hatte. Der große Schmerz um sein schönes und temperamentvolles Weib ließ den Sultan im Laufe der Zeit launenhaft und tyrannisch werden, so dass er immer öfter gemeine Freude an dem Schmerz anderer empfand…

Shakira seufzte tief und wünschte sich nie so wie ihr Vater zu werden, aber sie konnte nicht wissen, was das Schicksal für sie bereithält. Ihr Blick verschwamm in einem Tränenmeer und es tauchte das Bild Mukhtars auf, der ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Sie putzte sich umständlich die Nase, wischte die Tränen aus den Augen, stand unschlüssig auf, lief zum Fenster und blickte in die Richtung, wo sie den östlichen Vorhof des Palastes wusste. Shakira ballte ihre Fäuste, denn sie fühlte sich Angesichts der Vorgänge, die um Mukhtar geschehen oder nicht geschehen würden, ohnmächtig und gleichzeitig wütend, weil es nicht in ihrer Macht stand, irgendetwas davon zu beeinflussen oder ändern zu können. So stand sie am Fenster rang mit irgendetwas, was nur sie und kein anderer wissen konnte.

Aischa, ihre Amme besaß genügend Lebenserfahrung, um zu bemerken, dass Shakira einen inneren Kampf ausfocht. Aischa seufzte nur leise, denn sie traute sich nicht laut zu fragen, warum die Prinzessin so ruhelos und so verändert wirkte…

Die Prinzessin und die Amme, sie schmunzelte, war eine alte Geschichte! Von Shakiras Geburt an, nährte sie das Kind an ihrem Busen. Sie sah ihr erstes Lachen, fand das erste Zähnchen, sah sie Krabbeln und Laufen lernen! Und später, ja später, wurden sie beide fast wie zwei richtige Freundinnen! Die sich immer alles sagten, die Krankheiten gemeinsam durchlitten und die gemeinsam Freud und Leid teilten. Doch die Blutsbarriere zwischen ihnen beiden war so groß, wie die Wüste vor den Toren der Stadt und so tief, wie das angrenzende Meer. Aischa musste also allmählich lernen, wann sie reden konnte und wann sie zu schweigen hatte.

Shakira riss sich vom Fenster los und lenkte ihre Schritte zu ihrer Amme. Die Zeit schien gekommen, in der sie ihre heimlichen Ängste und Sorgen nicht mehr für sich behalten, sondern mit Aischa teilen wollte. „Ach Aischa, du getreue Amme!“, begann sie etwas kleinlaut, so, als hätte sie ein schlechtes Gewissen: „Ich muss so oft an Mukhtar denken! Du weißt doch an diesen aufgeweckten jungen Mann, der schneller laufen will als Murad!“
„An den, mit dem frechen Mundwerk?“, fiel es Aischa schneller aus dem Mund, als ihr lieb war. Doch die Prinzessin achtete nicht darauf, sondern lächelte verträumt:
„Ja ein freches Mundwerk hat er auch, aber sonst, du hättest ihn reden hören sollen, diesen hübschen Burschen mit dem Buckel, da hättest du geglaubt, dass ein Prinz mit dir spricht. Nein, ach, was sage ich, kein Prinz, so kann kein Prinz sprechen, die sind alle so gekünstelt und anmaßend! Nein, es war so, als ob ein Herz plötzlich einen Mund bekommen hätte und nun damit sprechen kann!“
Shakira ging, nein sie schien durch den Raum zu schweben. Sie flüsterte lächelnd:
„Weißt du noch Aischa, mein Traum, den ich hatte?
Aischa überlegte angespannt und fragte etwas verwundert:
„Traum, Traum, welcher Traum? Helft mir doch bitte mal auf die Sprünge!“
Shakiras Lächeln verschwand einen Augenblick aus ihrem Gesicht und sie rief etwas ungeduldig:
„Aischa, ich meine den Traum! Ich erzählte dir doch von meinem Traum, indem eine kleine Maus, bedroht von einer Schlange, schnell zu einem mächtigen Adler rennt. Und wie die Schlange dann vom Adler getötet wird?“
Die Prinzessin sah ihre Amme flehendlich an und rief:
„Weißt du auch noch, wie die weise Traumdeuterin Abida meinen Traum deutete?“
Aischa lächelte wissend und erklärte:
„Natürlich meine kleine Prinzessin. Abida sagte: Ihr Prinzessin, wäret das Mäuschen und Murad die Schlange und der Adler euer Auserwählter!“
Prinzessin Shakira wanderte erneut durch den Raum, sie raufte sich die Haare und drehte sich zu Aischa um:
„Ja, eben. Mir scheint, da gibt es Vergleichbares zu Mukhtar! Mukhtar und der Traum sind zwar zwei Dinge, aber in Wirklichkeit scheinen sie eins zu sein. Dieses Ding, ich weiß auch nicht, wie ich es nennen soll, berührt mich so merkwürdig und will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Aischa denk mal bitte mit nach: Mukhtar… Mukhtar! Was mag dieser Name nur bedeuten? Weißt Du das, Aischa?“
Aischa hielt einen Augenblick den Kopf geneigt, sann nach und erklärte leise:
„Wenn ich das nur wüsste.“
Doch dann fuhr sie wie ein Wirbelwind herum, sah Shakira freudig in die Augen und hob den Zeigefinger: „Ich weiß, ich weiß, wen ich da mal fragen kann könnte!“
Shakira rief sichtlich aufgeregt:
„Aischa, du sollst mich nicht auf die Folter spannen! Los sag’s schon ich bin so aufgeregt und platze fast vor Neugier!“
Aischa lächelte wissend und begann wie jemand, der gern Rätsel aufgab, auf und ab zu gehen:
„Prinzessin, ihr kennt den Namen! Ihr habt ihn vorhin selbst genannt!“
Prinzessin Shakira schnaufte vor Ungeduld, versuchte es mit Bitten und Betteln und blitzte ihre Amme, zu guter Letzt, als nichts mehr zu helfen schien, gefährlich an:
„Aischa, ich bin nicht in der Stimmung Spiele zu spielen! Spannt mich nicht auf die Folter“, rief sie im Zorn.

