Zeit: 445-08-10, Ort: Leerraum zwischen Ulran und Pasogen:
Die vierte Suchflottille hatte sich auf Befehl 800 Lichtjahre vor dem Depot gesammelt.
Sobald feststand, dass außer dem havarierten Superschiff sich keine weiteren Einheiten mehr dort aufhielten, würde der Kaperungsversuch starten.
Die vierte Flottille bestand aus 2.500 Schiffen. Das sollte ausreichen, jeden Widerstand zu brechen. Momentan liefen die letzten Einsatzbesprechungen und in den Rechenzentralen wurden exakte Überlichtflugdaten ermittelt.
„Meine Herren, damit das klar ist: Alle Schiffe müssen unbedingt exakt an den errechneten Positionen erscheinen. Es gibt keine Toleranz. Wenn wir dem Beuteschiff auch nur eine Mikrosekunde Zeit lassen, wird es sich in seinen Schild hüllen, und uns eine lange Nase drehen. Wir haben einige Aufzeichnungen aus der Schlacht, und wissen ziemlich genau, wie ein solches Schiff aufgebaut ist – zumindest äußerlich.“
Ein Holo des Schiffes drehte sich in der Luft. An seiner Hülle leuchteten zahlreiche rote Punkte, sowie zwölf grüne Punkte auf.
„Die roten Punkte markieren Geschütztürme, die grünen sind Schirmfeldprojektoren – soweit wir sie eruieren konnten. Es gibt keine Garantie, dass alle erfasst sind.
Sobald alle Schiffe an ihren Positionen aufgetaucht sind, müssen alle erkannten Punkte sofort mit leichten Waffen beschossen werden. Da kein Mensch so schnell reagieren kann, haben unsere Softwarespezialisten ein kleines Programm geschrieben, das wir in die Feuerleitcomputer einspeisen werden. Die entsprechenden Schiffe werden also direkt nach dem Überlichtmanöver selbstständig zu feuern beginnen. Die Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Zielerfassung unseres Gegners ist ungeheuer schnell, so schnell, dass die Feuerleitrechner noch während dem Anflug die Geschütze ausrichten müssen. Wenn die Geschütze nach dem Erscheinen im Normalraum erst noch drehen müssen, haben wir schon verspielt.
Da wir immer mit Ungenauigkeiten während des Fluges rechnen müssen, wurden jedem Punkt auf der Hülle drei Schiffe zugewiesen. Mindestens eines der Schiffe wird immer günstig genug zum Feuern stehen. Die übrigen Schiffe, welche nicht gebraucht werden, um das Beuteschiff lahmzulegen, errichten eine Funksperre. Der Feind darf nicht erfahren, was hier vor sich geht.
Wenn wir alles richtig machen, und wir genug feindliche Feldprojektoren und Geschütze erledigen, wird bereits nach drei Sekunden Phase zwei eingeleitet: Das Entermanöver.
Sobald Phase eins erfolgreich abgeschlossen ist, werden sämtliche Landungsboote ausgeschleust.“
Auf dem Holo des Beuteschiffs erschienen zusätzlich vier grün leuchtende Punkte.
„An diesen vier Punkten werden je fünf Boote docken. Die Pioniere werden die dortigen Schleusen sprengen, dann wird die erste Welle, insgesamt 1.200 Marinesoldaten mit einem Vorauskommando aus 800 schweren Kampfrobotern das Schiff entern. Die Marinesoldaten müssen mit stärkstem Widerstand rechnen. Insgesamt stehen nochmal 2.400 Mann sowie 4.200 Kampfroboter bereit, welche in weiteren Wellen an Bord gehen werden. Leider haben wir aber nicht mehr Landungsboote, so das die Verstärkung mindestens eine Viertelstunde dauern wird. Niemand hat damit gerechnet, dass wir im Leerraum Landetruppen benötigen werden, und wir können unmöglich tage- oder gar wochenlang auf Truppentransporter warten. Niemand weiß, wie lange das Schiff noch da sein wird.
Die Flottille selbst wird in der Zwischenzeit die Operation abschirmen. Sobald das Schiff lahmgelegt ist, wird der Tender BISON es auf seiner Bergefläche verankern. Danach verziehen wir uns und werden am Rande Pasogens auf weitere Befehle warten. Das Depot lassen wir unberührt, die Besatzung wird übernommen und sämtliche Aufzeichnungen werden gelöscht.
Schon bald darauf nahmen alle Einheiten ihre Formation ein und begannen die lange Beschleunigungsphase. Um eine Energieortung zu vermeiden, beschleunigten alle Schiffe mit minimalen Werten, so dass es Stunden dauern würde, ehe die nötige Geschwindigkeit für das Überlichtmanöver erreicht sein würde.
An Bord des reganischen Schiffes ahnte man nichts von dem bevorstehenden Angriff. Es hatte sich zwar relativ problemlos zum Depot zurückziehen können, dennoch waren die Schäden, die das Schiff davongetragen hatte, größer, als gedacht.
Kein Teil des Hrons hatte damit gerechnet, dass die Bestien über solche Waffen verfügten. Die reganischen Lehren der Evolution der Technik sprachen gegen solche Anachronismen – Und bisher hatten sie sich immer bewahrheitet. Je hochentwickelter die Technologie eines Volkes war, desto weniger spielten so genannte Primitivwaffen, wie es die gegen das Schiff verwendeten Projektilwaffen nun mal waren, eine Rolle.
Das lag daran, dass die Weiterentwicklung dieser Waffen enorm teuer und schwierig war, während ihre Möglichkeiten doch eher beschränkt waren.
Wozu Unsummen in schwerfällige und munitionsabhängige Waffensysteme stecken, wenn Strahlwaffen den Job viel schneller und zielgenauer erledigten, und obendrein noch leichter zu entwickeln waren?
Völker im Range der Bestien verwendeten allenfalls noch Raketen zur Jägerabwehr oder Torpedos gegen langsame oder unbewegliche, große Ziele. So dachte man jedenfalls bisher. Daher waren die Schirmfelder der reganischen Schiffe auf die Abwehr von Energiewaffen spezialisiert worden und von diesen kaum zu beeindrucken. Leider mit dem Nebeneffekt, dass der Schutzfaktor gegen materielle Waffen quasi nicht vorhanden war.
