Kapitel 9

Neuntes Kapitel



[ 4]André starrte verwirrt auf Florian und die Waffe, brachte vor Überraschung keinen Ton heraus. Florian nahm die Situation in die Hand. „Sorry, Alter, ich will dich nicht gerne ausknipsen. Also her mit dem Gold und was du sonst noch so Schönes hast. Ich meine es ernst.“
[ 4]Perplex antwortete André: „Das kannst du nicht bringen. Es ist mein Lebenswerk.“
[ 4]„Papperlapapp. Los schon, setz dich in Bewegung, wir haben nicht ewig Zeit, gleich geht die Sonne unter.“
[ 4]Er schubste André vor sich her. Der öffnete den Koffer des Lkws und ließ den Lichtkegel der Taschenlampe über die gesammelten Schätze gleiten. Florian interessierte sich nicht für die Gemälde, die Bücher, Zeitungen und CDs. Er raffte den Schmuck und das Gold zusammen und verstaute alles in seinem Bulli.
[ 4]André druckste herum. „Wie hast du mein Lager gefunden?“
[ 4]„Es war nicht schwierig, deinen Spuren zu folgen. Von ferne konnte ich dich mit dem Feldstecher beobachten.“
[ 4]„Und Petra?“
[ 4]„Sie weiß nichts von allem.“
[ 4]„Wo ist sie denn?“
[ 4]„Sie wartet in Bahariya.“
[ 4]Florian hob die Waffe. „Tut mir echt leid, aber es muss wohl sein.“
[ 4]In diesem Moment geschah zweierlei. Florian stieß einen Schmerzensschrei aus und blickte auf seine nackten Füße. Ein kleiner, schwarzer Skorpion hatte ihn mit dem Stachel in die Haut gestochen und verschwand dann in einer Sandkuhle. Ein Schuss löste sich, und die Kugel schwirrte an André’s Kopf vorbei und bohrte sich in die Verschalung des Lkws. Florian sank im Sand zusammen. André rekapitulierte blitzschnell, was er über Skorpione wusste. Die Größe spielte keine Rolle, wenn es um die Stärke des Giftes ging. Er hatte immer gedacht, die gelben Feldskorpione seien die gefährlichsten, aber eine Französin, die er einmal unterwegs getroffen hatte, hatte ihm erzählt, es gäbe auch kleine Schwarze, deren Stich tödlich sei.
[ 4]André blickte auf Florian, der wie im Fieber wirre Worte ausstieß: „Hilf mir.“
[ 4]„Eben wolltest du mich noch töten.“
[ 4]„Ich will nicht sterben.“
[ 4]„Aber ich habe kein Serum.“
[ 4]Dann verlor Florian das Bewusstsein und krümmte sich im Sand zusammen. André fühlte seinen Puls. Er war schwach und setzte dann ganz aus.
[ 4]Florian war tot.
[ 4]Der Skorpion hatte sich von dannen gemacht. Florian zerrte die Leiche in den Lkw, genau an den Platz, den er für seinen Suizid vorgesehen hatte. Er räumte die Reste der Ausrüstung und das Raubgut in den Hänger und warf die letzten Schaufeln Sand auf das Grab. Er arbeitete die ganze Nacht hindurch. Am Morgen war von der Grube nichts mehr zu sehen. Der Lkw war unter einer dicken Sandschicht verschwunden.
[ 4]André klopfte sich den Sand von der Hose, lud die Honda Dax in den Bulli und machte sich auf den Weg nach Bahariya. Er kannte die Strecke inzwischen in- und auswendig, hatte sich die Formen der verschiedenen Kalksteinfelsen gemerkt und kam im Sand gut voran. Er durchquerte die Schwarze Wüste mit ihrem groben Gestein und kam dann zu der Asphaltstraße. Nun ging es flott voran. Er machte noch einmal Halt an der Quelle, um einen Schluck zu trinken und seinen Kopf unter das kühle Wasser zu halten. Dann sah er von ferne die ersten Häuser von Bahariya. Er fuhr durch die Oase und parkte den Bulli direkt vor El Beshmo Lodge. Nuri kam ihm entgegen. „Hello, my friend! Is your mission completed?“
[ 4]„Yes, indeed.“
[ 4]„A woman has asked for you. She will come back in the afternoon.“
[ 4]Das musste Judith sein. André lud die Dax von dem Bulli und gab Nuri das restliche Geld.
[ 4]„The motorcycle is in good condition.“
[ 4]„No problem.“
[ 4]André wollte sich gerade zur Siesta in das Hotel zurückziehen, da erschien Petra auf der Bildfläche. Wie eine Furie ging sie auf ihn los. „Wo ist Florian?“
[ 4]André schwieg.
[ 4]Sie zerrte an seinem T-Shirt. „Du hast ihn umgebracht!“
[ 4]André wollte etwas sagen, aber sie ließ ihm keine Chance.
