Kapitel 7

bieder

Mitglied
Zum dritten Mal erzählte Magnus jetzt schon, wie er die Feste Ehrenstein vorgefunden hatte und seine Eindrücke über das Geschehen. Ihm direkt gegenüber am Tisch saß König Patel. Der König war in einem recht fortgeschrittenen Alter. Sein Gesicht war von den jahrelangen politischen Anstrengungen gekennzeichnet. Seine wenigen verblieben grauen Haare hingen strähnig herunter, das Haupt von der schweren Krone bedeckt. Vor ihm auf dem massiven runden Tisch lagen Zepter und Reichsapfel, die Insignien seiner Macht. Seinen warmen Augen war die Besorgnis anzusehen, die durch die Berichte Magnus in ihnen aufkeimte. Zur Rechten des Königs saß einer seiner Berater, zur Linken der oberste Heerführer des Reiches Frederik, der Hinterlistige. Seinen Beinamen erhielt er nach vielen Schlachten, in denen er selbst in Unterzahl unbezwingbar erschien. Er war ein wahrer Meister unvorhersehbarer Kriegstaktiken. Daneben saß Hugaert, der Starke. Hugaert war Reichshauptmann und ein gottestreuer Paladin. Das Volk erzählte sich über ihn, das er einmal in einer Schlacht mit den Orks zwei komplette Hundertschaften verloren hatte, jedoch die anstürmenden Orks solange allein aufhielt, bis die Verstärkung aus der Hauptstadt eintraf und die Bestien schließlich vernichtend schlagen konnte. Rechts neben Magnus saß Sylfaen, der schon die ganze Zeit kein einziges Wort von sich gegeben hatte, dessen Anwesenheit dem jungen Paladin jedoch etwas mehr Sicherheit im Gespräch mit den hochrangigen Staatsmännern gab. Nachdem Magnus seine Ausführungen beendet hatte, beugte sich Patel zu seinem Berater herüber, und flüsterte ihm etwas zu. Daraufhin stand der treue Berater auf und verließ das Zimmer. >>Bevor wir diese ernste Lage weiter diskutieren, sollten wir vielleicht etwas essen und trinken, um besser nachdenken zu können. Dadurch wird eine Beurteilung der Lage mit Sicherheit einfacher.<<, sagte der König in einem gefassten Ton.
Wie auf ein Stichwort öffnete sich die prunkvoll verzierte Tür und es traten mehrere Bedienstete, mit köstlich riechenden Speisen und Wein in den Händen, ein. Nachdem die Tafel reichlich gedeckt und die Bediensteten den Raum wieder verlassen hatten, begann das fürstliche Mahl. Magnus stopfte Fleisch vom Spanferkel und die gebratene Leber eines Hirsches in sich hinein und spülte es mit dem besten Wein herunter, den er jemals kosten durfte. Nach einer Weile, als Magnus bereits das Gefühl hatte, sein Magen müsse jeden Moment platzen, öffnete sich erneut die Tür. Es traten der Berater des Königs und ein Elf in den Raum. Der Berater eilte zum König und legte ein Buch vor ihn auf den Tisch. Der Elf hatte langes, silbriges Haar, welches wallend über seine Schultern fiel. Er trug eine Weste und eine Hose aus Leder. Unter der Weste hatte er ein dunkelgrünes Hemd aus Leinen an. Auf seiner Schulter ruhte ein Bogen fremdartiger Bauart. In der Mitte des Bogens war ein gerades Griffstück. Darüber und darunter war das Holz nach innen gebogen. An den äußeren Enden des Bogens spreizte sich das Holz in einem eigentümlichen Winkel ab. An der Seite des Elfen hing ein filigranes Langschwert und ein Dolch. Der Elf blickte zu Sylfaen herüber. Sofort erhob sich der Heiler von seinem Stuhl und trat neben den Elfen. >>Darf ich vorstellen, euer Hoheit? Das ist Lapidis, ein bewährter Recke des Elfenvolkes. Ich habe nach ihm schicken lassen, nachdem wir die Ruine Ehrenstein wieder verlassen hatten. Nachdem ich mit eigenen Augen gesehen habe, mit welcher zerstörerischen Gewalt die Orks aufgetreten sind, war ich mir sicher, das es an der Zeit ist, das Menschen und Elfen wieder zusammen am Gelingen auf Deren arbeiten. Und wie ich sehe, habt ihr euch die alten Aufzeichnungen bringen lassen, was mir beweißt, das eure Vermutungen die selben sind, wie die Meinen.<<
