Langsam ging die Sonne auf. Die Geschwister und ihre Liebsten waren unter braunen Decken eingewickelt und schliefen. Jeder träumte von einer wunderbaren Zukunft. Eine Zukunft voller Frieden und Liebe.
Elonore wurde nun aber von einem sehr warmen und auch nicht wirklich leisem Atemzug geweckt. Allerdings kannte sie diese auch gut genug. Somit kam ein Lächeln auf ihre Lippen und sie berührte, noch mit geschlossenen Augen sanft die Stirn der Einhorn-Stute, welche sich auch etwas anschmiegte.
„Ja, Ja, Eos, ich stehe schon auf. Dass ihr Einhörner aber auch immer so früh auf den Beinen seid.“ Etwas schlaftrunken stand Elonore nun auf und sah wie auch Chander nun Kaleb weckte. Dann noch ganz kurz im Fluss waschen und schließlich stiegen sie auf die Pferde und Einhörner.
„Also dann, Chander,“ sagte Kaleb nun zu seinem Freund, „zeig uns mit deiner Schwester den Weg. Lass uns gemeinsam den Schrecken endgültig vernichten und den Frieden sichern. Dann können wir endlich nach Hause.“
Chander und Eos gingen vor raus und ihre Hörner leuchteten so hell wie der Sonnenaufgang. Es schien ein richtiger Lichtstrahl von ihnen auszugehen, der in eine Richtung zeigte. Alle spürten eine Energie. Es war, als ob etwas anderes als Blut durch ihre Körper ging und ihnen zuflüsterte, dass sie alles schaffen konnten. Ein wunderbares Gefühl.
Sie kamen im Trab vor ran. Langsam, ganz langsam, wurde die Gegend immer düsterer. Die Bäume wurden kahler und kahler, die Gegend immer weniger fruchtbar. Auf dem Boden wuchsen Meter um Meter immer weniger Pflanzen, bis schließlich gar keine mehr zu sehen waren.
Kaleb und den anderen wurde es richtig kalt im Inneren. In der Luft, im Boden, im Himmel, der sich auch, und das am Tag, immer schwärzer färbte, war es möglich Hass, Furcht, Neid und Missgunst zu fühlen.
Elonore klammerte sich richtig an Eos. „Ich wüsste nicht, was mit mir los wäre, wenn du nicht bei mir wärst, Eos. So vieles haben wir zusammen erlebt. Immer warst du bei mir. Danke!“
Das waren ihre Gedanken. Eos wieherte kurz, als ob sie diese Gedanken gelesen hatte. Vielleicht hat sie das auch? Wahrscheinlich. So gute Freunde, wie es die Einhörner zusammen mit den Königskindern waren, für diese sind Gedanken des anderen irgendwie doch ein offenes Buch.
„Seht, da vorne!“ Colet hatte irgendetwas einige Meter vor ihnen entdeckt. In der Dunkelheit kam nun langsam eine Wand auf sie zu. Ob sie eine Farbe hatte, konnte man aufgrund dessen auch nicht wirklich erkennen. „Reiten wir der Wand entlang.“ meinte nun Trescha.
Also bewegten sie sich entlang dieser Wand, die etwas mysteriöses an sich hatte. Sie sah wie eine normale Mauer aus, und doch war keinem der Vier das Material bekannt. Kurz fasste Colet voller Neugier die Mauer an, als er einen gewaltigen Kälteschock spürte und die Hand sofort wieder weg zog: „Verdammt, diese Mauer ist so kalt dass es weh tut.“
„Kaleb, kannst du es spüren?“ fragte Elonore ihren Bruder.
„Wenn du das Gefühl von absoluter Gefühlskälte, Freudelosigkeit und Nichts meinst: Ja, ich kann es spüren. So viel Hass, so viel Wut, sie durchfließt selbst diese Mauer. Hier leben zu müssen erscheint mir als ein unerträgliches Leid. Hass hält nur gefangen, Liebe befreit-weißt du noch, das hat Mutter uns mal gesagt.“
Elonore erinnerte sich: „Ja, das hat sie. Ein Glück, dass wir sie hatten. Somit waren wir immer frei.“
Endlich erreichten sie den Eingang. Langsam traten sie in den Vorhof einer Festung. An sich sah sie aus wie jede Andere. Sie hatte zwei Türme mit spitzen Dächern und eine großes Tor, das mit einem Gatter versperrt wurde.
Und doch spürte man eine Bedrohung. Eine Gefahr, die man nicht beschreiben konnte, aber von der man doch wusste, dass sie absolut alles vernichten könnte.
