Kapitel 2 Hunger

Kurze Zeit später steht eine, von Hunger geplagte Gabrialla verloren vor dem Essensraum.
Wo bleiben sie nur? Ich hab gestern Abend nicht viel von der Pampe essen können und schon seit dem Aufstehen Hunger. Jedoch muss sie noch eine gefühlte Ewigkeit warten, bevor sie ihre Freundinen, zwischen den anderen findet. Ungeduldig verlagert sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den Anderen, während sie gegen den Drang ankämpft vorzulaufen.
„Kommt schon, ich habe Hunger und es riecht so gut hier.“, versucht sie, die Gruppe anzutreiben.
„Als hättest du in den letzten Tagen etwas anderes gehabt.“, erwidert Juls abfällig, während er seinen Blick über ihren unnatürlich sportlichen, Körper gleiten lässt.
Gabrialla überkommt ein fast unbändiger Drang, ihm weh zu tun, doch ihre Erziehung hält sie zurück. Stattdessen gleitet ihr Blick über Maries zu Michelles so perfekten weiblichem Körper. Beschämt kreuzt sie ihre Arme vor sich.
Davon wachgerufen, schiebt sich eine Erinnerung in ihr Bewusstsein. Ihre Begegnung mit dem Wächter, vor wenigen Nächsten. Sie erinnert sich an ihre Neugierde und ihre fehlende Angst und ein Schauder läuft ihren Rücken hinab. Doch das kann ihre Neugierde nicht verhindern und sie fragt sich: Was hat er, so früh am Abend, nur hier gewollt?
„Gib Ruhe, Juls.“, ruft Michelle zur Ordnung, während sie sich zwischen ihn und Gabrialla schiebt. „Du weißt, dass wir Frauen nach dem Training immer Hunger haben. Stimmt doch, oder Marie?“, wändet sie sich an die Freundin. „Abgesehen davon, hast du gesehen, wie sie Gabrialla heute wieder getrieben haben“ Demonstrativ schiebt sie nun ihren Arm durch Gabriallas, greift nach ihrer Hand. „Wie schaffst du das nur? Ich bin jedes Mal erstaunt, dass du nicht zusammen brichst.“
„Naja, so viel ist es auch nicht.“, wiegelt Juls grinsend ab. „Wir Jungs hingegen ....“
„Was heißt hier nicht viel?“, empört sich Michelle. „Sie läuft die doppelte Anzahl an Runden als ich. Ich bin auch fest überzeugt, dass sie jede Übung doppelt macht. Was macht ihr mehr. Juls?“, möchte sie erfahren und sein Grinsen schwindet. „Aufbau eurer Armmuskeln?“, hilft sie Juls weiter, als dieser sie, um Worte ringend ansieht.
Hast du immer noch nicht gelernt, dass du dich mit Michelle nicht in einem Wortgefecht messen kannst?, amüsiert sich Gabrialla.
„Du weißt noch, was beim letzten Mal passiert ist, als du Gabrialla zu einem Wettkampf aufgefordert hast?“, neckt Michelle ihn weiter, während Gabrialla sich immer unwohl unter seinem Blick windet. Ungeschick versucht sie, sich hinter ihre Freundin zu schieben. Doch, sie ist größer und noch immer in ihrem Griff gefangen. „Na los Gabrialla,“ erklingt, als hätte sie ihren Widerwillen gespürt, Michelles triumphierende Stimme erlösend, „lass uns sehen, was es heute Leckeres gibt“.
Juls folgt ihnen geschlagen, doch mit Marie an seiner Seite. Gabrialla kann sie flüstern hören, bis sie vom Lärm des Essensraumes verschlungen werden.
Endlich an der Theke angekommen, stapelt Gabrialla, viel zu gierig diverse, verführerisch aussehende Speisen auf ihr Tablett. Gerne würde sie von einigen mehrnehmen, doch der strenge Blick der Zuteiler, hindert sie daran.

