In Wahrheit gelogen

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In Wahrheit gelogen


Zwei befreundete Männer allein im Raucherraum einer alten Kneipe – inmitten einer Grossstadt.


Max mit brennender Zigarette in der rechten Hand: Ich weiss nicht wieso, aber irgendwie gelingt es mir nicht, jemanden zu belügen.

Frederic inhaliert den Rauch seiner Zigarette, bevor er spricht: Ich würde mich selbst zwar nicht als moralischen Krüppel bezeichnen, aber ich muss gestehen, dass ich keine Gewissensbisse habe, wenn ich ab und an anderen Menschen einen Bären aufbinde, wenn mir dadurch unangenehme Konsequenzen erspart bleiben. Ich bin auch der Meinung, dass in manchen Situationen kleine Notlügen durchaus vertretbar sind, um unangenehmen oder gar skurrilen Situationen entgehen zu können.

Max nickt: Da gebe ich dir natürlich Recht. Wahrscheinlich verstehst du nicht genau, was ich eben gemeint habe. Ich spreche von Situationen oder Taten, die etwas gravierender sind als die Frage, ob mir das Essen meiner Mutter geschmeckt hat; verstehst du?

Frederic: Wahrscheinlich wird jeder Mensch seinen eigenen Massstab dafür haben, wann er in ein moralisches Dilemma gerät, aber grundsätzlich verstehe ich, worauf du hinauswillst.

Max steckt seine Zigarette in die Kerbung des Aschenbechers: In manchen Situationen rücke ich dann einfach mit der Wahrheit raus, aber niemand glaubt, dass ich eben die Wahrheit gesagt habe.

Frederic nickt: Eine Wahrheit lässt sich manchmal durch das Zurschaustellen ihrer selbst am besten verhüllen, weil es beinahe lächerlich erscheint, ohne Weiteres seine Taten oder Meinungen zu entblössen.

Max: Du sagst es. Ich greife oftmals auf diese Strategie zurück, denn so kann ich jemanden hinters Licht führen, ohne dabei lügen zu müssen. Dadurch kann ich einem moralischen Konflikt, den ich ansonsten mit mir selbst austragen müsste, entgehen und trotzdem glaubt mir niemand.

Frederic grinst und pustet den Rauch senkrecht nach oben in die Luft: Wenn man die ganze Sache so von aussen her betrachtet, ist es eigentlich lächerlich. Unterbreitet man andern eine Lüge, so wird diese geglaubt. Gibt man hingegen die Wahrheit preis, werden die Leute misstrauisch und denken dabei, dass sie gerade belogen werden. Trotzdem ist das Resultat dasselbe. Natürlich muss man in beiden Fällen die Lüge oder eben die Wahrheit angemessen inszenieren, damit es überhaupt funktioniert.

Max nimmt eine neue Zigarette aus seiner Schachtel und entzündet die neue Zigarette an der Glut der alten Kippe. Er schaut Frederic in die Augen: Ich habe jemanden ermordet.
 

aliceg

Mitglied
Hallo Eliël Heinrich,

Du hast eine spannende Geschichte mit einem Knalleffekt am Schluss erzählt. Zum Lob gibt es St!erne

Es fällt mir aber auf, dass dein Alphabet kein 'scharfes ß' kennt.

Wörter wie Massstab, entblössen, aussen verlangen jedoch (wegen des gedehnten Klangs) danach!
Sie sehen mit deDoppel'ess' auch seltsam aus!


lg aiceg
 



 
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