„Der erste Hinweis besagt, dass in der Berggegend von Tepetl mehrere Überfälle stattgefunden haben. Von seltsamen Kreaturen.“ sagte Kaleb während dem Ritt. Elonore gefiel der Gedanke überhaupt nicht, wieder auf solche Monster zu treffen. Ihr schauderte es. Die Zuversicht, welche sie eben noch hatte, schwand.
Ihr Bruder bemerkte es sofort: „Elonore? Hast du Angst?“
Die Prinzessin wurde kurz aufgeschreckt
und verneinte sofort: „Nein, natürlich nicht.“ Die Wahrheit war aber eine andere. Sie empfand Angst. Eine Kälte wie selten zuvor, die fast alles in ihr erfasste. Und doch konnte sie es nicht zugeben. Sie durfte einfach nicht schwach wirken, nicht, wenn es um eine solche Aufgabe geht. Es darf nicht sein.
Plötzlich fühlte sie Kalebs Hand. Er kannte seine Schwester zu gut um zu wissen, dass sie niemals zugeben würde sich nicht gut zu fühlen. Genau das wollte er nicht. Elonore fühlte sich geborgen.
„Es ist gut, Schwesterherz. Ich habe Angst. Mehr, als du zu glauben wagst. Ich habe Angst, nicht mehr Mutter und Vater zu sehen. Angst auch, zu versagen. Aber sie ist immer wieder weg. Und weißt du warum?“ Einen fragenden Blick erhielt er nun von der Thronfolgerin.
„Ich sag es dir, Elonore.“ fuhr er fort. „Weil du da bist. Und ich weiß, du wirst immer da sein. Bitte sei dir sicher, ich werde auch immer für dich da sein.“ Da war es wieder, dieses wunderbare Gefühl, immer sicher zu sein. Elonore war dankbar für den besten Bruder, den man haben kann. Sie fühlte sich sicher. Eine Wärme durchströmte sie, welche ihr sagte: „Niemand kann euch aufhalten. Vergiss das nicht.“
„Ich frage mich, was ich ohne dich tun würde. Danke Kaleb.“
„Ich habe zu danken.“ Nun aber drängte sich etwas anderes auf, was Elonore auf der Seele brannte: „Was könnten diese Kreaturen nur wollen? Denkst du, sie suchen das Medaillon?“
„Vielleicht. Oder sie wollen verhindern, das irgendjemand etwas findet. Jedenfalls denk ich, dass sie zum Herren des Schreckens gehören. Wir werden es sehen.“
Der Weg nach Tepetl war sehr beschwerlich. Man musste einen bewaldeten Hügel hinter sich bringen. Tepetl war der wichtigste Wirtschaftszweig wenn es um Rohstoffe ging. Dort, in den Bergwerken wurden Bronze, Eisen und auch in einer Mine Gold abgebaut. Stets schufteten die Bergarbeiter unermüdlich, um alles aus den Bergen raus zu holen. Regelmäßig brachten die Königskinder auch selber Nahrung zu ihnen, meist Fleisch. Daher kannten sie viele der Arbeiter auch sehr gut, und verstanden sich immer gut mit ihnen.
„Wer wurde eigentlich überfallen Kaleb?“ wollte die Prinzessin wissen.
„Meistens Bergleute bevor sie in die Minen kamen, wenn ich das hier richtig lese.“
Somit war Elonore schnell klar, wo sie suchen mussten: „Also müssen wir die Minen nach Hinweisen durch schreiten.“
Kaleb bestätigte es: „Ja, aber wir müssen vorsichtig sein. Diese Kreaturen, was immer sie sind, werden uns sicher nicht einfach so vorbeilassen.“ Ihm ging es nicht gut bei dem Gedanken.
Aber er musste nur kurz auf Ihre Gefährten sehen. Chander und Eos erzeugten in beiden den Glauben, diese erste Prüfung zu bestehen. „Diesmal werden wir sie besiegen.“ redete Elonore sich und ihrem Bruder Mut zu. „Ja, es wird nicht anders sein.“
An einem unbekannten Ort ertönte eine schreckliche Stimme: „Ich denke es wird Zeit. Los,holt sie euch!“ Die Stimme war voller Hass, voller Zorn, voller Missgunst. Das Angesprochen Wesen nickte kurz im Dunkeln und machte sich von dannen.
Der Wald vor den Minen wirkte unheimlich. Überall war eine beunruhigende Stille zu spüren, die einem das Gefühl der Bedrohung gaben. Kaleb und Elonore war es überhaupt nicht gut. Langsam sahen sie die Bergwerke. Blitzend war etwas des geförderten Metallerzes zu sehen. Es erinnerte etwas an Schnee, der in der Sonne glitzert.
Immer näher kamen sie den Minen. Schließlich erreichten sie sie. Es war gespenstisch. Nirgends war irgendwer. Alles war wie ausgestorben. Absolute Stille, die einem eine Gänsehaut bereitete. Keine Geräusche, keine Menschen, kein Staub von Arbeiten, rein gar nichts. Kaleb sah überall aufmerksam hin. Denn von jeder Seite drohte Gefahr. Man suchte nach einem Hinweis. Irgendwo musste doch ein Anzeichen sein? Etwas, was anders ist?
Nur eines stand erstmal fest: die vielen Überfälle haben den Bergarbeitern ihre Arbeit mächtig unliebsam gemacht. Wen verwunderts, denn wer möchte schon bei der Arbeit, die er täglich verrichtete, ums Leben kommen. Keine angenehme Vorstellung.