Elonore rüttelte verzweifelt an dem Gatter, aber es gab keine Schwachstelle. Nichts, das nachgab, nichts, das einen Fehler zeigte. „Wie sollen wir hier nur rein kommen?“
Da leuchteten wieder die Hörner von Eos und Chander, wieder mit einem beruhigenden Licht. Das Tor öffnete sich von selbst. Sie traten ein und jeder Gedanke war eine Frage: Was wird sie hier erwarten? Können sie es schaffen?
Jeder Schritt bedeutete Überwindung. Die Stille, welche sich in der gesamten Umgebung befand, war unerträglich. In ihr lag Gefahr, Gefühlslosigkeit-und Leere. „Seid auf der Hut. Überall könnten Feinde lauern.“ warnte Kaleb seine Begleiter.
Stets die Hand am Schwert, setzten sie ihren Weg, nachdem sie von den Tieren gestiegen waren, fort, die Pferde und Einhörner als Begleitung. Langsam erreichten sie die Türe, von außen betrachtet zwar aus Holz, aber auch hier war etwas vollkommen anderes zu erfühlen.
Elonore ging vor ran und fasste an den runden Griff der Tür. Jeden überraschte es, wie leicht es ihnen fiel, die Tür zu öffnen und die Festung zu betreten.
Nur wenig Licht fiel durch die Fenster in die Halle. Es hingen ein paar wenige gebogene Schwerter an der Wand zur Dekoration, wobei es in diesem wirklich finsteren Räumen wohl nicht wirklich Dekoration benötigt. Der Boden reflektierte überhaupt kein Licht. Ob er überhaupt etwas zu zeigen hatte, war somit zweifelhaft.
Jeder Lufthauch, jedes Geräusch schreckte sie fürchterlich auf. Nur das vertraute Klappern der Einhorn-Hufe scheuchte niemanden auf. Die Pferde hatten sich geweigert die Festung zu betreten. Eos und Chanders leises Atmen wirkte wenigstens etwas beruhigend.
Aber diese Ruhe war mit einem Schlag vorbei. Ein kurzer Schreckensschrei von Trescha ließ alle in Richtung der großen Treppe sehen. Trescha war so eben einem Schwert ausgewichen, und der Besitzer dieses Schwertes war einer der gewaltigen, muskulösen Wolfsmenschen. Der Schreck fuhr allen in die Glieder. Noch mehr, als sie erkannten, dass noch drei weitere ins schwache Licht traten.
Kaleb erfasste jetzt die Sorge um Trescha und Colet-den Mann, den seine Schwester liebte. Er wusste, der Verlust der beiden wäre für die Zwillinge genau so unerträglich wie der Verlust der Einhörner.
„Colet, Trescha, schnell, bringt euch in Sicherheit. Wir werden uns zusammen mit Chander und Eos um diese übergroßen Schaf-Fresser kümmern.“
„Aber...“ warf Trescha ein.
„GEHT!“ Nach dieser entschlossen Aufforderung schienen sie nun wirklich sich in Sicherheit zu bringen.
Elonore griff nun gemeinsam mit Eos zwei der Kreaturen an. Kaleb kam auf die anderen zu und unterstützte Chander: „Komm, zeigen wir ihnen wozu die Thronfolger von Herminaz fähig sind, Schwesterherz!“
Somit begann der Kampf. Klinge kreuzte Klinge, Horn wehrte eine Klinge ab. Es war eine richtige Schlacht, und dabei waren es nur acht Kämpfer. Aber es erschien den Zwillingen so. Nicht bereit auf zu geben, schwangen sie ihre Waffen und wandten alles an, was sie in ihrem langjährigen Training gelernt hatten.
Improvisieren, den Gegner täuschen. Aber irgendwie schien das nichts zu bringen, die Feinde blockten jeden Versuch ab, sie auch nur einen Zentimeter nach hinten zu drängen. Stattdessen spürten sie wieder die Kräfte dieser Monster, die nicht nur die Körper der Geschwister, sondern scheinbar die gesamte Festung erschütterten.
