kapitel 1 Freunde

Mit einem kratzenden Geräusch schlittert der Stuhl zurück und Gabriallas Kopf fährt herum. Weg von der Glaswand und in den Raum hinein, während sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannt.
Zwei Herzschläge lang steckt sie hier fest. Von ihrem Körper, der in Zyklen des Trainings geprägt wurde, zur Flucht gedrängt. Von ihrem Instinkt, einem Teil von ihr, gegen den sie schon immer kämpft, zum Bleiben gezwungen. Gefangen zwischen der Glaswand, dem Tor nach draußen und in die Freiheit, und der Tür in den Flur, versucht jede der Seiten zu gewinnen. Erst beim dritten Herzschlag erkennt sie, wer vor ihr steht und der Kampf ist beendet.
„Gabrialla?“ Michelles besänftigende Stimme dringt durch ihre rasenden Gedanken.
Michelle. Es ist nur Michelle, also beruhige dich wieder.
„Wo bist du nur mit deinen Gedanken, Gabrialla?“, seufzt Michelle und schüttelt tadelnd ihren Kopf, „Ich hab dich gefragt, ob du mit uns gehen willst!“ Entferntes Kichern lenkt ihre Aufmerksamkeit zu den anderen drei, die hinter Michelle an der Tür warten.
Gabriallas Mund verzieht sich verärgert.
Immer lachen sie. Sie selber hätten genau so gehandelt. Nun gut, sie wären gleich geflohen und hätte nicht gegen die Versuchung ankämpfen müssen, das weis sie. Jeder Körper wird täglich für die Flucht trainiert, denn es ist die Einzige Möglichkeit zu überleben. Sie amüsieren sich nur, weil ich mit meinen Gedanken wieder einmal nicht bei der Aufgabe war. Dennoch fragt sie sich: Wann werde ich es begreifen? Wann werde ich es schaffen die Versuchung abzulegen?

Gabrialla runzelt ihre Stirn, als sie die anderen ausblendet und versucht sich an Michelles Frage zu erinnern.
Seit wann steht sie schon hier? Hat sie schon viel gesagt? Was könnte sie wollen? Es ist so schwierig. Konzentrier dich Gabrialla, das ist deine Freundin. Du willst sie nicht verlieren.
Warum kann ich nicht schon fertig sein und in den Gärten? Schon beginnen ihre Gedanken wieder abzuschweifen. Wie kann ich in Gedanken dort sein, wenn ich meine Aufgabe hier nicht fertig bekomme? Schimpft sie sich. Ich muss mich besser konzentrieren!
Frustriert, aber entschlossen befreit sie sich von der Ablenkung, richtet ihre Aufmerksamkeit auf ihrer Freundin und blickt sie fragend an.
Was könnte sie mich gefragt haben?
Diese seufzt merklich übertrieben, mustert sie tadelnd und wirft einen schnellen Blick, über ihre Schulter, zu der Gruppe.
„Oh, Gabrialla“, ein belustigter Unterton besänftigt ihren vormals tadelnden Tonfall, als sie sich noch einmal ganz zu ihr herumdreht, „wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?“ Das unterdrückte Grinsen in ihrem Gesicht verdrängt nun jeden Tadel und lässt sie wieder zu ihrer besten Freundin werden.
„Sag nichts“, sie deutet ihr zu schweigen, als Gabrialla antworten will, „ich weiß es schon.“ Wie auf ein stummes Kommando erklingt ihre und die Stimmen der anderen: „Bei den Gärten.“ Während ihre Freunde lachen, sieht Michelle sie mit diesem offenen und freundlichen Lächeln an, der es Gabrialla unmöglich macht böse, auf nur einen von ihnen zu sein.
„Ich habe dich gefragt, ob du mit uns spielen und später noch schwimmen kommst?“, hilft ihr Michelle weiter.
Dem ersten Impuls nach will Gabrialla zusagen, doch dann wirft sie einen Blick auf das leere Papier, das vor ihr liegt und sie höhnisch anzugrinsen scheint. Ihr Gesicht verfinstert sich, als ihr die Aufgabe wieder einfällt: wichtige Dinge der Kindererziehung.
Ich hab noch kein Wort geschrieben. Bestätigt es nur, was sie schon weis. Wie soll ich jemals fertig werden, wenn ich nicht einmal anfange? Ich würde viel lieber mit ihnen gehen, als auch nur ein weiteres Wort zu diesem Thema zu schreiben. Doch, ich kann nicht weg, bevor ich das nicht erledigt habe. Ist sie sich bewusst. Jede weitere Strafe ist ein weiterer Grund für sie gegen meine Freiheit zu stimmen.

Schuldbewusst nach Worten ringend, versucht sie, Michelle ein freundliches Lächeln zu schenken. Doch bevor sie anfängt zu sprechen, erkennt sie, dass ihre Freundin die Antwort schon weis.
„Es tut mir leid Michelle,“ seufzt sie entschuldigend, „ich kann nicht. Ich hab einfach so viel zu tun.“ Michelles Lächeln verblasst nicht wie befürchtet, sondern wird nur belustigter, als sie weiter spricht. „Ich muss das hier fertig schreiben und dann noch in den Garten. Ich habe ihn über den Freientag zu sehr vernachlässigt. Wenn ich ihn heute nicht herrichte, bekomme ich ärger.“
„Wer das glaubt.“ Michelle zwinkert ihr verschwörerisch zu „Du bist fast öfter in den Gärten als die Ländler,“ neckt sie. „Man könnte meinen, du seist erwachsen und kein Lehrling mehr“. Ihr Lächeln wird schwächer, als sie sich zu ihr hinab beugt und mit leiser Stimme warnt: „Alla es bleiben uns nur noch wenige Nächte. Bald sind wir erwachsen und wer weiß, ob wir uns dann alle zusammentreffen können. Wenn du weiter träumst, wirst du die wenige Zeit verträumen.“ Sie spricht es nicht aus, doch jeder weiß es: Wer weiß, wer von ihnen nach dem Abschluss, noch hier sein wird? Jeder von ihnen könnte geholt, geerntet werden, doch keiner denkt daran, denn jeder kennt und fürchtet diese Möglichkeit.
Ein Schauer der Angst lässt Gabriallas Muskeln erzittern. Angst, aufgrund der Erinnerung an die Geschichten, die ihnen seit Beginn erzählt werden. Doch geht die Angst nicht tiefgenug, um ständig bei ihr zu sein und ihr Handeln zu bestimmen, wie bei den anderen.

Instinktiv spannen sich ihre Muskeln an, um den Schauer zu stoppen.
„Ich weiß“, seufzt sie zustimmend, „ich bin ja auch gleich fertig.“ Michelle hat Recht, überlegt sie. Ich bin mit meinen Gedanken meistens bei den Gärten. Warum nur? Ich mag meine Freunde. Versichert sie sich selber. Ich bin gerne mit ihnen zusammen. Warum schweifen meine Gedanken dann immer ab?, will sie von sich wissen. Doch weis sie auch dieses Mal keine Antwort. Sicher, wenn ich eine so langweilige Hausarbeit wie gerade machen muss, wer würde da nicht abschweifen? Versucht sie, ihre Gedankengänge zu rechtfertigen. Doch weiß sie selber, dass dies alleine nicht der Grund ist. Meine Freunde sind nicht langweilig. Sie sind immer für mich da. Sie verstehen mich und wenn nicht, dann lassen sie mich nicht fallen, wie andere. Sie haben es verdient, dass ich ihnen meine volle Aufmerksamkeit gebe und nicht von der Freiheit träume.
Entschlossen setzt sie sich aufrecht hin und straft ihre Schultern „Morgen, ich verspreche es. Morgen werde ich meine Aufgaben rechtzeitig erledigt haben.“ Verspricht sie.
„Gut,“ lenkt Michelle ein. „Dann sehen wir uns heute Abend im Schlafraum. Denk an die Sperrstunde" ermahnt sie, "du hast nicht mehr viel Zeit.“
„Und", mahnend lehnt sich Michelle zu ihr hinunter, „pass auf dich auf, Alla. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, die Jäger sind nie weit.“ Zitiert sie einen der Sprüche, die die Lehrer und Erzieher so gerne sagen, um die Lehrlinge zum gehorsam zu bringen.
Dieser Spruch macht mir schon lange keine Angst mehr. Denkt sich Gabrialla, wohl wissend, dass dies die Erzieher nicht gerne hören. Sie würden nur noch mehr versuchen mich an die anderen anzupassen. Sie verstehen nicht, dass ich anders bin. Und die, die es offensichtlich tun, scheinen es nicht wissen zu wollen. Außerdem würde es Michelle nur noch mehr verängstigen. Sie macht sich so schon, zu viel sorgen, wenn ich draußen, in den Gärten bin. Ich weiß gar nicht, ob sie je außerhalb der inneren Gebäude war. Sie ist so verängstigt, von dem, was die Lehrer und Erzieher uns beibringen. Sie kann einfach nicht verstehen, dass ich noch nie einen Wächter oder Jäger gesehen habe. Wird sie sich jemals trauen rauszugehen? Wird einer meiner Freunde es je wagen? Doch schnell, um nicht weiter in ihren Gedanken zu versinken, schiebt sie diese von sich und richtet ihre Konzentration wieder auf ihre Freunde.
Um Michelle zu beruhigen, versucht sie, deren furchtsamen Gesichtsausdruck widerzuspiegeln. Diese mustert sie prüfend, als würde sie ihre Gedanken hören. Ihr Blick wird beschwörend, als wolle sie noch etwas sagen, doch dann stößt sie sich von Gabriallas Tisch ab. In einer fließenden, bezaubernd weiblichen Bewegung, genau wie sie ihnen gelehrt wird, dreht Michelle sich herum und lässt Gabrialla alleine.

An der Tür angekommen, winkt sie ihr noch einmal zu, bevor sie sich den, immer noch kichernden Freunden anschließt.
„Ja, bis zum Schlafraum“, ruft Gabrialla ihr hektisch nach. Verwirrt, ob das jetzt noch richtig war oder ob sie es hätte bleiben lassen sollen, beobachtet sie Michelle, Marie und Sven. Wie diese sich winkend von ihr abwenden und den Lehrraum verlassen. Traurig erwidert sie ihr winken. Warum bin ich nur so anders? Michelle weiß wie man sich benimmt, sie scheint immer zu wissen, wann man was sagen muss und wann nicht. Bevor mir eingefallen ist, dass ich was sagen sollte, ist es schon zu spät. Warum kommt mir das ganze nur so seltsam vor? So unnatürlich!
Als sie ihre Freunde nicht mehr sehen kann, lässt sie ihren Blick über die anderen Stühle und Tische wandern. Sie ist die Letzte. Wieder einmal.
„Warum? Warum kann ich mich einfach nicht konzentrieren?“ Schimpft sie den leeren Raum. Doch entschlossen ihr Versprechen einzuhalten schiebt sie störende Gedanken beiseite und wendet ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zu.

Und sofort schwindet ihre Entschlossenheit. Wer braucht schon schreiben? Wir sind so kurz vor den Prüfungen, da ist es doch nicht mehr wichtig, ob ich schön schreibe oder nicht. Verärgert erinnert sie sich an den Vorfall, von vor wenigen Zehntstrichen, als ihr die Lehrerin gesagt hat, dass sie, noch hier bleiben muss, um eine Arbeit zu schreiben. „Damit du deine Schrift verbesserst.“ Was bringt das jetzt noch? Und warum muss ich etwas über Kindererziehung lernen? Ich will Ländlerin werden und nicht in einer Schreibkammer oder der Kinderstätte enden. Ich will draußen sein, in der Freiheit. Mir ist egal, wenn sie sagen, dass es zu gefährlich ist, ich will nicht in irgendwelchen Räumen eingeschlossen sein. Ich will die Sumza spüren, die Welt um mich herum sehen und fühlen. Nie werde ich wohl verstehen, warum die anderen lieber innerhalb der inneren Gebäude sind. Was bringt mir die versprochene Sicherheit, wenn ich mich eingesperrt fühle? Wie sicher bin ich innerhalb der Gebäude, wenn immer wieder Menschen verschwinden? Mit steigendem Widerwillen und mehrfacher Ermahnung, schafft sie es schließlich doch mit der Arbeit zu beginnen.

Als sie endlich von ihrem Platz aufstehen und den Raum verlassen kann, liegt der Flur verlassen vor ihr.
Es ist wirklich ärgerlich. Ich wüste so viele Dinge mit meiner Zeit anzufangen und dennoch sitze ich den ganzen Tag nur im Lehrraum, um nutzlose Dinge zu lernen. Ein Blick in die anderen Räume zeigt ihr, dass sie Widereinmal die Letzte ist. Nur ganz leise hört sie in der Ferne die jungen Lehrlinge, wie sie in den unter ihr liegendem Wohnbereich Lärm verbreiten. Lauschend bleibt sie stehen.
Kommen die jetzt hoch? Ein Schauer des Unbehagens überzieht ihre Unterarme und sie entscheidet: Schnell, raus hier, bevor diese kleinen Bälger auftauchen. Als sie die Tür nach draußen erreicht und die warme Luft ihre Lungen erfüllt fällt die Anspannung des Tages von ihr ab und sie kann leichter atmen. Aufgeregt macht sie sich auf den Weg zu den Gärten.
Zumindest ist es nicht mehr lange hin bis zum Ende. Bald ist es vorbei mit dem Lernen und ich kann meine Zeit mit Sinnvollerem verbringen, ist sie sich sicher.
Als sie die Letzten, der inneren Häuser, und damit auch die Sicherheit der Farm, hinter sich lässt, werden ihre Schritte instinktiv schneller.
Bald schon ist sie in einem angenehmen Lauf verfallen und eilt leichtfüßig den breiten, von Erntewägen geformten Weg, entlang. Eilig führen sie ihre Schritte an großen Weiden vorbei, auf den die Tiere grasen, und scheinen immer schneller zu werden, je kleiner die Gebäude werden. Mit jedem Bach, den sie überquert, werden die Geräusche der Menschen, die lieber innerhalb der Grenzen bleiben, leiser und fremder. Jedes Wäldchen, das sie durchquert, verdeckt mehr und mehr den Blick auf diese Gebäude, die sie nur einsperren und in Regeln drängen, die sie nicht begreift. Noch bevor sie über die letzte Brücke geht und ihren Garten, den ersten auf ihrem Weg, erreicht hat, scheint sie in eine andere Welt eingetaucht zu sein.

Wie immer, ohne sich bei dem zuständigen Ländler anzumelden, greift sie sich das Werkzeug, das vor der Hütte steht. Irgendein Ländler oder Strafarbeiter wird es hingestellt haben, wie so oft, und erspart Gabrialla das Warten. Zielstrebig begibt sie sich in den geschützten Garten und zu ihrem Bereich.
Sobald sie auf dem Feld ist, umgibt sie die Sicherheit des Gartens. Es ist nur eine vage Sicherheit und doch mehr als das Fehlen jedes Sicherheitszuspruches, auf dem Weg hierher. Die Sicherheit steigt auch nicht dadurch, dass dieser im ersten Kreis liegt. Entgegen dazu steigt bei Gabrialla, alleine dadurch, dass die Tierweiden zwischen ihnen liegen, das Gefühl der Freiheit.
Sollen sie ruhig versuchen mich nahe bei sich zu haben. Wenn ich ausgelernt habe, ist es damit vorbei. Ist sie überzeugt. Die Gärten. Ruhe und Frieden. Genüsslich zieht sie die Luft, die hier so anders riecht, nach Freiheit, in sich. Keiner, der mich herumkommandiert. Beschwingt eilt sie an den ersten Reihen vorbei, um dann in ihre ab zu biegen. Keiner, der mich zu Regeln versucht. Beide Arme von sich gestreckt, streift sie über die Pflanzen, als sie den ausgetretenen Weg entlang eilt. Kein Zwang sich so zu benehmen, dass ich nicht auffalle. Ihr Blick schweift in die Ferne. Hier muss ich nicht aufpassen, dass ich jemanden missfalle. Gleitet, über die noch mehrere Reihen entfernten Büsche, die an der Grenze des Gartens stehen, hinweg zu den Hügeln und Bergen. Keiner wird mich strafen, weil ich mich nicht wie ein Mädchen benehme oder nicht nett genug bin. Hier kann ich so viel ich sein, wie sonst nirgends. Immer mehr entspannt sie sich, während die langsam kälter werdende Luft in sie strömt. Ich mag diese Zeit des Zyklus. Alles ist so grün und steht in voller Frucht. Man kann fast nicht glauben, das wir in nur zwei Monden eingesperrt werden. Betrübt erinnert sie sich an die dunklen Tage und ihr Herz zieht sich zusammen. Im tiefen Winter, wenn den Lehrlingen nicht erlaubt ist, die Lehranstalt zu verlassen und alle anderen sich in ihren Wohngebäuden verstecken, sobald die Sumza untergeht. Wie froh werde ich sein, dass diese Zeit vorbei ist und ich den inneren Gebäuden endgültig entfliehen kann. Ihr Blick sucht die Häuser, die so weit weg in den Bergen liegen. Seufzend widersteht sie dem Drang, sich sofort auf den Weg zu machen. Morgen werden wir noch einmal die wichtigsten Sachen durchgehen und Zeit bekommen unsere Schwächen zu verbessern. Das wird auch, für einige Tage, das letzte Mal sein, dass ich hierher kommen kann. Denn, am nächsten Tag beginnen die Prüfungen.
Angekommen in ihrem Bereich des Gartens, abgegrenzt durch zwei rosa farbene Bänder, beginnt sie mit ihrer Arbeit. Rosa. Natürlich ist es Rosa, dass sie mir gegeben haben. War ihr Gedanke, als sie es zum ersten Mal gesehen hat. Und auch jetzt nagt das Zeichen, dass sie das einzige Mädchen hier ist, an ihr. Damit ich auch ja nie vergesse, was ich bin und wohin ich gehöre. Zu den Mädchen. Zu den Arbeiten einer Frau und nicht in die Gärten.
Was kann ich dafür, dass ich diese Sehnsucht nicht habe? Mich sehnt es nach der Freiheit. Ich muss draußen sein.


Selten ist um diese Zeit noch jemand hier, weswegen sie es nicht für nötig hält, sich zu vergewissern, alleine zu sein. Es ist der Bereich der Strafarbeiter, dem jeder gerne Entfliehen will. Jeder außer sie. Aber so ist es auch gewollt. Es soll den Strafarbeitern zeigen was sie verlieren, wenn sie gegen Regeln verstoßen. Hier werden nur robuste Pflanzen angebaut, die den meisten Widrigkeiten widerstehen.
Mit mehr Kraft als benötigt, reist sie an den ungewollten Pflanzen, die dieser zu wenig entgegensetzten können.
Nach den Freientagen werden wir die Zeit vor Mittentag damit verbringen Prüfungen zu schreiben. Michelle hat mich auch schon davor gewarnt, danach in die Gärten abzuhauen. Ein Lächeln erhält ihr betrübtes Gesicht, als ihr wieder einfällt, wie innig diese ihr gesagt hat, dass sie Gabrialla danach unbedingt braucht. Das kann ich ihr nicht verweigern. Michelle ist meine engste Freundin, muss sie wehmütig einsehen.
Auch eine Nacht nach den Prüfungen werde ich hier nicht viel machen können. Zwar haben wir einen Tag frei vom Unterricht, aber ich werde nur kurz herkommen können.
Aufsteigender Frust mehrt die Kraft, mit der sie an den unerwünschten Pflanzen reist und Gabrialla fällt fast rücklings zu Boden. Gerade, bevor ihre, Hand die Erde hinter ihr berührt, schafft sie es, ihre Balance erneut zu erreichen. Wir brauchen diese Zeit, den nach der darauffolgenden Nacht ist die Auswahl.
Erst die nächsten drei Tage, den Freientag und die zwei Tage davor, werde ich wieder ausreichend Zeit haben herzukommen. Diese Tage sind frei, den ihn ihnen wird unser Platz in der Gesellschaft beschlossen. Es steht uns frei, diese nach unseren Wünschen zu gestalten. Michelle hat mir nicht gesagt, dass sie schon etwas vorhat.
Vor Freude, ob der Tage, die dann kommen, greift sie nach der Hacke und beginnt die Erde zu lockern. Vielleicht schaffe ich es, und ihr Herz hüpft bei diesem Gedanken voller Vorfreude, mehrere Striche hier draußen bleiben zu dürfen.
Dann müssen noch 10 Nächte vergehen, an deren Tagen wir auf unsere Arbeit vorbereitet werden. Erst dann, also nach jetzt 20 Nächten, am Freientag, werden wir zu den Erwachsenen gehören.


Der Schweiß beginnt ihr über die Stirn, den Hals und ihren Rücken zu laufen, so intensiv ist sie in ihre Arbeit versunken. Doch das macht ihr nichts. Im Gegenteil, Gabrialla gefällt diese Art der Arbeit, in der sie ihren Körper erst wirklich fühlen und ihn ausreizen kann.
Dann beginnt für uns die Freiheit. Auch, wenn meine Freunde ihre Freiheit innerhalb der inneren Gebäude suchen, ich finde meine immer hier draußen. Daran hat sie nicht ein einziges Mal gezweifelt, seit sie das erste Mal hier war.
Diesen Winter wird es mir zwar nicht erlaubt, in die Gärten zu gehen, aber innerhalb der inneren Gebäude darf ich mich frei bewegen. Wie schön wird das sein, nicht mehr hinter dicken Mauern eingesperrt zu sein.
Verschwitzt, lehnt sich Gabrialla zurück und wischt den Schweiß von der Stirn, während sie sich umblickt.
Es gibt noch so viel zu tun bis zur Ernte. So viel, was noch geschehen wird. Innerhalb der nächsten 21 Nächten werden wir unserer Arbeit zugeteilt. Ich hoffe nur, Sie haben endlich akzeptiert, dass ich nirgendwo sonst hin will, als in die Gärten. Angst schlingt sich um ihr Herz, lässt es verkrampfen und mit harten Schlägen gegen die eisige Umarmung ankämpfen, bevor sie sich davon befreien kann. Nein, ich werde es einfach nicht zulassen, dass sie mich einer anderen Arbeit zuordnen. Ich werde ihnen nicht erlauben, mich weiterhin einzusperren. Was ist hier schon gefährlicher als bei den Häusern? Schnaubt sie verächtlich, wir sind hier bei den inneren und nicht bei den äußeren Gebäuden. Bis der Winter nahe und die Felder abgeerntet sind, droht hier keine Gefahr. Davon ist sie überzeugt.
Seit ich hier arbeite, hab ich noch keinen Jäger gesehen. Nicht einmal die Knurlesse haben sich gemeldet.
Wie immer wenn sie im Garten ist, frei und ungestört ihren Gedanken nachgehen kann, bleibt es nicht bei ihrem Bereich. Immer weiter dringt sie in die, ihren Garten umgebenden Bereiche ein.
Warum ist dieser Garten nur so ungepflegt? Wo ist denn der Ländler? Mein Garten werde ich sicher nicht so verkommen lassen. Meinen Garten! Sehnsüchtig denkt sie an die Zeit, wenn auch sie endlich eine Ländlerin sein wird. Das Glück, das sie durch die Vorstellung durchströmt, lässt sie ihre Hacke nur noch beschwingter in die Erde sausen.
Was ich wohl werde pflanzen dürfen? Sicher, die Anfänger bekommen nur die einfachen robusten Pflanzen, doch ich arbeite nun schon mehrere Zyklen hier und habe mich sicher schon für Besseres bewährt.

Obwohl sie erst 17 Sumarzeiten zählt, ist sie länger hier als manch andere, mit denen sie zusammengearbeitet hat. Am Anfang war sie, wie viele andere, auch als Strafarbeiterin hier, doch schon bald bemerkten auch ihre Erzieher, wie gut es für sie war.
Die Einzigen, die noch überzeugt werden mussten, waren der Lehranstaltsleiter und die Hausmutter.
Gabrialla war nie ruhig und friedlich, doch die nächsten Tage, so erinnert sie sich jetzt belustigt, mussten schwer für die Erzieher und Lehrer gewesen sein. Wie unbändig ich war, als es an der Zeit war, das ich gehen durfte. Wie sie darauf geachtet haben, dass ich erst mein Essen zu mir nehme und meine anderen Aufgaben erledigt habe. Egal, wohin ich mich gedreht habe, irgendwo war immer eine Erzieherin, die mich kontrolliert hat. Aber dann, nach einer ganzen Nacht in der Ruhekammer, der schlimmsten in ihrem Leben, und einigen Eingeständnissen, durfte sie in die Gärten. Jetzt sehe ich ein, dass ich es wohl etwas übertrieben habe. Vielleicht wäre es besser gewesen das anders anzugehen. Aber, überlegt sie dann doch, ob ich auf anderem Wege wirklich hier her gekommen wäre? Oder, hätten sie eine andere Aufgabe für mich gefunden? Bei den Holzarbeitern? Bei den Tierhütern? Sie versucht zu ergründen, ob sie mit einer dieser Aufgaben ebenso glücklich wäre. Nein, beschließt sie schließlich, hier kann ich so hart auf den Boden einschlagen, ohne dass er zerbricht. Hier kann ich mich bewegen und muss nicht dummen Tieren beim Essen zusehen. Auch, wenn ich jetzt in der Lehranstalt mehr kontrolliert werde, als die anderen Lehrlinge, dessen ist sie sich sicher, habe ich hier draußen so unendlich mehr Freiheit als sie.

