Kapitel 13: Geheime Vorbereitungen

Das Treffen fand in einer diesen Villen statt, wo reiche Menschen leben. Der Garten und die Villa nahmen soviel Platz in der kleinen Stadt ein wie die ganze Lindenstrasse. Einer der reichsten Männer der Stadt wohnte hier. Da er aber sehr reich und sehr einflussreich war, wollte er nicht, dass man über sein Geld und seine Macht öffentlich sprach. Er hielt sich gerne im Hintergrund. Wir wollen natürlich so höflich sein und ihm diesen diskreten Platz lassen, ohne allzu oft seinen Namen zu nennen (das mag er nicht): er heißt Herr Dieter Drahtzieher.
Wenn wir Herrn Drahtzieher auf der Strasse treffen würden, würden wir sagen: „Das ist aber ein sehr freundlicher Herr!“ Das war er auch. Nur die Ziele, die er verfolgte, konnten unseren Freunden und auch Meister Hora nicht gefallen. - Wir laden uns also zu einer wichtigen Besprechung bei Herrn Drahtzieher ein, in seine große Villa, damit wir zuhören können, was er seinen schwarzen Männern an Befehlen gibt.

„Setzen Sie sich bitte“, lud Herr Drahtzieher seine Gäste ein. Er hatte seine Gäste in sein großes Wohnzimmer hereingebeten. Es gab einen Blick auf das private Schwimmbad und den schönen Garten frei, in dem römische Statuen aufgestellt waren.
Doktor Gobel bewegte sich etwas steif und ungelenkig auf ein Sofa zu, auf dem er sich langsam hineinsetzte, so als hätte er Angst einen Abdruck im Sofa zu machen. Der Rauschebart ließ sich wie ein Sack in den teuren Ledersessel fallen, der unter der Last ächzte. Das Krähengesicht blieb stehen und würde das ganze Gespräch über keinen Ton sagen. Das war normal; denn die Krähe meinte, dass es sich nicht gehörte, etwas zu sagen, wenn wichtige Personen redeten.
„Meine Herren“, fing Herr Drahtzieher zielstrebig an. „Wir müssen handeln.“
Er hätte uns ein Bier anbieten können, dachte sich Rauschebart.
„Herr Doktor Gobel“, wendete er sich an die Glatze, „schlagen Sie Ihren Zeitplan vor. Wir brauchen jetzt endlich greifbare Ergebnisse und kein Blabla.“
„Natürlich, Herr Drahtzieher“, stimmte ihm die Glatze unterwürfig zu. „Folgende Aktionen sind geplant:
Erste Aktion: Grosse Werbeaktion. Die S-W-L ist der Freund und Partner der Bauern. Es ist eine Schande, dass kein Politiker sich um unsere armen Bauern kümmert...“
„Genau“, unterbrach ihn Drahtzieher, „weiter! Was kommt danach?“
„Zweite Aktion: Angriff auf das Zigeunerlager, die unser schönes Amphitheater beschmutzen. Wir sind stolz auf unsere lappalischen Wurzeln, deshalb hoffen wir, dass wir das Amphitheater endlich zu einer Touristenattraktion ausbauen können.“
„Sehr schön zusammengefasst“, lobte ihn der Hausherr. „Aber da war noch was... Vergessen Sie nicht dieses dahergelaufene Kind, Nolo, oder wie es heißt“, fügte Herr Drahtzieher an.
„Natürlich“, nickte die Glatze.
„Ich habe eine gute Nachricht für uns alle. Ich habe schon die Baumaschinen gekauft, um einen netten Touristen-Freizeit-Park zu bauen“, erklärte Herr Drahtzieher feierlich.
„Natürlich“, nickte die Glatze.
„Und die Stadtbewohner?“ fragte Drahtzieher weiter.
„Dritte Aktion: große Versammlung auf dem Marktplatz gegen die Ausländer, für die Rechte der Bauern, für unser schönes Lappalien, für eine lappalische Kultur...“
„Verschonen Sie mich mit Ihrem Quatsch, Gobel“, unterbrach ihn Drahtzieher. „Ziel: Die Stadtbewohner müssen auf unserer Seite sein. Schaffen Sie das?“
„Natürlich“, nickte die Glatze.
„Wie?“
„Pardon?“, Doktor Gobel hatte die Frage von Herrn Drahtzieher nicht verstanden.
„Durch Versprechungen, wir versprechen den Bauern und den Stadtbewohnern das Blaue vom Himmel herunter“, antwortete der Rauschebart anstelle der Glatze.
„Gut.“ Drahtzieher nickte zufrieden, aber dachte weiter nach: „Und was versprechen wir denen?“
„Weniger Steuern“, schlug die Glatze vor, „das müsste der Bürgermeister bezahlen, also können wir das auch versprechen...“