Colet und Trescha sahen diesem Kampf voller Angst zu-Angst, um die für die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Umso mehr tat es ihren Herzen sehen, deren Unterlegenheit zu sehen. Auch, wie die Einhörner zwar den Feind in Schach halten können mit Hilfe von Tritten, ihrer Gewandtheit und den Stößen ihrer Hörner, aber einen Vorteil zogen sie nicht daraus. Trescha fing schon an zu weinen an der Wand, an der sie sich versteckten: „Ich kann das nicht, ich kann Kaleb einfach nicht alleine lassen. Ich liebe ihn so sehr!“
Auch Colet Herz zog sich zusammen: „Elonore...du bist das wichtigste für mich. Wie kannst du nur denken, dass ich dich alleine kämpfen lasse. Oh, du bist so....“
Colets Blick fiel auf zwei, über Kreuz hängende Schwerter an der Wand. Sofort, er wusste selber nicht weshalb und wie, griff er nach dem ersten Schwert, warf Trescha, die ihn völlig geschockt und überrascht an sah, das Zweite zu: „Mir ist egal, was sie sagen. Es geht um ihr Leben. Willst du Kaleb verlieren? Ich will Elonore jedenfalls den Rest meines Lebens in meinen Armen halten können.“
Trescha bekam jetzt ein Gefühl des Willens, und sie glaubte, den Teufel selber besiegen zu können. Ihre Tränen versiegten: „Ja, Kaleb muss wissen, dass er mehr als sein Einhorn und seine Schwester hat. Und wenn ich sterbe. Lieber bin ich tot, als das Herminaz im Dunkeln verschwindet und seinen Thronfolger verliert.“ Sie begaben sich nun in Richtung des Kampfes.
Kaleb und Elonore kämpften weiterhin zusammen mit den Einhörnern gegen die vier Monster. Und immer noch blieben sie diesen Feinden unterlegen, ja sie glaubten zu fühlen, dass sie immer stärker wurden. Langsam verließ sie der Mut und der Glaube, und genau das stärkte die vier Wolfsmenschen.
So eben wurde Elonore von ihrem Gegner an eine Wand gestoßen. Eine Träne von erster Verzweiflung bahnte sich jetzt ihren Weg, so wenig sie es auch wollte. Jetzt griff der Feind wieder an-da kreuzte eine weitere Klinge die der Kreatur. Elonore war überrascht und sah an der Klinge entlang-dann entfuhr ihr ein kleiner Schrei, gemischt mit Überraschung, Verwunderung und doch etwas Freude: „Colet!“
Der Knecht schlug nun nochmal gegen den Feind und stieß ihn zur Seite. Dann stellte er sich neben die Prinzessin: „Elonore, ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben. Ich bin bei dir und bleibe immer bei dir. Lass uns kämpfen!“
Elonore durchströmte wieder diese wunderbare Hitze, und aller Zweifel, alle Furcht und Verzweiflung verschwanden im Nichts. Zusammen bedrängten sie nun, unterstützt von Eos, Zwei der Wolfsmenschen mehr und mehr. Diesmal wurden sie mit jedem Augenblick stärker. Immer weiter mussten die Monster zurückweichen.
Kaleb erkannte aus dem Augenwinkel die Gefahr für Chander. Denn dieser erfuhr durch einen Schlag dessen Gegners einen unbequemen Stoß gegen die Wand. Kaleb reagierte sofort, versetzte seinem Feind einen kräftigen Tritt, sodass dieser fiel und Kaleb in Richtung des Hengstes eilte. Große Furcht besaß er um seinen Gefährten. Da wurde der Angriff des Wolfsmensch durch Trescha mit einer Schwertklinge gestoppt: „Kaleb, bezwinge dieses Etwas hinter dir. Ich werde es mit Chander schaffen den hier zu vernichten. Ich bin immer für dich da!“
Kaleb war kurz gerührt von dieser Hilfe Treschas. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel für mich tun würdest. Ich liebe dich, Trescha!“ dachte er in diesem Moment. Dann schenkte er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Wolfsmenschen, welcher sich so eben wieder erhob: „Komm schon, du Fellknäuel. Du hast gegen mich keine Chance. Weißt du warum? Weil ich verliebt bin, und niemand jemanden bezwingen kann, den das durchströmt, was mich durchströmt. Eine Energie, die du nie fühlen wirst. Du gehörst mir!“
Weiter ging die Schlacht, es wurde deutlich, dass die Krieger des Schreckens immer weniger erstreiten und kämpfen konnten. Denn sie waren nicht nur in der Unterzahl: Nein, sie mussten auch noch gegen Feinde kämpfen, denen eine gewaltige Kraft geschenkt worden war, die man sich auch nur vorstellen konnte.
Immer weiter wurden sie in eine kleine Gruppe zusammengedrängt. Unmerklich war es den Thronfolgern mit ihren Begleitern gelungen, sie zu umkreisen. Aber noch waren sie nicht geschlagen.
Mit einem gewaltigen Brüllen, von dem man annehmen konnte, es würde den nächsten Wald vernichten, schlugen sie nochmal zurück. Aber schnell gelang es Kaleb zwei von ihnen die Waffen aus der Hand zu schlagen.
