Kapitel 5

Bala

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Elonore ritt in Richtung der Sumpfgegend Fanja. In der Nähe gab es fruchtbaren Boden, weshalb sich dort einige Bauern angesiedelt haben. Elonore besah sich im Ritt nochmal den Zettel: „Mehrere
Tiere haben sich seltsam verhalten. Sie legten völlig unnatürliche Verhaltensweisen an den Tag, in der Nähe des Zentrums der Sumpflandschaft. Auch sind manche ungewöhnlich gewachsen.“
In Elonores Kopf schwirrten nun die vielen Fragen, die sich eine alle auf ein mal stellten, und sie verrückt machten: „Ein Hinweis? Das Medaillon selber? Oder der Feind? Bedrohung?“
In ihrem Kopf dröhnte es, es machte sie verrückt, aber sie versuchte krampfhaft, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie fasste die Zügel fester. Eos trabte und konnte nicht schneller, denn das Gelände war sehr uneben. Überall waren kleine Steine, Erhebungen und größere, abgebrochene Äste. Kurz, eine Gegend in der die wenigsten wirklich gerne reiten.
Doch Elonore und Eos war es nicht möglich die Gegend auszusuchen. Die Zeit drängte, man wusste nicht wann der Schrecken zuschlagen würde, und ob er selber das Medaillon wollte. Deswegen lastete auch eine gewaltige Last auf ihr.
Als sie die Gegend, ein kleines Waldstück, an sich vorüberziehen sah, kam ihr der Gedanke, wie eigenartig sie sich doch fühlte: immerhin war sie sehr stolz darauf, ihrer Heimat, ihrem Land, und ihrer Familie, ihrer Mutter, Ihrem Vater, ihrem Bruder, und irgendwie auch Eos, dem Königreich so einen Dienst erfüllen zu können.
Aber es war eben auch eine unglaublich mächtige Verantwortung. Wenn sie es nicht schafft, ist wahrscheinlich alles verloren. Dann werden alle sterben, oder zumindest nicht mehr wirklich ein Leben haben. Wenn alles im Dunkeln versinkt, wie es damals nicht gelungen war. Das war eine Last, die niemand sich vorstellen konnte. War der kleinste Fehler bereits das aus? Hatte sie diesen vielleicht schon begangen, ohne es zu wissen?
Bei diesen Gedanken glaubte die Prinzessin, dass auf ihr das Gewicht des gesamten Heimatschlosses lag. Fast glaubte sie nicht mehr atmen zu können. Sie vergaß den Wald, sie vergaß, dass sie auf Eos war. Ihr lief der Schweiß von der Stirn.
Eos Wiehern löste sie aus diesem Nichts und brachte sie wieder dazu, sich um zu sehen. Denn in ihr war auch die Angst vor einem Angriff der Feinde. Sie erwartete sie jeden Moment, aber es war, abgesehen vom Blätter rauschen verursacht durch den Wind, unerträglich ruhig. Fast erhoffte man sich irgendeinen Schrei, eine Brüllen, nur damit diese Anspannung aufhörte.
Auf einmal zischte etwas an Elonore vorbei. Sie erschrak fürchterlich. Ihr Herz blieb stehen. Eos erhob sich kurz. Die Prinzessin sah nach diesem Objekt. Es war ein Pfeil, der in einem Baum feststeckte. Schnell guckte sie hinter sich und sah drei behaarte Gestalten. Sie sahen wie Wolfsmenschen aus. Neben ihnen sah sie eine Art Säbelzahntiger, mit unglaublich muskulösen Nacken.
Elonore hatte nur noch einen Gedanken: Flucht. Nur weg von hier. „Leg los, mein Mädchen!“ rief sie Eos zu und ritt los. Die Wolfsmenschen stiegen auf die Riesenkatzen und verfolgten sie.
Elonore hatte nun überhaupt keine Gedanken mehr. Sie wollte nur fliehen. Panik erfasste sie. Denken konnte sie überhaupt nicht. Die Thronfolgerin hatte sich nach unten gebeugt. Immer wieder hörte sie Pfeile vorbei fliegen, und dann kam auch noch das Gebrüll der Katzen hinzu. Ein Gebrüll, welches lauter klang als jede Explosion, und umso mehr Bedrohung und Gefahr bedeutet.
