Wolfgang Urach
Mitglied
Es war mehr eine Stunde vergangen.
Die großen Blumen auf dem Feld vor dem Pinienwäldchen waren verschwunden. Es lag viel Blütenstaub auf den Wegen, und kleine Blumen sprossen hier und da; aber die großen waren nicht mehr da.
„Die Blumen sind weg“, sagte Ann.
„Nicht ganz“, erklärte Momo.
Giacomo und Ann nickten.
Gigi kam auf sie zu und nahm seine kleinen Freunde alle zusammen auf einmal in seine Arme.
„Ihr Abenteurer! Ihr erlebt schönere Geschichten, als ich sie für euch ausdenken kann.“
Dann lief Gigi weiter zu den anderen, die noch da waren. Vor ihm stand ein Schwarzhemd, Kurzhaarschnitt, Lederstiefel.
Stefan war ganz dreckig von Blütenpollen und nass vom Regen. Er war von seiner riesigen Sonnenblume ausgestiegen, hatte sein nasses schwarzes Hemd ausgezogen und sich mit einem Knoten über die Hose gebunden, damit es trocknen konnte. Er zog sich jetzt die Lederstiefel aus, die mit Wasser vollgelaufen waren.
Gigi hatte ihn vor ihm erkannt. Einen Moment lang wollte Gigi die Begegnung vermeiden und weitergehen, weil sie schwierig werden würde. Doch schließlich blieb er vor Stefan absichtlich stehen.
Gigi und Stefan hatten sich nicht mehr seit dem Nachmittag gesehen, als sie gemeinsam im Garten von Alwin Müller den Rennwagen bestaunt hatten.
„Hallo Stefan!”
„Hallo Gigi!”
„Na? Das war ’ne Riesen-Sache mit den Riesenblumen, oder?“, fing Gigi mühsam ein Gespräch an.
„Gigi“, meinte Stefan sofort mit gesenktem Kopf. „Bist du sauer auf mich?“
„Auf dich?“, fragte Gigi und lachte, „nein, wie kommst du darauf. Wenn du wüsstest, wie viel Blödsinn ich in meinem Leben gemacht habe, würdest du mir nicht die Frage stellen.“
Er nahm Stefan bei der Schulter, so wie Freunde, die älter sind, die Jüngeren manchmal aufmuntern müssen, und sagte frei von der Leber weg: „Also, der Alwin Müller, der ist schon gefährlich mit all seinen Ideen über die schwarzen Männer, und das Schlimmste ist, dass er es schafft, die Leute dafür zu begeistern.
Unter uns gesagt, Stefan, ich war ja auch wirklich Feuer und Flamme für seine Rennwagen-Idee und den Traum, dass man aus dem Amphitheater etwas ganz Großartiges machen könnte...“
„Aber...“, wollte Stefan wissen.
„Tja, warum hat es bei mir am Ende nicht so funktioniert wie bei Dir? Ich glaube, wir müssen von Momo eine wichtige Sache lernen...“
„... den anderen zuzuhören“, vollendete Stefan den Satz.
„Das auch“, sagte Gigi, „ aber vor allem sich auch selbst zuzuhören.“
Stefan machte große Augen, weil er nicht verstand, was Gigi sagen wollte.
„Hast du schon mal in dich hineingehört?“, fragte Gigi.
Stefan zuckte mit den Schultern.
„Ich stand also im Wohnzimmer von Alwin Müller und hörte ihm zu. Langsam wich die erste Begeisterung von mir, und ich hörte in mich hinein, ganz tief, kennst du das?“ fragte Gigi seinen jungen Freund.
„Ja.“ Stefan nickte kurz.
„Und ich stellte mir vor, wie das sein würde, das Amphitheater mit der Rennbahn, mit der Wasserrutsche, all den tollen Attraktionen...
Und da fühlte ich, dass mein Höhenflug zuende war, so als ob Wind fehlen würde. Ich landete hart. Und es war still und stumm in mir. Alwin Müller sagte etwas, aber es fand kein Echo in mir; meine eigene innere Melodie war verstummt.
Da wusste ich, dass diese Idee, von der ich fünf Minuten vorher noch so sehr begeistert war, eine Seifenblase gewesen war. Und nichts war da, was mich wirklich glücklich machte. Nicht das Geld, nicht mein neuer Titel ‚Chef des Amphitheaters’, nicht die Macht, die ich gewonnen hatte, ich wusste plötzlich, dass meine eigene Melodie nicht mehr zu mir zurückkehren würde, wenn ich den Vorschlag von Alwin annehmen würde.“
Stefan hatte ihm etwas zweifelnd zugehört.