Und im selben Moment, gestärkt durch diese deutliche Überlegenheit, stießen schon Elonore, Colet und Trescha zu. Ein riesiger, lauter Schrei, gleich einem Donnergrollen, entfloh den getroffen Feinden und sie stürzten zu Boden. Kaleb wich einem weiteren Angriff des Letzten aus und köpfte schließlich diesen. Der Körper fiel zu Boden, der Kopf flog Meter weit davon in die Dunkelheit.
Es war zu Ende. Die Schlacht hatte ein Ende, der Kampf hatte ein Ende. Aber erst begriff es niemand von den Vieren, die sich erst mal auf den Untergrund sinken ließen. Eine Stimmung des ersten Unglaubens lag in der Luft.
Elonore fand als erstes wieder die Worte: „Haben...haben...haben wir sie eben wirklich besiegt?“ Kaleb begann vor Erleichterung und Freude zu lächeln und hauchte hervor: „Ja. Wir haben es geschafft, sie sind bezwungen.“ Er ergriff Treschas Hand und küsste sie leicht: „Danke Trescha!“
„Elonore...“
„Colet...“ Die Prinzessin und ihr Liebster sahen sich in die Augen und küssten sich danach. Jeder Einzelne meinte nun alles zu bestehen und alles zu können. Es gab nun kein Unmöglich mehr, nirgends lag ein Undenkbar in der Luft, außer einem: es war undenkbar, dass sie jetzt noch jemand aufhalten könnte.
Ein unsichtbares Licht erstrahlte in jedem von ihnen-auch in den Einhörnern, die sich mit ihren Köpfen an ihre Gefährten geschmiegt hatten. Einige, unendlich erscheinende Sekunden genossen sie dieses Gefühl, bis der Prinz fest stellte: „Es wird Zeit unseren Weg fort zu setzen.“
Nun standen alle auf und wollten nun das Ende dieser Mission erreichen, koste es was es wollte. Kaleb betrat nun instinktiv die erste Stufe der Treppe nach oben, als auch schon ein eiskalter Blitz ihn durch fuhr, ausgelöst durch das unruhige und panische Wiehern der Einhörner.
Elonore war verwirrt und völlig durcheinander. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr erfassen und schrie voller Angst, die sich in Form einer gewaltigen Kälte in ihr ausbreitete: „Eos, was ist los? Ist hier irgendwas? Eos, was...“
Ohne, das irgendjemand noch hätte was tun können, standen die Fabelwesen schon vor den Menschen und verpassten ihnen einen Tritt mit den Vorderhufen. Einen kurzen Schmerz spürten die Thronfolger und wurden nach hinten gedrückt, so schnell, dass auch Trescha und Colet nicht mehr reagieren konnten und nach hinten stürzten.
„Ahhh...Chander was soll das, was ist nur in dich gefahren?“ schrie der Prinz völlig verwundert und die Schmerzen des Aufpralls auf den Boden, welcher einem Schlag mit einem Stein gleich kam, fühlend. Die Antwort kam schneller als sie es sich erwünscht hatten.
Die weiterhin panisch wiehernden Fabelwesen wurden auf einmal von einer schwarzen Hülle erfasst, welche ihnen sichtbar Schmerzen zufügte und immer größer und größer wurde. Blitze umzingelten die Hülle.
Als sie diese bemerkten, wurde Kaleb und Elonore immer kälter ums Herz. Es schlug immer schneller vor Angst und drohte zu zerspringen: „EOOOS!“ „CHAAANDER!“
Sie rannten auf die nun sich verfinsterte Hülle zu, doch erfasste sie ein Blitz, der ihnen ein unaussprechliches Brennen bereitete, sie auf die Erde warf und es ihnen unmöglich machte, sich zu bewegen.
Das laute Wiehern ihrer Gefährten wurde nun vom unerträglichen Geräusch der Blitze übertönt, die Schwärze machte jeden Blick auf sie unmöglich. Schließlich verschwand mit einem gewaltigen Sturm die Hülle mit samt den Einhörnern.
Im nächsten Moment vernahmen sie eine laute Stimme, welche schrecklicher klang als alles andere auf der Welt, denn in ihr war keinerlei Gefühlsregung zu vernehmen. Sie veränderte sich nicht im Tonfall und in der Tonhöhe und strahlte das pure dunkle aus: „Hört zu: wenn ihr eure Einhörner lebend wiedersehen wollt, dann übergebt ihr mir in einer Stunde im Vorhof der Festung die Medaillon-Hälften. Andernfalls werden sie den schlimmsten Qualen der Hölle ausgesetzt und ihr werdet weit aus größere Qualen erleiden und sterben.“
Elonore wurde nun aber von einem sehr warmen und auch nicht wirklich leisem Atemzug geweckt. Allerdings kannte sie diese auch gut genug. Somit kam ein Lächeln auf ihre Lippen und sie berührte, noch mit geschlossenen Augen sanft die Stirn der Einhorn-Stute, welche sich auch etwas anschmiegte.