Als sie einen Tisch gefunden haben, kann sie es kaum erwarten, bis alle sitzen. Von nagendem Hunger gedrängt, greift sie nach einer Frucht und beißt ein großes Stück ab. Doch dieser Bissen lässt ihren Appetit vergehen. Wäh, wie das schmeckt. Wie Dreck! Ungesättigt knurrt ihr Magen, droht aber gleichzeitig, jede weitere Portion dieser Speisen, umgehend zurückzuschicken. Sie kann dem ungewohnten, wachsenden Hunger nichts entgegensetzen und lässt ihren Blick verzweifelt über das mitgebrachte gleiten. Als sie das Stück Fleisch sieht, läuft ihr erneut das Wasser im Mund zusammen. Halb verhungert, trennt sie ein Stück von ihrer Fleischportion und schlingt es hinunter. Zustimmend gibt ihr Magen ein aufgeregtes Murmeln von sich, woraufhin sie sich über den Rest hermacht. Erleichtert kaut Gabrialla an dem letzten Happen.
Nicht genug! Das Stück, das ihr zugeteilt wurde, reicht nicht. Gehetzt beginnt ihr Blick umher zu wandern. Auf der Suche nach etwas, das dem Fleisch gleich kommt. Doch, da ist nichts mehr.
Ein Stück ist nicht genug! Nervös, dem nagenden Hunger in sich nicht gewohnt, kann sie dem Drängen, aufzustehen und mehr zu verlangen, kaum noch standhalten.
Das ist gegen die Regeln! Eine seltsame, von ihrem Magen ausgehende Wärme, erfüllt ihren Bauchraum. Zeitgleich beginnt eine Schwäche sie zu überfallen und ihre Finger zum Zittern zu bringen. Ihr Blickfeld verengt sich, während etwas in ihr sich regt. Sich streckt und am Rande ihres Bewusstseins kratzt.
Da erscheint eine Hand, die ein weiteres Stück auf ihrem Teller ablegt. Mit einem Herzschlag wird sich Gabrialla ihrer Umwelt wieder bewusst. Der Lärm im Raum bricht über sie herrein, zerrt sie aus ihrem Inneren und in den Raum zurück. An den Tisch zu ihren Freunden. Irritiert vom Geschehen, folgt Gabrialla der Hand zum Arm und zu Michelles Gesicht.
Mit einem freundlichen Lächeln streift Michelle das Stück von ihrer Gabel. Beschämt über ihre Gier, ihren so seltsamen Hunger, senkt Gabrialla wieder ihren Blick.
„Danke.“, schafft sie es, noch zu nuscheln als sie ihre Gabel in das Fleisch sticht und einen Bissen abschneidet.
„Nicht dafür, Gabrialla.“, wiegelt diese ab, gefolgt von: „Gib mir lieber etwas von den Früchten.“.

DIE FARM IST FÜR ALLE DA. KEINER SOLL WENIGER HABEN WIE DIE ANDEREN UND KEINER BRAUCHT MEHR. ALLE SIND GLEICH.

Immer den Regeln der Gesellschaft, nach Teilen und Gleichheit folgen, spottet Gabrialla neidisch, auf die Fügsamkeit ihrer Freundin.
Obwohl der Hunger fortwährend an ihr nagt, zwingt sie sich nun langsam zu Essen. Zwingt sich, zumindest annähend den Regeln zu folgen. Sie schafft es aber nur mit Mühe, ihre Aufmerksamkeit von dem Fleisch zu lösen und der Unterhaltung ihrer Freunde zu folgen.
Froh, dass keiner sie anspricht, lässt sie den Fluss der Unterhaltung an sich vorbei gleiten.

SEIT IMMER AUFMERKSAM. JEDER HIER IST EUER NÄCHSTER, KEINER WENIGER ALS DER ANDERE UND KEINER MEHR.
WENDET EURE AUFMERKSAMKEIT EURER UMGEBUNG ZU. AUF EUCH GERICHTET LIEGT SIE FALSCH.
FREUNDE SIND WICHTIG. FREUNDE MACHEN UNSERE GEMEINSCHAFT AUS. DIE GEMEINSCHAFT IST UNSER HÖCHSTES GUT.
HABE IST NUR GUT, WENN MAN SIE MIT ANDEREN TEILT. GERECHT IST NUR, WENN ALLE HABEN, WAS SIE BRAUCHEN.

Doch, weder Michelles und Maries Unterhaltung über Kinder, noch Juls und Svens über die Vorteile der Metall- und Holzarbeit, interessieren sie. Natürlich muss sich jemand um die Bälger kümmern, ist ihr bewusst, ich verstehe nur nicht, wie man sich darauf freuen kann.