„Ach, ich erzähl wieder viel zu viel“, meinte Gigi, gab Stefan einen Klaps auf die Schulter und ging zu Nino, der eifrig Rotwein, Pastis und Freibier ausschenkte.
Da stand sie plötzlich vor ihm.
Auch Susanne wollte ihm aus dem Weg gehen, Stefan hatte durch das Gefühl mit Gigi nicht gemerkt, dass sie gekommen war.
Und Susanne hatte ihn hier nicht erwartet, schon gar nicht im Gespräch mit Gigi.
Sie fühlte, dass sie anfing zu zittern. Und sie wollte ihm nicht ihre Schwäche zeigen. Die beiden blickten sich einen Augenblick an, und sie schloss halb die Augen.
Susanne drehte sich um, um weiterzugehen.
„Susanne.“
Sie blieb stehen, ohne sich umzudrehen.
„Darf ich dich immer noch ‚meine gute Fee’ nennen?“
Susanne drehte sich um, und Stefan sah, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Er lächelte und nahm sie in seine Arme.
Und in dem Moment, in dem er die Arme ausbreitete, hörte er sie.
Leise, unendlich leise, tief in ihm, so tief wie er gar nicht vermutet hatte, so nah, als ob sie immer da gewesen war... seine innere Melodie.
„Es tut mir leid“, flüsterte er ihr durch ihre blonden Haare ins Ohr. „Ich wollte es alleine schaffen, die Nachprüfung, und ich habe es nicht geschafft. Und das mit den schwarzen Männern, ich glaube, ich habe etwas Neues ausprobieren wollen, jemand sein wollen; auch wenn es nicht das ist, was ich gesucht habe.“
„Aber du bist doch jemand für mich; du bist wichtig für mich; ob du die Nachprüfung schaffst oder nicht“, sagte sie und weinte erst richtig los, weil Stefan das nicht gewusst hatte oder nicht begreifen wollte.
„Das ... kann ... sein“, sagte er mit fast unhörbar leiser Stimme, ein Zittern war in seiner Stimme, die jetzt unendlich weich und verletzlich klang.
Es war für Stefan so schwer, dieses Geschenk anzunehmen.
Aber...
...aber schließlich war es doch „seine gute Fee“, von der er selbst dieses Geschenk annehmen durfte.
Die großen Blumen auf dem Feld vor dem Pinienwäldchen waren verschwunden. Es lag viel Blütenstaub auf den Wegen, und kleine Blumen sprossen hier und da; aber die großen waren nicht mehr da.
„Die Blumen sind weg“, sagte Ann.
„Nicht ganz“, erklärte Momo.
Giacomo und Ann nickten.
Gigi kam auf sie zu und nahm seine kleinen Freunde alle zusammen auf einmal in seine Arme.
„Ihr Abenteurer! Ihr erlebt schönere Geschichten, als ich sie für euch ausdenken kann.“
Dann lief Gigi weiter zu den anderen, die noch da waren. Vor ihm stand ein Schwarzhemd, Kurzhaarschnitt, Lederstiefel.
Stefan war ganz dreckig von Blütenpollen und nass vom Regen. Er war von seiner riesigen Sonnenblume ausgestiegen, hatte sein nasses schwarzes Hemd ausgezogen und sich mit einem Knoten über die Hose gebunden, damit es trocknen konnte. Er zog sich jetzt die Lederstiefel aus, die mit Wasser vollgelaufen waren.
Gigi hatte ihn vor ihm erkannt. Einen Moment lang wollte Gigi die Begegnung vermeiden und weitergehen, weil sie schwierig werden würde. Doch schließlich blieb er vor Stefan absichtlich stehen.
Gigi und Stefan hatten sich nicht mehr seit dem Nachmittag gesehen, als sie gemeinsam im Garten von Alwin Müller den Rennwagen bestaunt hatten.
„Hallo Stefan!”
„Hallo Gigi!”
„Na? Das war ’ne Riesen-Sache mit den Riesenblumen, oder?“, fing Gigi mühsam ein Gespräch an.
„Gigi“, meinte Stefan sofort mit gesenktem Kopf. „Bist du sauer auf mich?“
„Auf dich?“, fragte Gigi und lachte, „nein, wie kommst du darauf. Wenn du wüsstest, wie viel Blödsinn ich in meinem Leben gemacht habe, würdest du mir nicht die Frage stellen.“
Er nahm Stefan bei der Schulter, so wie Freunde, die älter sind, die Jüngeren manchmal aufmuntern müssen, und sagte frei von der Leber weg: „Also, der Alwin Müller, der ist schon gefährlich mit all seinen Ideen über die schwarzen Männer, und das Schlimmste ist, dass er es schafft, die Leute dafür zu begeistern.