„Ja, Ja, Eos, ich stehe schon auf. Dass ihr Einhörner aber auch immer so früh auf den Beinen seid.“ Etwas schlaftrunken stand Elonore nun auf und sah wie auch Chander nun Kaleb weckte. Dann noch ganz kurz im Fluss waschen und schließlich stiegen sie auf die Pferde und Einhörner.
„Also dann, Chander,“ sagte Kaleb nun zu seinem Freund, „zeig uns mit deiner Schwester den Weg. Lass uns gemeinsam den Schrecken endgültig vernichten und den Frieden sichern. Dann können wir endlich nach Hause.“
Chander und Eos gingen vor raus und ihre Hörner leuchteten so hell wie der Sonnenaufgang. Es schien ein richtiger Lichtstrahl von ihnen auszugehen, der in eine Richtung zeigte. Alle spürten eine Energie. Es war, als ob etwas anderes als Blut durch ihre Körper ging und ihnen zuflüsterte, dass sie alles schaffen konnten. Ein wunderbares Gefühl.
Sie kamen im Trab vor ran. Langsam, ganz langsam, wurde die Gegend immer düsterer. Die Bäume wurden kahler und kahler, die Gegend immer weniger fruchtbar. Auf dem Boden wuchsen Meter um Meter immer weniger Pflanzen, bis schließlich gar keine mehr zu sehen waren.
Kaleb und den anderen wurde es richtig kalt im Inneren. In der Luft, im Boden, im Himmel, der sich auch, und das am Tag, immer schwärzer färbte, war es möglich Hass, Furcht, Neid und Missgunst zu fühlen.
Elonore klammerte sich richtig an Eos. „Ich wüsste nicht, was mit mir los wäre, wenn du nicht bei mir wärst, Eos. So vieles haben wir zusammen erlebt. Immer warst du bei mir. Danke!“
Das waren ihre Gedanken. Eos wieherte kurz, als ob sie diese Gedanken gelesen hatte. Vielleicht hat sie das auch? Wahrscheinlich. So gute Freunde, wie es die Einhörner zusammen mit den Königskindern waren, für diese sind Gedanken des anderen irgendwie doch ein offenes Buch.
„Seht, da vorne!“ Colet hatte irgendetwas einige Meter vor ihnen entdeckt. In der Dunkelheit kam nun langsam eine Wand auf sie zu. Ob sie eine Farbe hatte, konnte man aufgrund dessen auch nicht wirklich erkennen. „Reiten wir der Wand entlang.“ meinte nun Trescha.
Also bewegten sie sich entlang dieser Wand, die etwas mysteriöses an sich hatte. Sie sah wie eine normale Mauer aus, und doch war keinem der Vier das Material bekannt. Kurz fasste Colet voller Neugier die Mauer an, als er einen gewaltigen Kälteschock spürte und die Hand sofort wieder weg zog: „Verdammt, diese Mauer ist so kalt dass es weh tut.“
„Kaleb, kannst du es spüren?“ fragte Elonore ihren Bruder.
„Wenn du das Gefühl von absoluter Gefühlskälte, Freudelosigkeit und Nichts meinst: Ja, ich kann es spüren. So viel Hass, so viel Wut, sie durchfließt selbst diese Mauer. Hier leben zu müssen erscheint mir als ein unerträgliches Leid. Hass hält nur gefangen, Liebe befreit-weißt du noch, das hat Mutter uns mal gesagt.“
Elonore erinnerte sich: „Ja, das hat sie. Ein Glück, dass wir sie hatten. Somit waren wir immer frei.“
Endlich erreichten sie den Eingang. Langsam traten sie in den Vorhof einer Festung. An sich sah sie aus wie jede Andere. Sie hatte zwei Türme mit spitzen Dächern und eine großes Tor, das mit einem Gatter versperrt wurde.
Und doch spürte man eine Bedrohung. Eine Gefahr, die man nicht beschreiben konnte, aber von der man doch wusste, dass sie absolut alles vernichten könnte.