Aischa wusste sofort, dass sie mit ihrem Verhalten den Bogen ein wenig überspannt hatte. Sie lächelte leise und rief mit lauter Stimme nach der Wache. Die Prinzessin war verstummt und schaute nur noch wie gebannt auf das, was Aischa´s Geheimniskrämerei bringen würde. Ein geharnischter Mann mit Lanze in der Hand erschien und schnurrte seinen Text herunter:
„Prinzessin, ihr habt mich rufen lassen! Was ist euer Begehr?
Prinzessin Shakira, schaute wie ein verwirrtes Vögelchen auf ihre Amme, fing sich und erklärte mit ironischer Stimme: „Ich rief dich nicht! Lass dir von Aischa sagen, was du tun sollst!“
Aischa verneigte sich vor der Prinzessin und flüsterte:
„Bitte vergebt mir!“
Die Prinzessin trat einen Schritt zurück und wandte sich von der Amme ab. Diese befahl mit leiser, wie gebrochener Stimme:
„Bringe auf der Stelle Abida in die Gemächer der Prinzessin!“
Da wandte sich Shakira wieder der Amme zu und stieß einen spitzen Schrei aus:
„Abida, die Traumdeuterin! Aischa, es ist an mir, bei dir um Vergebung zu bitten! Abida! Bin ich nicht ein Schafskopf? Natürlich muss sie wissen, was der Name Mukhtar zu bedeutet hat!“
Die beiden Frauen fielen sich in die Arme, lachten herzlich über das Missverständnis und warteten gemeinsam auf die Ankunft der Traumdeuterin.

Abdullah, der Spion, hatte nach seiner Unterredung mit Murad heimlich und unbemerkt die Gemächer der Prinzessin beschattet. Jetzt wo er hörte, dass nach Abida geschickt werden sollte, fing er die Traumdeuterin ab, versetzte sie mit einem gezielten Schlag in einen tiefen Schlummer, bemächtigte sich ihrer Kleider und betrat verkleidet, als Abida, die Traumdeuterin, die Gemächer der Prinzessin. Er hatte keine Ahnung, was ihn dort erwartete, noch was es dort neues zu erfahren gab. Was er wusste war, dass es sich dabei um einen Job auf Leben und Tod handelte, den er auf keinen Fall vergeigen durfte…

Das Erscheinen der falschen Traumdeuterin verlief so geräuschlos, dass sich die Prinzessin bei ihrem plötzlichen Anblick mächtig erschreckte. Sie wollte die weise Frau einfach nur diese eine Frage stellen, aber das heimliche Erscheinen gepaart mit ihrem sonderbaren Aussehen verschlugen Shakira die Sprache. Jedoch Aischa rettete geistesgegenwärtig die Situation indem sie kurzerhand die Gesprächsführung übernahm:
„Hochweise Traumdeuterin, du Meisterin aller Gedanken und Schrecken aller Intriganten eigentlich hat die Prinzessin nur eine ganz simple Frage aus dem schier endlosen Reich der Namensbedeutung. Da ich weiß, dass ihr auch Meisterin auf diesem Gebiet seid…“

Keiner weiß, was Abdullah plötzlich veranlasste, einen folgenschweren Fehler zu begehen. Vielleicht lag es an der Ansprache Aischas, die ihm zu Kopf gestiegen war oder an der stickigen Luft des Raumes, die nach einer Air Condition verlangte oder an seinen Hormonen, die sich gegen das Frauengewand wehrten, keiner weiß es genau zu sagen.