Raketen und Torpedos wurden für gewöhnlich von der Punktverteidigung abgefangen, oder man wich ihnen einfach aus.
Dennoch existierte ein zweites Schirmfeld für Notfälle, welches auch gegen materielle Waffen Schutz bot. Doch dessen Kapazität war lange nicht so hoch, reichte gegen „echte“ Primitiv-Völker für gewöhnlich aber aus. Nur deshalb existierte das Schiff überhaupt noch.
Nun würden die Reganer umdenken müssen, und wohl auch wieder in alten, fast vergessenen Forschungsgebieten investieren müssen.
Doch darüber machte sich das Hron des Schiffes wenig Gedanken. Viel wichtiger war es, die Reparaturen schnell voranzutreiben, und dann den Rückflug anzutreten. Der Stamm musste erfahren, über welche Möglichkeiten die Bestien verfügten. Doch da das Depot noch nicht über passende Ersatzteile verfügte, musste das Hron diese erst aus den vorhandenen Ressourcen herstellen.
Währenddessen befasste sich ein Teil des Hrons mit den Messergebnissen, welche aus dem Angriff der Bestien gewonnen werden konnten. Schnell stand fest, dass anders, als zuerst erhofft, eine einfache Frequenzumstellung des Schirmfeldes keinen nennenswerten Erfolg bringen würde. Dazu waren die Projektilwaffen zu durchschlagskräftig.
Während an Bord des reganischen Schiffes die Arbeiten voranschritten, erreichte die terranische Flottille die nötige Geschwindigkeit für ihr Überraum-Manöver und wechselte geschlossen in den Überraum. Die 800 Lichtjahre zum Depot wurden in wenigen Minuten überwunden. Das Eintauchmanöver in den Normalraum dagegen erwies sich als ziemlich schwierig, denn man musste mit Nullfahrt direkt an den errechneten Positionen auftauchen. Doch das Manöver gelang. Sofort begannen die programmierten Geschütze zu feuern. Doch der Feind reagierte schnell – und schlug zurück. Noch während die terranischen Geschütze die errechneten Punkte angriffen, blähten sich drei Glutwolken im Leerraum auf. Drei leichte Kreuzer hatten im sofort eröffneten Abwehrfeuer das Zeitliche gesegnet.
Doch das Feuer der Terraner zeigte Wirkung. Das Schirmfeld des reganischen Schiffes konnte sich nicht stabilisieren, weil die nötige Zeit fehlte, und die meisten Projektoren direkt getroffen wurden. Auch das Abwehrfeuer hielt nur kurz an, danach war Ruhe. Das alles hatte sich in weniger als drei Sekunden abgespielt. Kein Wesen hätte so schnell reagieren können. Im Prinzip war dies ein Kampf der Rechenmaschinen gewesen. Ein Kampf, den die reganischen Rechenmaschinen klar gewonnen hätten, doch die Physik sprach gegen sie. Denn ein Schirmfeld konnte nicht innerhalb so kurzer Zeit stabilisiert werden, und das war letztlich die Chance der Terraner gewesen. Denn während die Terraner ihre Reaktionszeit durch die vorigen Berechnungen auf Null reduzieren konnten, hatten die Reganer den Nachteil, das sie nichts tun konnten, außer zu reagieren.
Pünktlich in der dritten Sekunde öffneten sich die Schleusen der größeren Schiffe, und entließen die Landungsboote. Schnurstracks flogen sie die vier festgelegten Punkte an, und die Soldaten machten sich bereit, in das Schiff vorzustoßen...
Das Hron reagierte schnell und präzise wie immer, als die feindlichen Schiffe erschienen.
Die Zielerfassung war so schnell, dass die Geschütze nahezu zeitgleich mit den Terranern das Feuer eröffneten. Die Schnelligkeit wurde mit drei Abschüssen belohnt, doch dann fielen die Geschütze, Schirmfeldprojektoren sowie die meisten peripheren System aus.
Leider waren die Triebwerke des Schiffes wegen der Reparaturen nicht einsatzbereit, daher konnte kein Fluchtmanöver eingeleitet werden.
Das Hron erkannte, dass ein Entermanöver folgen würde, und bereitete das Schiff auf die Verteidigung, sowie auf die Selbstzerstörung vor.
„Los Jungs, macht euch bereit! Wir docken an. Ich will jetzt von jedem Mitglied der Gruppe Zwei eine Klarmeldung haben!“
Nacheinander gingen die Klarmeldungen ein. Zufrieden gab Gruppenführer Teno Hart seine eigene Klarmeldung weiter. Die Schotte fuhren zurück. Die Gruppen strömten aus dem Boot wie eine Flutwelle. In ihren Kampfanzügen sahen sie aus wie wandelnde Panzerschränke, was aber größtenteils an den verbauten Komponenten lag.
Zügig wurden Energiekanonen ausgeladen. Je zwei Mann wurden für eine Schwebelafette benötigt. Die Ausrüstung der Soldaten war vielfältig und auf Feuerkraft getrimmt. Die normalen Schirmfeldprojektoren der Schwebelafetten und Kampfanzüge waren durch Zusatzmodule verstärkt worden. Daher hatte auch ein zweiter Mikro-Fusionsreaktor angeflanscht werden müssen, um den erhöhten Energiebedarf zu decken.
Auf diese Art und Weise hoffte man, die erwartete technologische Überlegenheit des Feindes auszugleichen.
Die Pioniere machten sich daran, die Schleuse vor ihnen zu öffnen. Gemurmelte Flüche und Verwünschungen verrieten Hart, dass sie es nicht leicht hatten. Doch nach wenigen Minuten hatten sie es geschafft, die Schleuse aufzuschweißen. Die entweichende Luft wirbelte einige Gegenstände mit, welche sich im All verloren. Kurze Zeit später fiel auch das Innenschott den Pionieren zum Opfer. Wieder entwich Luft aus dem Schiff, doch hielt das nicht lange an. Schon kurze Zeit später versiegte der Luftstrom. Ein weiter innen liegendes Schott hatte sich wohl automatisch geschlossen.