Die Angst, die Kälte, sie breiteten sich immer mehr in ihr aus.
Dann hörte sie ein schweres Stampfen und sah zur Seite. Einer der Tiger war nun neben ihnen und der Wolfsmensch legte so eben seinen Bogen an. Elonore versuchte sich zu konzentrieren, achtete auf jede Bewegung. Sie vertraute Eos den richtigen Weg zu nehmen. Der Schuss kam. Die Prinzessin duckte sich und hörte den Pfeil vorbei zischen. Wieder sah sie den Wolfsmenschen nach einem Pfeil greifen. Elonore fasste den Mut der Verzweiflung und lenkte Eos gegen den Feind und stieß in die Seite.
Zwar verlor dieser den Bogen, aber er verfolgte sie weiter mit riesigen Sprüngen. Ein weiterer Sprung und schon war er vor dem Einhorn gelandet. Dieses bäumte sich auf und Elenore fuhr der Schock in den Körper und sie zog Eos zur Seite. Sie setzte die Flucht fort. Ihre Verfolger sprangen nun nochmal und die Riesenkatze erwischte Eos kurz mit seinen Krallen in der Flanke. Das Einhorn wieherte kurz vor Schmerz und rannte dann aber weiter.
„Verdammt,“ dachte die Thronfolgerin sich, „Ich muss doch was machen können.“ Da sah sie eine kleine Grube von weitem, und sie handelte instinktiv. Direkt vor der Grube zog sie die Zügel, und Eos schlug einen Haken. Der Tiger war dazu nicht fähig, rutschte, als er versuchte zu bremsen, weg und fiel in die Grube.
Elonore fiel eine gewaltige Last vom Herzen. Aber sie wurde immer noch von zwei Monstern verfolgt, weshalb dieses Gefühl nur kurz war. Sie sah nach hinten und musste voller Panik feststellen, dass die Verfolger immer näher kamen. Sofort sah sie wieder nach vorn und schrie: „Schneller Eos, schneller!“
Eos versuchte alles, wich aus, sprang über Hindernisse. Von links und rechts näherten sich die Säbelzahntiger. Eos sprang über einen kleinen Vorsprung. Als so eben die Tiger auf das Einhorn springen und es töten wollten, sprangen sie aber über Kreuz und prallten in der Luft aufeinander.
Elonore hatte das alles nicht bemerkt, dafür war ihre Panik viel zu mächtig. Es blockierte jedes logische Denkvermögen und jede Umsicht. Somit erkannte sie einen dicken Ast zu spät. Sie sah nur noch einen dicken Balken auf sich zu kommen, spürte einen harten Schlag und dann wurde es ihr schwarz vor Augen.
Eos bremste ab und ging zu ihrer Gefährtin zurück. Sie bemerkte, dass Elonore noch atmete und sie nicht mehr verfolgt wurden. Dann aber wurden der Schmerz und die Erschöpfung zu viel für die Stute und sie brach neben der Prinzessin zusammen.

„Hier drüben ist etwas!“ Ein junger Mann, gekleidet wie ein Bauer, hatte so eben irgend etwas bemerkt an einer Waldlichtung.
„Da hinten, Herr!“ Der Knecht wollte mit dem Bauer, in dessen Dienst er schon seit vielen Jahren war, eigentlich nur Brennholz sammeln, als er einen Schatten bemerkt hatte.
Er hatte schwarze, Schulter lange Haare, grüne Augen und war normal groß. Sein Gesicht war eher schmal. Er trug eine Weste aus Schafswolle, darunter ein festes Hemd aus dickem, grauen Stoff. Seine Hose war aus Leder.
„Colet, bleib hier!“ rief der Bauer hinterher, aber irgend was bewegte die angesprochene Person dazu, dem Schatten entgegen zu gehen. Er wusste selber nicht was, er wusste selber nicht weshalb, aber es war ihm, als ob eine Stimme ihm befahl, dort hin zu eilen, als ob es das wichtigste überhaupt wäre.
Endlich kam er dort an, und ihm stockte der Atem, denn er sah ein Mädchen mit einem blonden Pferdeschwanz. Sein Herz blieb kurz stehen. Sie war am Kopf verletzt, und doch sah sie faszinierend aus. So friedlich, als ob sie die Figur eines schönen Gemäldes wäre. Er brauchte erst eine gewisse Zeit bis er zur Seite blicken wollte, als der Bauer, ein etwas dicklicher Mann mit der selben Art von Kleidung, schon neben ihm stand.
