Kapitel 3

Bala

Mitglied
Kaleb und Elonore erreichten die Bibliothek des Schlosses. Die Tür zur Bibliothek war golden verziert. In der Mitte war das Zeichen von Heminaz: Eine Wolke, hinter der eine Rose zu sehen war.
Nervös traten sie nun ein. Hatte das Ereignis vorhin etwas damit zu tun? Was war überhaupt dieses
Medaillon der Sterne? Und hatte der Älteste vielleicht Recht mit seiner Aussage, die Begegnung mit den Einhörnern wäre Schicksal, ein Schicksal, welches diese Suche, die das Schriftstück beschrieb, beeinflusst? Fragen über Fragen. Hoffentlich können ein paar davon beantwortet werden.
Sie betraten zum ersten mal diesen Raum. Normalerweise halten sich hier nur die Ratsmitglieder und die Gelehrten auf. Überall waren Bücher und nochmal Bücher. Dicke, dünne, verstaubte, ja aber Tausende. So riesig war sie. Niemand könnte alle diese Bücher lesen. Sie wurden von Generation über Generation gesammelt.
Der Raum hatte einen roten Teppichboden, über ihm war ein riesiger Kronleuchter an der Decke. Riesige Fenster erhellten den Raum am Tag. „Kommt rein, hierher, an den großen Tisch!“ war die Stimme des Ältesten zu vernehmen. In der Mitte war der riesige, runder Tisch, an dem die Gelehrten Wissen austauschten und sich berieten.
So eben setzte sich der Älteste neben Ryley und Adiana und legte dabei ein dickes schwarzes Buch, auf dem ein starker Staubfilm war, auf die Tischplatte. Die Königskinder setzten sich nun neben ihn, ihre Eltern saßen zur anderen Seite.
Nun schlug der Älteste das Buch auf. Er suchte und suchte nach der richtigen Seite. Sowohl den Geschwistern wie auch dem Königspaar war die Nervosität, aber auch die Neugier deutlich anzusehen. Ryley und Kaleb schwitzten. Eine richtige Spannung lag in der Luft. Fast konnte man eine Stecknadel fallen hören.
„Ah, hier ist es.“ rief er nun aus. Alle sahen auf die Zeichnung-die Zeichnung, welche es zeigte, jenes Medaillon. Im Innern des kreisrunden Schmuckstücks war ein großer Stern mit vier Spitzen zu sehen, darum weitere vier, kleiner Sterne. Im großen Stern war das Zeichen von Heminaz, in den vier kleinen ein Mond, eine Sonne, der Nordstern, in Form einer Schneeflocke, und der Morgenstern, dargestellt durch eine aufgehende Sonne. Ohne Zweifel hatte dieses Medaillon etwas geheimnisvolles an sich. Etwas, was man nicht beschreiben konnte.
Der Älteste las genau den darunter stehenden Text. Dann erklärte er: „Es ist eine uralte Legende. Als das Königreich Heminaz gegründet wurde, wollte der erste König seiner Frau ein besonderes Geschenk machen. Denn er liebte sie mehr als alles andere. Also gab er ein besonderes Medaillon in Auftrag. Es sollte aus der heiligen Erde des Königreichs und den Kristallen der vier hellsten Himmelskörper bestehen. Somit erschufen die besten Goldschmiede und Künstler aus den Kristallen der Sonne, des Mondes, des Nord- und des Morgensterns und Heminazs Erde das Medaillon der Sterne.
Doch da es diese Kristalle enthielt, war es nicht nur das schönste aller Schmuckstücke, sondern es vereinte deren Licht und Macht. Nach Jahren des Friedens kam der Schrecken über das Land. Er verdunkelte das gesamte Königreich, ja die ganze Welt. Das Königspaar konnte ihn mit dem Medaillon vertreiben, aber nicht vernichten.
Viele Verbrecher sahen diese Macht und wollten sie für sich nutzen. Man konnte sie aber daran hindern. Den Gelehrten war klar, dass der Schrecken eines Tages zurückkehren würde. Um das Medaillon vor der Machtgier zu schützen, wurde es zerbrochen und beide Teile wurden durch Magie an unbekannten Orten versteckt.
Und diese Schriftrolle solle sich zeigen, wenn die Zeit gekommen ist. Dann, wenn der Schrecken die Macht über einen Menschen, der unrein im Herzen ist, die Macht erlangt und ihn kontrolliert, damit er Heminaz zerstört.“
Damit endete die Erzählung des Ratsvorsitzenden. Betroffen sah sich die Königsfamilie an. Tausende von Gedanken gingen ihnen durch den Kopf. Überlegungen, mögliche Zukunftsbilder, Fragen. Irrungen, Wirrungen.
Dann ergriff Kaleb das Wort: „Also waren diese Soldaten Krieger des Schreckens?“
„Ja, sie wollten anscheinend verhindern, dass wir es erfahren.“ war die Antwort des Ältesten.