Die Soldaten sowie die Kampfroboter rückten vor, und sicherten das gewonnene Areal. Außerdem brachten sie an der Schleuse ein Energiefeld in Stellung, welches weitere Atmosphärenverluste verhindern sollte.
„Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Aber hier stimmt was nicht. Kein Alarm, kein Angriff, nichts. Die besten Chancen, ein Entermanöver abzuwehren, hat man doch dann, wenn der Gegner gerade versucht, rein zukommen. Aber hier? Man könnte glauben, die haben uns gar nicht wahrgenommen...“
Ein anderer Soldat unterbrach ihn:
„Die Funkverbindung zu den Schiffen ist abgebrochen.“
Hart nahm es ungerührt zur Kenntnis. Damit hatte man rechnen müssen.
„Wir gehen vor, wie geplant. Trupp C und D bleiben als Sicherung zurück und weisen die Verstärkungen ein, Trupp A und B, wir rücken vor.“
Jeder Trupp bestand aus 75 Soldaten und 50 Kampfrobotern. Mit der zweiten Welle würden dann zusätzlich auch Medoroboter kommen.
Langsam, vorsichtig sichernd, begannen sie den Vormarsch in die Tiefen des Schiffes.
Im Schiff war es unheimlich. Die Gänge schienen keinem logischen Schema zu folgen.
Das ganze Schiff schien in ein gruseliges Halbdunkel getaucht. An den Wänden flackerten leuchtende Linien hin und her, und schufen Lichteffekte, welche die Soldaten nervös werden ließen. Und immer noch lies sich kein Gegner blicken. Und es war totenstill. Nicht das kleinste Geräusch war zu hören.
Wenn sie in Räume oder Hallen blickten, waren fremdartige Maschinen zu sehen. Manche schienen gar nicht materiell zu existieren, sie sahen aus, als würden sie aus Energie bestehen. Sie pulsierten, änderten ihre Farben, schienen mal stärker, mal schwächer zu werden. Und was noch viel mehr irritierte: Nirgendwo waren Bedienelemente zu sehen. Als gäbe es keine Besatzung im Schiff. Aber wer oder was kontrollierte denn das Schiff? War es etwa ein reines Roboterschiff?
Das Hron des Schiffes beobachtete das Vordringen der vier Stoßtrupps ganz genau. Mittels verschiebbarer Wände und täuschenden Lichteffekten gelang es ihm, die Trupps von ihren eigentlichen Zielen sachte abzulenken, ohne das diese es mit ihren Messgeräten feststellen konnten. Bald würden die Trupps aufeinander treffen...
Das Hron machte die Täuscher bereit. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von Aggregaten, mit denen typische organische Gehirne, aber auch Rechnersysteme irritiert, bzw. beeinflusst werden konnten.
Hart wurde allmählich unsicher. Warum zum Teufel zeigte sich keinerlei Widerstand? Nicht einmal ein Reinigungsroboter lies sich blicken. Man könnte glauben, das Schiff wäre leer. Und dennoch fühlten alle eine undefinierbare Drohung. Zwar erwähnte dies keiner, aber die fahrigen, unsteten Blicke, und hastige Bewegungen machten das klar erkenntlich.
Dann kam der entscheidende Moment. Die vier Trupps trafen aufeinander. Gleichzeitig aktivierte das Hron die Täuscher. Plötzlich war die Hölle los! Die vier Trupps eröffneten das Feuer aufeinander, und die beeinflussten Kampfroboter schossen auf alles, was sich bewegte. Innerhalb weniger Sekunden brach das Chaos aus. Hart verstand die Welt nicht mehr. Plötzlich war er von Feinden umgeben. Während er blind in der Gegend herum schoss, brüllte er seine Angst hinaus. Doch das Chaos dauerte nicht lange. Die Beeinflussung wurde stärker. Das Chaos nahm ab, nach und nach stellten Soldaten und Roboter das Feuer ein. Dank der starken Ausrüstung hatte es nur wenige Opfer gegeben.
Hart und die anderen beruhigten sich. Endlich wussten sie, wo der Feind zu finden war. Entschlossen machte sich die vereinte Truppe auf den Weg in Richtung... Peripherie!
Das Hron triumphierte! Es hätte nicht gedacht, dass sich die Feinde so leicht überrumpeln ließen. Ein Teil des Hrons genügte nach der Übernahme völlig, die Trupps zu steuern. Es war nicht wichtig, wie lange sie kämpfen konnten. Sie mussten dem Hron nur genug Zeit verschaffen, die Selbstvernichtung auszuführen. Es wusste ganz genau, dass das Schiff dem Feind nicht mehr entkommen konnte. Das Hron kontrollierte die Speicher. Sie waren schon zu über fünfzig Prozent gefüllt. Bald war es soweit...
Inzwischen landete die zweite Welle an den vier Einstiegspunkten. Die zurückgebliebenen Sicherungsmannschaften meldeten keinerlei Angriffe und keine Funkverbindung mehr mit den Schiffen oder Stoßtrupps. Die neuen Mannschaften machten sich sofort auf, und drangen in das Schiff vor. Das Hron sorgte jedoch auch diesmal dafür, dass sich die neuen Trupps im Schiff verliefen.
Die Verstärkung, welche in Punkt zwei gelandet war, stieß dagegen schon kurz nach dem Beginn ihres Vormarsches auf die übernommenen Trupps unter Hart. Heftige Gefechte entbrannten, welche von beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt wurden. Erst relativ spät erkannten die Neuankömmlinge, gegen wen sie eigentlich kämpften. Die Erkenntnis führte zu einem großen Fehler. Sie führten den Kampf auf ein Missverständnis zurück, stellten das Feuer ein, und verließen ihre Stellungen. Innerhalb weniger Minuten war alles vorbei... Die übernommenen Trupps rückten weiter auf Punkt zwei vor.