Elonore rüttelte verzweifelt an dem Gatter, aber es gab keine Schwachstelle. Nichts, das nachgab, nichts, das einen Fehler zeigte. „Wie sollen wir hier nur rein kommen?“
Da leuchteten wieder die Hörner von Eos und Chander, wieder mit einem beruhigenden Licht. Das Tor öffnete sich von selbst. Sie traten ein und jeder Gedanke war eine Frage: Was wird sie hier erwarten? Können sie es schaffen?
Jeder Schritt bedeutete Überwindung. Die Stille, welche sich in der gesamten Umgebung befand, war unerträglich. In ihr lag Gefahr, Gefühlslosigkeit-und Leere. „Seid auf der Hut. Überall könnten Feinde lauern.“ warnte Kaleb seine Begleiter.
Stets die Hand am Schwert, setzten sie ihren Weg, nachdem sie von den Tieren gestiegen waren, fort, die Pferde und Einhörner als Begleitung. Langsam erreichten sie die Türe, von außen betrachtet zwar aus Holz, aber auch hier war etwas vollkommen anderes zu erfühlen.
Elonore ging vor ran und fasste an den runden Griff der Tür. Jeden überraschte es, wie leicht es ihnen fiel, die Tür zu öffnen und die Festung zu betreten.
Nur wenig Licht fiel durch die Fenster in die Halle. Es hingen ein paar wenige gebogene Schwerter an der Wand zur Dekoration, wobei es in diesem wirklich finsteren Räumen wohl nicht wirklich Dekoration benötigt. Der Boden reflektierte überhaupt kein Licht. Ob er überhaupt etwas zu zeigen hatte, war somit zweifelhaft.
Jeder Lufthauch, jedes Geräusch schreckte sie fürchterlich auf. Nur das vertraute Klappern der Einhorn-Hufe scheuchte niemanden auf. Die Pferde hatten sich geweigert die Festung zu betreten. Eos und Chanders leises Atmen wirkte wenigstens etwas beruhigend.
Aber diese Ruhe war mit einem Schlag vorbei. Ein kurzer Schreckensschrei von Trescha ließ alle in Richtung der großen Treppe sehen. Trescha war so eben einem Schwert ausgewichen, und der Besitzer dieses Schwertes war einer der gewaltigen, muskulösen Wolfsmenschen. Der Schreck fuhr allen in die Glieder. Noch mehr, als sie erkannten, dass noch drei weitere ins schwache Licht traten.
Kaleb erfasste jetzt die Sorge um Trescha und Colet-den Mann, den seine Schwester liebte. Er wusste, der Verlust der beiden wäre für die Zwillinge genau so unerträglich wie der Verlust der Einhörner.
„Colet, Trescha, schnell, bringt euch in Sicherheit. Wir werden uns zusammen mit Chander und Eos um diese übergroßen Schaf-Fresser kümmern.“
„Aber...“ warf Trescha ein.
„GEHT!“ Nach dieser entschlossen Aufforderung schienen sie nun wirklich sich in Sicherheit zu bringen.
Elonore griff nun gemeinsam mit Eos zwei der Kreaturen an. Kaleb kam auf die anderen zu und unterstützte Chander: „Komm, zeigen wir ihnen wozu die Thronfolger von Herminaz fähig sind, Schwesterherz!“
Somit begann der Kampf. Klinge kreuzte Klinge, Horn wehrte eine Klinge ab. Es war eine richtige Schlacht, und dabei waren es nur acht Kämpfer. Aber es erschien den Zwillingen so. Nicht bereit auf zu geben, schwangen sie ihre Waffen und wandten alles an, was sie in ihrem langjährigen Training gelernt hatten.
Improvisieren, den Gegner täuschen. Aber irgendwie schien das nichts zu bringen, die Feinde blockten jeden Versuch ab, sie auch nur einen Zentimeter nach hinten zu drängen. Stattdessen spürten sie wieder die Kräfte dieser Monster, die nicht nur die Körper der Geschwister, sondern scheinbar die gesamte Festung erschütterten.