Gabrialla fallen viele Dinge ein, die sich seit dieser Zeit für sie geändert haben.
Im Training, der von jedem auf der Farm, jeden Morgen durchgeführt wird, achtet man seit dem noch mehr darauf, dass sie die „weiblichen“ Muskeln trainiert und sich leicht und flüssig bewegt. „Nicht so plump und grob wie die Männer!“, muss sie, zu ihrer übermäßigen Frustration, nicht selten hören.
Jedes Anzeichen an ihr, das sie mehr wie ein Junge wirken lässt, wird sofort vernichtet. Auch verbietet man ihr, zu ihrem Bedauern, sich die Haare kurz zu schneiden, und es wäre so praktisch hier draußen. Diese langen Haare lösen sich immer wieder aus der Frisur und hängen mir im Gesicht herum. Stattdessen muss sie diese, wie bei den anderen Mädchen und Frauen bis zu ihren Hüften wachsen lassen und jeden Tag pflegen. Wenn sie in die Gärten geht, wird streng darauf geachtet, dass sie robuste Kleidung träg, die ihre ach so zarte weibliche Haut nicht beschädigt.
So kommt es, dass sie die Einzige in den Gärten, war und ist, die immer in langen Hosen und Oberteilen, so wie mit Handschützern herumläuft. In der warmen Zeit ist das wirklich nicht schön. Jetzt, wo die kalte Zeit kommt, ist es angenehm.

„Hallo Gabrialla.“, überrascht zuckt die Angesprochene zurück und fällt, ehe sie sich fangen kann, vorn über auf ihre Knie. Noch bevor jedoch ihr Knie den Boden berührt, beginnt ihr Herz schneller zu schlagen. Ohne auf einen bewussten Gedanken zu warten, ist ihr Körper bereit zur Flucht.
Doch etwas anderes ist stärker. Etwas, was im vergangenen Zyklus immer stärker geworden ist und nicht nur Gabrialla ängstigt. Zu schnell, zu kräftig, schlägt ihr Herz, als es in ihr erwacht und die Kontrolle übernimmt.
In einer fließenden Bewegung sinkt sie wieder auf ihre Füße zurück. Die Hände fest in den Boden drückend, schwingt sie ihre Beine nach rechts. Durch den Schwung getragen, hebt sich ihre Rechte ebenfalls. Nur noch auf ihre Linken Hand stehend, schwingen ihre Beine und damit auch ihr Oberkörper, nach hinten. Dem Angreifer entgegen. Doch alles, was sie trifft, ist Luft.
Ihr Atem geht stoßweise, das Blut rauscht ihr in den Ohren, als sie unsanft landet. Doch es ist noch nicht vorbei. Geschmeidig zieht sie sich in die Hocke und lässt, zum nächsten Angriff bereit, ihren Blick schweifen.
Schwer atmend, vom Rauschen des Blutes beinnahe übertönt, überhört sie fast das Lachen hinter ihr.
„Dieses Mal hättest du mich fast getroffen.“, erklingt es aus der gleichen Richtung.
Uff. Was war das?
Erst, als sie die Stimme erkennt, wird sich Gabrialla der Situation bewusst.
„Gideon.“, frustriert und mit finsterem Blick dreht sie sich herum, gleichzeitig fällt die Anspannung von ihr ab.

„Hallo Gabrialla.“, wiederholt dieser nur ungerührt.
„Du weißt, dass ich das nicht mag! Wie mich das verstört!“, beschwert sie sich. Sich dem Schutz des Fremden, so verängstigend es auch sein mag, beraubt, sucht sie Sicherheit in der Umarmung ihrer Arme. Als er das sieht, verblasst das fröhliche Lächeln des, für diesen Garten zuständigen Ländlers.
„Ja, ich weiß.“, entgegnet dieser, nun zerknirscht. „Ich wollte dich auch gar nicht erschrecken. Schau, ich bin nicht einmal leise an dich herangeschlichen,“ versucht er sich zu verteidigen. Doch bringt das ihre Unbeschwertheit nicht zurück. Seufzend hebt Gabrialla ihre Hand und bringt ihn so zum Schweigen.
Er hat ja recht, überlegt sie. Die Situation im Lehrraum deutlich vor sich. Ich weiß, dass ich mich oft so tief in meinen Gedanken befinde, dass ich nichts um mich herum mitbekomme. Gibt sie sich wieder einmal selbst die Schuld. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem mich nicht eine meiner Freundinnen zurückholt. Doch das eine, das gerade im Begriff ist, sich zurückzuziehen, widerspricht mit einem letzten Widerhall. Dennoch hat sie das Gefühl sich entschuldigen zu müssen.
„Ich war so in meinen Gedanken,“ versucht sie es ungeschickt. „Ich hab dich einfach nicht gehört. Es tut mir leid, Gideon. Ich wollte dir auch sicher nicht weh tun.“ Nervös, nicht sicher ob das richtig war, schafft sie es nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. Obwohl sie sich bewusst ist, dass sie es, den Regeln nach, müsste.
„Das weiß ich, Gabrialla.“, seufzt Gideon und bringt sie damit dazu, ihn direkt anzusehen. Die tief stehende Sumza erhellt sein fast weißes Haar, das gerade mal Fingerbreit kurz ist und quer von seinem Kopf absteht. Fasziniert von diesem Farbenspiel, driftet sie wieder in ihre Gedanken.
Einmal war es fast weizengelb. Früher. Doch jetzt ist es, im Laufe der Zyklen, immer weißer geworden. Ach, ich hätte auch gerne so kurze Haare. Diese sind viel vorteilhafter für den Garten, als meine langen. Als ihr bewusst wird, was sie tut, reist sie sich von dem Anblick los und richtet ihren Blick auf Gideons braune Augen. Es überfällt sie, wie so oft im letzten Zyklus, ein unangenehmes Gefühl, wenn sie jemanden direkt ansieht. Dennoch zwingt sie sich dazu, will dem Neuen, dem Fremden einfach nicht nachgeben.
Die Regeln, Gabrialla, denk an die Regeln. Das Neue ist nicht gut. Es entspricht nicht den Regeln!
Tiefe falten um seine Augen, lassen ihren Blick zu seinem lächelnden Mund abschweifen.
“Bist du es nicht auch müde", fährt Gideon fort, als hätte er ihr Abschweifen nicht bemerkt, „dich immer entschuldigen zu müssen?“ Es vergehen einige Atemzüge, bevor Gabrialla den Übergang von Wut, wegen seiner Belustigung über ihr gedankliches Abgleiten, zu Verwirrung schafft. Als sie versteht, dass Gideons Belustigung nicht von ihrem Fehltritt kommt, entspannt sie sich.
„Ja,“ bestätigt sie ihm, ihrer eigenen Reaktion beschämt, „es ist wirklich anstrengend, sich so oft entschuldigen zu müssen. Die Regeln sind teilweise wirklich erschöpfend," ergänzt sie, vor Erleichterung lachend. Nur hier, im Garten fühlt sie sich so unbeschwert, um lachen zu können. Dann jedoch blickt sie sich besorgt um. „Lass das nur keinen der Oberen hören. Du weißt, wie ungern sie es haben, wenn jemand sich über die Gemeinschaft und die Regeln beschwert.“ In ihr Lachen einstimmend, zuckt Gideon abwertend mit den Schultern.
„Was wollen sie schon machen? Ich habe nicht gegen die Regeln verstoßen. Ich lebe alleine, habe keine Kinder und keine Partnerin. Sie haben nichts, was sie mir nehmen könnten,“ meint er unbesorgt. Lässt seinen Blick jedoch über Gabrialla schweifen, bevor er sich schnell abwendet. Sein lachen ist nun gezwungener, was Gabrialla nur kurz bemerkt, den ihre Gedanken beschäftigen sich schon wieder mit etwas anderem.
Ja, da hat er recht. Wenn man erst einmal Erwachsen ist, sind die Regeln nicht mehr so streng, überlegt sie neidisch. Ab da können die Obersten nicht mehr genau kontrollieren, ob man sich an die Regeln hält. Wenn man dann auch noch einer Aufgabe zugeteilt ist, muss man schon etwas Schlimmes getan haben, um mehr befürchten zu müssen, als ein Gespräch. Außer bei Kindern, ist etwas Schlimmes sagen, noch nie bestraft worden. Soweit ich weiß. Kinder stehen unter strengerer Kontrolle. Kinder können .... Gabriallas Lachen erstirbt, als sie ihren nächsten Gedanken ergreift.
„Mich,“ begreift Gabrialla schockartig. Sofort verstimmt auch Gideons Lachen. Drückende Stille umgibt sie, während Gabrialla versteht, was das für ihre Aufgabe in der Gesellschaft bedeutet. Ich bin noch nicht Erwachsen. Ich bin noch keiner Aufgabe zugeteilt. Mich können sie noch wie ein Kind bestrafen.
Als hätte alles nur auf diese Erkenntnis gewartet, scheint ihre Umwelt wieder in Gang zu kommen.

Wie zur Warnung, so scheint es Gabrialla, hat sich ihre Wahrnehmung verstärkt. Das Rascheln der Pflanzen dringt unnatürlich laut zu ihr. Der Geruch der frisch umgegrabenen Erde ist zu intensiv.
„Sie können mir eine andere Aufgabe zuteilen. Ich bin noch nicht Erwachsen und noch keiner Aufgabe zugeteilt.“ Erschrocken schlägt sie die Hand vor ihrem Mund, als ihre Stimme zu laut erklingt. Panisch blickt sie sich um.
Ihre Augen schmerzen von der zu hellen Sonne, als sie die seltsam unscharfe Umgebung durchsucht. Ihr Kopf schwirrt, als sie sich bemüht, die Punkte in der Ferne, die sie vorher noch als Menschen erkennen konnte, nun zu sehen. Was ist nur mit meinen Augen los? Warum schmerzen meine Ohren so?
„Gut, keiner ist nahe genug, um uns zu hören.“ Erschrocken hüpft Gabrialla einen Schritt zurück, als sie Gideons Stimme vernimmt. Warum schreit er so? Ich stehe doch genau neben ihm. Als sie ihn bitten will leiser zu sein, bemerkt sie seinen seltsamen Blick und stockt. Erst jetzt wird ihr bewusst, wie kräftig ihr Herz klopft. Oh nein! Als hätte es darauf gewartet, macht ihr Herz noch einen Sprung, um dann langsamer, fast unmerklich wieder in ihrer Brust weiter zu schlagen. Nervös lässt sie ihre Schultern kreisen, in dem Versuch die Anspannung endgültig loszuwerden. Zwei mal? In so kurzer Zeit? Es wird immer schlimmer. Oooh, ich werde immer seltsamer. Sich in sich zurückziehend - Gideons Blick ausweichend - lässt sie ihren Blick wieder über den Garten schweifen. Nichts ist zurückgeblieben, von der seltsamen Wahrnehmung. Alleine das bekannte Gefühl der Beklommenheit ist ihr geblieben und erinnert sie an ihre Hilflosigkeit gegenüber dem Fremden in ihr.
Viel zu langsam, entspannen sich ihre Muskeln und lassen sie erschöpft zurück, während ihr Blick weiter über den Garten schweift.

Als ihr ausweichender Blick die Gartenhütte findet, fällt ihr auf: „Warum bist du eigentlich hier? Die Sumza steht noch weit über den Hügeln und die Sperrstunde ist doch noch nicht nahe.“ Kurz scheint es, als würde Gideon sich von ihr zurückziehen, Abstand zu ihr nehmen, doch dann strafft er seine Schultern.
„Ich habe mir den letzten Strich freigenommen", erklärt er ihr atemlos, „ich will dir etwas zeigen. Los, komm mit.“ Seine Hand zuckt nach oben, als wolle er nach ihr greifen, doch dann dreht er sich einfach nur um und deutet zum Ausgang.
Unbekümmert, dem seltsamen verhalten Gideons wenig Beachtung schenkend, zögert sie nicht einen Herzschlag lang. Aufgeregt, etwas neues, etwas unbekanntes zu Gesicht zu bekommen, sucht sie ihr Werkzeug zusammen und macht sich auf den Weg. Doch nur wenige Schritte später fällt ihr schon das Erste hinunter.
„Lass mich.“ Noch während sie versucht, die Anderen wieder sicher zu halten, hebt Gideon das Verlorene auf. „Nein, Gabrialla. Los, gib her.“ Schnell entzieht Gideon, die erbeutete Harke, ihren greifenden Händen und schnappt sich noch eine Schaufel, bevor diese ihr ebenfalls aus der Hand fällt. Nun, nur noch mit ihren Handschützern, einer kleinen Schaufel mit langem Blatt und der Kanne in ihren Händen, gelingt es Gabrialla, diese wieder sicher zu halten. Dankbar lächelt sie ihn an und wartet, dass er weiter geht.
„Danke Gideon.“ Erst einige Herzschläge, fast schon einen Zehntstrich später fällt ihr ein, sich zu bedanken. Wie aus einer Starre entrissen, kommt erst jetzt Bewegung in Gideon.
„Äh, ja, gerne, Gabrialla.“ Stammelt dieser, während er sich umdreht und den Weg wieder aufnimmt.
Ich habe es schon wieder vergessen. Schimpft sie sich erneut. Werde ich froh sein, wenn ich nicht mehr so viel mit Menschen zu tun haben muss. Wenn ich meinen eigenen Garten habe und alleine Arbeiten darf. Warum muss es so anstrengend sein? Zumindest für mich. Für alle anderen scheint es ganz normal zu sein. Energisch reist sie sich von den trüben Gedanken los, die sie wieder in sich ziehen wollen und konzentriert sich darauf Gideon zu folgen.

„Weißt du“, meint Gabrialla fröhlich„ noch 21 Nächte. Dann ist die Schule vorbei.“
„Und?“, will Gideon, wie nebensächlich wissen. Doch Gabrialla ist sich bewusst, dass er genau weiß, was dann ist.
Er will mich nur ärgern. Ihre Schulter trifft spielerisch die Seine und lässt ihn einen schnellen Schritt auf die Seite machen. Ich denke diese Neckereien könnten mir später sogar fehlen.
„Hey.“ Neckt er sie. Bleibt jedoch, vorsichtshalber, auf seinem neuen Weg und lässt zwei Pflanzstreifen zwischen ihnen. Gabrialla beschleicht das Gefühl, allein gelassen zu werden. Doch sie verdrängt es schnell wieder. Ein kurzer Blick in sein Gesicht bestätigt, was sie schon zu wissen meint: Das ist Gideon. Er liebt und braucht seine Freiheit, genauso wie ich die meine.
„Du weist genau, was dann ist.“, erwidert sie enthusiastisch. „Ich bekomme eine Arbeit zugeteilt.“
„Und du hoffst natürlich, in den Garten zu kommen!“
„Natürlich.“ In gespielten Entsetzten, sieht sie ihn an, doch sein Blick bleibt in die Ferne gerichtet. Verunsicherung keimt in ihr.
Weiß er etwas und will es mir nur nicht sagen? Oder, überlegt sie, darf er nicht? Angst zieht ihr Innerstes zusammen, als ein schrecklicher Gedanke über sie kommt. Nein, Gideon würde es mir sagen, wenn er wüsste, dass sie mich nicht in die Gärten lassen - Oder?
„Ich habe schon immer gesagt, ich möchte in die Gärten.“ Bestätigt sie ihm, mit brüchiger Stimme. „Immer wenn wir befragt wurden, hab ich es ihnen gesagt. Ich habe, seit ich das erste Mal hier war, nie wieder etwas anderes gewollt.“ Wegen seiner Verschlossenheit verunsichert, beobachtet sie ihn, versucht in seinem Gesicht zu lesen, ob es das ist, was er vor ihr verheimlicht. Doch, auch dieses Mal gelingt es ihr nicht. Angespannt geht sie weiter.

Als sie beim Gartenhaus angekommen sind, nimmt Gideon ihr, wie es seine Pflicht ist, wortlos das restliche Werkzeug ab und verschwindet im Gartenhaus. Nur Ländler dürfen in das Haus und so wartet sie ungeduldig auf seine Rückkehr.
„An was denkst du?“ Unbemerkt ist Gideon wieder hinter sie getreten. Nervös horcht sie in sich hinein.
Nichts. Erleichtert sie selbst zu sein, dreht sie sich zu ihm herum. Sie müsste nur ihre Hand heben, ihren Arm nicht einmal ausstrecken und schon würde sie ihn berühren.
Näher sind sie sich wohl noch nie gekommen. Fasziniert betrachtet sie ihn. Bemerkt, wie etwas in seinem Mundwinkel zuckt. Beobachtet, wie er, scheinbar nervös, seine Hand hebt, um seine Haare zurückzustreifen.
Tief atmet sie ein, um etwas zu sagen, und hat auf einmal das Bedürfnis zurückzuweichen. Ihre Beine zwingend, auf der Stelle stehenzubleiben, gelingt es ihr, lediglich ihren Kopf zu drehen und ihren Blick in die Ferne zu richten.
Gideon immer im Blick, antwortet sie: „Dass die Sumarzeit fast vorbei ist.“ Schweigend verharren nicht nur ihre Schritte mehrere Herzschläge. Die Sumza berührt schon fast den entfernten Hügel, während sich beide stumm betrachten. Die Sperrzeit ist jedoch noch fast einen Strich fern und so drängt sie nichts nachhause.
Schließlich ist es Gideon, der sich als Erster bewegt und auf den Weg zu den inneren Gebäuden zugeht. Neugierig folgt sie ihm. Nicht überrascht, dass er sich schnell an ihren leichten Lauf anpasst, entspannt sie sich wieder etwas.

Hoffentlich lohnt es sich. Es ist noch viel zu früh, um zurückzugehen, überlegt sie nun doch und ist überrascht, als er vom Weg abweicht. Hohe Bäume säumen den Weg an dieser Stelle. Auf der einen Seite scheinen sie weniger zu werden und Gabrialla meint, eine Weide dahinter erkennen zu können. Auf der Linken jedoch steigt das Gelände an, die Bäume scheinen sich dichter aneinanderzudrängen und das Licht zu verschlingen.
Hier ist doch nichts. Was will er mir hier zeigen? Bäume? Eine neue Pflanze?
Gideon beginnt den Hügel hochzusteigen und Gabrialla folgt ihm, trotz ihrer Zweifel und ohne zu Fragen. Sie kennt Gideon lange genug um sich sicher zu sein, dass es sich lohnen wird. Erst, als sie die Bäume hinter sich lässt und auf eine große, sich zu beiden Seiten ausbreitende freie Fläche kommt, bleibt Gabrialla verwirrt stehen.
„Das ist der Grenzwald“, erkennt sie sofort, „den dürfen wir nicht betreten.“ Gideon, der bei ihrem Aufschrei stehen geblieben ist, sieht sich nun, scheinbar das erste Mal, wirklich um.
Doch dann grinst er ihr zu und antwortet: „Keine Sorge, wir gehen nicht in den Wald. Komm.“, lockt er sie weiter. Dennoch, unsicher geworden, lässt Gabrialla ihn erst zwei Schritte rückwärtsgehen und sie zu sich winken, bevor sie ihrer Neugierde nachgibt und ihm folgt. „Wir folgen dem Wald nur", beruhigt er sie, als sie ihn wieder eingeholt hat, „schau, das ist wie ein breiter Weg, dem wir nachgehen.“ Und tatsächlich, als sich Gabrialla noch einmal umsieht, erkennt sie es auch.
Als hätte jemand den Wald verkürzt, um diesen Weg zu erzeugen. Kein Baum, kein Strauch, wächst auf dem, von Gras und anderem, kaum kniehohen Gewächs bedecktem Bereich. Aber, warum hier? Der andere Weg ist doch nur wenige Schritte rechts von uns und führt in die gleiche Richtung. Warum sollte man hier noch einen Weg erzeugen? Und, überlegt sie weiter, wohin führt er? Ihr Blick schweift noch einmal zu den Bäumen zurück, zum bekannten Weg, als ihr klar wird: Links von dem alten Weg gibt es keinen anderen, der zu den inneren Gebäuden führt. Sie bleibt erneut auf dem baumfreien Bereich hängen. Aber nicht in die Richtung, in die Gideon geht, sondern in die Andere.
„Als würde jemand dafür sorgen, dass hier keine Bäume wachsen.“ Überlegt sie laut. „Was, wenn es Absicht ist? Was, wenn so der Bereich gekennzeichnet ist, den wir nicht überschreiten dürfen?“ Langsam, steigert sich das Unbehagen und die nagenden Fragen, zu Furcht. Sorgfältig sieht sie sich um, sucht Warnungen, Anzeichen, die ihr sagen, dass sie schnell verschwinden soll.
„Ich glaube nicht,“ widerspricht ihr Gideon. „Ich bin nicht das erste Mal hier, Gabrialla. Noch nie ist hier jemand gewesen. Komm,„ lockt er sie ungeduldig, „dass Beste hast du noch nicht gesehen.“ Obwohl seine Worte ihre Furcht nicht vertreiben können, folgt Gabrialla ihm weiter.

Bald schon beginnt links und rechts von ihr, das Gelände anzusteigen. Scheint sie einzuhüllen, je weiter sie dem Weg in die Tiefe folgen.
Als hätte jemand einen Weg in den Boden gegraben. Gabrialla lässt sich auf ihre Knie sinken und sieht sich um. Ich kann gerade darüber sehen. Ihre Hand fährt über die bewachsene Wand, die leicht schräg von ihr weicht. Aber, das muss schon sehr alt sein, ob jemand noch davon weis?
„Was machst du da?“ Lachend kommt Gideon wieder zu ihr zurück. „Warum kniest du auf dem Boden?“ Beschämt, in dem Glauben, wieder etwas falsch gemacht zu haben, steht Gabrialla ruckartig auf.
„Ich wollte nur etwas schauen. Es war nichts Wichtiges,“ winkt sie ab und erstickt so die befürchteten Fragen. „Los,“ versucht sie, abzulenken, „ zeig mir, was hier so toll ist.“ Gideon sieht sie noch einen Herzschlag seltsam an, bevor er sich umdreht und den Weg weiter geht.
Nach etwa 20 Schritten bleibt er erneut stehen, dreht sich zu ihr herum und meint: „Es ist nicht mehr weit, komm.“ Kaum hat er das gesagt, verschwindet er auch schon und Gabrialla bleibt verdutzt zurück. Die Wände sind jetzt so hoch, dass sie gerade einmal das Gras darauf sehen kann, wenn sie sich streckt.
Was? Wo ist er hin? Da muss doch ... und richtig, als Gabrialla zu der Stelle kommt, sieht sie, das der Weg einen Knick macht. Gideon steht, einige Schritte vor ihr und winkt sie weiter, bevor er wieder verschwindet.
Was ist das für ein seltsamer Weg?, überlegt Gabrialla, wehrend sie ihm hinter her eilt. Wieso macht er diese Biegungen? Wobei .... - Verdutzt bleibt sie, einige Schritte vor dem Ort, an dem Gideon das zweite Mal verschwunden ist, stehen - ..., dieser Weg geht weiter. Langsamer als zuvor nähert sie sich der Abbiegung, ihren Blick auf die andere Seite gerichtet. Der Weg steigt wieder an. Aber, ist sie sich sicher, Gideon ist hier verschwunden. Als sie den Punkt erreicht, an dem dieser abgebogen ist, dreht sie sich in die Richtung und bleibt wie vor eine Mauer gelaufen stehen.

Das ist .... Unfähig das, was sie sieht, in Worte zu fassen, kann sie nur mit größer werdenden Augen betrachten, was sich ihr hier eröffnet.
„Und, was sagst du?“ Gideons Stimme erklingt neben ihr, doch Gabrialla hat nur Augen für das, was sie vor sich sieht.
„Die Steinwände!“ Dunkel ragen die Felswände, in einiger Entfernung, vor ihr auf. Aber, das kann nicht sein. Sie umgeben doch den See. Wie können sie hier sein, wo kein See ist. Oder, ziehen sie sich weiter, als ich bis jetzt gedacht habe? Ja, natürlich, sie sollen uns ja schützen. Sie müssen also größer sein, als ich gedacht habe. Nur langsam Schaft sie es, ihren Blick von der beeindruckenden Formation los zu reisen und sich in ihrer näheren Umgebung umzusehen.
Vor ihr, umgeben von der Ebene, auf der sie den Wald verlassen haben, öffnet sich ein Raum. Die Wände neigen sich, so wie im Gang, nach außen und sind mit Grün bedeckt. Doch der Bode nicht. Hier und da findet sich ein bewachsener Fleck, aber der Großteil ist von Kies, fast so fein wie der Sand am Strand, bedeckt. Vor sich, nahe am Eingang, erkennt sie eine Feuerstelle.
Es sieht aus, wie ein kleines Haus, in den Boden geschlagen. Nur eine Wand und das Dach fehlen.
„Sind das wirklich die Steinwände?“, will sie, von Gideon bestätigt wissen.

„Ja, das sind sie!“, bestätigt ihr dieser begeistert. „Und, was sagst du?“, wieder holt er so gleich seine Frage. „Aber, warte“, stoppt er sie, bevor sie den Mund öffnen kann, „es wird noch besser. Komm weiter.“ Immer noch überwältigt von dem Anblick, beobachtet sie Gideon, wie dieser sich auf den Boden gleiten lässt und langsam auf die fehlende Wand zu schiebt. Seinem aufgeregtem Deuten folgend, macht Gabrialla es ihm nach. Ihre Neugierde ist so groß, dass es ihr schwerfällt, sich flach auf dem Boden fortzubewegen. Viel lieber würde sie hinlaufen und sehen, was sich dort versteckt.