Immer noch sahen sie sich um, als Chander plötzlich sich etwas auf bäumte und wieherte. Kaleb beruhigte ihn: „Ganz ruhig, mein Junge. Was ist denn, hast du was entdeckt?“
Auch Eos war nun nicht mehr länger ruhig. Elonore wusste erst nicht was zu tun ist, aber dann bemerkte sie, wie Eos Horn wohl in eine Richtung zeigte. Vor einer der Minen waren deutlich Spuren zu erkennen.
„Sieh mal, da vorne Kaleb.“
„Hmm, wir sollten uns das mal genauer ansehen. Komm mit!“
Langsam kamen sie nun auf die Spuren zu. Sie stiegen von den Einhörnern und untersuchten das auf dem Boden Abgedrückte. „Diese Spuren gehören keinem Tier, welches in Herminaz lebt.“ stellte Kaleb fest.
Etwas Unsicherheit stieg in seiner Schwester auf und sie meinte: „Dann müssen diese Wesen, von denen die Bergarbeiter angegriffen wurden, hier raus gekommen sein. Das kann nur heißen, dass hier, in dieser Mine, irgendetwas sein muss, was uns helfen kann. Wir müssen hier rein.“
Kaleb nickte und sie suchten nach Fackeln in ihren Taschen-hatten aber keine mitgenommen. „Na toll,“ sprach Kaleb frustriert, „und wie sollen wir jetzt Licht machen?“
Kaum hatte er das ausgesprochen, da leuchteten die Hörner von Chander und Eos viel heller, als jede Fackel es hätte sein können.
Der Prinz und die Prinzessin mussten daraufhin lachen, erfüllt von Freude und Dankbarkeit in ihren Herzen, und Elonore umarmte kurz Eos Kopf: „Oh, wenn wir euch nicht hätten.“
„Na dann komm, Schwesterherz, wollen wir doch mal sehen, was diese Mine für uns bereithält.“ Gemeinsam betraten sie nun die Höhle, begleitet von ihren Gefährten.
Es war stockfinster. Niemand befand sich in der Mine. Überall waren vereinzelt Wagen mit Erzen sichtbar, die auf den Schienen standen. Es war unheimlich. Jeder Schritt hallte durch die gesamte Höhle.
Kaleb und Elonore sahen sich überall um, begleitet von den Einhörnern, welche ihnen Licht gaben.
Suche nach einem Hinweis. Ungewissheit. Angst. Zweifel. Das alles war nun in ihnen. Ihnen war mulmig zu Mute. Die Stille, nur durch die Schritte unterbrochen und den Atem der Thronfolger, ließ einen fast nicht mehr atmen. Es schnürte einem den Hals zu. Die Luft war schrecklich trocken und staubig.
Zu staubig für Elonore. Sie musste husten. Kaleb hielt sie im Arm, als sie sich krümmte. „Alles wieder in Ordnung?“
„Ja...es geht wieder.“ stöhnte sie als Antwort hervor. Sie konnten ihren Weg fortsetzten.
Sie gingen so eben durch eine Art Links-Kurve, als Elonore sich plötzlich umdrehte mit angstvoll
aufgerissenen Augen umdrehte. „Hast du eben was gehört?“ fragte sie ihren Bruder.
„Was denn?“ erwiderte dieser.
Elonore atmete tief durch und sprach mit zitternder Stimme: „Irgendwas stimmt hier überhaupt nicht. Wir müssen aufpassen.“
Weiter gingen sie ihres Weges. Schritt für Schritt. Chander und Eos folgten ihnen ruhig. Aber auf einmal schüttelten sie sich. Sie wieherten, wurden unruhig. Hatten sie etwa die Nähe des Medaillons gespürt, oder eines Hinweises? Erschrocken und ohne jeden Rat sahen die Königskinder auf die Einhörner. Ihnen war es Bange. Sie sahen sich um.
Auf einmal schlug etwas nach Kaleb, er konnte noch gerade so ausweichen. Dieses Etwas steckte tief in der Wand. Kaleb sah voller Angstschweiß nach vorne. Vor dem Prinzen und der Prinzessin standen drei gewaltige Kreaturen.
Sie hatten wie die vom ersten Angriff einen Echsenkörper und Echsengesichter, aber sie waren anders. Ihre Schultern waren unglaublich breit, und sie hatten keine Schwerter-stattdessen waren ihre Krallen unglaublich lang und hart. Und scharf, denn die erste von ihnen hatte ja nun eine Kralle in die Wand gerammt. Sie zog sie raus. Scharf sahen nun die Monster die Zwillinge an.
Sie zogen ihre Schwerter. Die Kreaturen griffen an. Die Thronfolger verteidigten sich mit ihren Waffen und gingen zum Gegenangriff über. Die Einhörner versuchten irgendwie Licht für sie aufrecht zu erhalten.
Kaleb griff zwei Gegner an. Er versuchte ihnen bei zu kommen. Schlug immer wieder. Doch wenn man sich praktisch vier Klingen erwehren muss, wird man frustriert. Kaleb schwitzte vor Angst und Anstrengung. Er warf ihnen alles entgegen, was er hatte. Was ihm aber noch mehr, während er weiter kämpfte, in den Gedanken war, war das Unwissen um seine Schwester.
Aber diese Gedanken waren nur kurz. Denn die Echsenmänner ließen ihm keine Ruhe. Ihn verließ die Kraft und die Zuversicht. Zweifel kamen auf, die ihn lähmten. Wieder ein Schlag, und Kaleb wurde an eine Wand gedrückt. Er wusste nicht, wie weit er nun schon von Elonore entfernt war.
Er versuchte sein Feinde weg zu drängen. Die Krallen schlugen auf ihn, er wehrte sie mit dem Schwert ab, drückte gegen die Krallen, wie er es konnte.