DIE KINDER SIND UNSER GESCHENK. SIE SIND DASS, WO FÜR WIR SORGEN SOLLEN, NICHT WIR SELBER. WIR MÜSSEN SICHER SEIN, DAS SIE GESUND UND WOHLBEHALTEN LEBEN KÖNNEN.

Warum? Was ist hier so schön? Was wird hier Kindern geschenkt? Der Kontrolle? Den Regeln? Dem eingesperrt sein? Oder der Angst? Warum ist unser einziges Ziel das Fortbestehen? Der Ernte. Alleine unserem Ende ist es, dem wir sie schenken, ist sie sich sicher. Nichts anderes ist es, was uns alle erwartet.
Ansatzweiße gesättigt, lehnt sich Gabrialla zurück und lässt ihren Blick durch den Raum gleiten. Wenn ich nur daran denke, dass hier gleich die kleinen Bälger auftauchen, stellen sich mir die Haare auf. Das Geräusch der gedämpften Unterhaltungen um sie herum, tritt in den Hintergrund, als sie ihre Aufmerksamkeit nach draußen richtet. Da sind sie schon, die Ersten, Mittelalten. Werden von den Erziehern wieder in die Waschräume gescheucht, um sich für das Essen vorzubereiten. Es wird Zeit, dass wir gehen, entscheidet sie, bevor sie hier her kommen. Ich bin nur froh, seufzt sie erleichtert, dass die Jüngsten jetzt draußen, auf der großen Fläche sind um ihre Körper zu trainieren. Entschlossen greift sie zu ihrem Becher um ihn in eine Zug zu leeren. Seltsam, überlegt sie stockend, noch den letzten Schluck im Mund, das Essen wird immer Fader, immer scheußlicher, doch das Trinken scheint immer besser zu werden.
„Gabrialla?“, die leichte Berührung auf ihre Schulter lenkt sie von ihren Gedanken ab, als das Wort bedeutungslos in ihren Ohren nachklingt. „Wo bist du schon wieder?“, kichert Michelle neben ihr.
Wie lange war ich so da gesessen? Wie viel Zeit ist schon wieder vergangen?
„Wir wollen gehen. Es wird Zeit den Raum für die Jüngeren frei zu machen.“
Richtig, die Jüngeren, dämmert es ihr erneut. „Sicher, lasst uns gehen.“ Ihre Freundin entgegen lächelnd, zwingt sie sich langsam von dem Stuhl auf zu stehen. Vorsichtig, um ja niemandem im Weg zu stehen oder sonst wie negativ aufzufallen, folgt sie den Freunden erst zur Rückgabe und dann zur Getränkeausgabe.
Träge schiebt sich die schweigende Schlange vorwärts, begleitet vom stets freundlichen und doch monotonem Singsang einer der Verteilerinnen.
„Bitte nichts verschütten.“
„Die Getränke sind auf eure Bedürfnisse abgestimmt.“
„Achtet darauf, nur euer Trinken zu euch zu nehmen.“
„Bitte zum Mittentag die leeren Behälter zurückbringen.“.
Wie kann man nur so eine Aufgabe machen wollen? Haben sie sich diese wirklich ausgesucht?, überlegt sie, skeptisch die Verteilerinen, hinter der Getränkeausgabe, musternd. Jeden Tag stumm an die Lehrlingen Essen und Trinken verteilen. Was ist den das für eine Aufgabe? Wenn ich daran denke, den ganzen Tag hier unten eingesperrt sein zu müssen. Trotz der nervenaufreibenden Langsamkeit, bemüht sich Gabrialla mit der Masse zu treiben. Tag für Tag das gleiche. Keine Luft, keine Abwechslung. Nur die trostlosen Wände um sich, schaudert es sie.
Als sie endlich ihren Behälter hat, drängt es sie noch stärker zur Flucht. Nein, ich darf hier nicht laufen. Nicht hier, wo die Erzieher mich beobachten. Ich darf, so kurz vor dem Abschluss, nicht noch eine Strafe riskieren, hält sie inne. Ich bin am Ende der Prüfungen. Bald ist es vorbei und ich kann gehen. Jetzt muss ich mich aber noch beherrschen. Muss den Regeln folgen. Sonst ist alles vergebens gewesen!
„Was ist los, Gabrialla?“, zieht Michelles besorgte Stimme sie aus ihren zehrenden Gedanken. „Du wirst doch wohl jetzt nicht doch nervös werden?“
„Was?“, spottet Marie da neckisch. „Die furchtlose Gabrialla soll nervös sein? Das währe das erste Mal.“ Doch das hindert sie nicht, diese ebenfalls besorgt zu mustern.
Wäre es das? Wirklich?
„Es ist eine wichtige Prüfung, die wir vor uns haben, Marie.“, tadelt Michelle. „Jeder hat das Recht, nervös zu sein.“
Gabrialla weiß nicht, was sie darauf antworten soll.
„Was ist? Wollen wir los oder habt ihr vor hier stehen zu bleiben?“, unterbricht Juls die immer schwerer auf Gabrialla lastende Stille. „Die Prüfungen werden nicht auf uns warten.“
Als habe es nur dieses Stichwort gebraucht, setzt sich die Gruppe in Bewegung. Fast könnte man glauben, es wäre nichts passiert und ein ganz normaler Tag, doch Gabrialla bemerkt die Unterschiede. Bemerkt, wie Michelles Blick immer wieder über sie gleitet. Bemerkt Maries angespannte Schultern und wie sie sich an Juls lehnt. Sieht, wie Sven nervös mit den Schultern kreist und unruhig, ganz ungewohnt, die Hände beim Sprechen mit benutzt.
Erst folgen alle dem Flur in Richtung ihrer Schlafräume, bevor erst die Jungen und dann die Mädchen in ihre Waschräume abbiegen um sich für den Tag zu richten. Eilig säubern sie ihre Zähne, prüfen ihre Haare, ihre Haut und ihre Kleidung.