Doch, je näher sie der Öffnung kommen, um so langsamer wird Gabrialla.
Was ist das nur? Die Steinwände gehen immer weiter. Das sieht einfach falsch aus. Wo ist der Boden?
Gideon kriecht immer weiter, als wäre es ganz normal für ihn, doch Gabrialla folgt ihm immer zögerlicher. Erst, als seine Hand schon ins Nichts fassen kann, hält Gideon an und blickt zu ihr zurück.
„Los komm her, das musst du dir ansehen.“ Er scheint so aufgeregt, so begeistert, dass sie ihr Zögern abstreift und die kurze Strecke zwischen ihnen schnell zurücklegt.
Bei ihm angekommen, folgt Gabriallas Blick den Steinwänden in die Tiefe.
Ihr Atem stockt, als sie den Boden unter sich erblickt.
Er ist so weit unten, wie kann das sein? Aber .... Ihr Blick schnellt nach hinten, auf der Suche nach dem Weg, den sie zurückgelegt haben. Doch alles, was sie sieht, ist die Öffnung, durch die sie den seltsamen Raum betreten haben. ... wie haben wir diese Höhe überwunden?
Unter ihr, in sicher 100 Schrittlängen Entfernung, befindet sich der Badestrand. Beide Badestrände. Sie sehen so klein aus. Die Mauer, die sie trennt ... interessiert betrachtet sie den großen Felsen, der von unten unüberwindlich wirkt, doch hier oben ihren Blick nicht begrenzt. Schuldbewusst, weil sie das noch gar nicht sehen dürfte, wendet sie eilig ihren Blick vom Strand der Erwachsenen ab. Was, wenn uns hier jemand sehen kann? Sofort lässt Gabrialla sich vollständig auf den Boden sinken.
„Keine Angst, sie können uns hier nicht sehen.“ Beruhigt Gideon sie wieder. Doch nur zögerlich hebt Gabrialla wieder ihren Kopf, um über die Kante zu blicken.

Ob Michelle und die anderen auch da unten sind? Sie wollten doch heute noch zum Strand. Suchend wandert ihr Blick über den Strand der Lehrlinge. Klein liegt er, von der Sumza beschienen und mit Menschen befüllte unter ihr.
„Woher weist du das?“ Wenn nur er diesen Platz kennt, dann konnte er das doch nie testen, meint sie.
„Aus dem Unterricht. Siehst du?“, mit der Hand deutet er in die Richtung, aus der sie gekommen sind. „Hier steigt das Gelände wieder etwas an. Wohl gerade so viel, dass sie uns nicht sehen können.“ Erklärt ehr ihr stolz. „Solange wir flach am Boden bleiben zumindest.“, fügt er hinzu. „Und“, ergänzt er, als sie ihn offensichtlich ungläubig ansieht, „ich habe es mit einem kleinen Felsen ausprobiert. Schau.“ Er deutet zu ihrer Seite und auf einen kleinen Felsen, der gut einen halben Schritt vor dem Abgrund liegt.
„Den hast du alleine hierher gebracht?“ Bewunderung, die sie lange nicht mehr für jemanden empfunden hat, steigt bei dieser Vorstellung in ihr auf.
„Ich würde ja gerne sagen: Ja“, gibt Gideon lachend zu, „aber, er war schon hier. Ich habe ihn nur weiter an den Rand gerollt.“ Selbst das bremst ihre Bewunderung nur ein wenig ab.
Der Felsen ist wirklich groß. Er geht mir sicher bis an die Hüften, wenn nicht gar weiter. Ihn zu bewegen war sicher nicht leicht. Sofort erwacht wieder der Drang, sich beweisen zu müssen. Zu zeigen, dass sie körperlich auch dazu in der Lage ist - Ob ich das auch könnte?
„Hast du gesehen, wie groß der See ist?“, lenkt Gideon ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Ausblick.
Wie endlos man von hier sehen kann. Ich wusste nicht, dass der See so groß ist. Gabrialla versucht, ihn zu schätzen: Also, der Schülerstrand ist mindestens 60 Schritte groß. Der erwachsenen Strand - Gabrialla versucht, nicht zu lange hinzusehen, immer noch in der Angst, jemand könnte sie hier sehen - sieht, von hier oben, fast genauso groß aus. Aber, beide zusammen nehmen sie nicht mal die Hälfte dieser Seite des Sees ein. Als ihr Blick in den See schweift, findet sie die kleinen Insel, auf der je ein bis fünf Bäume wachsen und die etwa 40 Schritte vom Strand entfernt liegen. Das haben wir, also Michelle, ich und die anderen, ausgemessen. Aber das scheint, von hier oben gesehen, nur ein kleiner Teil des Sees zu sein. Neben dem Strand der Erwachsenen geht der See noch weiter. Also .... Gabrialla versinkt in ihre Berechnungen, aber schon nach kurzer Zeit gibt sie frustriert auf. Hätte ich doch besser aufgepasst, wahrscheinlich hätte ich es dann herrausfinden können. So wie Gideon das mit dem Stein.
„Ich wusste nicht, dass der See so groß ist.“, antwortet sie, geknickt und verspätet auf die Frage.
„Ja, er ist wirklich riesig. Mindestens 10 Gärten groß, denke ich. Das ist aber von hier oben, schwer zu sagen.“ Eine Weile noch, womöglich ein oder zwei Zehntstriche, liegen sie da und genießen die Aussicht.

Wenn ich daran denke, dass wir gerade einmal bis zu den Bäumen, schwimmen dürfen ... Er ist viel größer, als ich je vermutet habe.
„Weißt du schon, was du nach der Schule machen wirst?“, unterbricht auf einmal Gideons Stimme die angenehme Stille und reist sie aus ihrer Überlegung.
„Was?“,verwirrt dreht sie sich zu ihm herum. "Mich für die Arbeit im Garten melden, darüber haben wir doch gerade gesprochen.“ Gideon wirft ihr einen kurzen Blick zu, den Gabrialla nicht deuten kann. Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt? Warum ist Gideon heute so komisch? Sie will ihn schon fragen, doch er ist schneller.
„Ja, das hast du erwähnt.“ Sichtlich nervös streicht Gideon durch sein Haar. Bevor Gabrialla ihn fragen kann, zieht dieser sich vom Rand zurück. Zögernd, aber nicht ohne noch einmal einen Blick auf den faszinierenden Ausblick zu werfen, folgt ihm Gabrialla.
„Was ich wissen wollte“, fährt er fort, als sie wieder stehen, „was willst du außerhalb der Arbeit machen? Hast du Pläne?“ Schwer atmend, aber hin und her wandernd, scheint Gideon diese Fragen über seinem Mund zwingen zu müssen.
„Nein,“ antwortet sie und fragt sich im Stillen: Was ist hier los? Was soll ich nach der Arbeit anderes machen als bisher? Antwortet jedoch: „Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.“ Angespannt, da sie ihn so nicht kennt, beobachtet sie jede seiner Regungen.
Hat er sich angespannt? Entspannt? Sie kann nicht sagen, ob ihre Antwort die richtige war, oder was er von ihr erwartet. Sie hat keine Angst, den dafür kennt sie ihn schon zu lange, und doch wird ihr diese Situation immer unangenehmer. Ist das ein Lächeln, das da seinen Mund umspielt? Nervös von seinem Schweigen und der Wanderschaft, schließt sie sich ihm an. Als hätte er nur darauf gewartet, führt sie sein Weg nun zu der Öffnung, durch die sie diesen seltsamen Raum betreten haben. Keinen Herzschlag lang lässt sie ihn aus den Augen, als sie ihn den Weg zurück folgt.

Gideon führt sie, aus dem Tal und wieder zurück auf die Freifläche, der sie langsam folgen.
„Für mich ist es bald Zeit eine Frau zu nehmen.“ Erklärt er ihr schließlich. Im nächsten Moment wünscht sie sich, auf den Weg geachtet zu haben.
Gabrialla stolpert, streckt ihre Arme aus, findet halt an einem der Bäume, und schafft es gerade noch, sich auf den Beinen zu halten.
„Eine Frau?“ Nun ist es sie, die nicht genug Luft zum Sprechen hat und die Worte erzwingen muss.
Gideon, der noch einige Schritte weiter gelaufen ist, bleibt nun ebenfalls stehen und sieht sie nervös an.
„Innerhalb des nächsten Mondes werde ich 20. Ich kann es nicht länger von mir weisen.“
„20“, wiederholt Gabrialla ungläubig. Ist es schon so lange her, dass wir den gemeinsamen Strafdienst hatten? Wie sehr habe ich mir gewünscht, Erwachsen zu werden. Dabei habe ich vergessen, welche Pflichten das mit sich bringt. Eilig versucht sie sich, an die Regel der Partnerschaft zu erinnern. Gleich nach dem Abschluss, darf man sich seinen Partner wählen und selbst gewählt werden. Ohne daran zu denken ihm eine Antwort zu geben, folgt Gabrialla Gideon, der ihren Weg wieder aufgenommen hat, durch das Wäldchen. Sich an den Bäumen festhaltend, während sie sich den Hang hinunter hangelt, überlegt sie weiter: Außerdem, heißt es, man muss sich bis zum Ende der Sumarzeit, seines zwanzigsten Zyklus, entscheiden. Mit Ende der Lehrzeit, wenn man einer Arbeit zugeteilt wurde und seine eigenen Räume hat, ist es auch an der Zeit, dass man der Gemeinschaft Kinder schenkt. Schlitternd, viel zu schnell, verlässt sie den Hang. Sie braucht einige Schritte, bis sie ihre Balance und ihre Gedanken wieder gefunden hat. Gideon wurde kurz vor Ende der Sumarzeit geboren. Das ist sein zwanzigster Zyklus. Das ist seine letzte Sumarzeit, in der er sich entscheiden kann. Ihre Schritte stocken, als die inneren Gebäude, die Sicherheit, in Sicht ist. Dennoch schafft sie es nicht, weiter zu gehen. “Du hast noch diesen Mond, um dir eine Frau zu suchen. Einen Mond, um zu entscheiden, mit wem du weitere Kinder haben willst.“ Wird ihr jetzt erst wirklich klar. So kurz. Warum erst jetzt? Er hat fast zwei Zyklen Zeit gehabt sich eine Frau zu suchen. Warum hat er bis jetzt gewartet? Ein Kind muss er schon erschaffen haben. Jeder muss, in seinem ersten Zyklus, als Erwachsener, zumindest ein Kind der Gesellschaft geschenkt haben. Warum ist er nicht bei der Frau geblieben? Wer war sie?
„Richtig, spätestens mit 20 muss ein Mann seine Frau gefunden haben.“ Bestätigt ihr auch Gideon. Doch das ist noch nicht alles: „Hat er diese nicht, wird ihm eine zugewiesen, um die er sich kümmern muss.“ Sich unter ihrem Blick windend sieht er überall hin, nur nicht zu ihr.
Warum aber hat er sich dann keine gesucht?, will Gabrialla nicht erkennen. Zwei Zyklen sind eine lange Zeit. Die Treffen, derer, die sich nicht gebunden haben ... Die Freunde, aus der Lehranstalt. Da fällt ihr erst auf: Ich hab auch noch niemanden. Kein Junge aus meiner Lehrgruppe, mit den ich mir überlegt habe mich zu vereinigen. Kenne ich überhaupt einen von ihnen, außer Sven, Gino und Juls? Doch weder der eine, noch der andere kommen für mich in Frage. Juls wird sich mit Maria binden und Sven wird mit Gino in einer Gruppe leben.
„Ich habe mir gedacht“, reist Gideon sie aus ihren Gedanken. „Ich habe mir gedacht,“ beginnt er von neuem, „da wir beide ...“ Nervös greift er mit einer Hand seinen Oberarm und versucht sich dahinter zu verstecken, bevor er es erneut versucht: „Da du und ich, uns doch so gut verstehen“. Ein schneller Blick zu ihr und dann zu seinen Füßen unterbricht seine Rede. Nur einen Herzschlag später dreht sich Gideon zur Seite und setzt seinen Weg zu den inneren Gebäuden fort.
Was ist nur mit ihm los? Verwirrt blickt Gabrialla ihm nach. Nur, um ihm dann nach zu laufen. Macht ihn die Wahl so viel Schwierigkeiten? Was will er mir nur sagen? Als sie ihn eingeholt hat, mustert sie ihn prüfend. Ich verstehe ihn heute wirklich nicht. Warum nur ist er so nervös? Kann es sein ... geht ihr auf ... dass er Michelle will? Ja, ist sie sich sicher, dass muss es sein. Er hätte gerne meine Hilfe bei ihr, weil er nicht weiß, wie er sie ansprechen soll. Da kann ich ihm helfen. Mehr noch: Ich helfe ihm da wirklich gerne. Gideon ist wirklich nett. Genau wie Michelle.
Ehe sie Gideon danach fragen kann, hält dieser wieder an und fährt fort, „Na ja ich dachte, wir beide könnten, ...“. Seine Hand lässt den Oberarm los und er versteift sich, als er ihr entschlossen in die Augen blickt. „Ich mag dich wirklich Gabrialla und ich würde gerne mit dir ein Paar bilden.“

Vollkommen überrumpelt stolpert Gabrialla zwei Schritte rückwärts, bevor sie das hohe Gestrüpp, das hier den Waldrand bildet, aufhält.
Frau? Mich? Gideon und ich? Aber ...? Michelle? Ihre Gedanken springen von einem Wort zum anderen. Scheinen nicht bewältigen zu können, was Gideon gesagt hat.
Schweigend, nervös von einem Fuß auf den anderen wankend, sieht dieser sie, weiterhin abwartend, an.
„Frau?“ Erschrocken vom rauen Klang ihrer Stimme ist nicht nur sie es, die zusammen zuck. Gabrialla räuspert sich, versucht ihren Mund, ihre Stimmbänder geschmeidiger zu bekommen. Erst, als sie das Gefühl hat, wieder normal sprechen zu können, fährt sie fort: „Du fragst mich, ob ich deine Frau werden will?“ Sie sind nur noch wenige Schritte von den Ersten, der inneren Gebäuden, entfernt. Haben es nicht mehr weit, bis sich ihre Wege trennen, doch keiner der beiden hat es mehr eilig.
Ein zaghaftes Nicken, gefolgt von einem nervösen „Ja …“ ist ihre Antwort. Fast zehn Herzschläge später, reckt sich Gideon zu seiner vollen Größe, räuspert sich ebenfalls und erklärt: „Ich meine, ich würde gerne, wenn du auch willst, mit dir in einer Partnerschaft leben. Ich mag dich wirklich sehr Gabrialla.“, stottert er weiter. „Eigentlich bist du die einzige Frau, die ich mag.“ Versichert er ihr Hecktisch. „Du bist eine der wenigen Menschen, die ich überhaupt mag.“ Sprudelt es ungebremst aus ihm heraus und gibt Gabrialla Zeit ihre Starre zu überwinden. „Sicher, als ich dich das erste Mal getroffen habe, da warst du nur ein kleines Mädchen. Ein starrsinniges Mädchen, das denkt, Männerarbeit machen zu können.“
Wie nett, denkt sie sich. Du warst aber auch nicht gerade mein Traum eines Arbeitspartners. Erinnert sie sich.
„Doch mit der Zeit konnte ich hinter diese Fassade blicken und ich fand ein nettes Mädchen, dessen Gesellschaft ich sehr genieße.“ Seine klaren braunen Augen sehen sie flehend an und Gabrialla wird ganz eigenartig. Schwindel, gefolgt von Übelkeit und dem starken Bedürfnis, davon zu laufen, wühlen sie auf. Als würde er das alles nicht bemerken, wartet er auf eine Antwort von ihr. „Jetzt, wo es an der Zeit ist, mir eine Frau zu nehmen, “ versucht er noch einmal, sich zu erklären, „wird mir klar, dass nur du infrage kommst. Ich will nur dich an meiner Seite.“
Gabrialla fühlt sich, als käme sie gerade von der Sportlehre, in der sie noch 20 extra Runden laufen musste. Schwer atmend versucht sie ihre Gedanken zu ordnen und zu verstehen, was Gideon gesagt hat.
Er will wirklich mich als seine Frau. Aber, warum? Seit wann? Wie kann das sein? Er ist doch nur mein alter Arbeitspartner. Der Ländler vom Garten. Wieso will er mich? Will ich ihn? Doch, dass Gefühl, das ihr bei dieser Frage an sich selber kommt, erwidert Gideons Sehnsucht nicht. Was soll ich ihm nur sagen? Ich brauch noch Zeit, ist der erste Ausweg, den sie erkennt. Doch Gabrialla kommt nicht mehr dazu Gideon zu antworten.

„Hey, ihr.“ Gabriallas und Gideons Blicke rucken erschrocken zu der Stelle, von der die Stimme kommt. Schutzlos, zwischen dem Wald und den inneren Gebäuden, stehen beide wie versteinert auf dem Weg. Star vor Schreck, so kommt es Gabrialla vor, steht Gideon neben ihr und start der tiefen Stimme entgegen.
„Was sucht ihr hier draußen?“
Der Klang verrät Gabrialla, dass die Stimme näher kommt und ihr Körper signalisiert ihr: Wir müssen weg, doch etwas anderes ist dagegen.
„Die Sperrstunde beginnt und ihr habt hier nichts zu suchen.“ Gabriallas Herz scheint einige Schläge auszulassen, als sie erkennt, wer da vor ihnen steht.
Ein Wächter. Kurz keimt in ihr der Wunsch auf, dem antrainierten nachzugeben, doch etwas anderes ist in ihr erwacht und übernimmt. Automatisch spult ihr Geist die Regeln, die sie alle, im Umgang mit Wächtern, gelernt haben, und die selbst sie kennt, herunter.

VERMEIDET ES, EINEN WÄCHTER ANZUSCHAUEN.

MACHT KEINEN WÄCHTER AUF EUCH AUFMERKSAM, SO GROSS KANN EURE NOT NICHT SEIN.

SPRECHT KEINEN WÄCHTER AN, ER WIRD EUCH NICHT ANTWORTEN, DENN ER SIEHT EUCH NICHT ALS WÜRDIG AN.

VERÄRGERT KEINEN WÄCHTER, ER IST IMMER STÄRKER.

BEGEGNET IHR EINEM WÄCHTER, VERSUCHT EUCH LANGSAM VON IHM WEG ZU BEWEGEN, OHNE ZU FLÜCHTEN.

SOLLTET IHR, MIT EINEM WÄCHTER IN EINEM GESCHLOSSENEN RAUM GERATEN, FLEHT UND VERSUCHT ZU FLÜCHTEN!

WÄCHTER, SIND BESTIEN IN MENSCHENGESTALT UND DEM MENSCHEN ÜBERLEGEN. BEHANDELT SIE AUCH SO.
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Helene
Wie angedroht folgt eine Analyse Deines Textes. Es hat eine Weile gedauert, dafür entschuldige ich mich (ich habe im Moment sehr viel zu tun).
Mittlerweile ist Dein Text zum „Werk des Monats“ gekürt worden, obwohl er noch nicht fertig ausgestellt ist und Du, meines Erachtens, noch einiges daran aus- bzw. umarbeiten müsstest.

Zunächst noch einmal meine Gratulation für die Wahl zum „Werk des Monats“. Die zuständige Redakteurin „flammarion“ honoriert damit, so denke ich, das Potenzial, welches Deinem Stück innewohnt.

Lassen wir zunächst die kleinen Fehlerteufelchen in der Rechtschreibung auf sich beruhen, Du weißt, dass sie da sind, ich weiß, dass der Feinschliff diesbezüglich erst lohnt, wenn der Storylauf rennt.

Der Basisplot:
Aus dem Klappentext nicht ganz eindeutig, aus den ausgestellten Stücken überhaupt noch nicht zu erkennen, gemäß Deinen Andeutungen in den Diskussionsfäden aber wohl etwas wie
„Die Wandlung“.
Gabrialla, die Hauptprotagonisten, erscheint zunächst als Angehörige derer, die die Farmen bewirtschaften und sich von den Wächtern bedroht fühlen. Ihre Ausbildung (vermutlich Landwirtschaftliche Kenntnisse) auf der einen Seite mit der Indoktrinierung, den Wächtern aus dem Weg zu gehen und ihre Kampf-Instinkte (angeborenes Naturell?) die sie immer wieder zu den Wächtern hinzuziehen scheint, liegen zunächst im Widerspruch zueinander. Darin versteckt sich ein gewisser innerer Konflikt, der aufzulösen Aufgabe Deiner Geschichte wird. Natürlich werden die genauen Umstände (Verhältnis und Hintergrund Farmer / Wächter) erst im späteren Verlauf aufgedeckt, auch da verbirgt sich Konfliktpotenzial. Als Leser frage ich mich bereits im Hintergrund: Wenn die Wächter gegen die Farmer agitieren, wenn bewachen die Wächter dann? Gibt es noch eine dritte Fraktion?

Die Prämisse:
Auch der „rote Faden“ genannt, oder „Kernthese“ des Stückes. Sie würde in einem Satz umschreiben, aus welchem Grundkonflikt heraus Deine Hauptfigur auf das Ende der Geschichte (die Auflösung der Story) zusteuert.
Da wir bei den ausgestellten Teilen bislang noch nicht nennenswert über die Einleitung hinausgekommen sind, wage ich nicht, eine Prognose für diesen Bestandteil der Story-Entwicklung abzugeben.
Merkwürdig ist nur, dass Du im Klappentext erklärtest, die „Geschichte sei fertig und umfasse 97.000 Zeichen“. Diese Zahl hast Du bereits mit den ersten beiden Teilen gesprengt.

Die Charaktere
Der Hauptcharakter ist Gabrialla, die bisherigen Teile werden aus ihrer Sicht erzählt (hier haben wir auch gleich die Erzählperspektive). Von Anfang an stecke ich als Leser sehr tief in ihrer Gefühlswelt, von den anderen Figuren erfahren wir nur so viel, wie auch Gabrialla zu erkennen glaubt.

Die Erzählperspektive
Von Anfang an werden alle Situationen, Ereignisse und Figuren aus Gabriallas Blickwinkel dargestellt. Es wäre fantastisch, wenn Du dies über den gesamten Roman hinweg durchhieltest. Gleichzeitig schränkst Du dich aber selbst damit ein, indem Du Ereignisse an Nebenschauplätzen, an denen Deine Hauptfigur nicht oder noch nicht beteiligt ist, entsprechend nicht glaubhaft schildern kannst. Sollte etwas derartiges notwendig werden, müsstest Du einen Wechsel in der Perspektive vornehmen und entsprechend im Text verdeutlichen. Im Moment ist Deine Erzählperspektive Personenbezogen und nicht allwissend. Die Schilderung von Geschehnissen an anderen Orten erforderten eine allwissende Perspektive, also einen neutralen Erzähler.
Hast Du schon einmal daran gedacht, die Gabrialla aus der „Ich-Perspektive“ zu schildern? Die tiefen Inneneinsichten in die Figur wären dann, so denke ich, einfacher zu konstruieren.

Der Anfang
Hier, so erklärtest Du, bist Du selber unzufrieden mit dem Ergebnis.
Der Anfang einer Geschichte soll den Leser binnen weniger Sätze einfangen, ihn neugierig machen, ihn sogar für das folgende einstimmen und darauf neugierig machen.
Betrachten wir die erste Szene mal im Detail:

Mit einem kratzenden Geräusch schlittert der Stuhl zurück und Gabriallas Kopf fährt herum. Weg von der Glaswand und in den Raum hinein, während sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannt.
Sie schreckt durch irgendetwas hoch – hier fehlt der Auslöser.
„Mit einem kratzenden Geräusch schlittert der Stuhl zurück ...“ ist das einzige Element, welches mir etwas zeigt (bzw. etwas hören lässt). Alles danach ist nur eine Schilderung dessen, was passiert.
Kennst Du den Begriff „Show, don`t tell“? Zeigen, nicht erzählen. Ich deute es immer als Aufforderung: „Erzähle nicht, der Held sei Nass geworden. Schmeiß den Leser mit ins Wasser!“
Ihre Reaktionen werden von Beschreibungen der Umgebung unterbrochen, dies stört den Fluss. Etwas umgestellt könnte es besser klappen.
Ist der Raum völlig Leer? Wozu dient er? Wozu das große Fenster? Ich mache mir mal meine eigenen Gedanken, losgelöst von dem von Dir beabsichtigtem Umfeld und dem weiteren Verlauf der ersten Szene:

Sie saß alleine im großen Raum der Ruhe, das gewaltige Fenster mit der Aussicht auf den alten, knorrigen Baum, genau vor sich. Sie genoss den Anblick, verlor sich in den tiefen Furchen und Rillen der Rinde, den Gabelungen der Äste und Zweige. Ihre Gedanken waren weit, sehr weit entfernt.
Plötzlich schrak sie hoch. Sie war nicht mehr alleine!
Mit einem kratzenden Geräusch schlittert der Stuhl zurück und Gabriallas Kopf fährt herum, jeder Muskel im Körper angespannt.


Dies ist – mit anderen Worten – die Situation, wie sie sich mir zunächst darstellt.


Zwei Herzschläge lang steckt sie hier fest. Von ihrem Körper, der in Zyklen des Trainings geprägt wurde, zur Flucht gedrängt. Von ihrem Instinkt, einem Teil von ihr, gegen den sie schon immer kämpft, zum Bleiben gezwungen. Gefangen zwischen der Glaswand, dem Tor nach draußen und in die Freiheit, und der Tür in den Flur, versucht jede der Seiten zu gewinnen. Erst beim dritten Herzschlag erkennt sie, wer vor ihr steht und der Kampf ist beendet.
Auch hier wieder etwas zu emotionslos. Wie eine teilnahmslose Beobachterin schilderst Du das Verhalten und die Situation recht gelassen.
Mal ins Detail:
„Zwei Herzschläge lang steckt sie hier fest.“ Wo steckt sie fest?
„Von ihrem Körper, der in Zyklen des Trainings geprägt wurde, zur Flucht gedrängt. Von ihrem Instinkt, einem Teil von ihr, gegen den sie schon immer kämpft, zum Bleiben gezwungen.“ Dieses Bild erscheint etwas Unscharf – nicht der Körper wurde geprägt sondern das Bewusstsein, der Körper folgt eher dem, was der Instinkt befiehlt.
„Gefangen zwischen der Glaswand, dem Tor nach draußen und in die Freiheit, und der Tür in den Flur, versucht jede der Seiten zu gewinnen.“ Wieder ein ungenaues Bild. Im Fenster ist ein Tor?
Falscher Objektbezug: Tor nach draußen – Tür in den Flur - versucht jede der Seiten zu gewinnen.
Das mit den Seiten bezieht sich wohl eher auf den Satz davor, auf konditioniertes Bewusstsein und Instinkt.
Ich mache mir mal wieder meine eigenen Gedanken, losgelöst von dem von Dir beabsichtigtem Fortgang:

Gefangen zwischen ihrem in langen Zyklen des Trainings eingeprägten Wunsch zur Flucht und dem in letzter Zeit immer schwieriger zu unterdrückenden Instinkt zum Kampf steckt sie fest, kann sich nicht entscheiden, zwei schier endlose Herzschläge lang. Dann, endlich, beim dritten Herzschlag, erkennt sie die Person die vor ihr steht. Nur langsam entspannt sie sich.