Nun kamen ihm die Worte seiner Mutter in den Sinn: „Kommt wohlbehalten zurück. Ihr seid die wunderbarsten Kinder, die man haben kann.!“
„Ich muss es schaffen!“ waren seine Gedanken, als er die Krallen weg drückte. Als die Monster erneut schlugen, wich er aus, rollte sich nach vorne ab. Der Schlag des einen Monsters traf somit statt Kaleb den anderen Feind, der so laut aufschrie, dass man glauben könnte, eine ganze Armee schrie auf. Kaleb nutzte den Moment und stieß sein Schwert dem anderen in die Brust. Dieser fiel auf die Erde.
Kaleb atmete tief durch. Es war überstanden-jedenfalls für ihn. Erleichterung machte sich in ihm breit. Das schwache Licht wurde stärker. Chander hatte, so gut wie es ging, ihm weiter Licht gespendet. Plötzlich kam Kaleb ein Gedanke in den Kopf, den er sofort aus rief: „Elonore!“
Er bekam ein kaltes Gefühl in der Magengegend. Seine Schwester war das einzige was nun zählte. Ihr durfte einfach nichts geschehen. Er steckte sein Schwert ein und ging zu seinem Gefährten.
„Chander, schnell, bring mich zu deiner Schwester.“ Chander schien zu nicken und sie machten sich, so schnell es in der engen Höhle ging, auf den Weg.
Elonore wurde immer weiter von der Letzten Kreatur zurückgedrängt. In ihr war Furcht, Furcht, die sie eigentlich nie empfand. Die Schläge des Monsters nahmen kein Ende. Und Eos konnte ihr nicht helfen, denn sie waren schon weit weg,. Nur das Licht des Horns war noch zu sehen.
Der griff um das Schwert wurde schwächer, sie verkrampfte. Fast weinte sie schon, als sie erkannte, wir unwahrscheinlich es nun war zu überleben. Sie wollte schon aufgeben. Was hatte es denn noch für einen Sinn. Sie war zu schwach. Es hatte keinen Sinn. Sie ging kurz auf die Knie
Nun hörte sie aber etwas: es war Eos, sie wieherte so laut wie noch nie. Aber was sie eher berührte war: Sie glaubte eine Menschliche Stimme des Einhorns zu hören, welche ihr Mut zu sprach. Elonore fühlte ein Licht in sich, voller Wärme. „Was habe ich mir nur gedacht?“ ging ihr durch den Kopf, als sie zurück schlug. „Es gibt viel zu viele Menschen, die auf mich zählen. Wie kann ich sie da nur enttäuschen wollen? Nein, Nein, niemals. Es kann nicht geschehen.“
Die Prinzessin versuchte nun, ihren Feind irgendwie einzuengen. Jeder Hieb ihres Schwertes gab ihr nun Mut. Doch die Kreatur schlug nun auf sie ein und konnte ihre Deckung öffnen. Es stach nun. Elonore wich knapp aus, nur einige Millimeter fehlten. Dann hob sie das Schwert und schlug von der Seite.
Der Oberkörper des Echsenmannes wankte und fiel nach vorne. Der untere Teil löste sich von ihm und fiel in die andere Richtung. Elonore atmete hektisch durch. Anschließend brach sie in Tränen aus und ging auf die Knie. Sie hatte die Todesangst verdrängt, aber nun kam sie in ihr hoch. Es war einfach nur noch furchtbar. Besonders der Gedanke, dass es so weiter gehen würde, die gesamte Suche lang.
Inzwischen hatte Eos den Kampfplatz erreicht und stupste von hinten mit der Nase liebevoll Elonore an der Wange an. Sie legte sanft ihre Hand auf die Nase des Einhorns. Auch wenn diese Berührung kurz die Angst dämpfte, musste sie doch immer noch weiter weinen. Es ging nicht anders. Es musste jetzt alles raus. Irgendwie tat es ihr auch gut.
„Elonore! Elonore! Alles in Ordnung?“
„Ich bin hier Kaleb!“ Langsam näherten sich Kaleb und Chander. Kaleb sah auf seine Schwester und bemerkte, dass sie weinte.
„Was ist passiert?“ Er hatte Angst, dass ihr was zugestoßen sei. Elonore erzählte ihm nun vom Kampf.
„Du hast ihn also besiegt. Aber,... etwas stimmt doch nicht?“
„Schaff ich das, Kaleb? Kann ich das alles? Immer wieder kämpfen? Immer wieder um mein Leben fürchten? Ich glaube nicht, dass ich dass durchhalte. Ich bin dir keine Hilfe, du musstest wieder gegen zwei Gegner kämpfen. Ich bin dir nur ein Hindernis.“
Sie ließ ein paar Tränen fallen. Plötzlich fühlte sie einen harten Schlag auf der Wange. Sie brannte. Elonore fühlte mit der Hand und sah geschockt zu Kaleb, der ihr eine kräftige Ohrfeige verpasst hatte.
„Was sollte das jetzt?“ fragte sie ärgerlich.
„Ich habe getan, was sonst unsere Mutter getan hätte. Was soll das? Bist du wirklich meine Schwester, wenn du aufgibst? Ich will das nie mehr hören, hast du verstanden? Elonore, du hast mehr Kraft, als die meisten Männer die ich kenne. Wir haben gemeinsam schon so viel geschafft. Ich wär ohne dich nicht hier. Und sie...“ und er zeigt auf die Einhörner, „sie wären auch nicht hier. Bitte Elonore, sei wieder meine Schwester.“
Die Prinzessin hörte auf zu weinen. Stattdessen erfüllte sie das Glücklich sein. Es durchströmte sie. Es durchflutete sie regelrecht, als ob neue Energie in sie floss. Zuerst ließ sie es nur fließen. Dann sprang sie auf und umarmte ihren Bruder. Kaleb war froh, dass sie nun wieder so war, wie er sie kannte. Ihm fiel nicht ein Stein, nein, ihm fiel ein Gebirge vom Herzen. Er glaubte, sich nun wieder bewegen zu können.