Der König richtete seinen Blick auf den eben eingetroffenen Elfen. >>Lapidis, ich begrüße euch in unserer Mitte und fühle mich durch die Unterstützung, welche mir das Elfenvolk zukommen lässt geehrt. Es ist schon sehr lange her, das ein Elf den Wald Levonian verlassen hat, um zu den Menschen zu gehen. Bitte setzt euch an unsere Tafel und lasst es euch gut gehen. Ich möchte, bevor ich vorschnelle Schlüsse ziehe, noch etwas in diesem Buch nachschlagen.<< Patel deutete auf das Buch vor ihm. Lapidis nickte und setzte sich an den Tisch. Mit gerümpfter Nase betrachtete er die Speisen, die sich ihm darboten. Schnell entschied er sich dazu, nur einen Schluck Wein zu trinken. Der König war bereits in den Schriften des Buches vertieft. Magnus versuchte immer wieder den Titel zu lesen, konnte ihn aber von seiner Position aus nicht erkennen. Mit gedämpfter Stimme richtete sich der oberste Heerführer an Magnus. >>Wenn die Zerstörung der Feste wirklich das Ausmaß hat, welches ihr wiederholt beschrieben habt, ist es eigentlich ausgeschlossen, das die Orks allein dafür verantwortlich sind. Um die hohen Türme und die dicken Mauern von Ehrenstein nieder zu reißen, bedarf es schwerer Belagerungswaffen. Über diese verfügen die Orks jedoch nicht und meines Wissens haben sie auch noch nie Wert darauf gelegt, etwas ähnliches zu entwickeln. Versteht mich nicht falsch, Orks sind schlaue, heimtückische Biester, aber sie verlassen sich lieber auf ihre körperlichen Fähigkeiten, als auf Kriegsmaschinerie. Nur ein durch die eigene Klinge getöteter Gegner bedeutet für sie Anerkennung. Sie haben eine doch eher barbarische Vorstellung von ihrer Stellung in der Gesellschaft. Aufgrund der starken Zerstörung der Feste, ergeben sich für mich zwei Möglichkeiten. Entweder hatten die Orks Unterstützung, oder es waren nicht die Orks. Beide Möglichkeiten bedeuten für uns nichts gutes. Wenn die Orks von jemanden Unterstützt werden, haben wir es mit einem sehr starken Feind zu tun. Falls es nicht die Orks waren, haben wir einen Feind, von dem wir nichts wissen, den wir nicht kennen und den wir nicht einschätzen können. Beide Vorstellungen lassen mir das Blut in den Adern gefrieren.<< Völlig verblüfft über die Ansprache Frederiks trübten sich Magnus Augen. Dann mischte sich Hugaert ein. >>Wie dem auch sei. Egal welcher Feind uns gegenüber steht, ich werde mich ihm stellen und in seine Schranken verweisen. Ich werde die uns sofort zur Verfügung stehenden Truppen zur Feste Ehrenstein führen und diese halten, bis ein größeres Heer zusammengezogen ist. Mit diesem werde ich dann in die Wüste Tenoni ziehen und unsere Feinde aufspüren und vernichten.<< Hugaert nahm einen tiefen, entschlossenen Zug aus seinem Bierkrug, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
Plötzlich blickte der König mit leerem Blick und leichenblass von seinem Buch auf. >>Das hört sich recht vernünftig an Hugaert. Frederik, sind wir in der Lage, diese Pläne in die Tat umzusetzen?<<
>>Ja, das sind wir. Ich schlage vor, Reichshauptmann Hugaert sollte recht schnell zur Feste aufbrechen, während ich mich hier um die Zusammenziehung eines schlagkräftigen Heeres kümmere. Dieses werde ich ihm dann als bald als möglich schicken.<<, antwortete Frederik mit donnernder Stimme.