„Gabrialla?“ [blue]Michelles[/blue] besänftigende Stimme dringt durch ihre rasenden Gedanken.
[blue]Michelle[/blue]. Es ist nur [blue]Michelle[/blue], also beruhige dich wieder.
Und während wir die ersten Momente noch von außen erlebten, stecken wir nun mitten in Gabriallas Kopf, als Leser krieche ich förmlich in sie hinein, sehe mit ihren Augen, denke und fühle mit ihr.


„Wo bist du nur mit deinen Gedanken, Gabrialla?“, seufzt Michelle und schüttelt tadelnd ihren Kopf, „Ich hab dich gefragt, ob du mit uns gehen willst!“ Entferntes Kichern lenkt ihre Aufmerksamkeit zu den anderen drei, die hinter Michelle an der Tür warten.
Hier taucht ein Fehler in der „View“ auf, in der Sicht auf die agierenden Figuren. Der Fokus liegt zunächst auf Michelle, sie spricht mit Gabrialla. Ab „Entferntes Kichern ...“ müsste die Sicht wieder auf Gabrialla selbst gelenkt werden – zum Beispiel durch einen Zeilenwechsel.


Gabriallas Mund verzieht sich verärgert.
Immer lachen sie. Sie selber hätten genau so gehandelt. Nun gut, sie wären gleich geflohen und hätte nicht gegen die Versuchung ankämpfen müssen, das weis sie. Jeder Körper wird täglich für die Flucht trainiert, denn es ist die Einzige Möglichkeit zu überleben. Sie amüsieren sich nur, weil ich mit meinen Gedanken wieder einmal nicht bei der Aufgabe war. Dennoch fragt sie sich: Wann werde ich es begreifen? Wann werde ich es schaffen die Versuchung abzulegen?
Dies gehört alles noch zu der Sicht auf Gabrialla, sollte daher „am Block“ ohne Absatz oder Zeilenwechsel auf den Bereich von „... die hinter Michelle an der Tür warten“ folgen.


Gabrialla runzelt ihre Stirn, als sie die anderen ausblendet und versucht sich an Michelles Frage zu erinnern.
Seit wann steht sie schon hier? Hat sie schon viel gesagt? Was könnte sie wollen? Es ist so schwierig. Konzentrier dich Gabrialla, das ist deine Freundin. Du willst sie nicht verlieren.
Warum kann ich nicht schon fertig sein und in den Gärten? Schon beginnen ihre Gedanken wieder abzuschweifen. Wie kann ich in Gedanken dort sein, wenn ich meine Aufgabe hier nicht fertig bekomme? Schimpft sie sich. Ich muss mich besser konzentrieren!
Klar, meine Idee mit dem Ruheraum kollidiert hier mit einer ungenannten Aufgabe – und hier verwirrst Du mich als Leser. Sie saß alleine in einem leeren Raum und machte nichts – was war denn dann die Aufgabe?


Frustriert, aber entschlossen befreit sie sich von der Ablenkung, richtet ihre Aufmerksamkeit auf ihrer Freundin und blickt sie fragend an.
Dieses ständige abschweifen in Gedanken scheint ihr Problem zu sein. Aber ist es so neu? Oder könnte Michelle bereits daran gewöhnt sein, dass ihre Freundin im Geist immer woanders unterwegs ist?


Was könnte sie mich gefragt haben?
Wiederholte Aussage, redundant – daher: streichen.


Diese seufzt merklich übertrieben, mustert sie tadelnd und wirft einen schnellen Blick, über ihre Schulter, zu der Gruppe.
Ich würde es andersherum konstruieren – erst der Blick über die Schulter, dann seufzen und tadelnd mustern. Wenn sie danach wieder zu sprechen beginnt (ohne Zeilenwechsel, weil der Blick jetzt schon auf Michelle ruht) dann weiß ich als Leser auch sofort, mit wem sie spricht.


„Oh, Gabrialla“, ein belustigter Unterton besänftigt ihren vormals tadelnden Tonfall, als sie sich noch einmal ganz zu ihr herumdreht, „wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?“ Das unterdrückte Grinsen in ihrem Gesicht verdrängt nun jeden Tadel und lässt sie wieder zu ihrer besten Freundin werden.
Nun ja – jetzt sollten wir mall einen Blick auf die vielen „Tadel“ werfen:
Zuerst schüttelt Michelle tadelnd den Kopf.
Dann mustert sie tadelnd.
Dann geht es um einen (unbekannten) vormals tadelnden Tonfall.
Schließlich verdrängt ein Grinsen jeglichen Tadel.

Ich glaube, mindestens drei Tadel können ersatzlos entfleuchen.


„Sag nichts“, sie deutet ihr zu schweigen, als Gabrialla antworten will, „ich weiß es schon.“ [blue]Wie auf ein stummes Kommando erklingt ihre und die Stimmen der anderen[/blue]: „Bei den Gärten.“ Während ihre Freunde lachen, sieht Michelle sie [blue]mit diesem offenen und freundlichen Lächeln[/blue] an, der es Gabrialla unmöglich macht böse, auf nur einen von ihnen zu sein.
Wie auf ein stummes Kommando erklingt ihre und die Stimmen der anderen ist etwas kompliziert formuliert, eingängiger wäre „Wie aus einem Mund antworten alle:“
Ebenso dieses mit diesem offenen und freundlichen Lächeln könnte verkürzt „mit einem gewinnenden Lächeln“ formuliert werden.


„Ich habe dich gefragt, ob du mit uns spielen und später noch schwimmen kommst?“, hilft ihr Michelle weiter.
Dem ersten Impuls nach will Gabrialla zusagen, doch dann wirft sie einen Blick auf das leere Papier, das vor ihr liegt und sie höhnisch anzugrinsen scheint. Ihr Gesicht verfinstert sich, als ihr die Aufgabe wieder einfällt: wichtige Dinge der Kindererziehung.
Ah, jetzt wird die Aufgabe benannt. Also saß sie wohl in einer Art Klassenzimmer? Hatte sie den Zettel auf dem Schoß? Oder gab es noch andere Einrichtungsgegenstände in diesem diffusen Raum?


Ich hab noch kein Wort geschrieben. Bestätigt es nur, was sie schon weis. Wie soll ich jemals fertig werden, wenn ich nicht einmal anfange? Ich würde viel lieber mit ihnen gehen, als auch nur ein weiteres Wort zu diesem Thema zu schreiben. Doch, ich kann nicht weg, bevor ich das nicht erledigt habe. Ist sie sich bewusst. Jede weitere Strafe ist ein weiterer Grund für sie gegen meine Freiheit zu stimmen.
Auch diese Innenansicht wirft mehr Rätsel auf, als dass sie Antworten böte. Du solltest versuchen, etwas sparsamer mit Umschreibungen für ein und dieselbe Aussage zu sein.
Da lag ein leeres Papier.
Sie hat noch kein Wort geschrieben. (haben wir gesehen, Du hast uns das Papier gezeigt, warum erzählst Du es uns noch mal?)
Wie soll ich jemals fertig werden, [strike]wenn ich nicht einmal anfange[/strike]? (Das sie noch nicht angefangen hatte, zeigt das leere Papier.)
... als auch nur ein [strike]weiteres[/strike] Wort zu diesem Thema zu schreiben. (Da sie noch kein Wort geschrieben hat, ist das weitere Wort eine Fehlaussage).


Schuldbewusst nach Worten ringend, versucht sie, Michelle ein freundliches Lächeln zu schenken. [blue]Doch bevor sie anfängt zu sprechen, erkennt sie, dass ihre Freundin die Antwort schon weis.[/blue]
Wie ringt man „Schuldbewusst nach Worten?“
Wenn sie erkennt, dass ihre Freundin die Antwort schon weiß, warum redet sie dann noch?


„Es tut mir leid Michelle,“ seufzt sie entschuldigend, „ich kann nicht. Ich hab einfach so viel zu tun.“ Michelles Lächeln verblasst nicht wie befürchtet, [blue]sondern wird nur belustigter, als sie weiter spricht.[/blue] „Ich muss das hier [blue]fertig[/blue] schreiben und dann noch in den Garten. Ich habe ihn über den [blue]Freientag[/blue] zu sehr vernachlässigt. Wenn ich ihn heute nicht herrichte, bekomme ich ärger.“
Das Lächeln könnte vielleicht „breiter“ werden – aber belustigter? In dieser Situation?
Sie kann nichts „fertig“ machen, was sie noch nicht angefangen hat. Streichen.
Was meinst Du mit „Freientag“? Ist das ein besonderer Tag in dieser Gesellschaft? Oder sollte es nur ein „freier Tag“ sein?


„Wer das glaubt.“ Michelle zwinkert ihr verschwörerisch zu „Du bist fast öfter in den Gärten als die Ländler,“ neckt sie. „Man könnte meinen, du seist erwachsen und kein Lehrling mehr“. Ihr Lächeln wird schwächer, als sie sich zu ihr hinab beugt und mit leiser Stimme warnt: „[blue]Alla[/blue] es bleiben uns nur noch wenige Nächte. Bald sind wir erwachsen und wer weiß, ob wir uns dann alle zusammentreffen können. Wenn du weiter träumst, wirst du die wenige Zeit verträumen.“ Sie spricht es nicht aus, doch jeder weiß es: Wer weiß, wer von ihnen nach dem Abschluss, noch hier sein wird? Jeder von ihnen könnte geholt, geerntet werden, doch keiner denkt daran, denn jeder kennt und fürchtet diese Möglichkeit.
Ich bin über den Spitznamen gestolpert, er wird im ganzen bisherigen Text erst zweimal verwendet und ist nicht sehr eingängig. (Assoziiert möglicherweise zu stark einen muslimischen Einfluss - Allah)


Ein Schauer der [blue]Angst[/blue] lässt Gabriallas Muskeln erzittern. [blue]Angst[/blue], aufgrund der Erinnerung an die Geschichten, die ihnen seit Beginn erzählt werden. Doch geht die [blue]Angst[/blue] nicht tiefgenug, um ständig bei ihr zu sein und ihr Handeln zu bestimmen, wie bei den anderen.
Durch leichte Umstellung des Satzbaus ließe sich die mehrfache Angst ganz einfach eliminieren.
Ein Schauer der Angst überfällt Gabrialla, ausgelöst durch die Erinnerung an die Geschichten, die ihnen seit Beginn erzählt werden, doch geht sie bei ihr nicht tief genug um ständig, wie bei den anderen, bei ihr zu sein und ihr Handeln zu bestimmen.


Instinktiv spannen sich ihre Muskeln an, [blue]um den Schauer zu stoppen[/blue].
Der Schauer wird ausgelöst durch Erinnerungen, wie könnte die Muskelanspannung darauf einwirken? Sie müsste mittlerweile völlig verkrampft vor Michelle stehen.
Hmm – streichen und in den nächsten Satz einbauen?


„Ich weiß“, seufzt sie zustimmend, „[blue]ich bin ja auch gleich fertig[/blue].“
Womit ist sie gleich fertig? Mit der noch nicht begonnenen Aufgabe?
Vielleicht so:
„Ich weiß“, presst sie hervor, mühsam die Gefühle unter Kontrolle bringend.


Michelle hat Recht, überlegt sie. Ich bin mit meinen Gedanken meistens bei den Gärten. Warum nur? Ich mag meine Freunde. [strike]Versichert sie sich selber. Ich bin gerne mit ihnen zusammen.[/strike] Warum schweifen meine Gedanken dann immer ab?[strike], will sie von sich wissen. Doch weis sie auch dieses Mal keine Antwort.[/strike] Sicher, wenn ich eine so langweilige Hausarbeit wie gerade machen muss, wer würde da nicht abschweifen? [strike]Versucht sie, ihre Gedankengänge zu rechtfertigen. Doch weiß sie selber, dass dies alleine nicht der Grund ist.[/strike] Meine Freunde sind nicht langweilig. Sie sind immer für mich da. Sie verstehen mich und wenn nicht, dann lassen sie mich nicht fallen, wie andere. Sie haben es verdient, dass ich ihnen meine volle Aufmerksamkeit gebe und nicht von der Freiheit träume.
Auch hier wieder – in der Innenansicht – sehr viele wiederholte und überflüssige Aussagen. Ich habe einfach mal alles gestrichen, was mir überflüssig erschien.


Entschlossen setzt sie sich aufrecht hin und straft ihre Schultern „Morgen, ich verspreche es. Morgen werde ich meine Aufgaben rechtzeitig erledigt haben.“ [strike]Verspricht sie.[/strike]
Ups – sie sitzt?
Klar, darum musste sich Michelle auch zu ihr hinabbeugen um zu flüstern. Der nach hinten schlitternde Stuhl erweckte aber eher den Eindruck, als sei Gabrialla aufgesprungen.
Das „Verspricht sie“ ist überflüssig.


„Gut,“ lenkt Michelle ein. „Dann sehen wir uns heute Abend im Schlafraum. Denk an die Sperrstunde" ermahnt sie, "du hast nicht mehr viel Zeit.“
„Und", mahnend lehnt sich Michelle zu ihr hinunter, „pass auf dich auf, [blue]Alla[/blue]. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, die [blue]Jäger[/blue] sind nie weit.“ Zitiert sie einen der Sprüche, die die Lehrer und Erzieher so gerne sagen, um die Lehrlinge zum gehorsam zu bringen.
Hier wieder der Spitzname.

Die Szene nähert sich nun dem Ende. Was folgt ist Michelles in Szene gesetzter Abgang und ein neuerlicher Ausflug in Gabriallas Gedankenwelt und ihre Abschweifungen, welche sich ebenfalls kürzen ließen.

Für meinen Geschmack leidet der Anfang sehr stark unter einem scheinbar ungenauen Setting. Im Verlauf der ersten Szene bin ich als Leser mehrfach gezwungen, mein „Bühnenbild“ anzupassen, sie hat in diesem Raum eine Aufgabe zu erfüllen, es handelt sich um eine Art „Klassenzimmer“, sie sitzt auf einem Stuhl vor einem Tisch, das anfänglich erwähnte Fenster ist völlig unwichtig ...
Ebenfalls ein Problem für den Anfang ist die mehrfache Ausführung der abschweifenden Gedanken Gabriallas.


Oh weh – die erste Szene, nicht ganz das erste fünftel des ersten Kapitels aber bereits ein Berg an Anmerkungen. Ja, ich habe den Einstieg seziert – und ja, die Anmerkungen lassen sich weitestgehend auf den Rest der Geschichte übertragen.


Ich unterbreche hier erst einmal meine Ausführungen, werfe Dir alles vor die Füße und betrachte wohlwollend Deinen entsetzten Ausdruck. Es ist halb so schlimm.


Ausgehend vom Klappentext scheint Deine Geschichte etwas interessantes zu bieten. Der Weg dorthin ist mühsam, für mich als Leser im einfachen und als Kommentator im besonderen Fall.


Anmerkungen zum Stil:
Ich habe den Eindruck, als würdest Du sämtliche inneren Monologe Gabriallas (ihre Gedanken) in GROßSCHRIFT darstellen. Solche Blöcke sind zum einen sehr schwer zu lesen. Zum anderen gelten Großbuchstaben in der Literatur (und auch in Kommentaren) als „schreien“.

Anmerkungen zur Perspektive:
Was hältst Du von der Idee, die ganze Geschichte aus der Ich-Perspektive Gabriallas zu inszenieren?



Herzlichste und aufmunternde Grüße
Frank
 
Hallo Frank,

erst einmal: Danke für deine Zeit und sorry, dass ich so lange mit der Antwort gebraucht habe (Es ist Sommer und da ist meist Zeit knapp)


Mittlerweile ist Dein Text zum „Werk des Monats“ gekürt worden,
Was mich immer noch (extrem freudig) überrascht.




Zunächst noch einmal meine Gratulation für die Wahl zum „Werk des Monats“.
Danke :)

Die zuständige Redakteurin „flammarion“ honoriert damit, so denke ich, das Potenzial, welches Deinem Stück innewohnt.
Das kann natürlich sein und wäre eine Freude für mich.

... sich von den Wächtern bedroht fühlen.
Das ist nur die Hälfte. Das ist wohl ausbaufähig. Wächter sind bedrohlich, weil sie die Menschen ernten, aber sie sind es, die die Menschen vor der wahren Bedrohung schützen. Die Jäger, die in bis jetzt nur erwähnt, aber nie aufgetaucht sind und das aus gutem Grund.


, Wenn die Wächter gegen die Farmer agitieren, wenn bewachen die Wächter dann? Gibt es noch eine dritte Fraktion?
Die Wächter agieren nicht gegen die Farm. Sie sind die Hüter der Menschenherde, die die Farm bewirtschaftet.
Ja, es gibt eine dritte Fraktion. Wenn man will, sogar eine Vierte. Die Dritte sind die Jäger, die vierten die Herren (Ebenfalls in der Geschichte erwähnt.) Wächter sind nicht die Herren. Die Wächter dienen den Herren.

...Klappentext erklärtest, die „Geschichte sei fertig und umfasse 97.000 Zeichen“. Diese Zahl hast Du bereits mit den ersten beiden Teilen gesprengt.
Oje, ich habe eine Null vergessen. Wobei ich auch schrieb, dass ich sie gerade noch einmal überarbeite.



Die Erzählperspektive
Von Anfang an werden alle Situationen, Ereignisse und Figuren aus Gabriallas Blickwinkel dargestellt. Es wäre fantastisch, wenn Du dies über den gesamten Roman hinweg durchhieltest.
Habe ich tatsächlich durchgehalten. Und nicht nur über diesen, sondern auch den beiden Weiteren.


Die Schilderung von Geschehnissen an anderen Orten erforderten eine allwissende Perspektive, also einen neutralen Erzähler.
Ja, das weiß ich. Im dritten Buch bin ich am überlegen, noch eine Zweite Perspektive dazu zunehmen. Bin mir aber noch unschlüssig.

Hast Du schon einmal daran gedacht, die Gabrialla aus der „Ich-Perspektive“ zu schildern? Die tiefen Inneneinsichten in die Figur wären dann, so denke ich, einfacher zu konstruieren.
Ich gestehe, ich habe Probleme mit der reinen „Ich-Perspektive“. Außerdem wirkt sie auf mich langweilig. Eintönig.


Deine weitere Analyse habe ich ebenfalls gelesen, werde hier jetzt aber nicht weiter im Detail darauf eingehen.
Ich fand sie konstruktiv und auch inspirierend. Habe da schon einige neue Gedanken.


Bezüglich des Spitznamens: Alla. Ja, mir ist bewusst, an was dieser erinnert. Sei es drum. Es ist eine Fantasy-Geschichte. Der Name hat nichts mit dem anderen zu tun.



... betrachte wohlwollend Deinen entsetzten Ausdruck.
Da muss ich dich enttäuschen :) Das entsetzten bezog sich auf die Länge deines Textes, nicht auf den Inhalt.

, Es ist halb so schlimm.
Danke für die Aufmunterung :D


Ausgehend vom Klappentext scheint Deine Geschichte etwas interessantes zu bieten. Der Weg dorthin ist mühsam, für mich als Leser im einfachen und als Kommentator im besonderen Fall.
Zumindest habe ich jetzt einige Anhaltspunkte an denen ich mich, beim Optimieren orientieren kann,


Anmerkungen zum Stil:
Ich habe den Eindruck, als würdest Du sämtliche inneren Monologe Gabriallas (ihre Gedanken) in GROßSCHRIFT darstellen. Solche Blöcke sind zum einen sehr schwer zu lesen. Zum anderen gelten Großbuchstaben in der Literatur (und auch in Kommentaren) als „schreien“.
Ich weiß. Ehrlich gesagt entsprang das meiner Frustration darüber, dass hier kursiv nicht übernommen wird. Ich befürchtete, einen Monolog zu übersehen, und versuchte das so zu lösen.

Zum Schluss noch einmal ein dickes Danke für deine Zeit, die dir meine Geschichte gestohlen hat. :D

Gruß
Helene
 
Kapitel 1 Freunde

„Aufstehen!“, hallt die Stimme fröhlich durch den Raum und zerrt ihr Bewusstsein aus dem dunkel des Schlafes. Gleichzeitig springen ihre Augen auf und spannt sich ihr Körper an. Ihr Herz pocht schwer in den Ohren und Ihr Atem hämmert in ihrer Brust. Bereit zum Kampf springt ihr Blick Hecktisch durch den Raum. Doch sieht sie nur die zwei Erzieherinnen, wie sie in den Raum eilen.
„Ein neuer Tag hat begonnen“, trällert es unbeirrt von der Tür weiter. Gefolgt von knarren, als sich Metall in Metall bewegt, dort, wo die Erzieherinnen mit einem Stock an der Deckenlucke zerren.
Bevor ihr Bewusstsein vollständig erwacht ist, die Situation begreifen kann, hat ihr Instinkt die Lage erfasst und für ungefährlich erklärt. Der Anspannung ihre Muskeln beraubt, sinkt ihr Körper schlaff zurück auf ihren Schlafplatz.
Verschlafen, in das, durch die Tür herrein strömende Licht blinzelnd, erwacht langsam ihr Bewusstsein. Grelles Licht strömt sogleich aus den Deckenluken und erhellt den Bereich darunter.
„Los los, nicht trödeln,“ mahnt die Hausherrin, „die Farm wartet nicht auf euch.“
Was?, fragt sie sich ungläubig. Ist es schon wieder Zeit zum Aufstehen? Verschlafenes Stöhnen dringt aus ihrer Kehle, als sie sich müde streckt, und wird von vielen Stimmen zurückgeworfen. Alt bekannt und dennoch seltsam unwirklich, an diesem Morgen. Weiteres Knarren, deutlich näher bei ihr, drängt sie, ihren Kopf unter das Kissen zu stecken.
Ich bin noch nicht bereit, jammert sie verschlafen und versucht noch etwas Zeit zu stehlen.
„Beeilt euch“, erklingt die Stimme erneut, gefolgt von weiterem Knarren. „Das Training beginnt bald.“ Als währe dieser Tadel eigens für sie, erklingt das Knarren nun über ihr und grelles Morgenlicht umschließt sie. Helles Licht durchdringt ihr Kopfkissen und lässt sie ihre Augen schließen. Noch immer will sie sich nicht dem Tag, den Licht der Sumza stellen. In dem Versuch, noch einige Herzschläge Dunkelheit und Ruhe zu finden, dreht sie sich auf den Bauch und versenkt ihr Gesicht im Laken ihres Bettes.
Ich bin noch nicht bereit für den Tag!, jammert sie, das Kissen fester über sich drückend. Das Licht ist einfach zu grell.
„Los Langschläferin“, hört sie Michelles fröhliche Stimme neben sich, „wenn wir zu spät sind, gibt es nichts mehr zum Essen.“
Ein genervtes Stöhnen ist die einzige Antwort, zu der sie sich durchringen kann.
Essen? Wer braucht schon diese Pampe, die mit jedem Tag wiederlicher zu werden scheint? Dennoch weiß sie: Ich darf nicht mehr lange liegen bleiben!
„Lagst du gestern wieder lange wach?“, hört sie Marie kichern.
Wie kann man so früh am Tage nur so guter Laune sein?
Mit einem tiefen Seufzen, in dem sie all ihren Unmut und ihre Müdigkeit mitschwingen lässt, dreht sie sich herum. Widerwillig, in dem Wissen, das sie keine Ruhe mehr bekommen wird, hebt sie ihr Kissen an. Doch nur so weit, dass sie gerade nach draußen blicken kann.
„Wie könnt ihr nur so früh schon so fröhlich sein?“, verlangt sie, zu wissen. Doch erntet sie nur Gekicher.
„Wir anderen sind halt keine Mondblumen, Gabrialla.“, flötet Marie mit ihrer klaren Stimme.
„Marie, bitte.“, hört sie Michelle tadeln.
„Was den? Mondblumen sind schön.“, verteidigt sie sich und den Beiname, den sie ihr vor langer Zeit gegeben hat. „Sag mir, dass du diesen Namen unpassend findest und ich werde ihn nie wieder erwähnen.“
Es dauert nur einen Herzschlag, in dem sich die Freundinen entgegenblicken, bevor Marie es nicht mehr aushält und in lautes Gekicher verfällt.
„Na los,“ wendet sich Michelle noch einmal, mit ernsterer Stimme zu, „Jetzt wird es aber Zeit, Gabrialla!“ Dabei erhebt sie sich von ihrem Bett und tritt an ihres. „Willst du wirklich die Letzte sein?“ Eindringlich Blicken sie die Augen ihrer Freundin an. „Heute? Am Tag der letzten Prüfung?“
„Nein!“, erwidert sie aufgeschreckt aus ihrem Halbschlaf.
„Dann komm“. Ein breites Grinsen erscheint auf Michelles Gesicht, ehe sie sich von Gabriallas Bett abstößt und die Decke mit sich zieht. Nur halbherzig versucht Gabrialla, sie daran zu hindern.
Warum ist mein Bett immer unter einer dieser Luken?, empört sie sich blinzelnd. Langsam erwachend, streift sie ihr Kissen von sich und versucht ihren Blick zu schärfen. Doch, ihre Augen schmerzen in dem grellen Licht der frühen Sumza und weigern sich scharf zu sehen. Seit elf Zyklen liege ich immer unter einer Lichtluke, schimpft sie.
Es dauert nicht lange, bis der stetig wachsende Lärm, der rein und raus laufenden Mädchen, sie in den Waschraum treibt.
„Heute ist der große Prüfungstag“, begrüßt Marie sie unruhig vom neben Handbecken. Gabrialla lässt ihren Blick zum Kaschar gleiten und sucht darin das Ebenbild ihrer Freundin. „Fühlst du dich gut vorbereitet?“, fährt diese fort, sobald ihre Blicke sich gefunden haben.
Auch Gabrialla ist nicht frei von Unruhe. Ihr Magen grummelt, ihre Muskeln sind angespannt und ihr Nacken schmerzt. Ein Teil von ihr drängt sie, zu fliehen. Drängt sie, das alles hinter sich zu lassen. Doch sie weiß, dass sie dem nicht entkommen kann. Das sie diese Hürde nehmen muss um das Leben, die Aufgabe zu bekommen, die sie sich so sehnlich wünscht.
Träge, immer noch nicht richtig wach, murmelt sie: „Ich denke schon.“ Routiniert breitet sie ihre ersten Waschutensilien vor sich aus und lässt Maries aufgeregtes Geplauder über sich ergehen.
„Ich bin ja so nervös,“ erzählt diese. „Ich meine, es sind die letzten Prüfungen. Das war es dann!“ Gabrialla beobachtet, wie ihr Blick sich, den Gedanken folgend, in die Ferne richtet.
Ihr eigener Kopf hingegen ist leer, als sie ihr verschlafenes Gesicht im Kaschar betrachtet.
Ich bin einfach noch zu müde für das hier! Widerwillig öffnet sie den Wasserfluss und schöpft sich die kalte Flüssigkeit in ihr Gesicht. Brr, ist das frisch. Doch, statt zurückzuschrecken, schöpft sie sich eine zweite und eine dritte Hand voll des kühlen Nasses entgegen.
Das Wasser tropft ihr vom Gesicht, als ihr Blick wieder zum Kaschar wandert. Auch nicht viel besser. Kommentiert sie das, was sie sieht.
Ihr Blick wander zu Marie, die gerade dabei ist ihre Haare, die während des Schlafens aus der Frisur geflüchtet sind, wieder in Form zu bringen. Wie kann man so früh nur so gut aussehen? So eine gute Laune haben?
„Ah“, hört sie, auf einmal ein Mädchen quieken. Aus ihren Gedanken gerissen, lässt Gabrialla ihren Blick schweifen.
Gekicher und das Klatschen, nackter Füße auf Stein verraten, dass die Lärmenden den Waschraum verlassen. Ihr Blick offenbart, dass sich nur noch wenige der älteren Lehrlinge im Waschraum aufhalten und erinnert sie: Ich muss mich beeilen, ansonsten bin ich noch hier, wenn die Jüngeren kommen! Davon abgesehen, dass ich noch zu spät zum Training kommen werde. Als hätte diese nichts von der Unruhe bemerkt, plappert Marie erneut auf sie ein. „Nach dieser Prüfung wird sich für uns alles Ändern.“, meint diese sehnsüchtig.
„Aber, doch nicht gleich.“, sieht sie sich gedrängt, zu korrigieren. „Nach den Prüfungen kommen doch erst die Auswahl und dann die Vorbereitung.“ Als sie nach ihrer Bürste greift, stockt Gabrialla. Zweifelnd starrt sie auf ihre Haare.
„Ja,“ antwortet Marie unterdessen, scheinbar ungerührt von Gabriallas steigender Unruhe, „schon, aber nach den Prüfungen kommen die Eignungstests und da kann man doch nicht lernen. Wir bekommen keine Lernaufgaben oder so, meine ich.“, erklärt sie, vor Aufregung fast schon auf der Stelle hüpfend. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wozu wir bestimmt werden. Und dann, dann werden wir endlich erfahren, welcher Arbeit wir zugeteilt werden.“, erwidert sie aufgeregt. Während der gesamten Zeit bleibt ihr Blick an Gabrialla geheftet. Auch jetzt, als sie ihre Frisur vollendet hat und ihre Utensilien zusammen räumt, schweift ihr Blick nicht von Gabriallas Gesicht.