PERFEKTE ZÄHNE, SCHÖNE HAUT UND HAARE FÜR EIN GESUNDES LEBEN.
SAUBERE KLEIDER UND EIN NETTES LÄCHELN FÜR DIE GEMEINSCHAFT.

Gabrialla hat das Gefühl, als sei die Stimmung im Waschraum vor Nervosität durchtränkt. Seltsame Empfindungen durchzucken sie selbst. Nervosität ist nur eine, Hunger ist die Drängendste. Das ist nur die Nervosität. Was soll es anders sein? Eine Prüfung nur noch, versucht sie sich aufzubauen, dann ist es vorbei.
Dennoch treibt sie der Hunger wieder vor ihren Freundinen hinaus und zu ihrem Treffpunkt.

Doch auch hier ist die Stimmung nicht besser. Angespannt eilen die Lehrlinge an ihr vorbei. Scheinen ihre Anspannung wie einen wehenden Stoff hinter sich her zu ziehen. Ein jeder von diesen scheint Gabrialla zu streifen und ein Stück von sich an ihr zurückzulassen.
Aufgeregt beginnt ihr Magen mit jedem Stück mehr zu grummeln und etwas zu erwecken.
Warum habe ich in letzter Zeit nur so einen Hunger? Und was riecht hier so gut? Schnüffelnd reckt sie ihre Nase in Richtung des Essensraumes, eine Tür weiter, und schreckt zurück. Nein, das Essen ist eindeutig nicht besser geworden. Ihr Blick wird von den Lehrlingen angezogen. Wie sie auf die Treppe abbiegen und nach oben eilen. Nur kurz bleibt sie an der Glaswand hängen. An dem gerahmten Bild ihrer Sehnsucht. Zu stark wird ihre Aufmerksamkeit von dem Geruch vereinnahmt, als sie bei einem Mädchen hängenbleibt. Es folgt einer Gruppe und scheint doch nicht dazu zu gehören. Läuft sie doch nicht in ihr, sondern nur an deren Rand. Schüchtern, nicht unterwürfig wie die andern, hat sie ihren Blick gesenkt. Unwillkürlich zieht Gabrialla die Luft ein. Zarter, schmackhaftes Essen versprechender Geruch erfüllt sie und lässt Wasser in ihrem Mund zusammen laufen.
Hunger, knurrt es in ihr.
Das Mädchen weiterhin fokussierend, setzt sie sich langsam in Bewegung. Vorsichtig, darauf bedacht nicht aufzufallen, passt sie sich fast den Strom an. Nur etwas Schneller als die anderen, bewegt sie sich vorwärts. Weiter immer weiter auf das Mädchen und dem köstlichen Geruch zu.
„Gabrialla! Warte! Die anderen haben noch nicht aufgeschlossen.“ Als wäre sie gegen eine Mauer gelaufen, bleibt Gabrialla stehen und dreht sich herum. Ihr Herz klopft hart gegen ihre Brust und ihr Atem geht ruckartig, als sie wieder klar zu denken beginnt. Verwirrt blinzelnd sieht sie Juls an, der seinerseits, sie seltsam anblickend zurückweicht.
Was ist passiert? Da durchzuckt sie ein reißender Schmerz, und ihr Magen, der sich gerade noch wie ein Stein angefühlt hat, scheint flatternd in sich zusammen zu sinken. „Aua“
„Was ist los?“ Michelle, die sie gerade erreicht hat, beugt sich führsorglich über sie. Auch die anderen Lehrlinge, die gerade an ihr vorbei gehen wollten, bleiben stehen.
„Ist etwas geschehen?“
„Kann ich helfen?“
„Soll ich eine Erzieherin holen?“, überströmen sie die hilfsbereiten Fragen der Umgebenden.