„Ihr hattet Recht, Ältester. Ihr hattet Recht. Unsere Freundschaft mit den Einhörnern ist vom Schicksal bestimmt worden. Ohne sie wären wir jetzt tot. Es muss bestimmt gewesen sein.“sprach Elonore daraufhin.
Kaleb sah auf sie und gab ihr einen bestätigenden Blick. Dann sprangen sie beide auf und Kaleb wandte sich an seine Eltern: „Mutter, Vater, das ist unsere Aufgabe. Wir müssen die Teile finden und das Königreich retten.“
Erschrocken sahen sich Ryley und Adiana an. Die Königin wollte es nicht: „Nein. Nein. Nie und nimmer. Wir werden unsere Reiter losschicken. Es ist zu gefährlich. Ich will euch nicht verlieren. Bitte. Ihr seid unsere Kinder. Ich könnte es mir nie verzeihen.“
Angst erfüllte sie. Ihre Kinder waren das wichtigste für sie. Der Gedanke, sie wären auf dieser gefährlichen Reise, in höchster Gefahr, ließ sie nicht Atmen. Es war unerträglich
Auch Ryley wollte gerade etwas sagen, als Elonore eingriff: „Habt ihr den Spruch vergessen? Zwei benötigt es, um eins zu werden. Und es müssen welche sein, die auch, wenn sie alleine sind, nie einsam sind. Wir sind die Zwei. Wir sind nie einsam. Dank euch. Und weil wir uns haben. Und dank unserer Einhörner. Zusammen mit ihren Kräften können wir-nein, wir werden es schaffen.“

König Ryley wollte es aber nicht zulassen. „Verdammt, begreift ihr denn nicht? Ihr müsst gegen eine unglaublich dunkle Kraft antreten. Dass....“
Aber da legte der Älteste ihm seinen Arm auf die Schulter: „Eure Hoheit, sie haben Recht. Es war Schicksal, als sie den Einhörnern begegneten. Vergesst nicht, was sie für Kräfte haben. Große, magische Kräfte, mit denen sie eure Nachkommen beschützen. Erkennt ihr es denn nicht?“
Nun blickten die Eltern in die Augen ihrer Kinder-und es verschlug ihnen die Sprache, als sie diese Zuversicht sahen, diesen Glauben an sich selbst. Dieser Wille. Es gab ihnen ein Gefühl der Ruhe.

Kaleb sprach nochmal zu ihnen: „Mutter, Vater, wir sollen einstmals euer Zepter übernehmen. Also ist es auch unsere Pflicht, und unser Wille, das Land zu beschützen. Bitte, vertraut uns. Wir werden zurückkehren.“ Voller Selbstvertrauen sagte er diese Worte, welche ihm mehr als leicht über die Lippen kamen.
Diese Worte und der Blick des Prinzen und der Prinzessin, überzeugten schließlich das Königspaar. Nun war die Sorge vergessen, und sie tauschte mit Stolz. Stolz, solche Kinder zu haben. Kinder, die sich einer Verantwortung stellen, die kaum größer sein kann.
Aber der sie mit dieser Zuversicht entgegen traten. „ Nun gut,“ sagte Königin Adiana, „tut es. Geht und findet das Medaillon. Wir vertrauen euch. Aber bitte passt auf euch auf. Achtet auch auf eure Gefährten, sie werden euch brauchen.“
„Wir werden morgen aufbrechen!“ antwortete Kaleb und dann gingen sie in ihre Zimmer. Das Königspaar begab sich wieder in den Thronsaal.
Kaleb packte seine Sachen ein. Neben seiner Reitkleidung auch Schutzwesten für den Kampf. Außerdem ließ er sich aus der Schloss-Küche Nahrungsmittel bringen, nahm aber auch Geld mit. Als er dann nochmal alles überprüfte, fiel sein Blick auf noch einen Gegenstand.
Mit diesem Gegenstand waren so viele Erinnerungen an seine Kindheit verbunden, besonders mit seiner Schwester. Schöne Erinnerungen, die er immer in seinem Herzen trägt, sein gesamtes Leben lang. Er lächelte. Und wurde von einem Gefühl der Wärme und der Freude durchströmt. „Dies wird uns sicher helfen!“ waren seine Gedanken, als er ihn in seine Reittasche packte.
Dann sah er aus dem Fenster raus und blickte nochmal zu den Einhörnern, die wieder ein mal herum sprangen.
„So lange begleitet ihr uns schon. Und jetzt steht unsere härteste Prüfung bevor. Aber ich bin mir sicher: diese Prüfung wird uns stärken und unser Leben erfüllen. Zusammen mit euch wird das sicher ein aufregendes Abenteuer.“
Obwohl es eine schwere, wohl die schwerste aller Aufgaben war, freute er sich fast schon richtig darauf. Er legte sich in sein Bett und sah nochmal die Ereignisse des Tages vor seinen Augen. Die Kreaturen, den Bauern, das Bild des Medaillons. Dabei ging ihm durch den Kopf: „Was uns wohl ab Morgen erwartet? Ich weiß es nicht. Aber das macht es umso spannender. Es wird sicher aufregend.“ Langsam überkam ihn aber die Müdigkeit und er schlief ein.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen in das Zimmer der Prinzessin, welche ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht zauberten. Trotzdem hielt sie ihre Augen geschlossen bis auf einmal ein lautes Geräusch sie aufschrecken ließ, auch wenn es ihr wohl vertraut war.
„Eos!“ sagte sie leicht lachend nach dem ersten Schrecken und mit klopfendem Herzen zu ihrer Gefährtin, welche ihren Kopf durch das geöffnete Fenster herein gesteckt und mit einem Wiehern Elonore aufgeweckt hatte, als wollte sie sagen: „Zeit zum aufstehen.“
Nun aber stieg das Mädchen aus dem Bett, kam auf das Tier zu und wurde da schon vom goldenen Horn berührt. Elonore umarmte und drückte kurz den Kopf der Einhornstute: „Ja, ich weiß. Ich hab dich auch sehr lieb.“
Sanft streichelte sie den Kopf und die Mähne, wobei sie ihre Augen geschlossen hielt, ebenso wie Eos, die beide diesen Moment genossen. Dann sah sie auf die Augen von Eos. So eine Ruhe hatte sie schon lange nicht mehr erfüllt. Man konnte einfach keine Angst und keinen Zweifel empfinden. Nicht, wenn man dieses Wesen an seiner Seite hatte, darin war sich Elonore sicher.