Elonore sah ihm in die Augen: „Danke, Bruder.“
„Gern geschehen, Schwester. Los, wir müssen nun den Hinweis finden.“ Sie folgten nun wieder den Einhörnern. In ihnen war nun eine mächtige Ruhe.
Zweifel? Niemals. Ungewissheit? Wie denn, sie wussten dass sie es schaffen würden.
Die Einhörner blieben auf einmal stehen. Ihre Hörner erleuchteten jetzt nochmal so hell. Den Königskinder fuhr nun Verwunderung, aber auch Verzauberung in die Glieder. Dieses helle Licht hatte eine Wirkung wie sonst nur der Sonnenaufgang nach einem schweren Gewitter.
Ihr Blick ging zu einer Wand, vor der die Einhörner standen. Zwei Bilder zeigten sich. Das erste war ein Bild des Medaillons, aber geteilt in seine zwei Hälften. Darunter war ein Doppelpfeil. Auf der einen Seite war das Zeichen für Osten, auf der anderen das für den Westen.
Kaleb grübelte nach und sagte schließlich: „Anscheinend befinden sich die beiden Teile in gegensätzlichen Richtungen von hier aus gesehen. Das entspricht in etwa den weiteren Hinweisen über merkwürdige Ereignisse in den Gebieten in diesen Richtungen.“ Er atmete tief durch, da ihm selber nicht gefiel, was er nun sprechen musste: „Wir müssen wohl jetzt getrennt suchen.“
Elonore durchzog ein Kälteschauer als sie diese Worte vernahm. Es war für sie unvorstellbar, irgendetwas ohne ihren Bruder zu tun. Sie waren bisher immer zusammen. „Das kann ich nicht, Kaleb. Das kann ich einfach nicht, ich kann dich nicht alleine lassen.“
„Komm, wir gehen erstmal raus hier.“
Gemeinsam mit den Einhörnern verließen sie nun die Mine und setzten sich an einen Ahorn-Baum in der Nähe des Eingangs. Sie waren erstmal ratlos, das heißt, an sich nur Elonore. Diese Gedanken, ihrem Bruder bei dieser wichtigen Aufgabe nicht helfen zu können, ließ sie kaum atmen. Sie verhakte ihre Finger ineinander, versuchte irgendwie eine andere Lösung zu finden, aber die gab es nicht. Kaleb hatte recht. Aber kann sie das?
Kaleb war ebenso im Zweifel, als er die Blätter des Baumes beobachtete. Es war ein herrlich, sonniger Tag, welcher jeden Gedanken an den Ernst der Situation kurz vergessen ließ. Aber das alles konnte nicht darüber hinwegtäuschen, es war eine schlimme Situation für die Zwillinge. Für den Prinzen stellte sich die Frage, wie er sich und seiner Schwester Mut machen könnte.
Da fiel es ihm wieder ein, er hatte es doch Mitgenommen. Schnell ging er zu seiner Reittasche, welche er vor der Mine hatte liegen lassen, öffnete eine Seitenlasche und holte es heraus. Dann ging er zu Elonore zurück. „Weißt du es noch?“
Er zeigte es ihr, und Elonore musste kurz weinen. „Du hast es tatsächlich mitgenommen?“
Das Puzzle hatten die Königskinder gemeinsam gelöst, als sie sieben Jahre alt waren. Es bestand aus 100 Teilen und war dick genug, um es zusammengesetzt in einer Tasche tragen zu können. Den ganzen Tag hatten sie damals mit dem Puzzle verbracht, und dabei sind sie nochmal enger aneinander gewachsen.
Kaleb setzte sich nun wieder neben Elonore und zeigte sich und ihr das Puzzle. Sie hatten es damals zum Geburtstag bekommen und zeigte ein Einhorn, ohne zweifel weil sie ja kurz zuvor ihren Einhörnern begegnet waren.
Elonore fühlte wieder etwas Hoffnung, als sie das Puzzle sah. „Lass uns eines versprechen.“ redete nun der Königssohn, während er das Puzzle in zwei Teile teilte. „Wir werden das Medaillon ebenso
vervollständigen wie wir das Puzzle wieder zusammen bringen. Versprichst du das?“
Elonore nahm einen Teil des Puzzles. „Ja, ich verspreche es.“
Elenore und Kaleb setzten die Sitztücher auf den Rücken von Eos und Chander, dann gab Kaleb seiner Schwester den Zettel mit den Hinweisen für das Gebiet, in das sie reiten würde. Kaleb sah ihr nochmal in die Augen.
Tränen des Abschieds flossen. Aber irgendetwas sagte den beiden, dass sie sich wieder sehen würden. Noch einmal umarmten sie sich und ihnen war, als ob die Kraft des einen in den anderen fließen würde. „Pass auf dich auf, Schwesterherz.“
„Du auch, Bruder.“ Sie stiegen auf ihre Gefährten.
„Lebe wohl!“
„Leb wohl!“ Auch die Einhorn-Geschwister berührten sich mit ihren Hörnern zum Abschied. Dann ritten sie in verschiedene Richtungen los.
„Diese verdammten Versager. Auf nichts kann man sich verlassen.“ schrie wieder an jenem unbekanntem Ort die Stimme, voller Hass, Wut und Zorn. „Nun ja, diesmal sind sie entkommen. Aber das Spiel hat gerade erst begonnen. Jetzt werden sie unsere ganze Macht kennen lernen. Es war ihr größter Fehler, nun getrennte Wege zu gehen. Das wird ein Spaß.“ Dann ertönte ein dunkles Lachen, in dem nur Dunkelheit steckte. Die Zukunft verhieß nichts Gutes.