„Seht nur Herr, dieses Mädchen, sie ist verletzt. Wir müssen ihr helfen.“ Der Bauer hatte aber erstmal wo anders hingesehen, denn das Geschöpf, was dort lag, erfüllte ihn mit Verwunderung, Freude, und doch etwas Furcht und Verwirrung, was ihn alles hin und her riss.
„Hast du eigentlich bemerkt, dass da ein Einhorn liegt?“ fragte er nun seinen Knecht. Dieser schaute nun zur Seite und sah das weiße Fabelwesen. „Ich hätte nie gedacht, jemals eins zu sehen. Sieh nur, wie schön es ist.“
„Es ist auch verletzt, wir müssen ihnen helfen, Herr. Bitte.“ Den Knecht verwunderte es selbst, dass er einem der wohl schönsten Geschöpfe, die es gibt, kaum Beachtung schenkte, oder zumindest es nicht als etwas besonderes betrachtete, und das, wo er doch immer davon geträumt hatte eines zu sehen. Der Bauer zögerte zu erst, aber als er das flehende Gesicht seines Knechtes, der für ihn mehr als nur das war, sah, rannte er so schnell konnte nun zu seinem Wagen, gezogen von zwei schwarzen Pferden, und brachte ihn zur Stelle.
In der Zwischenzeit hatte sich Colet nieder gekniet und betrachtete das Mädchen. Er wusste nicht weshalb, aber sie erzeugte in ihm eine Ruhe wie noch nie. Er wischte eine Sträne ihres Haares zur Seite und überlegte sich, wer es sein konnte. Auf ein mal vergaß er alles.
„Colet, nicht träumen, hilf mir lieber sie auf den Wagen zu bringen.“ holte ihn sein Herr wieder in die Welt. Colet stand nun auf und fasste unter die Arme von ihr. War es noch leicht bei dem Mädchen, gestaltete es sich schon schwieriger das Einhorn auf den Wagen zu hieven. Man kam nur immer ein bisschen voran. Schließlich aber war auch das völlig bewusstlose Einhorn auf dem Wagen, neben dem Mädchen, und sie begannen den Weg zum Hof.

Ganz langsam öffnete die Prinzessin von Herminaz ihre Augen. Sie bemerkte, wie etwas feuchtes sich auf ihrer Stirn breit machte und immer wieder auf sie traf. Außerdem fühlte sich ihr Kopf an als ob tausend kleine Pferde immer wieder gegen die Schädeldecke traten. Jedenfalls ergab sich langsam, wenn auch erst verschwommen, ein Bild vor ihr.
Auf ein mal war die Feuchte nicht mehr zu spüren. Sie bemerkte nur noch das Tuch, welches um ihren Kopf gewickelt war. Langsam erkannte sie ein Gesicht. Das Gesicht eines Mannes.
Dieser sah sie nun freundlich an: „Schön, dass ihr nun wieder unter den Lebenden seid. Wie fühlt ihr euch?“
Elonore fasste sich an den Kopf, der wohl gleich explodierte, so sehr brummte er. „Wo bin ich? Und wer seid ihr?“fragte sie nun immer noch völlig erschöpft.
„Mein Name ist Colet. Ich bin der Knecht auf dem Bauernhof hier. Ihr befindet euch am Rand von Fanja.“
„Fanja!“ Auf ein mal sprang Elonore auf.
„Was tut ihr da?“ wollte er wissen, aber Elonore musste nun so schnell wie möglich wissen, wo ihre Gefährtin ist.
Sie hatte Angst um sie, sie vergaß alle Schmerzen. „Wo ist Eos? Was habt ihr mit ihr gemacht?“ „Wie? Was meint ihr?“ Colet war völlig perplex und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Wo ist sie?“ schrie sie nun und ergriff den jungen Mann.