SCHAUT EUREM GESPRÄCHSPARTNER IMMER IN DAS GESICHT.

Erklingt eine der Regeln in Gabriallas Kopf und macht ihr bewusst, dass sie schon wieder begonnen hat gegen diese zu verstoßen. Sehr schön! Der Tag wird immer besser.
Energisch zieht sie mit der Bürste an einer Strähne ihrer Haare. Sie spürt, wie einige Nachgeben, doch der Schmerz interessiert sie nicht. Sie will nur fertig werden.
In dem Versuch, den Regeln zu folgen, wendet sie ihre Aufmerksamkeit Marie zu. „Du bist ja vollkommen aus dem Häuschen. Was ist denn los?“
Nun jedoch vollkommen aus ihrer Tätigkeit gerissen, lässt Gabrialla ihre Arme sinken. Hin und her gerissen zwischen Zorn und Ungeduld sieht sie dabei zu, wie sich die Strähnen wieder aus ihrer Frisur winden. Frust überschattet ihre trägen Gedanken und bringt den Drang mit sich, die Bürste quer durch den Raum zu schleudern. Vielleicht nur einen Herzschlag bevor sie dem Drängen nachgibt, taucht Maries Hand in ihrem Blickfeld auf.
Verwirrt, braucht sie zwei Herzschläge um diese Geste zu verstehen. Dann lässt sie, ohne zu Fragen, die Bürste in die dargebotene Hand sinken. Dankbarkeit umschließt sie. Lässt die anderen Gefühle weichen und Scham in ihr erwachen.
„Wenn wir unsere Arbeit haben und Erwachsen sind,“ hört sie es hinter sich weiter zwitschern, „können Juls und ich endlich offiziell zusammen sein.“
Das ist es also!

SOBALD IHR ERWACHSEN SEIT, SOLLTE ES EUER ZIEL SEIN, EUEREN PARTNER ZU FINDEN. DEN PARTNER, DER EUER LEBEN TEILEN WIRD.

Die Partnerwahl, ist das vierte von insgesamt sieben großen Ereignissen in ihrem Leben. Sieben Lebensentscheidungen, von denen nur diese eine ihrer freien Wahl unterliegt.
Schlagartig beginnt Maries Vorfreude auf sie über zu greifen. Doch es ist nicht dieses Ereignis, dem sie entgegenfiebert. Es ist das Dritte.

MIT DEM ABSCHLUSS DER LEHRE, SEIT IHR ALS ERWACHSENE IN DIE GEMEINSCHAFT AUFGENOMMEN.

Bald ist es soweit. In Erinnerung an alles, was sie sich damit erhofft, beginnt ihr Herz im Takt zu Maries Gehüpfe zu schlagen. Sobald ich Erwachsen bin und der Farm zwei Kinder geschenkt habe, kann ich, in meiner freien Zeit, mein Leben leben wie ich will. Ich brauche keinen Partner, der mich einschränkt. Ich will die Kinder nicht selber aufziehen. Marie und Juls hingegen, entsinnt sie sich, sind schon so lange ein Paar. Ich kann mir die beiden ohne den andern nicht vorstellen.„Ich freu mich für euch.“, sieht sie sich, gezwungen zu erwidern.
„Sobald wir offiziell als Erwachsen gelten, werden wir den Antrag stellen und dann dürfen wir der Farm Kinder schenken.“
Ich weiß nicht, wie man sich darauf freuen kann, überlegt Gabrialla abgestoßen. Wie kann man eine Zeit herbei sehnen, in der man immer dicker wird und kaum noch etwas machen kann? Während Marie also weiterhin von ihrem Leben mit Juls schwärmt, lässt Gabrialla ihren Blick und ihre Gedanken schweifen. Ihr Blick gleitet über die gewölbte Decke, die hinter ihrem Kaschar noch etwa Zehn Fußlängen weiter geht, um dort auf die Rückwand der Duschen zu treffen. Indessen gleiten ihre Gedanken zu ihrem Besuch im Vorbereitungskurs für Gebärende. Sie erinnert sich, wie sich die Frauen schwerfällig bewegten. Wie sie so oft Hilfe brauchten. So hilflos! So schwach!
Träge folgt ihr Blick einer Gruppe, als diese den Raum verlässt. Wie kann man ersehen, von lärmenden Bälgern belagert zu werden?,überlegt sie schaudernd. Ekel kribbelt in ihrem Nacken und lässt die Haare auf ihren Unterarmen sich erheben. Der Raum ist fast leer, als Gabrialla von draußen Lärm hört. Erschrocken springt ihr Blick zur Tür und sie lauscht. Die Bälger kommen!
In diesem Moment bemerkt sie erleichtert, das Marie die Bürste beiseitelegt. Mit hektisch klopfenden Herzen dreht Gabrialla sich herum und schließt ihre überraschte Freundin pflichtbewusst in eine innige Umarmung. „Ich freu mich ehrlich,“ bekräftigt sie, mit schlechtem Gewissen, ihre Freundin. Sollen diese Ereignisse doch eine Freude, ein ersehntes Ziel für jeden hier lebenden Menschen sein. „Und ich wünsche dir und euch alles Gute.“, schiebt sie nach, löst sich aber schnell wieder aus der Umarmung und greift nach ihren Sachen. „Davor müssen wir aber erst einmal die letzte Prüfung hinter uns bringen. Du willst doch nicht, dass ein schlechter Schnitt dir deine Stellung nimmt?“ Versucht sie, Marie neckend anzutreiben, als schon die erste Gruppe der jüngeren Lehrlinge in den Raum drängt. Willig lässt sich diese, immer noch in ihrer Freude schwimmend, mitziehen. Ungeduldig, doch um Zurückhaltung bemüht, zerrt Gabrialla sie zur Wäschekammer.
Passend für die Zeit des Körpers angezogen, eilen die Freundinen anschließend die Treppen zum oberirdischen Teil der Lehranstalt hinauf. Ihr Weg führt sie vorbei an den Räumen der abschließenden, den ältesten zwei Gruppen der Lehrlinge, wo sie Michelle einsammeln wollen.
Wie jeden Morgen, seit der Prüfung der Lehrlinge, sitzt diese hier, um mit anderen, gleichgesinnten, das gelernte noch einmal zu wiederholen.
Ich hätte mich den anderen auch anschließen müssen, meldet sich ihr schlechtes Gewissen. Welche anderen?, will ein anderer Teil von ihr wissen. Wer hätte mit mir gelernt? Von denjenigen, die Ländler werden wollen, sicher keiner!, entgegnet sie frustriert. So wenige, wie es auch sind, die sich freiwillig dafür entscheiden. Energisch schiebt sie die negativen Gedanken von sich. Nein, heute kann ich sie wirklich nicht brauchen. Heute muss ich fit sein.
„Aber, ein sechs Zyklus Lehrling kannst du nicht wie einen sechzehn Zyklus Lehrling behandeln, Zia.“, hört Gabrialla einen Jungen, an ein Mädchen gewand sagen. Sie versucht sich nicht einmal, an ihre Namen zu erinnern. Uninteressant!, kommentiert sie, als sie vor dem Raum stehen bleibt.
„Das weiß ich.“ Erwidert diese, als würde er nicht verstehen wollen. „Ich meine doch nur, dass beide nach den Regeln behandelt werden müssen. Du kannst keine Ausnahme machen. Die Regeln müssen befolgt werden und wer das nicht tut, muss mit Konsequenzen rechnen.“
Die Regeln müssen befolgt werden, imitiert Gabrialla bissig die Worte des Mädchens, während ihr Blick über die anwesenden Lehrlinge wandert. Dabei braucht sie Michelle nicht zu suchen. Wie die Tage zuvor, sitzt diese, mit dem Rücken zur Glaswand und nahe der Tür. Bewusst außerhalb des Raumes, an der Tür stehen geblieben, lässt sie Marie zu ihr gehen.
„Wie kann ein neuer Lehrling sich nach den Regeln richten, wenn er sie noch nicht alle kennt?“, meldet sich Michelle. „Sie sind doch hier, um diese zu lernen. Aber, genug davon. Es wird Zeit!“ Eilig folgen die anderen ihrem Beispiel und sammeln ihre Unterlagen zusammen. Nicht jedoch, ohne weiter zu diskutieren. Widerwillig folgt Gabrialla der Diskussion, während ihr Blick nach draußen gerichtet ist.
Ob der Wächter immer noch da draußen ist? Aber nein!, erinnert sie sich, sie kommen doch nur bei der Ernte, dem letzten großen Ereignis, bei Tage in den Bereich der inneren Gebäude.
Als ihre Freundinen endlich bei ihr sind, eilt sie, sicher, dass diese ihr folgen, zu ihrem Platz auf der großen Fläche.

Vierundneunzig Zehntstriche Später, befinden sich die, mehr oder weniger erschöpften Freundinen erneut auf dem Flur. Erneut auf dem Weg in die Waschräume und die Wäschekammern, um sich für das Frühessen zu richten.

Kurze Zeit später steht eine, von Hunger geplagte Gabrialla verloren vor dem Essensraum.
Wo bleiben sie nur? Ich hab gestern Abend nicht viel von der Pampe essen können und schon seit dem Aufstehen Hunger. Jedoch muss sie noch eine gefühlte Ewigkeit warten, bevor sie ihre Freundinen, zwischen den anderen findet. Ungeduldig verlagert sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den Anderen, während sie gegen den Drang ankämpft vorzulaufen.
„Kommt schon, ich habe Hunger und es riecht so gut hier.“, versucht sie, die Gruppe anzutreiben.
„Als hättest du in den letzten Tagen etwas anderes gehabt.“, erwidert Juls abfällig, während er seinen Blick über ihren unnatürlich sportlichen, Körper gleiten lässt.
Gabrialla überkommt ein fast unbändiger Drang, ihm weh zu tun, doch ihre Erziehung hält sie zurück. Stattdessen gleitet ihr Blick über Maries zu Michelles so perfekten weiblichem Körper. Beschämt kreuzt sie ihre Arme vor sich.
Davon wachgerufen, schiebt sich eine Erinnerung in ihr Bewusstsein. Ihre Begegnung mit dem Wächter, vor wenigen Nächsten. Sie erinnert sich an ihre Neugierde und ihre fehlende Angst und ein Schauder läuft ihren Rücken hinab. Doch das kann ihre Neugierde nicht verhindern und sie fragt sich: Was hat er, so früh am Abend, nur hier gewollt?
„Gib Ruhe, Juls.“, ruft Michelle zur Ordnung, während sie sich zwischen ihn und Gabrialla schiebt. „Du weißt, dass wir Frauen nach dem Training immer Hunger haben. Stimmt doch, oder Marie?“, wändet sie sich an die Freundin. „Abgesehen davon, hast du gesehen, wie sie Gabrialla heute wieder getrieben haben“ Demonstrativ schiebt sie nun ihren Arm durch Gabriallas, greift nach ihrer Hand. „Wie schaffst du das nur? Ich bin jedes Mal erstaunt, dass du nicht zusammen brichst.“
„Naja, so viel ist es auch nicht.“, wiegelt Juls grinsend ab. „Wir Jungs hingegen ....“
„Was heißt hier nicht viel?“, empört sich Michelle. „Sie läuft die doppelte Anzahl an Runden als ich. Ich bin auch fest überzeugt, dass sie jede Übung doppelt macht. Was macht ihr mehr. Juls?“, möchte sie erfahren und sein Grinsen schwindet. „Aufbau eurer Armmuskeln?“, hilft sie Juls weiter, als dieser sie, um Worte ringend ansieht.
Hast du immer noch nicht gelernt, dass du dich mit Michelle nicht in einem Wortgefecht messen kannst?, amüsiert sich Gabrialla.
„Du weißt noch, was beim letzten Mal passiert ist, als du Gabrialla zu einem Wettkampf aufgefordert hast?“, neckt Michelle ihn weiter, während Gabrialla sich immer unwohl unter seinem Blick windet. Ungeschick versucht sie, sich hinter ihre Freundin zu schieben. Doch, sie ist größer und noch immer in ihrem Griff gefangen. „Na los Gabrialla,“ erklingt, als hätte sie ihren Widerwillen gespürt, Michelles triumphierende Stimme erlösend, „lass uns sehen, was es heute Leckeres gibt“.
Juls folgt ihnen geschlagen, doch mit Marie an seiner Seite. Gabrialla kann sie flüstern hören, bis sie vom Lärm des Essensraumes verschlungen werden.
Endlich an der Theke angekommen, stapelt Gabrialla, viel zu gierig diverse, verführerisch aussehende Speisen auf ihr Tablett. Gerne würde sie von einigen mehrnehmen, doch der strenge Blick der Zuteiler, hindert sie daran.

Als sie einen Tisch gefunden haben, kann sie es kaum erwarten, bis alle sitzen. Von nagendem Hunger gedrängt, greift sie nach einer Frucht und beißt ein großes Stück ab. Doch dieser Bissen lässt ihren Appetit vergehen. Wäh, wie das schmeckt. Wie Dreck! Ungesättigt knurrt ihr Magen, droht aber gleichzeitig, jede weitere Portion dieser Speisen, umgehend zurückzuschicken. Sie kann dem ungewohnten, wachsenden Hunger nichts entgegensetzen und lässt ihren Blick verzweifelt über das mitgebrachte gleiten. Als sie das Stück Fleisch sieht, läuft ihr erneut das Wasser im Mund zusammen. Halb verhungert, trennt sie ein Stück von ihrer Fleischportion und schlingt es hinunter. Zustimmend gibt ihr Magen ein aufgeregtes Murmeln von sich, woraufhin sie sich über den Rest hermacht. Erleichtert kaut Gabrialla an dem letzten Happen.
Nicht genug! Das Stück, das ihr zugeteilt wurde, reicht nicht. Gehetzt beginnt ihr Blick umher zu wandern. Auf der Suche nach etwas, das dem Fleisch gleich kommt. Doch, da ist nichts mehr.
Ein Stück ist nicht genug! Nervös, dem nagenden Hunger in sich nicht gewohnt, kann sie dem Drängen, aufzustehen und mehr zu verlangen, kaum noch standhalten.
Das ist gegen die Regeln! Eine seltsame, von ihrem Magen ausgehende Wärme, erfüllt ihren Bauchraum. Zeitgleich beginnt eine Schwäche sie zu überfallen und ihre Finger zum Zittern zu bringen. Ihr Blickfeld verengt sich, während etwas in ihr sich regt. Sich streckt und am Rande ihres Bewusstseins kratzt.
Da erscheint eine Hand, die ein weiteres Stück auf ihrem Teller ablegt. Mit einem Herzschlag wird sich Gabrialla ihrer Umwelt wieder bewusst. Der Lärm im Raum bricht über sie herrein, zerrt sie aus ihrem Inneren und in den Raum zurück. An den Tisch zu ihren Freunden. Irritiert vom Geschehen, folgt Gabrialla der Hand zum Arm und zu Michelles Gesicht.
Mit einem freundlichen Lächeln streift Michelle das Stück von ihrer Gabel. Beschämt über ihre Gier, ihren so seltsamen Hunger, senkt Gabrialla wieder ihren Blick.
„Danke.“, schafft sie es, noch zu nuscheln als sie ihre Gabel in das Fleisch sticht und einen Bissen abschneidet.
„Nicht dafür, Gabrialla.“, wiegelt diese ab, gefolgt von: „Gib mir lieber etwas von den Früchten.“.

DIE FARM IST FÜR ALLE DA. KEINER SOLL WENIGER HABEN WIE DIE ANDEREN UND KEINER BRAUCHT MEHR. ALLE SIND GLEICH.

Immer den Regeln der Gesellschaft, nach Teilen und Gleichheit folgen, spottet Gabrialla neidisch, auf die Fügsamkeit ihrer Freundin.
Obwohl der Hunger fortwährend an ihr nagt, zwingt sie sich nun langsam zu Essen. Zwingt sich, zumindest annähend den Regeln zu folgen. Sie schafft es aber nur mit Mühe, ihre Aufmerksamkeit von dem Fleisch zu lösen und der Unterhaltung ihrer Freunde zu folgen.
Froh, dass keiner sie anspricht, lässt sie den Fluss der Unterhaltung an sich vorbei gleiten.

SEIT IMMER AUFMERKSAM. JEDER HIER IST EUER NÄCHSTER, KEINER WENIGER ALS DER ANDERE UND KEINER MEHR.
WENDET EURE AUFMERKSAMKEIT EURER UMGEBUNG ZU. AUF EUCH GERICHTET LIEGT SIE FALSCH.
FREUNDE SIND WICHTIG. FREUNDE MACHEN UNSERE GEMEINSCHAFT AUS. DIE GEMEINSCHAFT IST UNSER HÖCHSTES GUT.
HABE IST NUR GUT, WENN MAN SIE MIT ANDEREN TEILT. GERECHT IST NUR, WENN ALLE HABEN, WAS SIE BRAUCHEN.

Doch, weder Michelles und Maries Unterhaltung über Kinder, noch Juls und Svens über die Vorteile der Metall- und Holzarbeit, interessieren sie. Natürlich muss sich jemand um die Bälger kümmern, ist ihr bewusst, ich verstehe nur nicht, wie man sich darauf freuen kann.

DIE KINDER SIND UNSER GESCHENK. SIE SIND DASS, WO FÜR WIR SORGEN SOLLEN, NICHT WIR SELBER. WIR MÜSSEN SICHER SEIN, DAS SIE GESUND UND WOHLBEHALTEN LEBEN KÖNNEN.

Warum? Was ist hier so schön? Was wird hier Kindern geschenkt? Der Kontrolle? Den Regeln? Dem eingesperrt sein? Oder der Angst? Warum ist unser einziges Ziel das Fortbestehen? Der Ernte. Alleine unserem Ende ist es, dem wir sie schenken, ist sie sich sicher. Nichts anderes ist es, was uns alle erwartet.
Ansatzweiße gesättigt, lehnt sich Gabrialla zurück und lässt ihren Blick durch den Raum gleiten. Wenn ich nur daran denke, dass hier gleich die kleinen Bälger auftauchen, stellen sich mir die Haare auf. Das Geräusch der gedämpften Unterhaltungen um sie herum, tritt in den Hintergrund, als sie ihre Aufmerksamkeit nach draußen richtet. Da sind sie schon, die Ersten, Mittelalten. Werden von den Erziehern wieder in die Waschräume gescheucht, um sich für das Essen vorzubereiten. Es wird Zeit, dass wir gehen, entscheidet sie, bevor sie hier her kommen. Ich bin nur froh, seufzt sie erleichtert, dass die Jüngsten jetzt draußen, auf der großen Fläche sind um ihre Körper zu trainieren. Entschlossen greift sie zu ihrem Becher um ihn in eine Zug zu leeren. Seltsam, überlegt sie stockend, noch den letzten Schluck im Mund, das Essen wird immer Fader, immer scheußlicher, doch das Trinken scheint immer besser zu werden.
„Gabrialla?“, die leichte Berührung auf ihre Schulter lenkt sie von ihren Gedanken ab, als das Wort bedeutungslos in ihren Ohren nachklingt. „Wo bist du schon wieder?“, kichert Michelle neben ihr.
Wie lange war ich so da gesessen? Wie viel Zeit ist schon wieder vergangen?
„Wir wollen gehen. Es wird Zeit den Raum für die Jüngeren frei zu machen.“
Richtig, die Jüngeren, dämmert es ihr erneut. „Sicher, lasst uns gehen.“ Ihre Freundin entgegen lächelnd, zwingt sie sich langsam von dem Stuhl auf zu stehen. Vorsichtig, um ja niemandem im Weg zu stehen oder sonst wie negativ aufzufallen, folgt sie den Freunden erst zur Rückgabe und dann zur Getränkeausgabe.
Träge schiebt sich die schweigende Schlange vorwärts, begleitet vom stets freundlichen und doch monotonem Singsang einer der Verteilerinnen.
„Bitte nichts verschütten.“
„Die Getränke sind auf eure Bedürfnisse abgestimmt.“
„Achtet darauf, nur euer Trinken zu euch zu nehmen.“
„Bitte zum Mittentag die leeren Behälter zurückbringen.“. Wie kann man nur so eine Aufgabe machen wollen? Haben sie sich diese wirklich ausgesucht?, überlegt sie, skeptisch die Verteilerinen, hinter der Getränkeausgabe, musternd. Jeden Tag stumm an die Lehrlingen Essen und Trinken verteilen. Was ist den das für eine Aufgabe? Wenn ich daran denke, den ganzen Tag hier unten eingesperrt sein zu müssen. Trotz der nervenaufreibenden Langsamkeit, bemüht sich Gabrialla mit der Masse zu treiben. Tag für Tag das gleiche. Keine Luft, keine Abwechslung. Nur die trostlosen Wände um sich, schaudert es sie.
Als sie endlich ihren Behälter hat, drängt es sie noch stärker zur Flucht. Nein, ich darf hier nicht laufen. Nicht hier, wo die Erzieher mich beobachten. Ich darf, so kurz vor dem Abschluss, nicht noch eine Strafe riskieren, hält sie inne. Ich bin am Ende der Prüfungen. Bald ist es vorbei und ich kann gehen. Jetzt muss ich mich aber noch beherrschen. Muss den Regeln folgen. Sonst ist alles vergebens gewesen!
„Was ist los, Gabrialla?“, zieht Michelles besorgte Stimme sie aus ihren zehrenden Gedanken. „Du wirst doch wohl jetzt nicht doch nervös werden?“
„Was?“, spottet Marie da neckisch. „Die furchtlose Gabrialla soll nervös sein? Das währe das erste Mal.“ Doch das hindert sie nicht, diese ebenfalls besorgt zu mustern.
Wäre es das? Wirklich?
„Es ist eine wichtige Prüfung, die wir vor uns haben, Marie.“, tadelt Michelle. „Jeder hat das Recht, nervös zu sein.“
Gabrialla weiß nicht, was sie darauf antworten soll.
„Was ist? Wollen wir los oder habt ihr vor hier stehen zu bleiben?“, unterbricht Juls die immer schwerer auf Gabrialla lastende Stille. „Die Prüfungen werden nicht auf uns warten.“
Als habe es nur dieses Stichwort gebraucht, setzt sich die Gruppe in Bewegung. Fast könnte man glauben, es wäre nichts passiert und ein ganz normaler Tag, doch Gabrialla bemerkt die Unterschiede. Bemerkt, wie Michelles Blick immer wieder über sie gleitet. Bemerkt Maries angespannte Schultern und wie sie sich an Juls lehnt. Sieht, wie Sven nervös mit den Schultern kreist und unruhig, ganz ungewohnt, die Hände beim Sprechen mit benutzt.
Erst folgen alle dem Flur in Richtung ihrer Schlafräume, bevor erst die Jungen und dann die Mädchen in ihre Waschräume abbiegen um sich für den Tag zu richten. Eilig säubern sie ihre Zähne, prüfen ihre Haare, ihre Haut und ihre Kleidung.