In der Zwischenzeit übernahm das Hron weitere Trupps, und ließ diese gegen nicht übernommene Trupps kämpfen. Bald herrschte Verwirrung und Konfusion unter den Landungstrupps, und jeder kämpfte gegen jeden. Von dem Erreichen der Ziele der Operation, nämlich die Besetzung neuralgischer Punkte im Schiff, waren die Terraner weit entfernt.
Als auch die dritte Welle an Bord gegangen war, wurde das Chaos komplett, denn teilweise waren nun auch die Sicherungsmannschaften übernommen. Und während die Landetruppen dem Wahnsinn verfielen, füllten sich die Speicher des Schiffes immer mehr.
Bei achtzig Prozent Füllstand wusste das Hron, dass es an der Zeit war, der Sache ein Ende zu machen, und den Abgang vorzubereiten. Die letzten freien Feinde mussten vernichtet werden, da das Hron in seiner Kapazität ausgelastet war.
Noch einmal erreichten die Kämpfe einen Höhepunkt. Dann war es vorbei. Von den 2.400 Mann lebten noch etwa 1.800 und von den 4.200 Kampfrobotern waren noch etwa 2.000 übrig. Diese wurden nun alle von dem Hron kontrolliert. Das Hron lies eines der Boote abdocken, und Kontakt mit der Flottille aufnehmen, und ihr mitteilen, dass das Schiff nun unter terranischer Kontrolle wäre. Niemand in der Flotte schöpfte Verdacht, und so schob sich der Tender BISON heran, und begann das reganische Schiff aufzunehmen.
Hart fühlte sich wohl und geborgen. Das Hron sorgte für ihn, und gab ihm, was er brauchte. Er sah seine Kameraden, und fühlte, dass es ihnen genauso ging. Noch nie zuvor hatte er eine so starke Verbindung erlebt. Und doch war da eine Unruhe in ihm. Nervös begann er, durch das Schiff zu wandern. Irgendetwas bohrte in ihm. Er zermarterte sich das Hirn. Und kam doch nicht darauf.
Da war ein Befehl gewesen... Gehe in das Schiff. Nun, er war drin, oder? Warum ließ man ihn nicht endlich in Ruhe?
Die BISON hatte das Schiff inzwischen aufgenommen. Die Besatzung des Depots hatte sich angesichts der Übermacht kampflos ergeben, und war übernommen worden.
Alle Informationen waren aus den Speichern des Depots gelöscht worden. Ansonsten ließ man es unbehelligt. Die Flottille nahm den Tender in die Mitte, und formierte sich zum Abflug.
Das Hron war obenauf. Die Speicher waren zu fast hundert Prozent voll. Es konnte nun jederzeit den Vernichtungsbefehl geben, es wartete nur auf den richtigen Moment. Dann würde es viele feindliche Schiffe mitnehmen.
Hart war weiterhin ziellos durch das Schiff gelaufen. Dabei kam er in einen Maschinenraum mit sehr fremdartig aussehenden Maschinen, welche auf Hochtouren zu arbeiten schienen. Und plötzlich fiel ihm alles wieder ein!
Als er in die Nähe der Maschinen kam, verlor das Hron die Kontrolle über ihm, weil die Streustrahlungen der Maschinen störten. Hart stöhnte auf... Sie waren dem Hron in die Falle gegangen. Hart war nun frei, aber er wusste alles, was auch das Hron wusste, ein Nachteil einer gedanklichen Gemeinschaft. Hart begann zu handeln, es kam auf jede Sekunde an. Wenn er versagte, würde die halbe Flotte mit draufgehen, wenn nicht noch mehr!
Hart wusste genau, dass er sofort wieder dem Hron unterliegen würde, wenn er den Maschinenraum verließ. Aber das musste er gar nicht. Ein Großteil der Speicher lies sich von hier aus steuern. Es würde genügen, die Steuerkanäle im Maschinenraum zu vernichten, dann konnte das Hron die meisten Speicher nicht zünden. Für das reganische Schiff, und den Tender würde es reichen, wahrscheinlich auch noch für ein paar Schiffe in unmittelbarer Nachbarschaft, aber das Groß der Flottille würde überleben.
Doch er würde das nicht mehr erleben. Denn er musste die Steuerkanäle von hier aus vernichten. Und die Sicherheitsschaltungen im Schiff würden dafür sorgen, dass die betroffenen Speicher sich dann sofort in den Überraum entluden. Niemand in diesem Raum würde das überleben. Mit zitternden Händen hob Hart seinen Strahler, und visierte sein Ziel an...
Gleich war es soweit. Noch ein paar Sekunden, dann würde das Hron den Impuls geben. Die Flottille war dicht zusammengerückt und würde bald in den Überraum gehen. Einen besseren Zeitpunkt konnte es nicht geben. Das Hron gab den Befehl...
Hart drückte ab! Im gleichen Moment hörte er zu existieren auf. Kaum eine Zehntelsekunde später gab das Hron seinen Impuls. Harts Handlung lies einen Strukturriss entstehen, welcher gierig die Energie der betroffenen Speicher aufsaugte. Normalerweise hätte sich der Riss auf den Maschinenraum beschränkt, und wäre in sich zusammengefallen, sobald die Energie aufgesaugt wäre. Doch nun kam die Energie der restlichen Speicher, welche wie geplant auf den Impuls des Hrons reagierten, hinzu. Das reganische Schiff explodierte, doch sämtliche freigewordene Energie wurde zusammen mit dem Tender BISON und den Überresten des reganischen Schiffes in den Strukturriss gesogen. Das Hron starb in dem Bewusstsein, einen Erfolg errungen zu haben, es hatte in der kurzen Zeit seinen Fehlschlag nicht mehr registrieren können.
Innerhalb weniger Sekunden war alles vorbei. Einige Schiffe der Flottille waren beschädigt worden, aber außer dem Tender und dem reganischen Schiff gab es keine Verluste.
Der Kommandeur der Flottille musste sich nun Gedanken darüber machen, wie er den Fehlschlag seinem Herrn und Meister klarmachen konnte.
Dabei wusste er noch nicht mal, wie knapp er und seine Flottille dem Tod entgangen waren. Der Name „Hart“ würde wohl nie in den Annalen der Geschichte eingehen. Dieses Schicksal teilte er mit Millionen anderer namenloser Helden...