„Gut.“ Drahtzieher nickte wieder zufrieden, aber hatte noch ein paar Fragen: „Was machen Sie mit den Ruhestörern? Diesem Gigi? Dem wird unser Touristen-Zentrum sicher nicht gefallen. Und vergessen Sie nicht: Wir brauchen die Stimmen der Bauern bei den Gemeindewahlen und das Land der Bauern nächstes Jahr für meine neue Industriezone. Sie machen diesen Gigi, diese aufmüpfigen Bauern und alle, die gegen uns sind, mundtot, klar?“
„Natürlich“, nickte die Glatze.
„Das hört sich doch gut“, fasste Herr Drahtzieher die Diskussion zusammen, „jetzt habe ich Ihnen gar nichts zu trinken angeboten.“
„Das macht doch nichts“, nickte die Glatze.
Schade war’s doch! Ein Bier hätte ich gern getrunken! dachte Rauschebart, aber tat so, als ob nichts gewesen wäre.
„Ich wollte noch mal auf die Kommunalwahlen zurückkommen...“, fing die Glatze schüchtern an.
„Aber Gobel, darüber reden wir, wenn es soweit ist“, entrüstete sich Herr Drahtzieher.
„Ich wollte nur wissen, ob ich Ihre Unterstützung ...“, nickte die Glatze.
„Meinen Sie, dass ich Sie hängen lassen würde. Wir bauen eine Touristenattraktion, eine neue Industriezone, dazu brauch ich doch einen fähigen Bürgermeister, nicht so einen, der sich über Auto-Abgase, Feldbewässerung und so exotische Dinge Sorgen macht, sondern einen der die Ärmel hochkrempelt, der anpackt, einen echten Lappalier, treu und stolz auf seine Stadt Lappalia, der sein Vaterland ehrt, seine Mitbürger rassisch beschützt, Eindringlinge abwehrt.“ Der Drahtzieher hatte sich frei geredet.
Die drei schwarzen Männer standen vor Drahtzieher und hatten militärische Haltung angenommen.
„Das war’s wohl, die Herren“, sagte Drahtzieher jetzt mit der strengen Güte eines Familienvaters.
„Herr Drahtzieher, immer zu Ihren Diensten“, verabschiedete sich Glatze stockernst mit militärischen Gruß.
Drahtzieher nickte freundlich, bevor er die große Eingangstür wieder schloss.
Dann ging er die breite Treppe hoch zu seinem Arbeitszimmer, das im ersten Stock des Hauses lag.
In seinem Arbeitszimmer wartete sein neuer Assistent auf ihn. Es war Alwin Müller, der für Herrn Drahtzieher in seiner Freizeit ein paar Stunden als Ratgeber arbeitete.
„Was für Idioten!“, sagte Herr Drahtzieher und schüttelte mit dem Kopf. „Das Schlimmste ist, dass die den ganzen Blödsinn glauben.“
Er schüttelte noch mal mit dem Kopf.
„Nur so kommen wir an die Leute heran, Herr Drahtzieher“, sagte Alwin Müller clever, „die Leute brauchen etwas, woran sie glauben können, die schwarzen Männer geben eine paar falsche Namen, neue Kleidung, militärische Ordnung. Sie grenzen sich von allem ab, was wir für sie als nicht-lappalisch definieren. Wir geben ihnen Sündenböcke. Und das Wichtigste: sie geben den Leuten Grund, stolz auf sich zu sein. Ich habe schon mehrfach die Erfahrung gemacht. Ein Junge in meiner Nachbarschaft hat sich vollständig geändert, seitdem er bei den schwarzen Männern ist.“
„Ach wirklich?“ Das schien jetzt sogar Herrn Drahtzieher zu interessieren.
„Ja, ja“, erklärte sein Assistent. „Er denkt, dass er jetzt ganz wichtig ist, obwohl er diesen Sommer nicht die Schulnachprüfungen geschafft hat. Nur die Ideen der schwarzen Männern geben ihm Grund, stolz auf sich zu sein.“
„Soso“, meinte Drahtzieher nachdenklich.
Er ging ans Fenster seines Arbeitszimmers, das den Blick auf das Schwimmbad freigab. In der großen Hitze bekam er Lust, sich etwas abzukühlen. Aber er zwang sich, geschäftlich zu bleiben.
„Müller“, sprach er seinen Assistenten von neuem an, „es gibt da noch eine andere Sache.“
„Die wäre?“
„Nächste Woche die Baugenehmigungssitzung.“
„Sie machen sich Sorgen, Herr Drahtzieher?“
„Ja“, er wandte sich entschlossen zu Alwin Müller herum, „es ist nicht sicher, dass wir die Bauerlaubnis bekommen werden.“
„Warum?“
„Die Person, die unsere Projektakte bearbeitet, macht das etwas zu genau.“ Er blickte Alwin fest in die Augen.
„Hm“, nickte Alwin Müller, „wollen Sie, dass ich mich darum kümmere?“
„Das hatte ich gehofft“, sagte Drahtzieher, lächelte zufrieden und drehte wieder dem Ausblick auf sein Schwimmbad zu.
 



 
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