Ihr Bruder bemerkte es sofort: „Elonore? Hast du Angst?“
Die Prinzessin wurde kurz aufgeschreckt
und verneinte sofort: „Nein, natürlich nicht.“ Die Wahrheit war aber eine andere. Sie empfand Angst. Eine Kälte wie selten zuvor, die fast alles in ihr erfasste. Und doch konnte sie es nicht zugeben. Sie durfte einfach nicht schwach wirken, nicht, wenn es um eine solche Aufgabe geht. Es darf nicht sein.
Plötzlich fühlte sie Kalebs Hand. Er kannte seine Schwester zu gut um zu wissen, dass sie niemals zugeben würde sich nicht gut zu fühlen. Genau das wollte er nicht. Elonore fühlte sich geborgen.
„Es ist gut, Schwesterherz. Ich habe Angst. Mehr, als du zu glauben wagst. Ich habe Angst, nicht mehr Mutter und Vater zu sehen. Angst auch, zu versagen. Aber sie ist immer wieder weg. Und weißt du warum?“ Einen fragenden Blick erhielt er nun von der Thronfolgerin.
„Ich sag es dir, Elonore.“ fuhr er fort. „Weil du da bist. Und ich weiß, du wirst immer da sein. Bitte sei dir sicher, ich werde auch immer für dich da sein.“ Da war es wieder, dieses wunderbare Gefühl, immer sicher zu sein. Elonore war dankbar für den besten Bruder, den man haben kann. Sie fühlte sich sicher. Eine Wärme durchströmte sie, welche ihr sagte: „Niemand kann euch aufhalten. Vergiss das nicht.“
„Ich frage mich, was ich ohne dich tun würde. Danke Kaleb.“
„Ich habe zu danken.“ Nun aber drängte sich etwas anderes auf, was Elonore auf der Seele brannte: „Was könnten diese Kreaturen nur wollen? Denkst du, sie suchen das Medaillon?“
„Vielleicht. Oder sie wollen verhindern, das irgendjemand etwas findet. Jedenfalls denk ich, dass sie zum Herren des Schreckens gehören. Wir werden es sehen.“
Der Weg nach Tepetl war sehr beschwerlich. Man musste einen bewaldeten Hügel hinter sich bringen. Tepetl war der wichtigste Wirtschaftszweig wenn es um Rohstoffe ging. Dort, in den Bergwerken wurden Bronze, Eisen und auch in einer Mine Gold abgebaut. Stets schufteten die Bergarbeiter unermüdlich, um alles aus den Bergen raus zu holen. Regelmäßig brachten die Königskinder auch selber Nahrung zu ihnen, meist Fleisch. Daher kannten sie viele der Arbeiter auch sehr gut, und verstanden sich immer gut mit ihnen.
„Wer wurde eigentlich überfallen Kaleb?“ wollte die Prinzessin wissen.
„Meistens Bergleute bevor sie in die Minen kamen, wenn ich das hier richtig lese.“
Somit war Elonore schnell klar, wo sie suchen mussten: „Also müssen wir die Minen nach Hinweisen durch schreiten.“
Kaleb bestätigte es: „Ja, aber wir müssen vorsichtig sein. Diese Kreaturen, was immer sie sind, werden uns sicher nicht einfach so vorbeilassen.“ Ihm ging es nicht gut bei dem Gedanken.
Aber er musste nur kurz auf Ihre Gefährten sehen. Chander und Eos erzeugten in beiden den Glauben, diese erste Prüfung zu bestehen. „Diesmal werden wir sie besiegen.“ redete Elonore sich und ihrem Bruder Mut zu. „Ja, es wird nicht anders sein.“
An einem unbekannten Ort ertönte eine schreckliche Stimme: „Ich denke es wird Zeit. Los,holt sie euch!“ Die Stimme war voller Hass, voller Zorn, voller Missgunst. Das Angesprochen Wesen nickte kurz im Dunkeln und machte sich von dannen.
Der Wald vor den Minen wirkte unheimlich. Überall war eine beunruhigende Stille zu spüren, die einem das Gefühl der Bedrohung gaben. Kaleb und Elonore war es überhaupt nicht gut. Langsam sahen sie die Bergwerke. Blitzend war etwas des geförderten Metallerzes zu sehen. Es erinnerte etwas an Schnee, der in der Sonne glitzert.
Immer näher kamen sie den Minen. Schließlich erreichten sie sie. Es war gespenstisch. Nirgends war irgendwer. Alles war wie ausgestorben. Absolute Stille, die einem eine Gänsehaut bereitete. Keine Geräusche, keine Menschen, kein Staub von Arbeiten, rein gar nichts. Kaleb sah überall aufmerksam hin. Denn von jeder Seite drohte Gefahr. Man suchte nach einem Hinweis. Irgendwo musste doch ein Anzeichen sein? Etwas, was anders ist?
Nur eines stand erstmal fest: die vielen Überfälle haben den Bergarbeitern ihre Arbeit mächtig unliebsam gemacht. Wen verwunderts, denn wer möchte schon bei der Arbeit, die er täglich verrichtete, ums Leben kommen. Keine angenehme Vorstellung.
Immer noch sahen sie sich um, als Chander plötzlich sich etwas auf bäumte und wieherte. Kaleb beruhigte ihn: „Ganz ruhig, mein Junge. Was ist denn, hast du was entdeckt?“
Auch Eos war nun nicht mehr länger ruhig. Elonore wusste erst nicht was zu tun ist, aber dann bemerkte sie, wie Eos Horn wohl in eine Richtung zeigte. Vor einer der Minen waren deutlich Spuren zu erkennen.