Die vierte Suchflottille hatte sich auf Befehl 800 Lichtjahre vor dem Depot gesammelt.
Sobald feststand, dass außer dem havarierten Superschiff sich keine weiteren Einheiten mehr dort aufhielten, würde der Kaperungsversuch starten.
Die vierte Flottille bestand aus 2.500 Schiffen. Das sollte ausreichen, jeden Widerstand zu brechen. Momentan liefen die letzten Einsatzbesprechungen und in den Rechenzentralen wurden exakte Überlichtflugdaten ermittelt.
„Meine Herren, damit das klar ist: Alle Schiffe müssen unbedingt exakt an den errechneten Positionen erscheinen. Es gibt keine Toleranz. Wenn wir dem Beuteschiff auch nur eine Mikrosekunde Zeit lassen, wird es sich in seinen Schild hüllen, und uns eine lange Nase drehen. Wir haben einige Aufzeichnungen aus der Schlacht, und wissen ziemlich genau, wie ein solches Schiff aufgebaut ist – zumindest äußerlich.“
Ein Holo des Schiffes drehte sich in der Luft. An seiner Hülle leuchteten zahlreiche rote Punkte, sowie zwölf grüne Punkte auf.
„Die roten Punkte markieren Geschütztürme, die grünen sind Schirmfeldprojektoren – soweit wir sie eruieren konnten. Es gibt keine Garantie, dass alle erfasst sind.
Sobald alle Schiffe an ihren Positionen aufgetaucht sind, müssen alle erkannten Punkte sofort mit leichten Waffen beschossen werden. Da kein Mensch so schnell reagieren kann, haben unsere Softwarespezialisten ein kleines Programm geschrieben, das wir in die Feuerleitcomputer einspeisen werden. Die entsprechenden Schiffe werden also direkt nach dem Überlichtmanöver selbstständig zu feuern beginnen. Die Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Zielerfassung unseres Gegners ist ungeheuer schnell, so schnell, dass die Feuerleitrechner noch während dem Anflug die Geschütze ausrichten müssen. Wenn die Geschütze nach dem Erscheinen im Normalraum erst noch drehen müssen, haben wir schon verspielt.
Da wir immer mit Ungenauigkeiten während des Fluges rechnen müssen, wurden jedem Punkt auf der Hülle drei Schiffe zugewiesen. Mindestens eines der Schiffe wird immer günstig genug zum Feuern stehen. Die übrigen Schiffe, welche nicht gebraucht werden, um das Beuteschiff lahmzulegen, errichten eine Funksperre. Der Feind darf nicht erfahren, was hier vor sich geht.
Wenn wir alles richtig machen, und wir genug feindliche Feldprojektoren und Geschütze erledigen, wird bereits nach drei Sekunden Phase zwei eingeleitet: Das Entermanöver.
Sobald Phase eins erfolgreich abgeschlossen ist, werden sämtliche Landungsboote ausgeschleust.“
Auf dem Holo des Beuteschiffs erschienen zusätzlich vier grün leuchtende Punkte.
„An diesen vier Punkten werden je fünf Boote docken. Die Pioniere werden die dortigen Schleusen sprengen, dann wird die erste Welle, insgesamt 1.200 Marinesoldaten mit einem Vorauskommando aus 800 schweren Kampfrobotern das Schiff entern. Die Marinesoldaten müssen mit stärkstem Widerstand rechnen. Insgesamt stehen nochmal 2.400 Mann sowie 4.200 Kampfroboter bereit, welche in weiteren Wellen an Bord gehen werden. Leider haben wir aber nicht mehr Landungsboote, so das die Verstärkung mindestens eine Viertelstunde dauern wird. Niemand hat damit gerechnet, dass wir im Leerraum Landetruppen benötigen werden, und wir können unmöglich tage- oder gar wochenlang auf Truppentransporter warten. Niemand weiß, wie lange das Schiff noch da sein wird.
Die Flottille selbst wird in der Zwischenzeit die Operation abschirmen. Sobald das Schiff lahmgelegt ist, wird der Tender BISON es auf seiner Bergefläche verankern. Danach verziehen wir uns und werden am Rande Pasogens auf weitere Befehle warten. Das Depot lassen wir unberührt, die Besatzung wird übernommen und sämtliche Aufzeichnungen werden gelöscht.
Schon bald darauf nahmen alle Einheiten ihre Formation ein und begannen die lange Beschleunigungsphase. Um eine Energieortung zu vermeiden, beschleunigten alle Schiffe mit minimalen Werten, so dass es Stunden dauern würde, ehe die nötige Geschwindigkeit für das Überlichtmanöver erreicht sein würde.
An Bord des reganischen Schiffes ahnte man nichts von dem bevorstehenden Angriff. Es hatte sich zwar relativ problemlos zum Depot zurückziehen können, dennoch waren die Schäden, die das Schiff davongetragen hatte, größer, als gedacht.
Kein Teil des Hrons hatte damit gerechnet, dass die Bestien über solche Waffen verfügten. Die reganischen Lehren der Evolution der Technik sprachen gegen solche Anachronismen – Und bisher hatten sie sich immer bewahrheitet. Je hochentwickelter die Technologie eines Volkes war, desto weniger spielten so genannte Primitivwaffen, wie es die gegen das Schiff verwendeten Projektilwaffen nun mal waren, eine Rolle.
Das lag daran, dass die Weiterentwicklung dieser Waffen enorm teuer und schwierig war, während ihre Möglichkeiten doch eher beschränkt waren.
Wozu Unsummen in schwerfällige und munitionsabhängige Waffensysteme stecken, wenn Strahlwaffen den Job viel schneller und zielgenauer erledigten, und obendrein noch leichter zu entwickeln waren?
Völker im Range der Bestien verwendeten allenfalls noch Raketen zur Jägerabwehr oder Torpedos gegen langsame oder unbewegliche, große Ziele. So dachte man jedenfalls bisher. Daher waren die Schirmfelder der reganischen Schiffe auf die Abwehr von Energiewaffen spezialisiert worden und von diesen kaum zu beeindrucken. Leider mit dem Nebeneffekt, dass der Schutzfaktor gegen materielle Waffen quasi nicht vorhanden war.