Genervt wischt Gabrialla diese von sich und erwidert: „Es ist nichts.“ Flehend sieht sie zu Michelle. Mach das die weggehen. Bitte!
Doch, es ist zu spät. Schon hört sie Schritte, die in ihre Richtung eilen.
„Macht platz. Alles wird gut, ihr könnt weiter gehen. Danke.“, zwitschert die Stimme einer Erzieherin über die Menge. Als wäre nichts Geschehen, drehen sich auch alle, streng den Regeln folgend, von ihr ab und setzten den unterbrochenen Weg fort.
„Was ist hier los?“ Geübt erfasst sie die Situation und wendet sich Gabrialla zu. Prüfend wandert ihr Blick über sie.
„Es war nichts.“, will sie beschwichtigen und weiß sofort, dass dies die falsche Antwort war. „Ich hatte nur ein leichtes Stechen.“, fügt sie eilig hinzu, „Es hat mich nur überrascht. Wirklich, es ist weg.“ Doch lässt der prüfende Blick sie nicht los, wie gehoft, sondern wandert weiter über sie.
„Hast du gegessen?“
„Ja.“
„Hast du getrunken?“
„Ja.“, beantwortet sie die standardmäßigen Fragen.
„Zeig mir dein Trinkgefäß“.
Das ist neu. Irritiert streckt sie das Gewünschte dennoch entgegen.
„Trink, dann wird es dir besser gehen.“ Auffordernd streckt die Erzieherin ihr das soeben gegebene Behältnis entgegen. „Es ist auf dich abgestimmt. Das wird dir guttun.“
Gehorsam nimmt sie einen großen Schluck. Spürt, wie das zähflüssige Getränk ihren Mund ausfüllt und seinen Geschmack verteilt.
Lecker. Gierig nimmt sie einen weiteren Schluck, während der erste ihren Hals hinunter gleitet. Als er ihren Magen erreicht, empfängt dieser ihn mit aufgeregtem Knurren.
„Du hast zu wenig gegessen. Das ist nicht gut, Kind.“
Naja, von dem Dreck kann ich auch nicht mehr Essen.
„Los, komm mit mir, du brauchst noch ein Getränk.“, entscheidet sie, greift nach Gabriallas Hand und zieht sie hinter sich her.
Irritiert und verärgert lässt sich Gabrialla mit ziehen.
Wie soll mir etwas zum Trinken den Magen füllen? Ich brauch etwas Richtiges zum Essen. Das Zeug hält nicht lange. Wie gerne hätte ich jetzt noch zwei Stück Fleisch!
Doch,
muss sie eingestehen, nach den Schlucken gerade, geht es mir viel besser.
Ihr Weg führt sie zurück in den Essensraum, wo die Erzieherin hinter die Theke eilt und sie stehen lässt. Gabrialla beobachtet, wie sie durch eine Tür verschwindet und fleht: Beeil dich, ich will hier raus. Sie versucht sich gegen den Lärm, gegen die seltsamen Wellen, die um sie herum toben, abzuschirmen, doch gelingt es ihr nur schwer. Diese Bälger! Können sie nicht ruhig sein? Den Blick starr auf die Theke gerichtet, versucht sie, sich zu beschäftigen. Versucht Bilder vom Garten herauf zu beschwören und darin zu versinken. Doch, so leicht sie sonst in ihren Gedanken versinkt, jetzt will es ihr nicht gelingen.
„Hier,“ erklingt auf einmal die Erlösung vor ihr, „nimm dass und dann los.“ Ohne sich zu bedanken, ohne der Erzieherin noch einen Blick zu zuwerfen, greift sie nach dem Behälter und eilt aus dem Raum. Eilt über den Flur und zu ihren Freunden, weg von den vielen Reizen in diesem viel zu kleinen Raum.
 