Nun aber war es Zeit sich auf die Reise vorzubereiten. Elonore zog sich ihre Reiter-Kleidung an und nahm ihr Schwert an sich. Dann sah sie nochmal aus dem Fenster und musste kurz lachen als sie bemerkte, dass auch Chander so eben Kaleb nicht gerade zimperlich aus dem Bett holte, ebenfalls durch ein lautes Wiehern. Elonore konnte klar hören, wie ihr Bruder vor Schreck aus dem Bett fiel.
„Los, aufstehen du Schlafmütze. Wir haben noch was vor!“
„Ja, ich weiß ja,“ kam die belustigte Antwort von Kaleb durch das Fenster, „bin gleich fertig.“
Tja, selbst an den ernstesten Tagen konnte man noch etwas Spaß haben. Elonore schloss ihr Fenster, nahm ihre Tasche, und ging vor das Schloss, wo bereits ihre Eltern und die Einhörner warteten.

Nur der Prinz fehlte noch, aber nach einer Weile kam er schon angerannt: „Da bin ich schon. Tut mir Leid, dass ihr warten musstet.“ Kaleb und Elonore legten die Taschen und die Tücher an die Einhörner. Dann umarmten sie ihre Eltern zum Abschied.
Ryley redete zu ihnen: „Vergesst bitte niemals, dass wir euch lieben. In Gedanken werden wir euch immer beistehen und immer bei euch sein. Haltet stets zusammen und vertraut auf euch. Dann könnt ihr es schaffen.“
Auch Adiana wandte sich an sie, nachdem die Thronfolger aufgestiegen waren: „Ich werde euch vermissen. Kommt wohlbehalten wieder zurück. Ihr seid die wunderbarsten Kinder, die man haben kann. Handelt bitte immer so, wie ihr es für richtig erachtet.“ Eine Träne rollte über ihr Gesicht.
„Das werden wir,“ versicherte Elonore, „wir werden Heminaz beschützen. Das verspreche ich.“
„Versprechen wir!“ wurde sie von ihrem Bruder ergänzt. „Ja, sicher Kaleb.“erwiderte sie mit einem Lächeln.
Ryley reichte beiden Zettel: „Auf diesen Zetteln stehen Hinweise auf merkwürdige Aktivitäten, die in den letzten Tagen gemeldet wurden. Vielleicht führen sie euch zu den Medaillon-Stücken. Bewahrt sie gut auf.“ Kaleb und Elonore nahmen sie an sich.
„Es wird Zeit. Lebt wohl!“ sagte nun Kaleb und dann ritten die beiden los.
Der König nahm seine Frau in seinen Arm und sie sahen ihren Kindern nach. „Jetzt sind sie auf sich alleine gestellt.“ sagte er voller Wehmut und Sorge. „Ich hoffe sie schaffen es.“
Adiana klammerte sich an ihn. Ihr Herz blutete. Es ist nicht einfach, wenn die Zeit gekommen ist, los zulassen, für keine Eltern. „Auch wenn ich nicht alle Sorgen um sie vergessen kann, so glaub ich doch, dass sie es schaffen.“ antwortete der König. „Komm, wir müssen jetzt wieder ins Schloss.“
Die Geschwister ritten nun den ersten Hinweisen auf den Zetteln nach. Aber sie wurden dabei beobachtet: „So ist das also. Jetzt versuchen nun diese zwei Nachkommen des Königshauses mich auf zuhalten. Aber das wird ihnen nicht gelingen. So eine Reise könnte sehr langweilig werden. Meine Soldaten sollten ihnen etwas Abwechslung geben. Es wird ihre letzte sein.“
 



 
Oben Unten