Raketen und Torpedos wurden für gewöhnlich von der Punktverteidigung abgefangen, oder man wich ihnen einfach aus.
Dennoch existierte ein zweites Schirmfeld für Notfälle, welches auch gegen materielle Waffen Schutz bot. Doch dessen Kapazität war lange nicht so hoch, reichte gegen „echte“ Primitiv-Völker für gewöhnlich aber aus. Nur deshalb existierte das Schiff überhaupt noch.
Nun würden die Reganer umdenken müssen, und wohl auch wieder in alten, fast vergessenen Forschungsgebieten investieren müssen.
Doch darüber machte sich das Hron des Schiffes wenig Gedanken. Viel wichtiger war es, die Reparaturen schnell voranzutreiben, und dann den Rückflug anzutreten. Der Stamm musste erfahren, über welche Möglichkeiten die Bestien verfügten. Doch da das Depot noch nicht über passende Ersatzteile verfügte, musste das Hron diese erst aus den vorhandenen Ressourcen herstellen.
Währenddessen befasste sich ein Teil des Hrons mit den Messergebnissen, welche aus dem Angriff der Bestien gewonnen werden konnten. Schnell stand fest, dass anders, als zuerst erhofft, eine einfache Frequenzumstellung des Schirmfeldes keinen nennenswerten Erfolg bringen würde. Dazu waren die Projektilwaffen zu durchschlagskräftig.
Während an Bord des reganischen Schiffes die Arbeiten voranschritten, erreichte die terranische Flottille die nötige Geschwindigkeit für ihr Überraum-Manöver und wechselte geschlossen in den Überraum. Die 800 Lichtjahre zum Depot wurden in wenigen Minuten überwunden. Das Eintauchmanöver in den Normalraum dagegen erwies sich als ziemlich schwierig, denn man musste mit Nullfahrt direkt an den errechneten Positionen auftauchen. Doch das Manöver gelang. Sofort begannen die programmierten Geschütze zu feuern. Doch der Feind reagierte schnell – und schlug zurück. Noch während die terranischen Geschütze die errechneten Punkte angriffen, blähten sich drei Glutwolken im Leerraum auf. Drei leichte Kreuzer hatten im sofort eröffneten Abwehrfeuer das Zeitliche gesegnet.
Doch das Feuer der Terraner zeigte Wirkung. Das Schirmfeld des reganischen Schiffes konnte sich nicht stabilisieren, weil die nötige Zeit fehlte, und die meisten Projektoren direkt getroffen wurden. Auch das Abwehrfeuer hielt nur kurz an, danach war Ruhe. Das alles hatte sich in weniger als drei Sekunden abgespielt. Kein Wesen hätte so schnell reagieren können. Im Prinzip war dies ein Kampf der Rechenmaschinen gewesen. Ein Kampf, den die reganischen Rechenmaschinen klar gewonnen hätten, doch die Physik sprach gegen sie. Denn ein Schirmfeld konnte nicht innerhalb so kurzer Zeit stabilisiert werden, und das war letztlich die Chance der Terraner gewesen. Denn während die Terraner ihre Reaktionszeit durch die vorigen Berechnungen auf Null reduzieren konnten, hatten die Reganer den Nachteil, das sie nichts tun konnten, außer zu reagieren.
Pünktlich in der dritten Sekunde öffneten sich die Schleusen der größeren Schiffe, und entließen die Landungsboote. Schnurstracks flogen sie die vier festgelegten Punkte an, und die Soldaten machten sich bereit, in das Schiff vorzustoßen...
Das Hron reagierte schnell und präzise wie immer, als die feindlichen Schiffe erschienen.
Die Zielerfassung war so schnell, dass die Geschütze nahezu zeitgleich mit den Terranern das Feuer eröffneten. Die Schnelligkeit wurde mit drei Abschüssen belohnt, doch dann fielen die Geschütze, Schirmfeldprojektoren sowie die meisten peripheren System aus.
Leider waren die Triebwerke des Schiffes wegen der Reparaturen nicht einsatzbereit, daher konnte kein Fluchtmanöver eingeleitet werden.
Das Hron erkannte, dass ein Entermanöver folgen würde, und bereitete das Schiff auf die Verteidigung, sowie auf die Selbstzerstörung vor.
„Los Jungs, macht euch bereit! Wir docken an. Ich will jetzt von jedem Mitglied der Gruppe Zwei eine Klarmeldung haben!“
Nacheinander gingen die Klarmeldungen ein. Zufrieden gab Gruppenführer Teno Hart seine eigene Klarmeldung weiter. Die Schotte fuhren zurück. Die Gruppen strömten aus dem Boot wie eine Flutwelle. In ihren Kampfanzügen sahen sie aus wie wandelnde Panzerschränke, was aber größtenteils an den verbauten Komponenten lag.
Zügig wurden Energiekanonen ausgeladen. Je zwei Mann wurden für eine Schwebelafette benötigt. Die Ausrüstung der Soldaten war vielfältig und auf Feuerkraft getrimmt. Die normalen Schirmfeldprojektoren der Schwebelafetten und Kampfanzüge waren durch Zusatzmodule verstärkt worden. Daher hatte auch ein zweiter Mikro-Fusionsreaktor angeflanscht werden müssen, um den erhöhten Energiebedarf zu decken.
Auf diese Art und Weise hoffte man, die erwartete technologische Überlegenheit des Feindes auszugleichen.
Die Pioniere machten sich daran, die Schleuse vor ihnen zu öffnen. Gemurmelte Flüche und Verwünschungen verrieten Hart, dass sie es nicht leicht hatten. Doch nach wenigen Minuten hatten sie es geschafft, die Schleuse aufzuschweißen. Die entweichende Luft wirbelte einige Gegenstände mit, welche sich im All verloren. Kurze Zeit später fiel auch das Innenschott den Pionieren zum Opfer. Wieder entwich Luft aus dem Schiff, doch hielt das nicht lange an. Schon kurze Zeit später versiegte der Luftstrom. Ein weiter innen liegendes Schott hatte sich wohl automatisch geschlossen.