PERFEKTE ZÄHNE, SCHÖNE HAUT UND HAARE FÜR EIN GESUNDES LEBEN.
SAUBERE KLEIDER UND EIN NETTES LÄCHELN FÜR DIE GEMEINSCHAFT.

Gabrialla hat das Gefühl, als sei die Stimmung im Waschraum vor Nervosität durchtränkt. Seltsame Empfindungen durchzucken sie selbst. Nervosität ist nur eine, Hunger ist die Drängendste. Das ist nur die Nervosität. Was soll es anders sein? Eine Prüfung nur noch, versucht sie sich aufzubauen, dann ist es vorbei.
Dennoch treibt sie der Hunger wieder vor ihren Freundinen hinaus und zu ihrem Treffpunkt.

Doch auch hier ist die Stimmung nicht besser. Angespannt eilen die Lehrlinge an ihr vorbei. Scheinen ihre Anspannung wie einen wehenden Stoff hinter sich her zu ziehen. Ein jeder von diesen scheint Gabrialla zu streifen und ein Stück von sich an ihr zurückzulassen.
Aufgeregt beginnt ihr Magen mit jedem Stück mehr zu grummeln und etwas zu erwecken.
Warum habe ich in letzter Zeit nur so einen Hunger? Und was riecht hier so gut? Schnüffelnd reckt sie ihre Nase in Richtung des Essensraumes, eine Tür weiter, und schreckt zurück. Nein, das Essen ist eindeutig nicht besser geworden. Ihr Blick wird von den Lehrlingen angezogen. Wie sie auf die Treppe abbiegen und nach oben eilen. Nur kurz bleibt sie an der Glaswand hängen. An dem gerahmten Bild ihrer Sehnsucht. Zu stark wird ihre Aufmerksamkeit von dem Geruch vereinnahmt, als sie bei einem Mädchen hängenbleibt. Es folgt einer Gruppe und scheint doch nicht dazu zu gehören. Läuft sie doch nicht in ihr, sondern nur an deren Rand. Schüchtern, nicht unterwürfig wie die andern, hat sie ihren Blick gesenkt. Unwillkürlich zieht Gabrialla die Luft ein. Zarter, schmackhaftes Essen versprechender Geruch erfüllt sie und lässt Wasser in ihrem Mund zusammen laufen.
Hunger, knurrt es in ihr.
Das Mädchen weiterhin fokussierend, setzt sie sich langsam in Bewegung. Vorsichtig, darauf bedacht nicht aufzufallen, passt sie sich fast den Strom an. Nur etwas Schneller als die anderen, bewegt sie sich vorwärts. Weiter immer weiter auf das Mädchen und dem köstlichen Geruch zu.
„Gabrialla! Warte! Die anderen haben noch nicht aufgeschlossen.“ Als wäre sie gegen eine Mauer gelaufen, bleibt Gabrialla stehen und dreht sich herum. Ihr Herz klopft hart gegen ihre Brust und ihr Atem geht ruckartig, als sie wieder klar zu denken beginnt. Verwirrt blinzelnd sieht sie Juls an, der seinerseits, sie seltsam anblickend zurückweicht.
Was ist passiert? Da durchzuckt sie ein reißender Schmerz, und ihr Magen, der sich gerade noch wie ein Stein angefühlt hat, scheint flatternd in sich zusammen zu sinken. „Aua“
„Was ist los?“ Michelle, die sie gerade erreicht hat, beugt sich führsorglich über sie. Auch die anderen Lehrlinge, die gerade an ihr vorbei gehen wollten, bleiben stehen.
„Ist etwas geschehen?“
„Kann ich helfen?“
„Soll ich eine Erzieherin holen?“, überströmen sie die hilfsbereiten Fragen der Umgebenden.
Genervt wischt Gabrialla diese von sich und erwidert: „Es ist nichts.“ Flehend sieht sie zu Michelle. Mach das die weggehen. Bitte!
Doch, es ist zu spät. Schon hört sie Schritte, die in ihre Richtung eilen.
„Macht platz. Alles wird gut, ihr könnt weiter gehen. Danke.“, zwitschert die Stimme einer Erzieherin über die Menge. Als wäre nichts Geschehen, drehen sich auch alle, streng den Regeln folgend, von ihr ab und setzten den unterbrochenen Weg fort.
„Was ist hier los?“ Geübt erfasst sie die Situation und wendet sich Gabrialla zu. Prüfend wandert ihr Blick über sie.
„Es war nichts.“, will sie beschwichtigen und weiß sofort, dass dies die falsche Antwort war. „Ich hatte nur ein leichtes Stechen.“, fügt sie eilig hinzu, „Es hat mich nur überrascht. Wirklich, es ist weg.“ Doch lässt der prüfende Blick sie nicht los, wie gehoft, sondern wandert weiter über sie.
„Hast du gegessen?“
„Ja.“
„Hast du getrunken?“
„Ja.“, beantwortet sie die standardmäßigen Fragen.
„Zeig mir dein Trinkgefäß“.
Das ist neu. Irritiert streckt sie das Gewünschte dennoch entgegen.
„Trink, dann wird es dir besser gehen.“ Auffordernd streckt die Erzieherin ihr das soeben gegebene Behältnis entgegen. „Es ist auf dich abgestimmt. Das wird dir guttun.“
Gehorsam nimmt sie einen großen Schluck. Spürt, wie das zähflüssige Getränk ihren Mund ausfüllt und seinen Geschmack verteilt.
Lecker. Gierig nimmt sie einen weiteren Schluck, während der erste ihren Hals hinunter gleitet. Als er ihren Magen erreicht, empfängt dieser ihn mit aufgeregtem Knurren.
„Du hast zu wenig gegessen. Das ist nicht gut, Kind.“
Naja, von dem Dreck kann ich auch nicht mehr Essen.
„Los, komm mit mir, du brauchst noch ein Getränk.“, entscheidet sie, greift nach Gabriallas Hand und zieht sie hinter sich her.
Irritiert und verärgert lässt sich Gabrialla mit ziehen.
Wie soll mir etwas zum Trinken den Magen füllen? Ich brauch etwas Richtiges zum Essen. Das Zeug hält nicht lange. Wie gerne hätte ich jetzt noch zwei Stück Fleisch!
Doch, muss sie eingestehen, nach den Schlucken gerade, geht es mir viel besser.
Ihr Weg führt sie zurück in den Essensraum, wo die Erzieherin hinter die Theke eilt und sie stehen lässt. Gabrialla beobachtet, wie sie durch eine Tür verschwindet und fleht: Beeil dich, ich will hier raus. Sie versucht sich gegen den Lärm, gegen die seltsamen Wellen, die um sie herum toben, abzuschirmen, doch gelingt es ihr nur schwer. Diese Bälger! Können sie nicht ruhig sein? Den Blick starr auf die Theke gerichtet, versucht sie, sich zu beschäftigen. Versucht Bilder vom Garten herauf zu beschwören und darin zu versinken. Doch, so leicht sie sonst in ihren Gedanken versinkt, jetzt will es ihr nicht gelingen.
„Hier,“ erklingt auf einmal die Erlösung vor ihr, „nimm dass und dann los.“ Ohne sich zu bedanken, ohne der Erzieherin noch einen Blick zu zuwerfen, greift sie nach dem Behälter und eilt aus dem Raum. Eilt über den Flur und zu ihren Freunden, weg von den vielen Reizen in diesem viel zu kleinen Raum.
 
Kapitel 1 Freunde

„Aufstehen!“, hallt die Stimme fröhlich durch den Raum und zerrt ihr Bewusstsein aus dem dunkel des Schlafes. Gleichzeitig springen ihre Augen auf und spannt sich ihr Körper an. Ihr Herz pocht schwer in den Ohren und Ihr Atem hämmert in ihrer Brust. Bereit zum Kampf springt ihr Blick Hecktisch durch den Raum. Doch sieht sie nur die zwei Erzieherinnen, wie sie in den Raum eilen.
„Ein neuer Tag hat begonnen“, trällert es unbeirrt von der Tür weiter. Gefolgt von knarren, als sich Metall in Metall bewegt, dort, wo die Erzieherinnen mit einem Stock an der Deckenlucke zerren.
Bevor ihr Bewusstsein vollständig erwacht ist, die Situation begreifen kann, hat ihr Instinkt die Lage erfasst und für ungefährlich erklärt. Der Anspannung ihre Muskeln beraubt, sinkt ihr Körper schlaff zurück auf ihren Schlafplatz.
Verschlafen, in das, durch die Tür herrein strömende Licht blinzelnd, erwacht langsam ihr Bewusstsein. Grelles Licht strömt sogleich aus den Deckenluken und erhellt den Bereich darunter.
„Los los, nicht trödeln,“ mahnt die Hausherrin, „die Farm wartet nicht auf euch.“
Was?, fragt sie sich ungläubig. Ist es schon wieder Zeit zum Aufstehen? Verschlafenes Stöhnen dringt aus ihrer Kehle, als sie sich müde streckt, und wird von vielen Stimmen zurückgeworfen. Alt bekannt und dennoch seltsam unwirklich, an diesem Morgen. Weiteres Knarren, deutlich näher bei ihr, drängt sie, ihren Kopf unter das Kissen zu stecken.
Ich bin noch nicht bereit, jammert sie verschlafen und versucht noch etwas Zeit zu stehlen.
„Beeilt euch“, erklingt die Stimme erneut, gefolgt von weiterem Knarren. „Das Training beginnt bald.“ Als währe dieser Tadel eigens für sie, erklingt das Knarren nun über ihr und grelles Morgenlicht umschließt sie. Helles Licht durchdringt ihr Kopfkissen und lässt sie ihre Augen schließen. Noch immer will sie sich nicht dem Tag, den Licht der Sumza stellen. In dem Versuch, noch einige Herzschläge Dunkelheit und Ruhe zu finden, dreht sie sich auf den Bauch und versenkt ihr Gesicht im Laken ihres Bettes.
Ich bin noch nicht bereit für den Tag!, jammert sie, das Kissen fester über sich drückend. Das Licht ist einfach zu grell.
„Los Langschläferin“, hört sie Michelles fröhliche Stimme neben sich, „wenn wir zu spät sind, gibt es nichts mehr zum Essen.“
Ein genervtes Stöhnen ist die einzige Antwort, zu der sie sich durchringen kann.
Essen? Wer braucht schon diese Pampe, die mit jedem Tag wiederlicher zu werden scheint? Dennoch weiß sie: Ich darf nicht mehr lange liegen bleiben!
„Lagst du gestern wieder lange wach?“, hört sie Marie kichern.
Wie kann man so früh am Tage nur so guter Laune sein?
Mit einem tiefen Seufzen, in dem sie all ihren Unmut und ihre Müdigkeit mitschwingen lässt, dreht sie sich herum. Widerwillig, in dem Wissen, das sie keine Ruhe mehr bekommen wird, hebt sie ihr Kissen an. Doch nur so weit, dass sie gerade nach draußen blicken kann.
„Wie könnt ihr nur so früh schon so fröhlich sein?“, verlangt sie, zu wissen. Doch erntet sie nur Gekicher.
„Wir anderen sind halt keine Mondblumen, Gabrialla.“, flötet Marie mit ihrer klaren Stimme.
„Marie, bitte.“, hört sie Michelle tadeln.
„Was den? Mondblumen sind schön.“, verteidigt sie sich und den Beiname, den sie ihr vor langer Zeit gegeben hat. „Sag mir, dass du diesen Namen unpassend findest und ich werde ihn nie wieder erwähnen.“
Es dauert nur einen Herzschlag, in dem sich die Freundinen entgegenblicken, bevor Marie es nicht mehr aushält und in lautes Gekicher verfällt.
„Na los,“ wendet sich Michelle noch einmal, mit ernsterer Stimme zu, „Jetzt wird es aber Zeit, Gabrialla!“ Dabei erhebt sie sich von ihrem Bett und tritt an ihres. „Willst du wirklich die Letzte sein?“ Eindringlich Blicken sie die Augen ihrer Freundin an. „Heute? Am Tag der letzten Prüfung?“
„Nein!“, erwidert sie aufgeschreckt aus ihrem Halbschlaf.
„Dann komm“. Ein breites Grinsen erscheint auf Michelles Gesicht, ehe sie sich von Gabriallas Bett abstößt und die Decke mit sich zieht. Nur halbherzig versucht Gabrialla, sie daran zu hindern.
Warum ist mein Bett immer unter einer dieser Luken?, empört sie sich blinzelnd. Langsam erwachend, streift sie ihr Kissen von sich und versucht ihren Blick zu schärfen. Doch, ihre Augen schmerzen in dem grellen Licht der frühen Sumza und weigern sich scharf zu sehen. Seit elf Zyklen liege ich immer unter einer Lichtluke, schimpft sie.
Es dauert nicht lange, bis der stetig wachsende Lärm, der rein und raus laufenden Mädchen, sie in den Waschraum treibt.
„Heute ist der große Prüfungstag“, begrüßt Marie sie unruhig vom neben Handbecken. Gabrialla lässt ihren Blick zum Kaschar gleiten und sucht darin das Ebenbild ihrer Freundin. „Fühlst du dich gut vorbereitet?“, fährt diese fort, sobald ihre Blicke sich gefunden haben.
Auch Gabrialla ist nicht frei von Unruhe. Ihr Magen grummelt, ihre Muskeln sind angespannt und ihr Nacken schmerzt. Ein Teil von ihr drängt sie, zu fliehen. Drängt sie, das alles hinter sich zu lassen. Doch sie weiß, dass sie dem nicht entkommen kann. Das sie diese Hürde nehmen muss um das Leben, die Aufgabe zu bekommen, die sie sich so sehnlich wünscht.
Träge, immer noch nicht richtig wach, murmelt sie: „Ich denke schon.“ Routiniert breitet sie ihre ersten Waschutensilien vor sich aus und lässt Maries aufgeregtes Geplauder über sich ergehen.
„Ich bin ja so nervös,“ erzählt diese. „Ich meine, es sind die letzten Prüfungen. Das war es dann!“ Gabrialla beobachtet, wie ihr Blick sich, den Gedanken folgend, in die Ferne richtet.
Ihr eigener Kopf hingegen ist leer, als sie ihr verschlafenes Gesicht im Kaschar betrachtet.
Ich bin einfach noch zu müde für das hier! Widerwillig öffnet sie den Wasserfluss und schöpft sich die kalte Flüssigkeit in ihr Gesicht. Brr, ist das frisch. Doch, statt zurückzuschrecken, schöpft sie sich eine zweite und eine dritte Hand voll des kühlen Nasses entgegen.
Das Wasser tropft ihr vom Gesicht, als ihr Blick wieder zum Kaschar wandert. Auch nicht viel besser. Kommentiert sie das, was sie sieht.
Ihr Blick wander zu Marie, die gerade dabei ist ihre Haare, die während des Schlafens aus der Frisur geflüchtet sind, wieder in Form zu bringen. Wie kann man so früh nur so gut aussehen? So eine gute Laune haben?
„Ah“, hört sie, auf einmal ein Mädchen quieken. Aus ihren Gedanken gerissen, lässt Gabrialla ihren Blick schweifen.
Gekicher und das Klatschen, nackter Füße auf Stein verraten, dass die Lärmenden den Waschraum verlassen. Ihr Blick offenbart, dass sich nur noch wenige der älteren Lehrlinge im Waschraum aufhalten und erinnert sie: Ich muss mich beeilen, ansonsten bin ich noch hier, wenn die Jüngeren kommen! Davon abgesehen, dass ich noch zu spät zum Training kommen werde. Als hätte diese nichts von der Unruhe bemerkt, plappert Marie erneut auf sie ein. „Nach dieser Prüfung wird sich für uns alles Ändern.“, meint diese sehnsüchtig.
„Aber, doch nicht gleich.“, sieht sie sich gedrängt, zu korrigieren. „Nach den Prüfungen kommen doch erst die Auswahl und dann die Vorbereitung.“ Als sie nach ihrer Bürste greift, stockt Gabrialla. Zweifelnd starrt sie auf ihre Haare.
„Ja,“ antwortet Marie unterdessen, scheinbar ungerührt von Gabriallas steigender Unruhe, „schon, aber nach den Prüfungen kommen die Eignungstests und da kann man doch nicht lernen. Wir bekommen keine Lernaufgaben oder so, meine ich.“, erklärt sie, vor Aufregung fast schon auf der Stelle hüpfend. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wozu wir bestimmt werden. Und dann, dann werden wir endlich erfahren, welcher Arbeit wir zugeteilt werden.“, erwidert sie aufgeregt. Während der gesamten Zeit bleibt ihr Blick an Gabrialla geheftet. Auch jetzt, als sie ihre Frisur vollendet hat und ihre Utensilien zusammen räumt, schweift ihr Blick nicht von Gabriallas Gesicht.

SCHAUT EUREM GESPRÄCHSPARTNER IMMER IN DAS GESICHT.

Erklingt eine der Regeln in Gabriallas Kopf und macht ihr bewusst, dass sie schon wieder begonnen hat gegen diese zu verstoßen. Sehr schön! Der Tag wird immer besser.
Energisch zieht sie mit der Bürste an einer Strähne ihrer Haare. Sie spürt, wie einige Nachgeben, doch der Schmerz interessiert sie nicht. Sie will nur fertig werden.
In dem Versuch, den Regeln zu folgen, wendet sie ihre Aufmerksamkeit Marie zu. „Du bist ja vollkommen aus dem Häuschen. Was ist denn los?“
Nun jedoch vollkommen aus ihrer Tätigkeit gerissen, lässt Gabrialla ihre Arme sinken. Hin und her gerissen zwischen Zorn und Ungeduld sieht sie dabei zu, wie sich die Strähnen wieder aus ihrer Frisur winden. Frust überschattet ihre trägen Gedanken und bringt den Drang mit sich, die Bürste quer durch den Raum zu schleudern. Vielleicht nur einen Herzschlag bevor sie dem Drängen nachgibt, taucht Maries Hand in ihrem Blickfeld auf.
Verwirrt, braucht sie zwei Herzschläge um diese Geste zu verstehen. Dann lässt sie, ohne zu Fragen, die Bürste in die dargebotene Hand sinken. Dankbarkeit umschließt sie. Lässt die anderen Gefühle weichen und Scham in ihr erwachen.
„Wenn wir unsere Arbeit haben und Erwachsen sind,“ hört sie es hinter sich weiter zwitschern, „können Juls und ich endlich offiziell zusammen sein.“
Das ist es also!

SOBALD IHR ERWACHSEN SEIT, SOLLTE ES EUER ZIEL SEIN, EUEREN PARTNER ZU FINDEN. DEN PARTNER, DER EUER LEBEN TEILEN WIRD.

Die Partnerwahl, ist das vierte von insgesamt sieben großen Ereignissen in ihrem Leben. Sieben Lebensentscheidungen, von denen nur diese eine ihrer freien Wahl unterliegt.
Schlagartig beginnt Maries Vorfreude auf sie über zu greifen. Doch es ist nicht dieses Ereignis, dem sie entgegenfiebert. Es ist das Dritte.

MIT DEM ABSCHLUSS DER LEHRE, SEIT IHR ALS ERWACHSENE IN DIE GEMEINSCHAFT AUFGENOMMEN.

Bald ist es soweit. In Erinnerung an alles, was sie sich damit erhofft, beginnt ihr Herz im Takt zu Maries Gehüpfe zu schlagen. Sobald ich Erwachsen bin und der Farm zwei Kinder geschenkt habe, kann ich, in meiner freien Zeit, mein Leben leben wie ich will. Ich brauche keinen Partner, der mich einschränkt. Ich will die Kinder nicht selber aufziehen. Marie und Juls hingegen, entsinnt sie sich, sind schon so lange ein Paar. Ich kann mir die beiden ohne den andern nicht vorstellen.„Ich freu mich für euch.“, sieht sie sich, gezwungen zu erwidern.
„Sobald wir offiziell als Erwachsen gelten, werden wir den Antrag stellen und dann dürfen wir der Farm Kinder schenken.“
Ich weiß nicht, wie man sich darauf freuen kann, überlegt Gabrialla abgestoßen. Wie kann man eine Zeit herbei sehnen, in der man immer dicker wird und kaum noch etwas machen kann? Während Marie also weiterhin von ihrem Leben mit Juls schwärmt, lässt Gabrialla ihren Blick und ihre Gedanken schweifen. Ihr Blick gleitet über die gewölbte Decke, die hinter ihrem Kaschar noch etwa Zehn Fußlängen weiter geht, um dort auf die Rückwand der Duschen zu treffen. Indessen gleiten ihre Gedanken zu ihrem Besuch im Vorbereitungskurs für Gebärende. Sie erinnert sich, wie sich die Frauen schwerfällig bewegten. Wie sie so oft Hilfe brauchten. So hilflos! So schwach!
Träge folgt ihr Blick einer Gruppe, als diese den Raum verlässt. Wie kann man ersehen, von lärmenden Bälgern belagert zu werden?,überlegt sie schaudernd. Ekel kribbelt in ihrem Nacken und lässt die Haare auf ihren Unterarmen sich erheben. Der Raum ist fast leer, als Gabrialla von draußen Lärm hört. Erschrocken springt ihr Blick zur Tür und sie lauscht. Die Bälger kommen!
In diesem Moment bemerkt sie erleichtert, das Marie die Bürste beiseitelegt. Mit hektisch klopfenden Herzen dreht Gabrialla sich herum und schließt ihre überraschte Freundin pflichtbewusst in eine innige Umarmung. „Ich freu mich ehrlich,“ bekräftigt sie, mit schlechtem Gewissen, ihre Freundin. Sollen diese Ereignisse doch eine Freude, ein ersehntes Ziel für jeden hier lebenden Menschen sein. „Und ich wünsche dir und euch alles Gute.“, schiebt sie nach, löst sich aber schnell wieder aus der Umarmung und greift nach ihren Sachen. „Davor müssen wir aber erst einmal die letzte Prüfung hinter uns bringen. Du willst doch nicht, dass ein schlechter Schnitt dir deine Stellung nimmt?“ Versucht sie, Marie neckend anzutreiben, als schon die erste Gruppe der jüngeren Lehrlinge in den Raum drängt. Willig lässt sich diese, immer noch in ihrer Freude schwimmend, mitziehen. Ungeduldig, doch um Zurückhaltung bemüht, zerrt Gabrialla sie zur Wäschekammer.
Passend für die Zeit des Körpers angezogen, eilen die Freundinen anschließend die Treppen zum oberirdischen Teil der Lehranstalt hinauf. Ihr Weg führt sie vorbei an den Räumen der abschließenden, den ältesten zwei Gruppen der Lehrlinge, wo sie Michelle einsammeln wollen.
Wie jeden Morgen, seit der Prüfung der Lehrlinge, sitzt diese hier, um mit anderen, gleichgesinnten, das gelernte noch einmal zu wiederholen.
Ich hätte mich den anderen auch anschließen müssen, meldet sich ihr schlechtes Gewissen. Welche anderen?, will ein anderer Teil von ihr wissen. Wer hätte mit mir gelernt? Von denjenigen, die Ländler werden wollen, sicher keiner!, entgegnet sie frustriert. So wenige, wie es auch sind, die sich freiwillig dafür entscheiden. Energisch schiebt sie die negativen Gedanken von sich. Nein, heute kann ich sie wirklich nicht brauchen. Heute muss ich fit sein.
„Aber, ein sechs Zyklus Lehrling kannst du nicht wie einen sechzehn Zyklus Lehrling behandeln, Zia.“, hört Gabrialla einen Jungen, an ein Mädchen gewand sagen. Sie versucht sich nicht einmal, an ihre Namen zu erinnern. Uninteressant!, kommentiert sie, als sie vor dem Raum stehen bleibt.
„Das weiß ich.“ Erwidert diese, als würde er nicht verstehen wollen. „Ich meine doch nur, dass beide nach den Regeln behandelt werden müssen. Du kannst keine Ausnahme machen. Die Regeln müssen befolgt werden und wer das nicht tut, muss mit Konsequenzen rechnen.“
Die Regeln müssen befolgt werden, imitiert Gabrialla bissig die Worte des Mädchens, während ihr Blick über die anwesenden Lehrlinge wandert. Dabei braucht sie Michelle nicht zu suchen. Wie die Tage zuvor, sitzt diese, mit dem Rücken zur Glaswand und nahe der Tür. Bewusst außerhalb des Raumes, an der Tür stehen geblieben, lässt sie Marie zu ihr gehen.
„Wie kann ein neuer Lehrling sich nach den Regeln richten, wenn er sie noch nicht alle kennt?“, meldet sich Michelle. „Sie sind doch hier, um diese zu lernen. Aber, genug davon. Es wird Zeit!“ Eilig folgen die anderen ihrem Beispiel und sammeln ihre Unterlagen zusammen. Nicht jedoch, ohne weiter zu diskutieren. Widerwillig folgt Gabrialla der Diskussion, während ihr Blick nach draußen gerichtet ist.
Ob der Wächter immer noch da draußen ist? Aber nein!, erinnert sie sich, sie kommen doch nur bei der Ernte, dem letzten großen Ereignis, bei Tage in den Bereich der inneren Gebäude.
Als ihre Freundinen endlich bei ihr sind, eilt sie, sicher, dass diese ihr folgen, zu ihrem Platz auf der großen Fläche.