flammarion

Foren-Redakteur
korrekturvorschläge

Die Ernte.
Von Kindheit an,(kein Komma) wissen die Menschen der Farm, dass ihr Leben höchstens 35 Jahre währen wird. Sichere Jahre. Sicher vor Krankheit, Hunger und den Jägern.
Doch nur für die Fügsamen.
Widerspruch wird verhindert.
Aufbegehren eliminiert.
Inmitten der Idylle dieser heilen Welt gibt es ein Mädchen, das anders ist. Gabrialla.
Seit ihrem neunten Lebensjahr wohnt sie, wie jedes Kind der Farm, in der Obhut von Erziehern und Lehrern. Hier wird ihnen gelehrt, womit sie für die Gemeinschaft nützlich und für die Herrscher begehrlich werden. Wird ihnen beigebracht, die Jäger zu fürchten, die Wächter zu achten und den Schutz der Farm zu suchen.
Doch Gabrialla kann sich nur schwer fügen. Ihr Wunsch nach Freiheit drängt sie nach draußen in die Gärten. Ihre Wildheit und Stärke schreckt die Menschen ab. Alleine ihre seltsame Freundschaft zu der fügsamen Michelle,(kein Komma) lässt sie versuchen, sich an die Gemeinschaft anzupassen.
Nun, wo sie ihren 18 Sommer erlebt haben, steht ihre Gruppe davor, als Erwachsene in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ihre Zeit ist gekommen, für den Fortbestand der Gemeinschaft zu sorgen und für die Ernte erwählt zu werden.
Nur nicht Gabrialla, denn etwas ist in ihr erwacht und hat andere Pläne.


Prolog

Warum habe ich in letzter Zeit nur so einen Hunger? Und was riecht hier so gut? Schnüffelnd reckt sie ihre Nase in Richtung des Essensraumes und schreckt zurück. Nein, das Essen ist eindeutig nicht besser geworden. Ihr Blick wird von den Lehrlingen angezogen. Wie sie auf die Treppe abbiegen und nach oben eilen. Nur kurz bleibt sie an der Glaswand hängen. An dem gerahmten Bild ihrer Sehnsucht. Zu stark wird ihre Aufmerksamkeit von dem Geruch vereinnahmt, als sie bei einem Mädchen hängen(getrennt)bleibt. Es folgt einer Gruppe und scheint doch nicht dazu zu gehören. Läuft sie doch nicht in ihr, sondern nur an(am) deren(überflüssig) Rand. Schüchtern, nicht unterwürfig wie die andern, hat sie ihren Blick gesenkt. Unwillkürlich zieht Gabrialla die Luft ein. Zarter, schmackhaftes Essen versprechender Geruch erfüllt sie und lässt Wasser in ihrem Mund zusammen laufen.
Hunger, knurrt es in ihr.
Das Mädchen weiterhin fokussierend, setzt sie sich langsam in Bewegung. Vorsichtig, darauf bedacht nicht aufzufallen, passt sie sich fast den(dem) Strom an. Nur etwas Schneller(schneller) als die anderen,(kein Komma) bewegt sie sich vorwärts. Weiter(Komma) immer weiter auf das Mädchen und dem(den) köstlichen Geruch zu.
„Gabrialla! Warte! Die anderen haben noch nicht aufgeschlossen.“ Als wäre sie gegen eine Mauer gelaufen, bleibt Gabrialla stehen und dreht sich herum. Ihr Herz klopft hart gegen ihre Brust und ihr Atem geht ruckartig, als sie wieder klar zu denken beginnt. Verwirrt blinzelnd sieht sie Juls an, der seinerseits,(kein Komma) sie seltsam anblickend zurückweicht.
Was ist passiert? Da durchzuckt sie ein reißender Schmerz, und ihr Magen, der sich gerade noch wie ein Stein angefühlt hat, scheint flatternd in sich zusammen zu sinken(Punkt)
 



 
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