„Sieh mal, da vorne Kaleb.“
„Hmm, wir sollten uns das mal genauer ansehen. Komm mit!“
Langsam kamen sie nun auf die Spuren zu. Sie stiegen von den Einhörnern und untersuchten das auf dem Boden Abgedrückte. „Diese Spuren gehören keinem Tier, welches in Herminaz lebt.“ stellte Kaleb fest.
Etwas Unsicherheit stieg in seiner Schwester auf und sie meinte: „Dann müssen diese Wesen, von denen die Bergarbeiter angegriffen wurden, hier raus gekommen sein. Das kann nur heißen, dass hier, in dieser Mine, irgendetwas sein muss, was uns helfen kann. Wir müssen hier rein.“
Kaleb nickte und sie suchten nach Fackeln in ihren Taschen-hatten aber keine mitgenommen. „Na toll,“ sprach Kaleb frustriert, „und wie sollen wir jetzt Licht machen?“
Kaum hatte er das ausgesprochen, da leuchteten die Hörner von Chander und Eos viel heller, als jede Fackel es hätte sein können.
Der Prinz und die Prinzessin mussten daraufhin lachen, erfüllt von Freude und Dankbarkeit in ihren Herzen, und Elonore umarmte kurz Eos Kopf: „Oh, wenn wir euch nicht hätten.“
„Na dann komm, Schwesterherz, wollen wir doch mal sehen, was diese Mine für uns bereithält.“ Gemeinsam betraten sie nun die Höhle, begleitet von ihren Gefährten.
Es war stockfinster. Niemand befand sich in der Mine. Überall waren vereinzelt Wagen mit Erzen sichtbar, die auf den Schienen standen. Es war unheimlich. Jeder Schritt hallte durch die gesamte Höhle.
Kaleb und Elonore sahen sich überall um, begleitet von den Einhörnern, welche ihnen Licht gaben.
Suche nach einem Hinweis. Ungewissheit. Angst. Zweifel. Das alles war nun in ihnen. Ihnen war mulmig zu Mute. Die Stille, nur durch die Schritte unterbrochen und den Atem der Thronfolger, ließ einen fast nicht mehr atmen. Es schnürte einem den Hals zu. Die Luft war schrecklich trocken und staubig.
Zu staubig für Elonore. Sie musste husten. Kaleb hielt sie im Arm, als sie sich krümmte. „Alles wieder in Ordnung?“
„Ja...es geht wieder.“ stöhnte sie als Antwort hervor. Sie konnten ihren Weg fortsetzten.
Sie gingen so eben durch eine Art Links-Kurve, als Elonore sich plötzlich umdrehte mit angstvoll
aufgerissenen Augen umdrehte. „Hast du eben was gehört?“ fragte sie ihren Bruder.
„Was denn?“ erwiderte dieser.
Elonore atmete tief durch und sprach mit zitternder Stimme: „Irgendwas stimmt hier überhaupt nicht. Wir müssen aufpassen.“
Weiter gingen sie ihres Weges. Schritt für Schritt. Chander und Eos folgten ihnen ruhig. Aber auf einmal schüttelten sie sich. Sie wieherten, wurden unruhig. Hatten sie etwa die Nähe des Medaillons gespürt, oder eines Hinweises? Erschrocken und ohne jeden Rat sahen die Königskinder auf die Einhörner. Ihnen war es Bange. Sie sahen sich um.
Auf einmal schlug etwas nach Kaleb, er konnte noch gerade so ausweichen. Dieses Etwas steckte tief in der Wand. Kaleb sah voller Angstschweiß nach vorne. Vor dem Prinzen und der Prinzessin standen drei gewaltige Kreaturen.
Sie hatten wie die vom ersten Angriff einen Echsenkörper und Echsengesichter, aber sie waren anders. Ihre Schultern waren unglaublich breit, und sie hatten keine Schwerter-stattdessen waren ihre Krallen unglaublich lang und hart. Und scharf, denn die erste von ihnen hatte ja nun eine Kralle in die Wand gerammt. Sie zog sie raus. Scharf sahen nun die Monster die Zwillinge an.
Sie zogen ihre Schwerter. Die Kreaturen griffen an. Die Thronfolger verteidigten sich mit ihren Waffen und gingen zum Gegenangriff über. Die Einhörner versuchten irgendwie Licht für sie aufrecht zu erhalten.
Kaleb griff zwei Gegner an. Er versuchte ihnen bei zu kommen. Schlug immer wieder. Doch wenn man sich praktisch vier Klingen erwehren muss, wird man frustriert. Kaleb schwitzte vor Angst und Anstrengung. Er warf ihnen alles entgegen, was er hatte. Was ihm aber noch mehr, während er weiter kämpfte, in den Gedanken war, war das Unwissen um seine Schwester.
Aber diese Gedanken waren nur kurz. Denn die Echsenmänner ließen ihm keine Ruhe. Ihn verließ die Kraft und die Zuversicht. Zweifel kamen auf, die ihn lähmten. Wieder ein Schlag, und Kaleb wurde an eine Wand gedrückt. Er wusste nicht, wie weit er nun schon von Elonore entfernt war.
Er versuchte sein Feinde weg zu drängen. Die Krallen schlugen auf ihn, er wehrte sie mit dem Schwert ab, drückte gegen die Krallen, wie er es konnte.