Vierundneunzig Zehntstriche Später, befinden sich die, mehr oder weniger erschöpften Freundinen erneut auf dem Flur. Erneut auf dem Weg in die Waschräume und die Wäschekammern, um sich für das Frühessen zu richten.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Korrekturvorschläge:

Kapitel 1 Freunde

„Aufstehen!“, hallt die Stimme fröhlich durch den Raum und zerrt ihr Bewusstsein aus dem dunkel(Dunkel) des Schlafes. Gleichzeitig springen ihre Augen auf und spannt sich ihr Körper an.(und ihr Körper spannt sich an) Ihr Herz pocht schwer in den Ohren und Ihr(ihr) Atem hämmert in ihrer(der) Brust. Bereit zum Kampf(Komma) springt ihr Blick Hecktisch(hektisch) durch den Raum. Doch sieht sie nur die zwei Erzieherinnen, wie sie in den Raum eilen. (. . . zwei Erzieherinnen in den Raum eilen)
„Ein neuer Tag hat begonnen“, trällert es unbeirrt von der Tür weiter. Gefolgt von knarren(Knarren), als sich Metall in Metall bewegt, dort, wo die Erzieherinnen mit einem Stock an der Deckenlucke(luke) zerren.
Bevor ihr Bewusstsein vollständig erwacht ist, die Situation begreifen kann, hat ihr Instinkt die Lage erfasst und für ungefährlich erklärt. Der Anspannung ihre(ihrer) Muskeln beraubt, sinkt ihr Körper schlaff zurück (auf ihren Schlafplatz überflüssig).
Verschlafen,(kein Komma) in das,(kein Komma) durch die Tür herrein(herein) strömende Licht blinzelnd, erwacht langsam ihr Bewusstsein. Grelles Licht strömt (sogleich überflüssig)aus den Deckenluken und erhellt den Bereich darunter.
„Los(Komma) los, nicht trödeln,(kein Komma)“(Komma) mahnt die Hausherrin, „die Farm wartet nicht auf euch.“
Was?, fragt sie sich ungläubig. Ist es schon wieder Zeit zum Aufstehen? Verschlafenes Stöhnen dringt aus ihrer Kehle, als sie sich müde streckt, und wird von vielen Stimmen zurückgeworfen. Alt bekannt und dennoch seltsam unwirklich, an diesem Morgen. Weiteres Knarren, deutlich näher bei ihr, drängt sie, ihren Kopf unter das Kissen zu stecken.
Ich bin noch nicht bereit, jammert sie verschlafen und versucht(Komma) noch etwas Zeit zu stehlen.
„Beeilt euch“, erklingt die Stimme erneut, gefolgt von weiterem Knarren. „Das Training beginnt bald.“ Als währe(wäre) dieser Tadel eigens für sie, erklingt das Knarren nun über ihr und grelles Morgenlicht umschließt sie. Helles Licht durchdringt ihr Kopfkissen und lässt sie ihre Augen schließen. Noch immer will sie sich nicht dem Tag, den(dem) Licht der Sumza stellen. In dem Versuch, noch einige Herzschläge Dunkelheit und Ruhe zu finden, dreht sie sich auf den Bauch und versenkt ihr Gesicht im Laken ihres Bettes.
Ich bin noch nicht bereit für den Tag!, jammert sie, das Kissen fester über sich drückend. Das Licht ist einfach zu grell.
„Los(Komma) Langschläferin“, hört sie Michelles fröhliche Stimme neben sich, „wenn wir zu spät sind, gibt es nichts mehr zum Essen.“
Ein genervtes Stöhnen ist die einzige Antwort, zu der sie sich durchringen kann.
Essen? Wer braucht schon diese Pampe, die mit jedem Tag wiederlicher(widerlicher) zu werden scheint? Dennoch weiß sie: Ich darf nicht mehr lange liegen bleiben!
„Lagst du gestern wieder lange wach?“, hört sie Marie kichern.
Wie kann man so früh am Tage nur so guter Laune sein?
Mit einem tiefen Seufzen, in dem sie all ihren Unmut und ihre Müdigkeit mitschwingen lässt, dreht sie sich herum. Widerwillig, in dem Wissen, das(dass) sie keine Ruhe mehr bekommen wird, hebt sie ihr Kissen an. Doch nur so weit, dass sie gerade nach draußen blicken kann.
„Wie könnt ihr nur so früh schon so fröhlich sein?“, verlangt sie,(kein Komma) zu wissen. Doch erntet sie nur Gekicher.
„Wir anderen sind halt keine Mondblumen, Gabrialla.(kein Punkt)“, flötet Marie mit ihrer klaren Stimme.
„Marie, bitte.(kein Punkt)“, hört sie Michelle tadeln.
„Was den(denn)? Mondblumen sind schön.(kein Punkt)“, verteidigt sie sich und den Beiname(namen), den sie ihr vor langer Zeit gegeben hat. „Sag mir, dass du diesen Namen unpassend findest und ich werde ihn nie wieder erwähnen.“
Es dauert nur einen Herzschlag, in dem sich die Freundinnen(Freundinnen) entgegenblicken, bevor Marie es nicht mehr aushält und in lautes Gekicher verfällt.
„Na los,(kein Komma)“(Komma) wendet sich Michelle noch einmal, mit ernsterer Stimme (ihr) zu, „Jetzt wird es aber Zeit, Gabrialla!“ Dabei erhebt sie sich von ihrem Bett (und tritt an ihres überflüssig). „Willst du wirklich die Letzte sein?“ Eindringlich Blicken(blicken) sie die Augen ihrer Freundin an. „Heute? Am Tag der letzten Prüfung?“
„Nein!“, erwidert sie aufgeschreckt aus ihrem Halbschlaf.
„Dann komm“. Ein breites Grinsen erscheint auf Michelles Gesicht, ehe sie sich von Gabriallas Bett abstößt und die Decke mit sich zieht. Nur halbherzig versucht Gabrialla, sie daran zu hindern.
Warum ist mein Bett immer unter einer dieser Luken?, empört sie sich blinzelnd. Langsam erwachend, streift sie ihr Kissen von sich und versucht ihren Blick zu schärfen. Doch,(kein Komma) ihre Augen schmerzen in dem grellen Licht der frühen Sumza und weigern sich(Komma) scharf zu sehen. Seit elf Zyklen liege ich immer unter einer Lichtluke, schimpft sie.
Es dauert nicht lange, bis der stetig wachsende Lärm,(kein Komma) der rein und raus laufenden Mädchen, sie in den Waschraum treibt.
„Heute ist der große Prüfungstag“, begrüßt Marie sie unruhig vom (neben überflüssig) Handbecken. Gabrialla lässt ihren Blick zum Kaschar gleiten und sucht darin das Ebenbild ihrer Freundin. „Fühlst du dich gut vorbereitet?“, fährt diese fort, sobald ihre Blicke sich gefunden haben.
Auch Gabrialla ist nicht frei von Unruhe. Ihr Magen grummelt, ihre Muskeln sind angespannt und ihr Nacken schmerzt. Ein Teil von ihr drängt sie, zu fliehen. Drängt sie, das alles hinter sich zu lassen. Doch sie weiß, dass sie dem nicht entkommen kann. Das(Dass) sie diese Hürde nehmen muss(Komma) um das Leben, die Aufgabe zu bekommen, die sie sich so sehnlich wünscht.
Träge, immer noch nicht richtig wach, murmelt sie: „Ich denke schon.“ Routiniert breitet sie ihre (ersten überflüssig – nach ersten folgen weitere, die hier ja wohl nicht wichtig sind!) Waschutensilien vor sich aus und lässt Maries aufgeregtes Geplauder über sich ergehen.
„Ich bin ja so nervös,(kein Komma)“(Komma) erzählt diese. „Ich meine, es sind die letzten Prüfungen. Das war es dann!“ Gabrialla beobachtet, wie ihr Blick sich,(kein Komma) den Gedanken folgend,(kein Komma) in die Ferne richtet.
Ihr eigener Kopf hingegen ist leer, als sie ihr verschlafenes Gesicht im Kaschar betrachtet.
Ich bin einfach noch zu müde für das hier! Widerwillig öffnet sie den Wasserfluss und schöpft sich die kalte Flüssigkeit in ihr Gesicht. Brr, ist das frisch. Doch,(kein Komma) statt zurückzuschrecken, schöpft sie sich eine zweite und eine dritte Hand voll des kühlen Nasses entgegen.
Das Wasser tropft ihr vom Gesicht, als ihr Blick wieder zum Kaschar wandert. Auch nicht viel besser. Kommentiert sie das, was sie sieht.
Ihr Blick wander(wandert) zu Marie, die gerade dabei ist(Komma) ihre Haare, die während des Schlafens aus der Frisur geflüchtet sind, wieder in Form zu bringen. Wie kann man so früh nur so gut aussehen? So eine gute Laune haben?
„Ah“, hört sie,(kein Komma) auf einmal ein Mädchen quieken. Aus ihren Gedanken gerissen, lässt Gabrialla ihren Blick schweifen.
Gekicher und das Klatschen,(kein Komma) nackter Füße auf Stein verraten, dass die Lärmenden den Waschraum verlassen. Ihr Blick offenbart, dass sich nur noch wenige der älteren Lehrlinge im Waschraum aufhalten und erinnert sie: Ich muss mich beeilen, ansonsten bin ich noch hier, wenn die Jüngeren kommen! Davon abgesehen, dass ich noch zu spät zum Training kommen werde. (Absatz)Als hätte diese(sie) nichts von der Unruhe bemerkt, plappert Marie (erneut auf sie ein überflüssig, durch weiter ersetzen). „Nach dieser Prüfung wird sich für uns alles Ändern(ändern).“, meint diese(sie) sehnsüchtig.
„Aber,(kein Komma) doch nicht gleich.(kein Punkt)“, sieht sie sich gedrängt, zu korrigieren. (wer korrigiert hier wen?) „Nach den Prüfungen kommen doch erst die Auswahl und dann die Vorbereitung.(kein Punkt)“(Punkt) Als sie nach ihrer Bürste greift, stockt Gabrialla. Zweifelnd starrt sie auf ihre Haare.
„Ja,(kein Komma)“(Komma) antwortet Marie unterdessen, scheinbar ungerührt von Gabriallas steigender Unruhe, „schon, aber nach den Prüfungen kommen die Eignungstests und da kann man doch nicht lernen. Wir bekommen keine Lernaufgaben oder so, meine ich.(kein Punkt)“, erklärt sie, vor Aufregung fast schon auf der Stelle hüpfend. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wozu wir bestimmt werden. Und dann, dann werden wir endlich erfahren, welcher Arbeit wir zugeteilt werden.(kein Punkt)“, erwidert sie aufgeregt. Während der gesamten Zeit bleibt ihr Blick an Gabrialla geheftet. Auch jetzt, als sie ihre Frisur vollendet hat und ihre Utensilien zusammen räumt, schweift ihr Blick nicht von Gabriallas Gesicht.

SCHAUT EUREM GESPRÄCHSPARTNER IMMER IN DAS GESICHT.

Erklingt eine der Regeln in Gabriallas Kopf und macht ihr bewusst, dass sie schon wieder begonnen hat(Komma) gegen diese zu verstoßen. Sehr schön! Der Tag wird immer besser.
Energisch zieht sie mit der Bürste an einer Strähne ihrer Haare. Sie spürt, wie einige Nachgeben(nachgeben), doch der Schmerz interessiert sie nicht. Sie will nur fertig werden.
In dem Versuch, den Regeln zu folgen, wendet sie ihre Aufmerksamkeit Marie zu. „Du bist ja vollkommen aus dem Häuschen. Was ist denn los?“
Nun jedoch vollkommen aus ihrer Tätigkeit gerissen, lässt Gabrialla ihre Arme sinken. Hin und her gerissen zwischen Zorn und Ungeduld sieht sie dabei zu, wie sich die Strähnen wieder aus ihrer Frisur winden. Frust überschattet ihre trägen Gedanken und bringt den Drang mit sich, die Bürste quer durch den Raum zu schleudern. Vielleicht nur einen Herzschlag bevor sie dem Drängen nachgibt, taucht Maries Hand in ihrem Blickfeld auf.
Verwirrt,(kein Komma) braucht sie zwei Herzschläge(Komma) um diese Geste zu verstehen. Dann lässt sie,(kein Komma) ohne zu Fragen(fragen), die Bürste in die dargebotene Hand sinken. Dankbarkeit umschließt sie (diese). Lässt die anderen Gefühle weichen und Scham in ihr erwachen.
„Wenn wir unsere Arbeit haben und Erwachsen(erwachsen) sind,(kein Komma)“(Komma) hört sie es hinter sich weiter zwitschern, „können Juls und ich endlich offiziell zusammen sein.“
Das ist es also!

SOBALD IHR ERWACHSEN SEIT(SEID), SOLLTE ES EUER ZIEL SEIN, EUEREN(EUREN) PARTNER ZU FINDEN. DEN PARTNER, DER EUER LEBEN TEILEN WIRD.

Die Partnerwahl,(kein Komma) ist das vierte von insgesamt sieben großen Ereignissen in ihrem Leben. Sieben Lebensentscheidungen, von denen nur diese eine ihrer freien Wahl unterliegt.
Schlagartig beginnt Maries Vorfreude auf sie über zu greifen. Doch es ist nicht dieses Ereignis, dem sie entgegenfiebert. Es ist das Dritte (dritte).

MIT DEM ABSCHLUSS DER LEHRE,(kein Komma) SEIT(SEID) IHR ALS ERWACHSENE IN DIE GEMEINSCHAFT AUFGENOMMEN.

Bald ist es soweit. In Erinnerung an alles, was sie sich damit erhofft, beginnt ihr Herz im Takt zu Maries Gehüpfe zu schlagen. Sobald ich Erwachsen(erwachsen) bin und der Farm zwei Kinder geschenkt habe, kann ich,(kein Komma) in meiner freien Zeit,(kein Komma) mein Leben leben wie ich will. Ich brauche keinen Partner, der mich einschränkt. Ich will die Kinder nicht selber aufziehen. Marie und Juls hingegen, entsinnt sie sich, sind schon so lange ein Paar. Ich kann mir die beiden ohne den andern nicht vorstellen.„Ich freu mich für euch.(kein Punkt)“, sieht sie sich, gezwungen zu erwidern (zwingt sie sich zu erwidern).
„Sobald wir offiziell als Erwachsen(erwachsen) gelten, werden wir den Antrag stellen und dann dürfen wir der Farm Kinder schenken.“
Ich weiß nicht, wie man sich darauf freuen kann, überlegt Gabrialla abgestoßen. Wie kann man eine Zeit herbei sehnen, in der man immer dicker wird und kaum noch etwas machen kann? (Absatz)Während Marie also weiterhin von ihrem Leben mit Juls schwärmt, lässt Gabrialla ihren Blick und ihre Gedanken schweifen. Ihr Blick gleitet über die gewölbte Decke, die hinter ihrem Kaschar noch etwa Zehn(zehn) Fußlängen weiter geht, um dort auf die Rückwand der Duschen zu treffen. Indessen gleiten ihre Gedanken zu ihrem Besuch im Vorbereitungskurs für Gebärende. Sie erinnert sich, wie sich die Frauen schwerfällig bewegten. Wie sie so oft Hilfe brauchten. So hilflos! So schwach!
Träge folgt ihr Blick einer Gruppe, als diese den Raum verlässt. Wie kann man ersehen(ersehnen), von lärmenden Bälgern belagert zu werden?,(Leerfeld)überlegt sie schaudernd. Ekel kribbelt in ihrem Nacken und lässt die Haare auf ihren Unterarmen sich erheben. Der Raum ist fast leer, als Gabrialla von draußen Lärm hört. Erschrocken springt ihr Blick zur Tür und sie lauscht. Die Bälger kommen!
In diesem Moment bemerkt sie erleichtert, das(dass) Marie die Bürste beiseite(getrennt)legt. Mit hektisch klopfenden(klopfendem) Herzen dreht Gabrialla sich herum und schließt ihre überraschte Freundin (pflichtbewusst überflüssig – es impliziert, dass es sich nicht um eine echte Freundschaft handelt) in eine innige Umarmung. „Ich freu mich ehrlich,(kein Komma)“(Komma) bekräftigt sie,(kein Komma) mit schlechtem Gewissen(, ihre Freundin überflüssig). Sollen diese Ereignisse doch eine Freude, ein ersehntes Ziel für jeden hier lebenden Menschen sein. „Und ich wünsche dir und euch alles Gute.(kein Punkt)“, schiebt sie nach, löst sich aber schnell wieder aus der Umarmung und greift nach ihren Sachen. „Davor müssen wir aber erst einmal die letzte Prüfung hinter uns bringen. Du willst doch nicht, dass ein schlechter Schnitt dir deine Stellung nimmt?“(Komma) Versucht(versucht Marie sie neckend) sie, Marie neckend anzutreiben, als schon die erste Gruppe der jüngeren Lehrlinge in den Raum drängt. Willig lässt sich diese, immer noch in ihrer Freude schwimmend, mitziehen. Ungeduldig, doch um Zurückhaltung bemüht, zerrt Gabrialla sie zur Wäschekammer.
Passend für die Zeit des Körpers(was ist die Zeit des Körpers?) angezogen, eilen die Freundinnen(Freundinnen) anschließend die Treppen zum oberirdischen Teil der Lehranstalt hinauf. Ihr Weg führt sie vorbei an den Räumen der abschließenden, den ältesten zwei Gruppen der Lehrlinge, wo sie Michelle einsammeln wollen.
Wie jeden Morgen, seit der Prüfung der Lehrlinge, sitzt diese hier, um mit anderen,(kein Komma) gleichgesinnten(Gleichgesinnten),(kein Komma) das gelernte(Gelernte) noch einmal zu wiederholen.
Ich hätte mich den anderen auch anschließen müssen, meldet sich ihr schlechtes Gewissen. Welche anderen?, will ein anderer Teil von ihr wissen. Wer hätte mit mir gelernt? Von denjenigen, die Ländler werden wollen, sicher keiner!, entgegnet sie frustriert. So wenige, wie es auch sind, die sich freiwillig dafür entscheiden. Energisch schiebt sie die negativen Gedanken von sich. Nein, heute kann ich sie wirklich nicht brauchen. Heute muss ich fit sein.
„Aber,(kein Komma) ein(einen) sechs Zyklus Lehrling kannst du nicht wie einen sechzehn Zyklus Lehrling behandeln, Zia.(kein Punkt)“, hört Gabrialla einen Jungen, an ein Mädchen gewand(Komma) sagen. Sie versucht sich nicht einmal, an ihre Namen zu erinnern(Sie versucht nicht einmal, sich an ihre Namen zu erinnern). Uninteressant!, kommentiert sie, als sie vor dem Raum stehen bleibt.
„Das weiß ich.(kein Punkt)“(Komma) Erwidert diese (erwidert die Angesprochene), als würde er nicht verstehen wollen. „Ich meine doch nur, dass beide nach den Regeln behandelt werden müssen. Du kannst keine Ausnahme machen. Die Regeln müssen befolgt werden und wer das nicht tut, muss mit Konsequenzen rechnen.“
Die Regeln müssen befolgt werden, imitiert Gabrialla bissig die Worte des Mädchens, während ihr Blick über die anwesenden Lehrlinge wandert. Dabei braucht sie Michelle nicht zu suchen. Wie die Tage zuvor,(kein Komma) sitzt diese,(kein Komma) mit dem Rücken zur Glaswand und nahe der Tür. Bewusst außerhalb des Raumes, an der Tür stehen geblieben, lässt sie Marie zu ihr gehen.
„Wie kann ein neuer Lehrling sich nach den Regeln richten, wenn er sie noch nicht alle kennt?“, meldet sich Michelle. „Sie sind doch hier, um diese zu lernen. Aber, genug davon. Es wird Zeit!“ Eilig folgen die anderen ihrem Beispiel und sammeln ihre Unterlagen zusammen. Nicht jedoch,(kein Komma) ohne weiter zu diskutieren. Widerwillig folgt Gabrialla der Diskussion, während ihr Blick nach draußen gerichtet ist.
Ob der Wächter immer noch da draußen ist? Aber nein!, erinnert sie sich, sie kommen doch nur bei der Ernte, dem letzten großen Ereignis, bei Tage in den Bereich der inneren Gebäude.
Als ihre Freundinnen(Freundinnen) endlich bei ihr sind, eilt sie, sicher, dass diese ihr folgen, zu ihrem Platz auf der großen Fläche.

Vierundneunzig Zehntstriche Später(später),(kein Komma) befinden sich die,(kein Komma) mehr oder weniger erschöpften Freundinnen(Freundinnen) erneut auf dem Flur. Erneut auf dem Weg in die Waschräume und die Wäschekammern, um sich für das Frühessen zu richten.

Kurze Zeit später steht eine,(kein Komma) von Hunger geplagte Gabrialla verloren vor dem Essensraum.
Wo bleiben sie nur? Ich hab gestern Abend nicht viel von der Pampe essen können und schon seit dem Aufstehen Hunger. Jedoch muss sie noch eine gefühlte Ewigkeit warten, bevor sie ihre Freundinnen(Freundinnen),(kein Komma) zwischen den anderen findet. Ungeduldig verlagert sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den Anderen (anderen), während sie gegen den Drang ankämpft vorzulaufen.
„Kommt schon, ich habe Hunger und es riecht so gut hier.(kein Punkt)“, versucht sie,(kein Komma) die Gruppe anzutreiben.
„Als hättest du in den letzten Tagen etwas anderes gehabt.(kein Punkt)“, erwidert Juls abfällig, während er seinen Blick über ihren unnatürlich sportlichen,(kein Komma) Körper gleiten lässt.
Gabrialla überkommt ein fast unbändiger Drang, ihm weh zu tun, doch ihre Erziehung hält sie zurück. Stattdessen gleitet ihr Blick über Maries zu Michelles so perfekten weiblichem Körper. Beschämt kreuzt sie ihre Arme vor sich.
Davon wachgerufen, schiebt sich eine Erinnerung in ihr Bewusstsein. Ihre Begegnung mit dem Wächter, vor wenigen Nächsten(Nächten). Sie erinnert sich an ihre Neugierde und ihre fehlende Angst und ein Schauder läuft ihren Rücken hinab. Doch das kann ihre Neugierde nicht verhindern und sie fragt sich: Was hat er, so früh am Abend, nur hier gewollt?
„Gib Ruhe, Juls.(kein Punkt)“, ruft Michelle zur Ordnung, während sie sich zwischen ihn und Gabrialla schiebt. „Du weißt, dass wir Frauen nach dem Training immer Hunger haben. Stimmt doch, oder Marie?“, wändet(wendet) sie sich an die Freundin. „Abgesehen davon, hast du gesehen, wie sie Gabrialla heute wieder getrieben haben(Fragezeichen)“ Demonstrativ schiebt sie nun ihren Arm durch Gabriallas, greift nach ihrer Hand. „Wie schaffst du das nur? Ich bin jedes Mal erstaunt, dass du nicht zusammen brichst.“
„Na(getrennt)ja, so viel ist es auch nicht.(kein Punkt)“, wiegelt Juls grinsend ab. „Wir Jungs hingegen ....“
„Was heißt hier nicht viel?“, empört sich Michelle. „Sie läuft die doppelte Anzahl an Runden als ich. Ich bin auch fest überzeugt, dass sie jede Übung doppelt macht. Was macht ihr mehr. (besser Komma als Punkt) Juls?“, möchte sie erfahren und sein Grinsen schwindet. „Aufbau eurer Armmuskeln?“, hilft sie Juls weiter, als dieser sie,(kein Komma) um Worte ringend ansieht.
Hast du immer noch nicht gelernt, dass du dich mit Michelle nicht in einem Wortgefecht messen kannst?, amüsiert sich Gabrialla.
„Du weißt noch, was beim letzten Mal passiert ist, als du Gabrialla zu einem Wettkampf aufgefordert hast?“, neckt Michelle ihn weiter, während Gabrialla sich (immer überflüssig) unwohl unter seinem Blick windet. Ungeschick versucht sie, sich hinter ihre Freundin zu schieben. Doch,(kein Komma) sie ist größer und noch immer in ihrem Griff gefangen. „Na los Gabrialla,(kein Komma)“(Komma) erklingt, als hätte sie ihren Widerwillen gespürt, Michelles triumphierende Stimme erlösend, „lass uns sehen, was es heute Leckeres gibt“.
Juls folgt ihnen geschlagen, doch mit Marie an seiner Seite. Gabrialla kann sie flüstern hören, bis sie vom Lärm des Essensraumes verschlungen werden.
Endlich an der Theke angekommen, stapelt Gabrialla,(kein Komma) viel zu gierig diverse, (kein Komma) verführerisch aussehende Speisen auf ihr Tablett. Gerne würde sie von einigen mehr(getrennt)nehmen, doch der strenge Blick der Zuteiler,(kein Komma) hindert sie daran.