Dieser hatte plötzlich das Gefühl als ob gar nichts mehr funktionieren würde. „Ähm...wenn ihr das Einhorn meint...es ist im Stall und...“
Die Prinzessin rannte sofort aus dem Zimmer, eilte wie sie nur konnte ins Freie und beachtete dabei gar nicht, dass sie nur ein leichtes weißes Gewand trug. Ihr einziger furchtbare Gedanke war, dass Eos etwas passiert sein könnte. Dass man sie nun mit ihrer Macht missbrauchen will. „Halt, wartet, ihr seid noch zu schwach!“ rief der Mann hinterher, aber das interessierte sie nicht. Der Weg, obwohl so kurz, schien unendlich.
Endlich kam sie am Stall an, öffnete die Tür und sah sich dann überall um. Sie suchte nach dem goldenen Licht des Einhorns. Doch sie konnte es nicht erkennen. Sie irrte durch den Stall, wo zwar Pferde waren, aber keine Spur von Eos. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Atem ging schnell, sie glaubte nicht mehr atmen zu können.
Da hörte sie das vertraute Wiehern. Das könnte sie überall ausmachen. Schlagartig drehte sie sich um und sah nun ihre Freundin, welche sich so eben in einer Pferdebox erhob und etwas Langsam, aber doch munter auf Elonore zu bewegte. Elonore musste weinen, ging auf Eos zu und umarmte das Haupt des stolzen Tieres. „Eos. Ich hatte schon...“ Sie konnte nichts mehr weiter sagen, sondern weinte nur noch vor Freude. Alles war nun wieder in Ordnung. Am liebsten wäre sie nun nie wieder von ihr weg gegangen.
„Was macht ihr hier?“ vernahm sie nun wieder die Stimme dieses Mannes. Nun löste sie sich von Eos, die, wie sie erst jetzt bemerkte, einen riesigen Verband um ihr Flanke hatte. Elonore drehte sich nun um und sah in die Augen von Colet, die etwas ausstrahlten, was sie nicht erklären konnte.

Elonore wurde etwas rot: „Verzeiht mir, ich hätte mich nicht so verhal...“ Ihr wurde schwindelig und sie sank nieder. Colet fing sie auf und trug sie wieder in Richtung des Zimmers. Dabei musst er sich eingestehen, dass es ihn eiskalt und doch höllisch heiß durchlief.
Ein unglaubliches Kribbeln war in ihm. Es war irgendwie angenehm, und doch nicht wohltuend. Sein Herz schlug und schien von jedem gehört zu werden. Der Bauer, welcher gerade vorbei kam, bemerkte ihn und konnte sich angesichts des Gesichts seines Knechtes nicht ein breites Grinsen verkneifen.
Colet legte die Prinzessin nun wieder vorsichtig ins Bett. „Danke!“ sagte Elonore nun zu ihm.
„Ist gern geschehen. Euch bedeutet das Einhorn sehr viel, nicht wahr?“ erwiderte er.
„Ja, denn ich lebe mit ihr nun schon seit 12 Jahren.“ Elonore sah nun etwas lächelnd auf Colet. „Wer seid ihr?“
Colet wunderte sich selbst, dass er die Frage erst jetzt stellte. „Ich heiße Elonore.“
„Elonore? Oh...mein Gott!“Zuerst war der junge Mann gelähmt, der Schock, wen er da ins Haus geholt hatte wirkte durch ihn voll und ganz, dann aber fiel er sofort auf die Knie: „Eure Hoheit, bitte verzeiht mir, ich habe euch nicht gleich erkannt!“
Die Prinzessin konnte nicht anders als zu lachen, was Colet aufblicken ließ. Sie fand es richtig niedlich, wie er jetzt etwas schweißgebadet vor ihr war und etwas zitterte. Er fürchtete dagegen, sie würde ihn nun auslachen.
Anschließend beruhigte sie ihn: „Bitte macht euch keine Vorwürfe. Es ist doch alles gut-bis auf dies Kopfschmerzen die mich ganz schön niederschlagen.“
Colet lächelte nun auch etwas, stand auf und setzte sich nun aufs Bett: „Prinzessin, wie kommt es nur, dass ein Einhorn mit euch lebt? Ich weiß, diese Geschöpfe halten sich normalerweise so weit wie möglich von den Menschen fern. Und was macht ihr eigentlich hier?“
Elonore erzählte ihm nun alles haargenau. Wie sie damals mit ihrem Bruder den Einhörnern begegneten, wie sie den Bauer fanden, wie sie das Medaillon suchten. Colet hörte genau zu.