Nun kamen ihm die Worte seiner Mutter in den Sinn: „Kommt wohlbehalten zurück. Ihr seid die wunderbarsten Kinder, die man haben kann.!“
„Ich muss es schaffen!“ waren seine Gedanken, als er die Krallen weg drückte. Als die Monster erneut schlugen, wich er aus, rollte sich nach vorne ab. Der Schlag des einen Monsters traf somit statt Kaleb den anderen Feind, der so laut aufschrie, dass man glauben könnte, eine ganze Armee schrie auf. Kaleb nutzte den Moment und stieß sein Schwert dem anderen in die Brust. Dieser fiel auf die Erde.
Kaleb atmete tief durch. Es war überstanden-jedenfalls für ihn. Erleichterung machte sich in ihm breit. Das schwache Licht wurde stärker. Chander hatte, so gut wie es ging, ihm weiter Licht gespendet. Plötzlich kam Kaleb ein Gedanke in den Kopf, den er sofort aus rief: „Elonore!“
Er bekam ein kaltes Gefühl in der Magengegend. Seine Schwester war das einzige was nun zählte. Ihr durfte einfach nichts geschehen. Er steckte sein Schwert ein und ging zu seinem Gefährten.
„Chander, schnell, bring mich zu deiner Schwester.“ Chander schien zu nicken und sie machten sich, so schnell es in der engen Höhle ging, auf den Weg.
Elonore wurde immer weiter von der Letzten Kreatur zurückgedrängt. In ihr war Furcht, Furcht, die sie eigentlich nie empfand. Die Schläge des Monsters nahmen kein Ende. Und Eos konnte ihr nicht helfen, denn sie waren schon weit weg,. Nur das Licht des Horns war noch zu sehen.
Der griff um das Schwert wurde schwächer, sie verkrampfte. Fast weinte sie schon, als sie erkannte, wir unwahrscheinlich es nun war zu überleben. Sie wollte schon aufgeben. Was hatte es denn noch für einen Sinn. Sie war zu schwach. Es hatte keinen Sinn. Sie ging kurz auf die Knie
Nun hörte sie aber etwas: es war Eos, sie wieherte so laut wie noch nie. Aber was sie eher berührte war: Sie glaubte eine Menschliche Stimme des Einhorns zu hören, welche ihr Mut zu sprach. Elonore fühlte ein Licht in sich, voller Wärme. „Was habe ich mir nur gedacht?“ ging ihr durch den Kopf, als sie zurück schlug. „Es gibt viel zu viele Menschen, die auf mich zählen. Wie kann ich sie da nur enttäuschen wollen? Nein, Nein, niemals. Es kann nicht geschehen.“
Die Prinzessin versuchte nun, ihren Feind irgendwie einzuengen. Jeder Hieb ihres Schwertes gab ihr nun Mut. Doch die Kreatur schlug nun auf sie ein und konnte ihre Deckung öffnen. Es stach nun. Elonore wich knapp aus, nur einige Millimeter fehlten. Dann hob sie das Schwert und schlug von der Seite.
Der Oberkörper des Echsenmannes wankte und fiel nach vorne. Der untere Teil löste sich von ihm und fiel in die andere Richtung. Elonore atmete hektisch durch. Anschließend brach sie in Tränen aus und ging auf die Knie. Sie hatte die Todesangst verdrängt, aber nun kam sie in ihr hoch. Es war einfach nur noch furchtbar. Besonders der Gedanke, dass es so weiter gehen würde, die gesamte Suche lang.
Inzwischen hatte Eos den Kampfplatz erreicht und stupste von hinten mit der Nase liebevoll Elonore an der Wange an. Sie legte sanft ihre Hand auf die Nase des Einhorns. Auch wenn diese Berührung kurz die Angst dämpfte, musste sie doch immer noch weiter weinen. Es ging nicht anders. Es musste jetzt alles raus. Irgendwie tat es ihr auch gut.
„Elonore! Elonore! Alles in Ordnung?“
„Ich bin hier Kaleb!“ Langsam näherten sich Kaleb und Chander. Kaleb sah auf seine Schwester und bemerkte, dass sie weinte.
„Was ist passiert?“ Er hatte Angst, dass ihr was zugestoßen sei. Elonore erzählte ihm nun vom Kampf.
„Du hast ihn also besiegt. Aber,... etwas stimmt doch nicht?“
„Schaff ich das, Kaleb? Kann ich das alles? Immer wieder kämpfen? Immer wieder um mein Leben fürchten? Ich glaube nicht, dass ich dass durchhalte. Ich bin dir keine Hilfe, du musstest wieder gegen zwei Gegner kämpfen. Ich bin dir nur ein Hindernis.“
Sie ließ ein paar Tränen fallen. Plötzlich fühlte sie einen harten Schlag auf der Wange. Sie brannte. Elonore fühlte mit der Hand und sah geschockt zu Kaleb, der ihr eine kräftige Ohrfeige verpasst hatte.
„Was sollte das jetzt?“ fragte sie ärgerlich.
„Ich habe getan, was sonst unsere Mutter getan hätte. Was soll das? Bist du wirklich meine Schwester, wenn du aufgibst? Ich will das nie mehr hören, hast du verstanden? Elonore, du hast mehr Kraft, als die meisten Männer die ich kenne. Wir haben gemeinsam schon so viel geschafft. Ich wär ohne dich nicht hier. Und sie...“ und er zeigt auf die Einhörner, „sie wären auch nicht hier. Bitte Elonore, sei wieder meine Schwester.“
Die Prinzessin hörte auf zu weinen. Stattdessen erfüllte sie das Glücklich sein. Es durchströmte sie. Es durchflutete sie regelrecht, als ob neue Energie in sie floss. Zuerst ließ sie es nur fließen. Dann sprang sie auf und umarmte ihren Bruder. Kaleb war froh, dass sie nun wieder so war, wie er sie kannte. Ihm fiel nicht ein Stein, nein, ihm fiel ein Gebirge vom Herzen. Er glaubte, sich nun wieder bewegen zu können.