Als sie einen Tisch gefunden haben, kann sie es kaum erwarten, bis alle sitzen. Von nagendem Hunger gedrängt, greift sie nach einer Frucht und beißt ein großes Stück ab. Doch dieser Bissen lässt ihren Appetit vergehen. Wäh, wie das schmeckt. Wie Dreck! Ungesättigt knurrt ihr Magen, droht aber gleichzeitig, jede weitere Portion dieser Speisen,(kein Komma) umgehend zurückzuschicken. Sie kann dem ungewohnten, wachsenden Hunger nichts entgegensetzen und lässt ihren Blick verzweifelt über das mitgebrachte(Mitgebrachte) gleiten. Als sie das Stück Fleisch sieht, läuft ihr erneut das Wasser im Mund zusammen. Halb verhungert, trennt sie ein Stück von ihrer Fleischportion und schlingt es hinunter. Zustimmend gibt ihr Magen ein aufgeregtes Murmeln von sich, woraufhin sie sich über den Rest hermacht. Erleichtert kaut Gabrialla an dem letzten Happen.
Nicht genug! Das Stück, das ihr zugeteilt wurde, reicht nicht. Gehetzt beginnt ihr Blick umher zu wandern. Auf der Suche nach etwas, das dem Fleisch gleich kommt. Doch,(kein Komma) da ist nichts mehr.
Ein Stück ist nicht genug! Nervös, dem nagenden Hunger in sich nicht gewohnt, kann sie dem Drängen, aufzustehen und mehr zu verlangen, kaum noch standhalten.
Das ist gegen die Regeln! Eine seltsame, von ihrem Magen ausgehende Wärme,(kein Komma) erfüllt ihren Bauchraum. Zeitgleich beginnt eine Schwäche sie zu überfallen und ihre Finger zum Zittern zu bringen. Ihr Blickfeld verengt sich, während etwas in ihr sich regt. Sich streckt und am Rande ihres Bewusstseins kratzt.
Da erscheint eine Hand, die ein weiteres Stück auf ihrem Teller ablegt. Mit einem Herzschlag wird sich Gabrialla ihrer Umwelt wieder bewusst. Der Lärm im Raum bricht über sie herrein(herein), zerrt sie aus ihrem Inneren und in den Raum zurück. An den Tisch zu ihren Freunden. Irritiert vom Geschehen, folgt Gabrialla der Hand zum Arm und zu Michelles Gesicht.
Mit einem freundlichen Lächeln streift Michelle das Stück von ihrer Gabel. Beschämt über ihre Gier, ihren so seltsamen Hunger, senkt Gabrialla wieder ihren Blick.
„Danke.(kein Punkt)“, schafft sie es,(kein Komma) noch zu nuscheln(Komma) als sie ihre Gabel in das Fleisch sticht und einen Bissen abschneidet.
„Nicht dafür, Gabrialla.(kein Punkt)“, wiegelt diese ab, gefolgt von: „Gib mir lieber etwas von den Früchten.(kein Punkt)“.

DIE FARM IST FÜR ALLE DA. KEINER SOLL WENIGER HABEN WIE(ALS) DIE ANDEREN UND KEINER BRAUCHT MEHR. ALLE SIND GLEICH.

Immer den Regeln der Gesellschaft,(kein Komma) nach Teilen und Gleichheit folgen, spottet Gabrialla(Komma) neidisch,(kein Komma) auf die Fügsamkeit ihrer Freundin.
Obwohl der Hunger fortwährend an ihr nagt, zwingt sie sich nun(Komma) langsam zu Essen (essen). Zwingt sich, zumindest annähend den Regeln zu folgen. Sie schafft es aber nur mit Mühe, ihre Aufmerksamkeit von dem Fleisch zu lösen und der Unterhaltung ihrer Freunde zu folgen.
Froh, dass keiner sie anspricht, lässt sie den Fluss der Unterhaltung an sich vorbei gleiten.

SEIT(SEID) IMMER AUFMERKSAM. JEDER HIER IST EUER NÄCHSTER, KEINER WENIGER ALS DER ANDERE UND KEINER MEHR.
WENDET EURE AUFMERKSAMKEIT EURER UMGEBUNG ZU. AUF EUCH GERICHTET LIEGT SIE (wer liegt falsch?) FALSCH.
FREUNDE SIND WICHTIG. FREUNDE MACHEN UNSERE GEMEINSCHAFT AUS. DIE GEMEINSCHAFT IST UNSER HÖCHSTES GUT.
HABE IST NUR GUT, WENN MAN SIE MIT ANDEREN TEILT. GERECHT IST NUR, WENN ALLE HABEN, WAS SIE BRAUCHEN.

Doch,(kein Komma) weder Michelles und Maries Unterhaltung über Kinder, noch Juls und Svens über die Vorteile der Metall- und Holzarbeit, interessieren sie. Natürlich muss sich jemand um die Bälger kümmern, ist ihr bewusst, ich verstehe nur nicht, wie man sich darauf freuen kann.

DIE KINDER SIND UNSER GESCHENK. SIE SIND DASS(DAS), WO FÜR WIR SORGEN SOLLEN, NICHT WIR SELBER. WIR MÜSSEN SICHER SEIN, DAS(DASS) SIE GESUND UND WOHLBEHALTEN LEBEN KÖNNEN.

Warum? Was ist hier so schön? Was wird hier Kindern geschenkt? Der(Die) Kontrolle? Den Regeln? Dem eingesperrt sein? Oder der Angst? Warum ist unser einziges Ziel das Fortbestehen? Der Ernte. Alleine unserem Ende ist es, dem wir sie schenken, ist sie sich sicher. Nichts anderes ist es, was uns alle erwartet.
Ansatzweiße gesättigt, lehnt sich Gabrialla zurück und lässt ihren Blick durch den Raum gleiten. Wenn ich nur daran denke, dass hier gleich die kleinen Bälger auftauchen, stellen sich mir die Haare auf. Das Geräusch der gedämpften Unterhaltungen um sie herum,(kein Komma) tritt in den Hintergrund, als sie ihre Aufmerksamkeit nach draußen richtet. Da sind sie schon, die Ersten, Mittelalten. Werden von den Erziehern wieder in die Waschräume gescheucht, um sich für das Essen vorzubereiten. Es wird Zeit, dass wir gehen, entscheidet sie, bevor sie hier her kommen. Ich bin nur froh, seufzt sie erleichtert, dass die Jüngsten jetzt draußen,(kein Komma) auf der großen Fläche sind(Komma) um ihre Körper zu trainieren. Entschlossen greift sie zu ihrem Becher(Komma) um ihn in eine(einem) Zug zu leeren. Seltsam, überlegt sie stockend, noch den letzten Schluck im Mund, das Essen wird immer Fader(fader), immer scheußlicher, doch das Trinken scheint immer besser zu werden.
„Gabrialla?“,(kein Komma) die(Die) leichte Berührung (auf ihre an ihrer) Schulter lenkt sie von ihren Gedanken ab, als das Wort bedeutungslos in ihren Ohren nachklingt. „Wo bist du schon wieder?“, kichert Michelle neben ihr.
Wie lange war ich so da gesessen? Wie viel Zeit ist schon wieder vergangen?
„Wir wollen gehen. Es wird Zeit(Komma) den Raum für die Jüngeren frei zu machen.“
Richtig, die Jüngeren, dämmert es ihr erneut. „Sicher, lasst uns gehen.“ Ihre (Ihrer)Freundin entgegen lächelnd, zwingt sie sich(Komma) langsam von dem Stuhl auf zu stehen. Vorsichtig, um ja niemandem im Weg zu stehen oder sonst wie negativ aufzufallen, folgt sie den Freunden erst zur Rückgabe und dann zur Getränkeausgabe.
Träge schiebt sich die schweigende Schlange vorwärts, begleitet vom stets freundlichen und doch monotonem(monotonen) Singsang einer der Verteilerinnen.
„Bitte nichts verschütten.“
„Die Getränke sind auf eure Bedürfnisse abgestimmt.“
„Achtet darauf, nur euer Trinken zu euch zu nehmen.“
„Bitte zum Mittentag(was ist Mittentag?) die leeren Behälter zurückbringen.(kein Punkt)“. Wie kann man nur so eine Aufgabe machen wollen? Haben sie sich diese wirklich ausgesucht?, überlegt sie, skeptisch die Verteilerinen(Verteilerinnen),(kein Komma) hinter der Getränkeausgabe,(kein Komma) musternd. Jeden Tag stumm an die Lehrlingen(Lehrlinge) Essen und Trinken verteilen. Was ist den(denn) das für eine Aufgabe? Wenn ich daran denke, den ganzen Tag hier unten eingesperrt sein zu müssen.(besser Ausrufezeichen) Trotz der nervenaufreibenden Langsamkeit,(kein Komma) bemüht sich Gabrialla(Komma) mit der Masse zu treiben. Tag für Tag das gleiche. Keine Luft, keine Abwechslung. Nur die trostlosen Wände um sich, schaudert es sie.
Als sie endlich ihren Behälter hat, drängt es sie noch stärker zur Flucht. Nein, ich darf hier nicht laufen. Nicht hier, wo die Erzieher mich beobachten. Ich darf, so kurz vor dem Abschluss, nicht noch eine Strafe riskieren, hält sie inne. Ich bin am Ende der Prüfungen. Bald ist es vorbei und ich kann gehen. Jetzt muss ich mich aber noch beherrschen. Muss den Regeln folgen. Sonst ist alles vergebens gewesen!
„Was ist los, Gabrialla?“, zieht Michelles besorgte Stimme sie aus ihren zehrenden Gedanken. „Du wirst doch wohl jetzt nicht doch nervös werden?“
„Was?“, spottet Marie da neckisch. „Die furchtlose Gabrialla soll nervös sein? Das währe(wäre) das erste Mal.“ Doch das hindert sie nicht, diese ebenfalls besorgt zu mustern.
Wäre es das? Wirklich?
„Es ist eine wichtige Prüfung, die wir vor uns haben, Marie.(kein Punkt)“, tadelt Michelle. „Jeder hat das Recht, nervös zu sein.“
Gabrialla weiß nicht, was sie darauf antworten soll.
„Was ist? Wollen wir los oder habt ihr vor(Komma) hier stehen zu bleiben?“, unterbricht Juls die immer schwerer auf Gabrialla lastende Stille. „Die Prüfungen werden nicht auf uns warten.“
Als habe es nur dieses Stichwort gebraucht, setzt sich die Gruppe in Bewegung. Fast könnte man glauben, es wäre nichts passiert und ein ganz normaler Tag, doch Gabrialla bemerkt die Unterschiede. Bemerkt, wie Michelles Blick immer wieder über sie gleitet. Bemerkt Maries angespannte Schultern und wie sie sich an Juls lehnt. Sieht, wie Sven nervös mit den Schultern kreist und unruhig, ganz ungewohnt, die Hände beim Sprechen mit benutzt.
Erst folgen alle dem Flur in Richtung ihrer Schlafräume, bevor erst die Jungen und dann die Mädchen in ihre Waschräume abbiegen(Komma) um sich für den Tag zu richten. Eilig säubern sie ihre Zähne, prüfen ihre Haare, ihre Haut und ihre Kleidung.

PERFEKTE ZÄHNE, SCHÖNE HAUT UND HAARE FÜR EIN GESUNDES LEBEN.
SAUBERE KLEIDER UND EIN NETTES LÄCHELN FÜR DIE GEMEINSCHAFT.

Gabrialla hat das Gefühl, als sei die Stimmung im Waschraum vor(von) Nervosität durchtränkt. Seltsame Empfindungen durchzucken sie selbst. Nervosität ist nur eine, Hunger ist die Drängendste. Das ist nur die Nervosität. Was soll es anders sein? Eine Prüfung nur noch, versucht sie sich aufzubauen, dann ist es vorbei.
Dennoch treibt sie der Hunger wieder vor ihren Freundinnen(Freundinnen) hinaus und zu ihrem Treffpunkt.

Doch auch hier ist die Stimmung nicht besser. Angespannt eilen die Lehrlinge an ihr vorbei. Scheinen ihre Anspannung wie einen wehenden Stoff hinter sich her zu ziehen. Ein jeder von (diesen ihnen) scheint Gabrialla zu streifen und ein Stück von sich an ihr zurückzulassen.
Aufgeregt beginnt ihr Magen mit jedem Stück mehr zu grummeln und etwas zu erwecken.
Warum habe ich in letzter Zeit nur so einen Hunger? Und was riecht hier so gut? Schnüffelnd reckt sie ihre Nase in Richtung des Essensraumes, eine Tür weiter, und schreckt zurück. Nein, das Essen ist eindeutig nicht besser geworden. Ihr Blick wird von den Lehrlingen angezogen. Wie sie auf die Treppe abbiegen und nach oben eilen. Nur kurz bleibt sie an der Glaswand hängen. An dem gerahmten Bild ihrer Sehnsucht. Zu stark wird ihre Aufmerksamkeit von dem Geruch vereinnahmt, als sie bei einem Mädchen hängen(getrennt)bleibt. Es folgt einer Gruppe und scheint doch nicht dazu zu gehören. Läuft sie doch nicht in ihr, sondern nur an deren Rand. Schüchtern, nicht unterwürfig wie die andern, hat sie ihren Blick gesenkt. Unwillkürlich zieht Gabrialla die Luft ein. Zarter, schmackhaftes Essen versprechender Geruch erfüllt sie und lässt Wasser in ihrem Mund zusammen laufen.
Hunger, knurrt es in ihr.
Das Mädchen weiterhin fokussierend, setzt sie sich langsam in Bewegung. Vorsichtig, darauf bedacht nicht aufzufallen, passt sie sich fast den Strom an. Nur etwas Schneller(schneller) als die anderen,(kein Komma) bewegt sie sich vorwärts. Weiter(Komma) immer weiter auf das Mädchen und dem köstlichen Geruch zu.
„Gabrialla! Warte! Die anderen haben noch nicht aufgeschlossen.“ Als wäre sie gegen eine Mauer gelaufen, bleibt Gabrialla stehen und dreht sich herum. Ihr Herz klopft hart gegen ihre Brust und ihr Atem geht ruckartig, als sie wieder klar zu denken beginnt. Verwirrt blinzelnd sieht sie Juls an, der seinerseits,(kein Komma) sie seltsam anblickend zurückweicht.
Was ist passiert? Da durchzuckt sie ein reißender Schmerz, und ihr Magen, der sich gerade noch wie ein Stein angefühlt hat, scheint flatternd in sich zusammen zu sinken. „Aua“
„Was ist los?“ Michelle, die sie gerade erreicht hat, beugt sich führsorglich(fürsorglich) über sie. Auch die anderen Lehrlinge, die gerade an ihr vorbei gehen wollten, bleiben stehen.
„Ist etwas geschehen?“
„Kann ich helfen?“
„Soll ich eine Erzieherin holen?“, überströmen sie die hilfsbereiten Fragen der Umgebenden.
Genervt wischt Gabrialla diese von sich und erwidert: „Es ist nichts.“ Flehend sieht sie zu Michelle. Mach(Komma) das(dass) die weggehen. Bitte!
Doch,(kein Komma) es ist zu spät. Schon hört sie Schritte, die in ihre Richtung eilen.
„Macht platz(Platz). Alles wird gut, ihr könnt weiter gehen. Danke.(kein Punkt)“, zwitschert die Stimme einer Erzieherin über die Menge. Als wäre nichts Geschehen(geschehen), drehen sich auch alle, streng den Regeln folgend, von ihr ab und setzten den unterbrochenen Weg fort.
„Was ist hier los?“ Geübt erfasst sie(wer?) die Situation und wendet sich Gabrialla zu. Prüfend wandert ihr Blick über sie.
„Es war nichts.(kein Punkt)“, will sie beschwichtigen und weiß sofort, dass dies die falsche Antwort war. „Ich hatte nur ein leichtes Stechen.(kein Punkt)“, fügt sie eilig hinzu, „Es hat mich nur überrascht. Wirklich, es ist weg.“ Doch lässt der prüfende Blick sie nicht los, wie gehoft(gehofft), sondern wandert weiter über sie.
„Hast du gegessen?“
„Ja.“
„Hast du getrunken?“
„Ja.(kein Punkt)“, beantwortet sie die standardmäßigen Fragen.
„Zeig mir dein Trinkgefäß“.
Das ist neu. Irritiert streckt sie das Gewünschte dennoch entgegen.
„Trink, dann wird es dir besser gehen.“ Auffordernd streckt die Erzieherin ihr das soeben gegebene Behältnis entgegen. „Es ist auf dich abgestimmt. Das wird dir gut(getrennt)tun.“
Gehorsam nimmt sie einen großen Schluck. Spürt, wie das zähflüssige Getränk ihren Mund ausfüllt und seinen Geschmack verteilt.
Lecker. Gierig nimmt sie einen weiteren Schluck, während der erste ihren Hals hinunter gleitet. Als er ihren Magen erreicht, empfängt dieser ihn mit aufgeregtem Knurren.
„Du hast zu wenig gegessen. Das ist nicht gut, Kind.“
Na(getrennt)ja, von dem Dreck kann ich auch nicht mehr Essen (essen).
„Los, komm mit mir, du brauchst noch ein Getränk.(kein Punkt)“, entscheidet sie (wer?), greift nach Gabriallas Hand und zieht sie hinter sich her.
Irritiert und verärgert lässt sich Gabrialla mit ziehen.
Wie soll mir etwas zum Trinken den Magen füllen? Ich brauch etwas Richtiges zum Essen. Das Zeug hält nicht lange. Wie gerne hätte ich jetzt noch zwei Stück Fleisch!
Doch, muss sie eingestehen, nach den Schlucken gerade,(kein Komma) geht es mir viel besser.
Ihr Weg führt sie zurück in den Essensraum, wo die Erzieherin hinter die Theke eilt und sie stehen lässt. Gabrialla beobachtet, wie sie durch eine Tür verschwindet und fleht: Beeil dich, ich will hier raus. Sie versucht sich gegen den Lärm, gegen die seltsamen Wellen, die um sie herum toben, abzuschirmen, doch gelingt es ihr nur schwer. Diese Bälger! Können sie nicht ruhig sein? Den Blick starr auf die Theke gerichtet, versucht sie, sich zu beschäftigen. Versucht Bilder vom Garten herauf zu beschwören und darin zu versinken. Doch, so leicht sie sonst in ihren Gedanken versinkt, jetzt will es ihr nicht gelingen.
„Hier,(kein Komma)“(Komma) erklingt auf einmal die Erlösung vor ihr, „nimm das(das) und dann los.“ Ohne sich zu bedanken, ohne der Erzieherin noch einen Blick zu zuwerfen, greift sie nach dem Behälter und eilt aus dem Raum. Eilt über den Flur und zu ihren Freunden, weg von den vielen Reizen
lg
 
Hallo flammarion :)

Phu, ok, ich habe mir NeuJahr frei genommen, ich gestehe :)
Gestern musste ich wider einmal feststellen wie schwierig es ist Überarbeitungen/Anmerkungen in meinen Text einzuarbeiten.

Ich habe jetzt das erste und zweite Kapitel durch. Du hast es noch als eines, weil du schneller warst als ich. :D
Es hat hier so viel ausgesehen, dass ich mich entschlossen hatte die Kapitel zu verkleinern. Im Nachhinein finde ich das immer noch eine gute Idee.

Zu deinen Fragen im Text:

1. Was ist die Zeit des Körpers?
... Passend für die Zeit des Körpers angezogen, ...
Zeit des Körpers ist eine Zeit, währende der sich die Menschen auf der Farm um ihren Körper kümmern.
In unseren Wörtern kann man sagen, es ist eine Mischung aus Sport und Wellness. Im Sinn von Körperformung und Gesunderhaltung. Jedoch nicht im Sinne von Hungermodel aussehen und aufgedonnert werden.

2. Wer liegt falsch?
WENDET EURE AUFMERKSAMKEIT EURER UMGEBUNG ZU. AUF EUCH GERICHTET LIEGT SIE FALSCH.
Die Aufmerksamkeit.
Sie liegt richtig, wenn man sie auf andere richtet.
Wenn man nur an sich denkt und nur auf sich achtet, liegt man falsch.
Es soll aussagen, dass kein Egoismus erwünscht ist.

3. Die Kontrolle
DIE KINDER SIND UNSER GESCHENK. SIE SIND DAS, WO FÜR WIR SORGEN SOLLEN, NICHT WIR SELBER. WIR MÜSSEN SICHER SEIN, DASS SIE GESUND UND WOHLBEHALTEN LEBEN KÖNNEN.

Warum? Was ist hier so schön? Was wird hier Kindern geschenkt? Der Kontrolle? Den Regeln? Dem eingesperrt sein? Oder der Angst? Warum ist unser einziges Ziel das Fortbestehen? Der Ernte. Alleine unserem Ende ist es, dem wir sie schenken, ist sie sich sicher. Nichts anderes ist es, was uns alle erwartet.
Die Kinder werden „Der Kontrolle“ geschenkt. Die Kinder werden „die Kontrolle“ geschenkt klingt seltsam.


4. Was ist Mittentag?
Bitte zum Mittentag die leeren Behälter zurückbringen.
Mittentag ist die Mitte des Tages. Bei uns 12 Uhr / Mittag
Kurzform von „Die Mitte des Tages“
Eigentlich gefällt mir Mittetag besser, ist aber zu ähnlich unserem Mittag und wird/ wurde als Fehler gesehen. Auch bei Freientag ist das so. Eigentlich sollte es Freitag heißen, von „freiem Tag“. Doch jeden zweiten (oder dritten) Tag einen Freitag haben, hat verwirrt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das im Text besser umschreiben muss. Was meinst du?

Gruß und vielen Dank
Helene P
 

flammarion

Foren-Redakteur
hallo helene,

ja, kürzere Kapitel sind meist besser und erhöhen die Spannung.

ja, es müsste noch vieles überarbeitet werden, teilweise sogar neu geschrieben.

was "Die Zeit des Körpers" ist, sollte dem Leser erklärt werden.
auch "Mittentag". das Wort lässt vermuten, dass es sich um einen bestimmten Tag handelt - leg lieber eine bestimmte Stunde fest und verzichte auf das schöne Wort.

was wird den Kindern geschenkt? in diesem Zusammenhang wäre "die Kontrolle" richtig. also nimm den Satz heraus und schreibe, dass die Kinder der Kontrolle geschenkt werden. (gruselig!!!)

wendet eure Aufmerksamkeit auf eure Umgebung und weniger auf euch . . . wäre knackiger und unmissverständlicher.

bin gespannt, was sich in den weiteren Kapiteln entwickeln wird.
lg
 
Hallo flammarion

Danke für deine Ausdauer und deiner Korrektur. :)
Ich habe festgestellt, ich habe kein "denn" in meinem geschriebenen Wortschatz. Das ist mir noch nie aufgefallen :O
Danke.
Davon und von den Kommata vor, statt nach den " wird es wohl in den anderen Kapitel noch einige geben. Sorry schon mal.


...ja, es müsste noch vieles überarbeitet werden, teilweise sogar neu geschrieben.
Oje, ich habe es befürchtet und auch damit gerechnet, wenn ich ehrlich bin. Doch so drastisch, wie es mir jetzt erscheint noch nicht gewertet.

..was „Die Zeit des Körpers“ ist, sollte dem Leser erklärt werden.
auch „Mittentag“. das Wort lässt vermuten, dass es sich um einen bestimmten Tag handelt - leg lieber eine bestimmte Stunde fest und verzichte auf das schöne Wort...
&
...heute morgen ist mir „Mittentagstunde“ eingefallen. was hältst du davon?..
Die haben keine Stunden.
Sie haben Striche und Zehntstriche, was in etwa mit unseren Stunden und Minuten vergleichbar ist. Stell es dir, wie bei einer Sonnenuhr vor.
Was hältst du von Mittentagsstrich? Oder Mittenstrich?
Halbtag scheint mir zu banal.

was wird den Kindern geschenkt? in diesem Zusammenhang wäre „die Kontrolle“ richtig. also nimm den Satz heraus und schreibe, dass die Kinder der Kontrolle geschenkt werden. (gruselig!!!)
Das ist tatsächlich gruselig und so ist es auch gedacht.
Ich will nicht zu viel verraten, denn ich weiß nicht, ob das schon so verstanden wurde, deswegen vergib mir, wenn ich nicht näher darauf eingehe.

...wendet eure Aufmerksamkeit auf eure Umgebung und weniger auf euch . . . wäre knackiger und unmissverständlicher.
WENDET EURE AUFMERKSAMKEIT AUF EURE UMGEBUNG. AUF EUCH LIEGT SIE FALSCH.
Was hältst du davon?
Ich finde es hier wichtig, dass dieses „FALSCH“ in der Regel steht.
Oder etwas Vergleichbares, das ausdrückt, dies Variante wäre negativ.
Die Regel ist dafür gedacht, dass sie auf andere achten und sich selber in den Hintergrund stellen. Alle Regeln sind dafür da, dass sie für andere angenehm und sorgsam sein wollen (sollen). Hübsch für andere sein. Nett zu anderen sein. Auf andere Achten. Sich um andere Sorgen. Das sie lernen an sich selbst zu denken ist falsch. In jeder Hinsicht.

Sie sollen, von Anfang an lernen/dazu gebracht werden, sich selber zum Wohle von jemand (in dem Moment der Gemeinschaft, aber nur zur Vorbereitung für nach der Holung.) Anderen aufzugeben.

...bin gespannt, was sich in den weiteren Kapiteln entwickeln wird.
Oh, Fein. :D
Das ist eine wunderbare Rückmeldung zum Inhalt. Danke. :)

Gruß
Helene P
 

flammarion

Foren-Redakteur
hallo helene,

Mittentagsstrich finde ich prima, hatte ganz vergessen, dass man dort ja keine Stunden hat. allerdings nennt man auch "Strich", wo Nutten gehen . . . hoffentlich zieht keiner sonst darauf.

. . . auf euch liegt sie falsch ist zu verschwommen. wenn du "falsch" unbedingt dabei haben willst, dann vielleicht . . . Aufmerksamkeit auf euch zu richten, ist falsch. huch, das klingt ja beinahe wie eins der zehn gebote gottes . . .

schönes wochenende wünscht
 



 
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