Die Soldaten sowie die Kampfroboter rückten vor, und sicherten das gewonnene Areal. Außerdem brachten sie an der Schleuse ein Energiefeld in Stellung, welches weitere Atmosphärenverluste verhindern sollte.
„Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Aber hier stimmt was nicht. Kein Alarm, kein Angriff, nichts. Die besten Chancen, ein Entermanöver abzuwehren, hat man doch dann, wenn der Gegner gerade versucht, rein zukommen. Aber hier? Man könnte glauben, die haben uns gar nicht wahrgenommen...“
Ein anderer Soldat unterbrach ihn:
„Die Funkverbindung zu den Schiffen ist abgebrochen.“
Hart nahm es ungerührt zur Kenntnis. Damit hatte man rechnen müssen.
„Wir gehen vor, wie geplant. Trupp C und D bleiben als Sicherung zurück und weisen die Verstärkungen ein, Trupp A und B, wir rücken vor.“
Jeder Trupp bestand aus 75 Soldaten und 50 Kampfrobotern. Mit der zweiten Welle würden dann zusätzlich auch Medoroboter kommen.
Langsam, vorsichtig sichernd, begannen sie den Vormarsch in die Tiefen des Schiffes.
Im Schiff war es unheimlich. Die Gänge schienen keinem logischen Schema zu folgen.
Das ganze Schiff schien in ein gruseliges Halbdunkel getaucht. An den Wänden flackerten leuchtende Linien hin und her, und schufen Lichteffekte, welche die Soldaten nervös werden ließen. Und immer noch lies sich kein Gegner blicken. Und es war totenstill. Nicht das kleinste Geräusch war zu hören.
Wenn sie in Räume oder Hallen blickten, waren fremdartige Maschinen zu sehen. Manche schienen gar nicht materiell zu existieren, sie sahen aus, als würden sie aus Energie bestehen. Sie pulsierten, änderten ihre Farben, schienen mal stärker, mal schwächer zu werden. Und was noch viel mehr irritierte: Nirgendwo waren Bedienelemente zu sehen. Als gäbe es keine Besatzung im Schiff. Aber wer oder was kontrollierte denn das Schiff? War es etwa ein reines Roboterschiff?
Das Hron des Schiffes beobachtete das Vordringen der vier Stoßtrupps ganz genau. Mittels verschiebbarer Wände und täuschenden Lichteffekten gelang es ihm, die Trupps von ihren eigentlichen Zielen sachte abzulenken, ohne das diese es mit ihren Messgeräten feststellen konnten. Bald würden die Trupps aufeinander treffen...
Das Hron machte die Täuscher bereit. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von Aggregaten, mit denen typische organische Gehirne, aber auch Rechnersysteme irritiert, bzw. beeinflusst werden konnten.
Hart wurde allmählich unsicher. Warum zum Teufel zeigte sich keinerlei Widerstand? Nicht einmal ein Reinigungsroboter lies sich blicken. Man könnte glauben, das Schiff wäre leer. Und dennoch fühlten alle eine undefinierbare Drohung. Zwar erwähnte dies keiner, aber die fahrigen, unsteten Blicke, und hastige Bewegungen machten das klar erkenntlich.
Dann kam der entscheidende Moment. Die vier Trupps trafen aufeinander. Gleichzeitig aktivierte das Hron die Täuscher. Plötzlich war die Hölle los! Die vier Trupps eröffneten das Feuer aufeinander, und die beeinflussten Kampfroboter schossen auf alles, was sich bewegte. Innerhalb weniger Sekunden brach das Chaos aus. Hart verstand die Welt nicht mehr. Plötzlich war er von Feinden umgeben. Während er blind in der Gegend herum schoss, brüllte er seine Angst hinaus. Doch das Chaos dauerte nicht lange. Die Beeinflussung wurde stärker. Das Chaos nahm ab, nach und nach stellten Soldaten und Roboter das Feuer ein. Dank der starken Ausrüstung hatte es nur wenige Opfer gegeben.
Hart und die anderen beruhigten sich. Endlich wussten sie, wo der Feind zu finden war. Entschlossen machte sich die vereinte Truppe auf den Weg in Richtung... Peripherie!
Das Hron triumphierte! Es hätte nicht gedacht, dass sich die Feinde so leicht überrumpeln ließen. Ein Teil des Hrons genügte nach der Übernahme völlig, die Trupps zu steuern. Es war nicht wichtig, wie lange sie kämpfen konnten. Sie mussten dem Hron nur genug Zeit verschaffen, die Selbstvernichtung auszuführen. Es wusste ganz genau, dass das Schiff dem Feind nicht mehr entkommen konnte. Das Hron kontrollierte die Speicher. Sie waren schon zu über fünfzig Prozent gefüllt. Bald war es soweit...
Inzwischen landete die zweite Welle an den vier Einstiegspunkten. Die zurückgebliebenen Sicherungsmannschaften meldeten keinerlei Angriffe und keine Funkverbindung mehr mit den Schiffen oder Stoßtrupps. Die neuen Mannschaften machten sich sofort auf, und drangen in das Schiff vor. Das Hron sorgte jedoch auch diesmal dafür, dass sich die neuen Trupps im Schiff verliefen.
Die Verstärkung, welche in Punkt zwei gelandet war, stieß dagegen schon kurz nach dem Beginn ihres Vormarsches auf die übernommenen Trupps unter Hart. Heftige Gefechte entbrannten, welche von beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt wurden. Erst relativ spät erkannten die Neuankömmlinge, gegen wen sie eigentlich kämpften. Die Erkenntnis führte zu einem großen Fehler. Sie führten den Kampf auf ein Missverständnis zurück, stellten das Feuer ein, und verließen ihre Stellungen. Innerhalb weniger Minuten war alles vorbei... Die übernommenen Trupps rückten weiter auf Punkt zwei vor.
In der Zwischenzeit übernahm das Hron weitere Trupps, und ließ diese gegen nicht übernommene Trupps kämpfen. Bald herrschte Verwirrung und Konfusion unter den Landungstrupps, und jeder kämpfte gegen jeden. Von dem Erreichen der Ziele der Operation, nämlich die Besetzung neuralgischer Punkte im Schiff, waren die Terraner weit entfernt.