Elonore sah ihm in die Augen: „Danke, Bruder.“
„Gern geschehen, Schwester. Los, wir müssen nun den Hinweis finden.“ Sie folgten nun wieder den Einhörnern. In ihnen war nun eine mächtige Ruhe.
Zweifel? Niemals. Ungewissheit? Wie denn, sie wussten dass sie es schaffen würden.
Die Einhörner blieben auf einmal stehen. Ihre Hörner erleuchteten jetzt nochmal so hell. Den Königskinder fuhr nun Verwunderung, aber auch Verzauberung in die Glieder. Dieses helle Licht hatte eine Wirkung wie sonst nur der Sonnenaufgang nach einem schweren Gewitter.
Ihr Blick ging zu einer Wand, vor der die Einhörner standen. Zwei Bilder zeigten sich. Das erste war ein Bild des Medaillons, aber geteilt in seine zwei Hälften. Darunter war ein Doppelpfeil. Auf der einen Seite war das Zeichen für Osten, auf der anderen das für den Westen.
Kaleb grübelte nach und sagte schließlich: „Anscheinend befinden sich die beiden Teile in gegensätzlichen Richtungen von hier aus gesehen. Das entspricht in etwa den weiteren Hinweisen über merkwürdige Ereignisse in den Gebieten in diesen Richtungen.“ Er atmete tief durch, da ihm selber nicht gefiel, was er nun sprechen musste: „Wir müssen wohl jetzt getrennt suchen.“
Elonore durchzog ein Kälteschauer als sie diese Worte vernahm. Es war für sie unvorstellbar, irgendetwas ohne ihren Bruder zu tun. Sie waren bisher immer zusammen. „Das kann ich nicht, Kaleb. Das kann ich einfach nicht, ich kann dich nicht alleine lassen.“
„Komm, wir gehen erstmal raus hier.“
Gemeinsam mit den Einhörnern verließen sie nun die Mine und setzten sich an einen Ahorn-Baum in der Nähe des Eingangs. Sie waren erstmal ratlos, das heißt, an sich nur Elonore. Diese Gedanken, ihrem Bruder bei dieser wichtigen Aufgabe nicht helfen zu können, ließ sie kaum atmen. Sie verhakte ihre Finger ineinander, versuchte irgendwie eine andere Lösung zu finden, aber die gab es nicht. Kaleb hatte recht. Aber kann sie das?
Kaleb war ebenso im Zweifel, als er die Blätter des Baumes beobachtete. Es war ein herrlich, sonniger Tag, welcher jeden Gedanken an den Ernst der Situation kurz vergessen ließ. Aber das alles konnte nicht darüber hinwegtäuschen, es war eine schlimme Situation für die Zwillinge. Für den Prinzen stellte sich die Frage, wie er sich und seiner Schwester Mut machen könnte.
Da fiel es ihm wieder ein, er hatte es doch Mitgenommen. Schnell ging er zu seiner Reittasche, welche er vor der Mine hatte liegen lassen, öffnete eine Seitenlasche und holte es heraus. Dann ging er zu Elonore zurück. „Weißt du es noch?“
Er zeigte es ihr, und Elonore musste kurz weinen. „Du hast es tatsächlich mitgenommen?“
Das Puzzle hatten die Königskinder gemeinsam gelöst, als sie sieben Jahre alt waren. Es bestand aus 100 Teilen und war dick genug, um es zusammengesetzt in einer Tasche tragen zu können. Den ganzen Tag hatten sie damals mit dem Puzzle verbracht, und dabei sind sie nochmal enger aneinander gewachsen.
Kaleb setzte sich nun wieder neben Elonore und zeigte sich und ihr das Puzzle. Sie hatten es damals zum Geburtstag bekommen und zeigte ein Einhorn, ohne zweifel weil sie ja kurz zuvor ihren Einhörnern begegnet waren.
Elonore fühlte wieder etwas Hoffnung, als sie das Puzzle sah. „Lass uns eines versprechen.“ redete nun der Königssohn, während er das Puzzle in zwei Teile teilte. „Wir werden das Medaillon ebenso
vervollständigen wie wir das Puzzle wieder zusammen bringen. Versprichst du das?“
Elonore nahm einen Teil des Puzzles. „Ja, ich verspreche es.“
Elenore und Kaleb setzten die Sitztücher auf den Rücken von Eos und Chander, dann gab Kaleb seiner Schwester den Zettel mit den Hinweisen für das Gebiet, in das sie reiten würde. Kaleb sah ihr nochmal in die Augen.
Tränen des Abschieds flossen. Aber irgendetwas sagte den beiden, dass sie sich wieder sehen würden. Noch einmal umarmten sie sich und ihnen war, als ob die Kraft des einen in den anderen fließen würde. „Pass auf dich auf, Schwesterherz.“
„Du auch, Bruder.“ Sie stiegen auf ihre Gefährten.
„Lebe wohl!“
„Leb wohl!“ Auch die Einhorn-Geschwister berührten sich mit ihren Hörnern zum Abschied. Dann ritten sie in verschiedene Richtungen los.
„Diese verdammten Versager. Auf nichts kann man sich verlassen.“ schrie wieder an jenem unbekanntem Ort die Stimme, voller Hass, Wut und Zorn. „Nun ja, diesmal sind sie entkommen. Aber das Spiel hat gerade erst begonnen. Jetzt werden sie unsere ganze Macht kennen lernen. Es war ihr größter Fehler, nun getrennte Wege zu gehen. Das wird ein Spaß.“ Dann ertönte ein dunkles Lachen, in dem nur Dunkelheit steckte. Die Zukunft verhieß nichts Gutes.