Die falsche Traumdeuterin legte jedenfalls ihre unterwürfige Haltung ab, beachtete die arme Aischa nicht mehr, spreizte sich wie ein Pfau und wandte sich, wie eine anzügliche Lesbe, direkt an die Prinzessin:
„Namensbedeutung?“
Prinzessin Shakira erwachte blitzschnell aus ihrer Lethargie, schaute die vermeintliche Abida streng und durchdringend an und säuselt zynisch:
„Bitte vergebt meiner Amme, die mit ihrer Ansprache und ihrem Verhalten, bezüglich eurer Person, etwas zu dick aufgetragen hat, aber wenn ihr nicht gleich begreift, vor wem ihr hier steht dann…!“
Die Prinzessin besann sich jedoch auf etwas besseres, schöpfte tief nach Atem und nahm etwas Schärfe aus ihrem Ton:
„Verratet mir doch einfach nur, was der Name Mukhtar für eine Bedeutung hat!“
Das war der falsche Fuß. Der Spion wurde blass, wrang die Hände, schlotterte plötzlich wie eine heftig an Parkinson erkrankte alte Frau und stammelte:
„Mu, Mu, Mukhtar, oh Prinzessin ihr Göttin der Morgenröte, die ihr selbst den hellen Tag mit eurer Eleganz und Schönheit schlagt. Ihr, die ihr die Zartheit der jungen Lotusblüte übertrefft und in den Schatten stellt!“
Prinzessin Shakira geriet plötzlich in helle Wut und rief aufgebracht:
„Seid ihr vom anderen Ufer? Oder wie darf ich eure anmaßende Koketterie verstehen? Lasst euer lesbisches Gesülze und antwortet augenblicklich:
MUKHTAR! Was bedeutet dieser Name, los, sagt es!“
Abdullahs Lage schien ausweglos. Um Zeit zu gewinnen warf er sich in seiner vollen Länge vor die Prinzessin auf den Boden und rief verzweifelt:
„Anderes Ufer? Prinzessin, ihr tut mir Unrecht! Aber, ich will ja antworten…
Der Spion überlegt krampfhaft:
„Mukhtar be, bedeutet: Aus, Aus…“
Shakira schnitt ihm scharf das Wort ab und wurde immer ärgerlicher:
„Wie? Was? Aus? Ausgeburt, Auswurf, Ausländerbehörde, Austauschschülerin?“
Abdullah, um den sich die Strudel der Geschehnisse immer heftiger und schneller zu drehen begannen rief in seiner größten Not:
„Nein, nein oh ihr oberste Jungfrau aller keuschen Jungfrauen…! Tschuldigung, ich meine...!“
„Das geht jetzt aber wirklich viel zu weit!“, schrie die Prinzessin unbeherrscht: „Lasst eure zweischneidigen Komödien oder seid ihr blöd oder einfach nur krank? Aischa, wie lautet der Name deines Frauenarztes?“
Abdullah, der sich immer noch, hilflos wie ein schmutziger Wurm, am Boden wand, überlegte fieberhaft und schrie angstvoll:
„ Jetzt weiß ich´s wieder! Hallo, ich weiß es! Mukhtar bedeutet: Auserwählter!

Die Prinzessin hielt sich, wie vom Schlag gerührt, die Brust. Die Tränen schossen in ihre Augen und sie begann sich, so wild, wie auf dem östlichen Vorhof, schnell und immer schneller im Kreis zu drehen. Sie tanzte und kreischte:
„Der Auserwählte? Aischa! Mukhtar ist mein Auserwählter! Nun weiß ich genau, was der Traum und Mukhtars erscheinen bei Hofe zu bedeuten habe! Gute Abida, du darfst dich entfernen! Deine Strafe wird milde ausfallen, denn du darfst deine Zunge behalten!
Abdullah riss sich vom Boden hoch und verließ taumelnd aber stürmisch die Gemächer der Prinzessin.
Aischa hatten das Geschehene seltsamerweise kaum berührt. Mit ganz anderen Gedanken trat sie an Shakira heran und fragte:
„Prinzessin Shakira habt Ihr auch bemerkt, dass Abidas Stimme heute recht maskulin klang? Auch ihr Gebaren, hat mich sehr an einen Mann erinnert!!!“
Prinzessin Shakira, die sich ihrerseits nun nicht mehr um andere Belange kümmerte, rief statt der Antwort voller Begeisterung:
„Ja! Aber Mukhtar ist mein Auserwählter! Ist das nicht herrlich?“
Aischa schien einem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein, dass sie fesselte, und dass sie jetzt sofort gelöst haben wollte:
„Prinzessin, jetzt weiß ich es: Abida hat sich, wie ich erfahren habe, in ihrem Frauenkörper nicht mehr wohl gefühlt. Sie wollte sich, wie ich hörte, einer Hormonbehandlung unterziehen.“

Aischa steigerte sich in eine wilde Spekulation und dachte insgeheim:
„Aber dass, das gleich so ein umwerfender Erfolg werden würde, hätte ich auch nicht gedacht. Schade, dass ich nicht auch solche Beziehungen wie Abida besitze, da ist bestimmt noch mehr drin… Ich muss mich dringend, am besten gleich Morgen früh, um einen Termin bei meinem Frauenarzt kümmern…“
 



 
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