Unter uns gesagt, Stefan, ich war ja auch wirklich Feuer und Flamme für seine Rennwagen-Idee und den Traum, dass man aus dem Amphitheater etwas ganz Großartiges machen könnte...“
„Aber...“, wollte Stefan wissen.
„Tja, warum hat es bei mir am Ende nicht so funktioniert wie bei Dir? Ich glaube, wir müssen von Momo eine wichtige Sache lernen...“
„... den anderen zuzuhören“, vollendete Stefan den Satz.
„Das auch“, sagte Gigi, „ aber vor allem sich auch selbst zuzuhören.“
Stefan machte große Augen, weil er nicht verstand, was Gigi sagen wollte.
„Hast du schon mal in dich hineingehört?“, fragte Gigi.
Stefan zuckte mit den Schultern.
„Ich stand also im Wohnzimmer von Alwin Müller und hörte ihm zu. Langsam wich die erste Begeisterung von mir, und ich hörte in mich hinein, ganz tief, kennst du das?“ fragte Gigi seinen jungen Freund.
„Ja.“ Stefan nickte kurz.
„Und ich stellte mir vor, wie das sein würde, das Amphitheater mit der Rennbahn, mit der Wasserrutsche, all den tollen Attraktionen...
Und da fühlte ich, dass mein Höhenflug zuende war, so als ob Wind fehlen würde. Ich landete hart. Und es war still und stumm in mir. Alwin Müller sagte etwas, aber es fand kein Echo in mir; meine eigene innere Melodie war verstummt.
Da wusste ich, dass diese Idee, von der ich fünf Minuten vorher noch so sehr begeistert war, eine Seifenblase gewesen war. Und nichts war da, was mich wirklich glücklich machte. Nicht das Geld, nicht mein neuer Titel ‚Chef des Amphitheaters’, nicht die Macht, die ich gewonnen hatte, ich wusste plötzlich, dass meine eigene Melodie nicht mehr zu mir zurückkehren würde, wenn ich den Vorschlag von Alwin annehmen würde.“
Stefan hatte ihm etwas zweifelnd zugehört.
„Ach, ich erzähl wieder viel zu viel“, meinte Gigi, gab Stefan einen Klaps auf die Schulter und ging zu Nino, der eifrig Rotwein, Pastis und Freibier ausschenkte.
Da stand sie plötzlich vor ihm.
Auch Susanne wollte ihm aus dem Weg gehen, Stefan hatte durch das Gefühl mit Gigi nicht gemerkt, dass sie gekommen war.
Und Susanne hatte ihn hier nicht erwartet, schon gar nicht im Gespräch mit Gigi.
Sie fühlte, dass sie anfing zu zittern. Und sie wollte ihm nicht ihre Schwäche zeigen. Die beiden blickten sich einen Augenblick an, und sie schloss halb die Augen.
Susanne drehte sich um, um weiterzugehen.
„Susanne.“
Sie blieb stehen, ohne sich umzudrehen.
„Darf ich dich immer noch ‚meine gute Fee’ nennen?“
Susanne drehte sich um, und Stefan sah, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Er lächelte und nahm sie in seine Arme.
Und in dem Moment, in dem er die Arme ausbreitete, hörte er sie.
Leise, unendlich leise, tief in ihm, so tief wie er gar nicht vermutet hatte, so nah, als ob sie immer da gewesen war... seine innere Melodie.
„Es tut mir leid“, flüsterte er ihr durch ihre blonden Haare ins Ohr. „Ich wollte es alleine schaffen, die Nachprüfung, und ich habe es nicht geschafft. Und das mit den schwarzen Männern, ich glaube, ich habe etwas Neues ausprobieren wollen, jemand sein wollen; auch wenn es nicht das ist, was ich gesucht habe.“
„Aber du bist doch jemand für mich; du bist wichtig für mich; ob du die Nachprüfung schaffst oder nicht“, sagte sie und weinte erst richtig los, weil Stefan das nicht gewusst hatte oder nicht begreifen wollte.
„Das ... kann ... sein“, sagte er mit fast unhörbar leiser Stimme, ein Zittern war in seiner Stimme, die jetzt unendlich weich und verletzlich klang.
Es war für Stefan so schwer, dieses Geschenk anzunehmen.
Aber...
...aber schließlich war es doch „seine gute Fee“, von der er selbst dieses Geschenk annehmen durfte.