Colet und Trescha sahen diesem Kampf voller Angst zu-Angst, um die für die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Umso mehr tat es ihren Herzen sehen, deren Unterlegenheit zu sehen. Auch, wie die Einhörner zwar den Feind in Schach halten können mit Hilfe von Tritten, ihrer Gewandtheit und den Stößen ihrer Hörner, aber einen Vorteil zogen sie nicht daraus. Trescha fing schon an zu weinen an der Wand, an der sie sich versteckten: „Ich kann das nicht, ich kann Kaleb einfach nicht alleine lassen. Ich liebe ihn so sehr!“
Auch Colet Herz zog sich zusammen: „Elonore...du bist das wichtigste für mich. Wie kannst du nur denken, dass ich dich alleine kämpfen lasse. Oh, du bist so....“
Colets Blick fiel auf zwei, über Kreuz hängende Schwerter an der Wand. Sofort, er wusste selber nicht weshalb und wie, griff er nach dem ersten Schwert, warf Trescha, die ihn völlig geschockt und überrascht an sah, das Zweite zu: „Mir ist egal, was sie sagen. Es geht um ihr Leben. Willst du Kaleb verlieren? Ich will Elonore jedenfalls den Rest meines Lebens in meinen Armen halten können.“
Trescha bekam jetzt ein Gefühl des Willens, und sie glaubte, den Teufel selber besiegen zu können. Ihre Tränen versiegten: „Ja, Kaleb muss wissen, dass er mehr als sein Einhorn und seine Schwester hat. Und wenn ich sterbe. Lieber bin ich tot, als das Herminaz im Dunkeln verschwindet und seinen Thronfolger verliert.“ Sie begaben sich nun in Richtung des Kampfes.
Kaleb und Elonore kämpften weiterhin zusammen mit den Einhörnern gegen die vier Monster. Und immer noch blieben sie diesen Feinden unterlegen, ja sie glaubten zu fühlen, dass sie immer stärker wurden. Langsam verließ sie der Mut und der Glaube, und genau das stärkte die vier Wolfsmenschen.
So eben wurde Elonore von ihrem Gegner an eine Wand gestoßen. Eine Träne von erster Verzweiflung bahnte sich jetzt ihren Weg, so wenig sie es auch wollte. Jetzt griff der Feind wieder an-da kreuzte eine weitere Klinge die der Kreatur. Elonore war überrascht und sah an der Klinge entlang-dann entfuhr ihr ein kleiner Schrei, gemischt mit Überraschung, Verwunderung und doch etwas Freude: „Colet!“
Der Knecht schlug nun nochmal gegen den Feind und stieß ihn zur Seite. Dann stellte er sich neben die Prinzessin: „Elonore, ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben. Ich bin bei dir und bleibe immer bei dir. Lass uns kämpfen!“
Elonore durchströmte wieder diese wunderbare Hitze, und aller Zweifel, alle Furcht und Verzweiflung verschwanden im Nichts. Zusammen bedrängten sie nun, unterstützt von Eos, Zwei der Wolfsmenschen mehr und mehr. Diesmal wurden sie mit jedem Augenblick stärker. Immer weiter mussten die Monster zurückweichen.
Kaleb erkannte aus dem Augenwinkel die Gefahr für Chander. Denn dieser erfuhr durch einen Schlag dessen Gegners einen unbequemen Stoß gegen die Wand. Kaleb reagierte sofort, versetzte seinem Feind einen kräftigen Tritt, sodass dieser fiel und Kaleb in Richtung des Hengstes eilte. Große Furcht besaß er um seinen Gefährten. Da wurde der Angriff des Wolfsmensch durch Trescha mit einer Schwertklinge gestoppt: „Kaleb, bezwinge dieses Etwas hinter dir. Ich werde es mit Chander schaffen den hier zu vernichten. Ich bin immer für dich da!“
Kaleb war kurz gerührt von dieser Hilfe Treschas. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel für mich tun würdest. Ich liebe dich, Trescha!“ dachte er in diesem Moment. Dann schenkte er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Wolfsmenschen, welcher sich so eben wieder erhob: „Komm schon, du Fellknäuel. Du hast gegen mich keine Chance. Weißt du warum? Weil ich verliebt bin, und niemand jemanden bezwingen kann, den das durchströmt, was mich durchströmt. Eine Energie, die du nie fühlen wirst. Du gehörst mir!“
Weiter ging die Schlacht, es wurde deutlich, dass die Krieger des Schreckens immer weniger erstreiten und kämpfen konnten. Denn sie waren nicht nur in der Unterzahl: Nein, sie mussten auch noch gegen Feinde kämpfen, denen eine gewaltige Kraft geschenkt worden war, die man sich auch nur vorstellen konnte.
Immer weiter wurden sie in eine kleine Gruppe zusammengedrängt. Unmerklich war es den Thronfolgern mit ihren Begleitern gelungen, sie zu umkreisen. Aber noch waren sie nicht geschlagen.
Mit einem gewaltigen Brüllen, von dem man annehmen konnte, es würde den nächsten Wald vernichten, schlugen sie nochmal zurück. Aber schnell gelang es Kaleb zwei von ihnen die Waffen aus der Hand zu schlagen.