„Das Medaillon der Sterne also.“ sagte er nachdem Elonore fertig war. „Ich dachte immer, das wäre nur eine Legende.“
„Tja, aber es existiert, und ich muss es finden. So schnell wie möglich. Ich muss deshalb meine Suche fortsetzen.“ sagte sie und wollte aufstehen, aber wieder überkam sie der Schwindel.
„Eure Hoheit!“ redete Colet nun auf sie ein, und das voller Sorge um sie. „Es hat keinen Sinn. Ihr seid geschwächt und immer noch verletzt. Bitte. Auch Eos Wunde muss erst verheilen. So könnt ihr die Suche nicht fortsetzen. Bleibt hier!“
Energisch drückte Colet nun Elonore regelrecht wieder aufs Bett. Elonore musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. In diesem Zustand wär sie nur eine leichte Beute für die Feinde. Ein bisschen wunderte sie sich darüber, wie sehr der Knecht sie nun aufforderte, sich auszuruhen.
Inzwischen war es Abend geworden und Colet brachte ihr etwas Brot und Fleisch zum Abendessen. Danach war es Zeit zum Schlafen. „Gute Nacht Prinzessin.“
„Gute Nacht, Colet. Und Danke.“
„Danke? Wofür?“
„Dass ihr mir und Eos geholfen habt.“
„Gern geschehen.“ drückte Colet hervor und verließ den Raum.
Elonore legte sich hin, aber sie konnte einfach nicht schlafen. Diese Person beschäftigte sie wie noch nie jemand sie beschäftigt hat. Wie sehr er sie doch darum bat, gesund zu werden, bevor sie wieder auf die Reise ging. In ihr war etwas, was sie noch nie fühlte. Eine Wärme, die sie richtig erfreute, und die sie noch nie hatte. Dazu dieses Kribbeln in ihr. Als wenn etwas in ihrem Magen unaufhörlich krabbelte.
„Oh, guten Morgen eure Hoheit!“
„Guten Morgen, Colet.“ Colet war gerade dabei den Stall aus zu misten, als Elonore hinein trat, um nach Eos zu sehen. Inzwischen waren zwei Tage vergangen und sowohl Eos als auch Elonore hatten sich nun sehr gut erholt. Elonore ging zu Eos, umarmte sie kurz, gab ihr etwas Futter und nahm ihr die Verbände ab. Von der Wunde war nichts mehr zu sehen, was an den Heilkräutern lag, die Colet verwendet hatte. Diese wirkten auch bei den Pferden immer gut weshalb er hoffte, sie auch bei Eos anwenden zu können, was sich auch als richtig her raus stellte.
Dann ging sie zu Colet.
„Euch scheint die Arbeit hier große Freude zu bereiten. Weshalb?“ Elonore konnte sich nicht vorstellen, dass es für jemand angenehm ist, im Dienste von jemandem zu stehen. Sie besah ihn sich, als er sich nun für eine Pause hinsetzte und ein Brot her raus nahm. Sie setzte sich neben ihn und verstand immer noch nicht. Sie war richtig fasziniert von ihm, und immer wieder verzauberte etwas sie, wenn sie ihn sah.
Colet begann zu erzählen: „Mein Eltern starben als ich fünf Jahre alt war. Sie wurden von einer Flut erfasst. Ich wäre selber da hineingeraten, wenn sie mich nicht weg gestoßen hätten, dabei wurden sie selbst mitgerissen. Ich kauerte einen Tag lang herum.
Dann hat mich mein Herr gefunden und mich aufgezogen. Er ist für mich wie ein Vater. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, ihn mit der Arbeit hier alleine zu lassen.“
Elonore verstand nun. Sie bewunderte ihn dafür, dass er das alles überstanden hatte. Sie hätte sich nie vorstellen können, ohne ihre Eltern und ihren Bruder zu leben. Bei dieser Vorstellung konnte sie nicht atmen. Sie würde in so einem Fall sterben wollen. „
Ich denke, ich werde morgen wieder auf meine Suche gehen. Wollt ihr mich begleiten?“ Elonore hoffte inständig ein Ja zu hören, aber Colet schüttelte den Kopf.