>>Gut, dann begebt euch sofort an die Arbeit und beginnt mit den Vorbereitungen für unseren Feldzug für die Freiheit des Reiches.<<
Zackig erhoben sich die beiden Männer aus ihren Stühlen. >>Euer Hoheit, Hugaert wird so bald als möglich abmarschieren und ich werde ein gewaltiges Heer aus dem Boden stampfen.<< Mit entschlossenen Mienen verließen die beiden den Beratungsraum und ließen die Tür mit einem lauten knallen ins Schloss fallen. Patel wandte sich wieder Sylfaen zu. >>Es ist wie ihr bereits annahmt. Die alten Aufzeichnungen haben es bestätigt. Die Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen.<< Die beiden Elfen schauten den König mit harten Gesichtszügen an. Magnus sah verdutzt von einem zum anderen. >>Was soll das heißen? Die Prophezeiung erfüllt sich? Ich kann nicht ganz folgen, worüber wir sprechen.<<
Sylfaen gab ihm sofort Antwort. >>Junger Paladin, ihr müsst wissen, diese Aufzeichnungen sind schon sehr alt. Sie stammen aus einer Zeit, als die Elfen noch zu hauf unter den Menschen lebten. Damals gab es einen Seher, der viele Jahre lang von einer Prophezeiung, die ihm die Götter im Traum gezeigt haben, sprach. Er sprach davon, das eine Zeit kommen würde, in der sich die Götter von der Welt zurückziehen würden. Dieses Ereignis ist, wie ihr ja wisst, schon vor langem eingetreten. Damals ging ein Aufruhr durch die Gelehrten, das die Prophezeiung eintreten würde. Doch es geschah nichts weiter und die Lage beruhigte sich wieder. In der Prophezeiung ist die Rede davon, das die Dämonen, die bösen Abbilder der Götter, sich den Rückzug der Götter zunutze machen. Schon seid Anbeginn der Zeit wollten die Dämonen die Herrschaft über Deren erlangen und die Welt unterjochen. Doch die Anwesenheit der Götter hielt sie immer von einem Versuch ab, da sie der göttlichen Macht nicht gewachsen sind. Doch nun stehen die Dinge anders und sie könnten eine blutige Spur aus Tod und verderben auf Deren hinterlassen. Die Prophezeiung spricht davon, das die Dämonen einen Weg gefunden hätten, ein Tor zwischen Deren und dem Limbus zu öffnen. Die Völker von Deren würden sich zwar dem Heer der Dämonenbrut stellen, doch würden sie im Kampf untergehen, wenn sie nicht den Stab der göttlichen Macht hätten, der die Dämonen so weit schwächen würde, das sie zurückgeschlagen werden können. Das nächste Zeichen der Erfüllung, nach dem Rückzug der Götter sollte der Fall der uneinnehmbaren Trutzburg sein. Der König, sowie auch ich sind der Überzeugung, das es sich hierbei um die Feste Ehrenstein handelt.<<
>>Und wo soll dieses Tor zum Limbus, was immer auch der Limbus ist, erscheinen? Und wovor sollten wir uns fürchten, wenn wir doch nur diesen „Stab der göttlichen Macht“ bei uns führen müssen?<<, gab Magnus ungläubig zurück.
>>Genau da liegen die Probleme der Prophezeiung. Niemand weiß, wo sich dieses Tor öffnen wird. Der Stab der göttlichen Macht befindet sich leider nicht in unserem Besitzt. Er würde vor vielen tausend Jahren von allen Göttern vereint erschaffen. Er wurde für den Fall gemacht, das es dazu kommen würde, das die Götter aus irgendeinem Grund untergehen würden. So sollten ihre Kinder wenigstens noch in der Lage sein, gegen jegliches Unheil ankämpfen zu können. Allerdings haben die Götter den Stab in sieben Teile gespalten und auf Deren verteilt. Ein Teil befindet sich in der Obhut meines Volkes und ein anderer bei eurem König. Es ist sein Zepter. Doch die anderen fünf befinden sich überall verteilt. Es heißt es sei nur möglich, wenn sich die vereinigten Völker einig sind, den Stab zur Gänze zusammen zu setzen, damit er seine volle Macht entfalten kann. Deshalb ist Lapidis hier. Er wird mit einem Streiter der Menschen vereint nach den anderen Teilen des Stabes suchen. Er würde von Kindesbeinen an dafür ausgebildet, auf möglichst viele Gefahren reagieren zu können. Nun liegt es an dem König jemanden aus den Menschen auszuwählen, der diese Aufgabe übernimmt.<<
 



 
Oben Unten