Und im selben Moment, gestärkt durch diese deutliche Überlegenheit, stießen schon Elonore, Colet und Trescha zu. Ein riesiger, lauter Schrei, gleich einem Donnergrollen, entfloh den getroffen Feinden und sie stürzten zu Boden. Kaleb wich einem weiteren Angriff des Letzten aus und köpfte schließlich diesen. Der Körper fiel zu Boden, der Kopf flog Meter weit davon in die Dunkelheit.
Es war zu Ende. Die Schlacht hatte ein Ende, der Kampf hatte ein Ende. Aber erst begriff es niemand von den Vieren, die sich erst mal auf den Untergrund sinken ließen. Eine Stimmung des ersten Unglaubens lag in der Luft.
Elonore fand als erstes wieder die Worte: „Haben...haben...haben wir sie eben wirklich besiegt?“ Kaleb begann vor Erleichterung und Freude zu lächeln und hauchte hervor: „Ja. Wir haben es geschafft, sie sind bezwungen.“ Er ergriff Treschas Hand und küsste sie leicht: „Danke Trescha!“
„Elonore...“
„Colet...“ Die Prinzessin und ihr Liebster sahen sich in die Augen und küssten sich danach. Jeder Einzelne meinte nun alles zu bestehen und alles zu können. Es gab nun kein Unmöglich mehr, nirgends lag ein Undenkbar in der Luft, außer einem: es war undenkbar, dass sie jetzt noch jemand aufhalten könnte.
Ein unsichtbares Licht erstrahlte in jedem von ihnen-auch in den Einhörnern, die sich mit ihren Köpfen an ihre Gefährten geschmiegt hatten. Einige, unendlich erscheinende Sekunden genossen sie dieses Gefühl, bis der Prinz fest stellte: „Es wird Zeit unseren Weg fort zu setzen.“
Nun standen alle auf und wollten nun das Ende dieser Mission erreichen, koste es was es wollte. Kaleb betrat nun instinktiv die erste Stufe der Treppe nach oben, als auch schon ein eiskalter Blitz ihn durch fuhr, ausgelöst durch das unruhige und panische Wiehern der Einhörner.
Elonore war verwirrt und völlig durcheinander. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr erfassen und schrie voller Angst, die sich in Form einer gewaltigen Kälte in ihr ausbreitete: „Eos, was ist los? Ist hier irgendwas? Eos, was...“
Ohne, das irgendjemand noch hätte was tun können, standen die Fabelwesen schon vor den Menschen und verpassten ihnen einen Tritt mit den Vorderhufen. Einen kurzen Schmerz spürten die Thronfolger und wurden nach hinten gedrückt, so schnell, dass auch Trescha und Colet nicht mehr reagieren konnten und nach hinten stürzten.
„Ahhh...Chander was soll das, was ist nur in dich gefahren?“ schrie der Prinz völlig verwundert und die Schmerzen des Aufpralls auf den Boden, welcher einem Schlag mit einem Stein gleich kam, fühlend. Die Antwort kam schneller als sie es sich erwünscht hatten.
Die weiterhin panisch wiehernden Fabelwesen wurden auf einmal von einer schwarzen Hülle erfasst, welche ihnen sichtbar Schmerzen zufügte und immer größer und größer wurde. Blitze umzingelten die Hülle.
Als sie diese bemerkten, wurde Kaleb und Elonore immer kälter ums Herz. Es schlug immer schneller vor Angst und drohte zu zerspringen: „EOOOS!“ „CHAAANDER!“
Sie rannten auf die nun sich verfinsterte Hülle zu, doch erfasste sie ein Blitz, der ihnen ein unaussprechliches Brennen bereitete, sie auf die Erde warf und es ihnen unmöglich machte, sich zu bewegen.
Das laute Wiehern ihrer Gefährten wurde nun vom unerträglichen Geräusch der Blitze übertönt, die Schwärze machte jeden Blick auf sie unmöglich. Schließlich verschwand mit einem gewaltigen Sturm die Hülle mit samt den Einhörnern.
Im nächsten Moment vernahmen sie eine laute Stimme, welche schrecklicher klang als alles andere auf der Welt, denn in ihr war keinerlei Gefühlsregung zu vernehmen. Sie veränderte sich nicht im Tonfall und in der Tonhöhe und strahlte das pure dunkle aus: „Hört zu: wenn ihr eure Einhörner lebend wiedersehen wollt, dann übergebt ihr mir in einer Stunde im Vorhof der Festung die Medaillon-Hälften. Andernfalls werden sie den schlimmsten Qualen der Hölle ausgesetzt und ihr werdet weit aus größere Qualen erleiden und sterben.“