„Ich wäre euch keine Hilfe, Prinzessin. Und es ist auch nicht richtig, denn ihr seid die Thronfolgerin, ich bin nur ein Bauernknecht. Außerdem ist es euch bestimmt, das Medaillon zu finden, nicht mir.“ Colet merkte erst, nachdem er den Satz ausgesprochen hatte, wie sehr es ihm weh tat, so was zu sagen. Irgendwie war in ihm ein Krieg.
Elonore tat es auch weh. Sie versuchte den Rest des Tages noch mal alles, um ihn zu überzeugen, aber Colet sagte immer wieder das Selbe. Doch in ihm kämpfte etwas. Es kam ihm so vor, als ob der Verstand und sein Herz eine Schlacht um ihn führten.
Elonore ging an diesem Abend nur schwer fällig ins Bett. Ihr gingen immer wieder die Ablehnungen von Colet durch den Kopf. Es erzeugte eine schlimme Trauer in ihr. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Schließlich fing sie an zu weinen und ging somit erst spät und betrübt in den Schlaf.
Am nächsten Morgen half Colet der Prinzessin beim einpacken. Er gab ihr etwas Proviant mit, legte das Sitztuch auf Eos Rücken bereit. Er war genau so wie Elonore sehr betrübt dabei. Beiden erging es nicht gut bei dem Gedanken, sich zu verabschieden. Immer noch kämpfte es in Colet.
Colet half ihr auf Eos Rücken.
Elonore wandte sich ihm zu: „Nochmal Danke für alles, was ihr für mich getan habt. Das werde ich euch nie vergessen, Colet. Ich wünsche euch alles gute auf dieser Welt.“
Colet erwiderte: „Es war mir eine Ehre, eure Hoheit. Ich wünsche euch und eurem Bruder viel Glück und Erfolg auf eurer Suche.“
Sie gaben sich zum Abschied die Hand.„Danke. Lebt wohl!“
„Lebt wohl, Prinzessin!“
Elonore ritt nun mit Eos davon. Colet sah ihr nach bis sie verschwand. Einen riesigen Verlust fühlte er in sich. Es war, als ob man ihm sein Leben weggerissen hatte. Da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Eine wunderschöne Frau, meinst du nicht auch?“ sagte nun der Bauer zu ihm.
„Aber unerreichbar.“ war Colets Antwort.
„Unerreichbar? Weshalb denn?“
Colet wurde rot: Nun ja...also...“
„Lass es Colet, ich weiß Bescheid. Ich habe es bereits erkannt, als wir sie gefunden haben. Warum reitest du ihr nicht nach?“
Colets Vernunft sagte ihm weiterhin nein: „Sie ist die Prinzessin, ich bin nur ein Knecht. Es ist unmöglich bei ihr zu sein. Das ist mir nicht erlaubt.“
„Ich habe es an ihr und an dir gesehen, Colet. Euren Herzen ist das egal.“ In Colet wurde die Stimme seines Herzens, die ihm riet: „Nun geh schon, lass sie nicht weglaufen, folge ihr!“ immer lauter und immer stärker.
„Ich kann auch nicht alleine lassen Herr.“ sprach er nun.
„Du vergisst, dass du nicht meine einziger Helfer bist. Außerdem liebe ich dich wie meinen Sohn. Und für einen Vater kommt die Zeit, in der er seinen Sohn los lässt, damit dieser glücklich ist. Ich weiß: du brauchst sie. Und ich weiß auch, das sie dich braucht, sonst wird sie es nicht schaffen. Du darfst dir eines der Pferde aussuchen und mitnehmen, das ist mein Abschiedsgeschenk.“
Colet empfand nun eine Freude, wie er sie noch nie spürte. Er umarmte seinen Herren und war glücklich. Das Schicksal meinte es gut mit ihm, als er dem Bauern vor so vielen Jahren begegnete: „Danke für alles...Vater. Ich werde dich niemals vergessen. Du wirst immer in meinem Herzen sein.“
„Und du auch...mein Sohn. Und nun geh schon zu ihr. Beeile dich!“ Colet wusste nun, dass es richtig war. Dass es das wichtigste war, was er zu tun hatte. Er rannte nun mit einem Lächeln auf den Lippen zu den Ställen, wählte sich ein Pferd, bestieg es und ritt so schnell er nun konnte in die Richtung, in die er Elonore hat reiten sehen. Eine riesige positive Energie durchströmte ihn und trieb ihn an.
 



 
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