Als auch die dritte Welle an Bord gegangen war, wurde das Chaos komplett, denn teilweise waren nun auch die Sicherungsmannschaften übernommen. Und während die Landetruppen dem Wahnsinn verfielen, füllten sich die Speicher des Schiffes immer mehr.
Bei achtzig Prozent Füllstand wusste das Hron, dass es an der Zeit war, der Sache ein Ende zu machen, und den Abgang vorzubereiten. Die letzten freien Feinde mussten vernichtet werden, da das Hron in seiner Kapazität ausgelastet war.
Noch einmal erreichten die Kämpfe einen Höhepunkt. Dann war es vorbei. Von den 2.400 Mann lebten noch etwa 1.800 und von den 4.200 Kampfrobotern waren noch etwa 2.000 übrig. Diese wurden nun alle von dem Hron kontrolliert. Das Hron lies eines der Boote abdocken, und Kontakt mit der Flottille aufnehmen, und ihr mitteilen, dass das Schiff nun unter terranischer Kontrolle wäre. Niemand in der Flotte schöpfte Verdacht, und so schob sich der Tender BISON heran, und begann das reganische Schiff aufzunehmen.
Hart fühlte sich wohl und geborgen. Das Hron sorgte für ihn, und gab ihm, was er brauchte. Er sah seine Kameraden, und fühlte, dass es ihnen genauso ging. Noch nie zuvor hatte er eine so starke Verbindung erlebt. Und doch war da eine Unruhe in ihm. Nervös begann er, durch das Schiff zu wandern. Irgendetwas bohrte in ihm. Er zermarterte sich das Hirn. Und kam doch nicht darauf.
Da war ein Befehl gewesen... Gehe in das Schiff. Nun, er war drin, oder? Warum ließ man ihn nicht endlich in Ruhe?
Die BISON hatte das Schiff inzwischen aufgenommen. Die Besatzung des Depots hatte sich angesichts der Übermacht kampflos ergeben, und war übernommen worden.
Alle Informationen waren aus den Speichern des Depots gelöscht worden. Ansonsten ließ man es unbehelligt. Die Flottille nahm den Tender in die Mitte, und formierte sich zum Abflug.
Das Hron war obenauf. Die Speicher waren zu fast hundert Prozent voll. Es konnte nun jederzeit den Vernichtungsbefehl geben, es wartete nur auf den richtigen Moment. Dann würde es viele feindliche Schiffe mitnehmen.
Hart war weiterhin ziellos durch das Schiff gelaufen. Dabei kam er in einen Maschinenraum mit sehr fremdartig aussehenden Maschinen, welche auf Hochtouren zu arbeiten schienen. Und plötzlich fiel ihm alles wieder ein!
Als er in die Nähe der Maschinen kam, verlor das Hron die Kontrolle über ihm, weil die Streustrahlungen der Maschinen störten. Hart stöhnte auf... Sie waren dem Hron in die Falle gegangen. Hart war nun frei, aber er wusste alles, was auch das Hron wusste, ein Nachteil einer gedanklichen Gemeinschaft. Hart begann zu handeln, es kam auf jede Sekunde an. Wenn er versagte, würde die halbe Flotte mit draufgehen, wenn nicht noch mehr!
Hart wusste genau, dass er sofort wieder dem Hron unterliegen würde, wenn er den Maschinenraum verließ. Aber das musste er gar nicht. Ein Großteil der Speicher lies sich von hier aus steuern. Es würde genügen, die Steuerkanäle im Maschinenraum zu vernichten, dann konnte das Hron die meisten Speicher nicht zünden. Für das reganische Schiff, und den Tender würde es reichen, wahrscheinlich auch noch für ein paar Schiffe in unmittelbarer Nachbarschaft, aber das Groß der Flottille würde überleben.
Doch er würde das nicht mehr erleben. Denn er musste die Steuerkanäle von hier aus vernichten. Und die Sicherheitsschaltungen im Schiff würden dafür sorgen, dass die betroffenen Speicher sich dann sofort in den Überraum entluden. Niemand in diesem Raum würde das überleben. Mit zitternden Händen hob Hart seinen Strahler, und visierte sein Ziel an...
Gleich war es soweit. Noch ein paar Sekunden, dann würde das Hron den Impuls geben. Die Flottille war dicht zusammengerückt und würde bald in den Überraum gehen. Einen besseren Zeitpunkt konnte es nicht geben. Das Hron gab den Befehl...
Hart drückte ab! Im gleichen Moment hörte er zu existieren auf. Kaum eine Zehntelsekunde später gab das Hron seinen Impuls. Harts Handlung lies einen Strukturriss entstehen, welcher gierig die Energie der betroffenen Speicher aufsaugte. Normalerweise hätte sich der Riss auf den Maschinenraum beschränkt, und wäre in sich zusammengefallen, sobald die Energie aufgesaugt wäre. Doch nun kam die Energie der restlichen Speicher, welche wie geplant auf den Impuls des Hrons reagierten, hinzu. Das reganische Schiff explodierte, doch sämtliche freigewordene Energie wurde zusammen mit dem Tender BISON und den Überresten des reganischen Schiffes in den Strukturriss gesogen. Das Hron starb in dem Bewusstsein, einen Erfolg errungen zu haben, es hatte in der kurzen Zeit seinen Fehlschlag nicht mehr registrieren können.
Innerhalb weniger Sekunden war alles vorbei. Einige Schiffe der Flottille waren beschädigt worden, aber außer dem Tender und dem reganischen Schiff gab es keine Verluste.
Der Kommandeur der Flottille musste sich nun Gedanken darüber machen, wie er den Fehlschlag seinem Herrn und Meister klarmachen konnte.
Dabei wusste er noch nicht mal, wie knapp er und seine Flottille dem Tod entgangen waren. Der Name „Hart“ würde wohl nie in den Annalen der Geschichte eingehen. Dieses Schicksal teilte er mit Millionen anderer namenloser Helden...