[ 4]„Ich geh zur Polizei.“
[ 4]„Jetzt hör mir doch mal zu.“
[ 4]„Was?“
[ 4]Er wollte mich erschießen, wurde dann aber von einem Skorpion gestochen.“
[ 4]„Wo ist er jetzt?“
[ 4]„Ich habe ihn vergraben, an einem geheimen Ort.“
[ 4]„Geheim! Ich glaub dir kein Wort. Zeig mir sein Grab.“
[ 4]„Das geht leider nicht.“
[ 4]„Das wirst du eines Tages bereuen.“
[ 4]„Ja, vielleicht. Jetzt entschuldige mich bitte, ich wollte ein Nickerchen machen.“
[ 4]Er ließ sie bei dem Bulli stehen und zog sich in seine Hütte zurück. Es war drückend heiß. Mochte Petra tun, was sie für nötig hielt, er würde sowieso bald das Weite suchen. Die Hitze und das Summen des Ventilators taten ein Übriges, und er schlief ein. Er wurde erst wieder wach, als jemand an der Tür klopfte. Erst dachte er, es sei die Polizei, doch als er öffnete, traf ihn der Schlag. Ein bildhübscher Blondschopf, braungebrannt von Kopf bis Fuß, einen kleinen goldenen Ring im Ohr, Stupsnase, in Shorts und einem blauen T-Shirt. Das musste Judith sein. Er stotterte verlegen herum. „Komm doch herein.“
[ 4]„Du bist André?“
[ 4]„Ja.“
[ 4]„Freut mich, dass du noch am Leben bist. Hast du dein Projekt beendet?“
[ 4]„Das habe ich.“
[ 4]„Und worum handelt es sich, wenn man fragen darf?“
[ 4]„Das ist leider streng geheim.“
[ 4]„Ich habe gehört, du willst dir das Leben nehmen?“
[ 4]„Gestern noch, ja. Jetzt nicht mehr.“
[ 4]„Und was hat deinen Meinungsumschwung verursacht?“
[ 4]André stammelte unverständliches Zeug. Was sollte er Judith sagen, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebt hatte, auf den ersten Blick? So eine Frau ließ bestimmt niemand im Regen stehen. Sicher hatte sie viele Verehrer. Wie sollte er sie für sich gewinnen? Vielleicht war sie nur aus Mitleid so freundlich zu ihm und fand ihn insgeheim höchst merkwürdig.
[ 4]„Ich werde dir eines Tages alles erzählen.“
[ 4]Sie nickte stumm und blickte ihm in die Augen.
[ 4]Ihm wurde ganz schummrig. „Was hat Wolfgang dir denn erzählt?“
[ 4]„Er sagte, du hättest Ärger mit der Polizei und müsstest raus aus Ägypten. Ich möchte dir ein Angebot machen.“
[ 4]„Welcher Art?“
[ 4]„Ich fliege in zwei Tagen nach Südafrika. Wenn du willst, kann ich dich mitnehmen. Ich könnte dir einen Job vermitteln.“
[ 4]„Hört sich interessant an.“
[ 4]„Du könntest in einem Tierreservat als guide arbeiten. Den Führerschein hast du ja?“
[ 4]„Sogar für Lkws.“
[ 4]„Perfekt. Ist das nicht besser, als sich in der Wüste das Leben zu nehmen?“
[ 4]„Mit dir zusammen würde ich überall hingehen.“
[ 4]„Nicht so schnell. Hast du überhaupt Geld für den Flug?“
[ 4]„Gerade so eben.“
[ 4]„Dann steht die Sache fest.“
[ 4]Sie wollte sich eben in den Schatten setzen, um einen Minztee zu trinken, da stürmte Petra an. Sie war außer sich vor Wut. „Gestern noch ist Florian gestorben, und jetzt vergnügst du dich schon wieder mit einer Blondine. Ich werde dir die Hölle heiß machen.“
[ 4]„Warst du bei der Polizei?“
[ 4]„Ja, klar.“
[ 4]„Und?“
[ 4]„Sie haben mich ausgelacht.“
[ 4]„Sag ich doch. Warum suchst du dir nicht einen neuen Freund und fährst weiter? Du wolltest doch in die Türkei?“
[ 4]„Florian schien dir ja nicht viel bedeutet zu haben.“
[ 4]„Er wollte mich abknallen. Ansonsten fand ich die Geschichte mit dem Kif in meiner Reisetasche auch nicht besonders witzig.“
[ 4]„Selbst schuld, wenn du nicht auf dein Gepäck aufpasst.“
Judith mischte sich ein. „Entschuldigt, aber in einer Stunde geht der Bus zurück nach Kairo. Wenn du mitfliegen willst, André, müssen wir uns auf den Weg machen.“
[ 4]Petra zeterte. „Jetzt machst du dich also aus dem Staub, du Verbrecher. Ich werde mich ans Konsulat wenden.“
[ 4]„Das kannst du ruhig machen. Ich geh sowieso nie wieder nach Deutschland zurück.“
[ 4]André gab Petra eine Ohrfeige und ließ sie heulend stehen, ging dann ins Innere der Lodge, um seine Sachen zu packen. Judith wartete draußen auf ihn. Viel war es nicht, was er noch mit sich führte, einige Anziehsachen, Schuhe, Waschzeug, die Papiere und das restliche Geld. Er stopfte alles in die Reisetasche und packte das Handgepäck in einen kleinen Rucksack. Nach einer Viertelstunde war er fertig.
Judith versuchte draußen Petra zu beruhigen, doch die ließ nicht mit sich reden. Sie werde den Rest ihres Lebens damit verbringen, André Steine in den Weg zu legen, wo immer es ging, verkündete sie, stieg in den Bulli und fuhr in Richtung Kairo davon.
[ 4]André war so weit, und bald kam auch der Bus. Sie stiegen ein und fuhren in gemächlichem Tempo aus der Oase. Plötzlich stotterte der Motor, setzte dann aus. Der Busfahrer kroch unter den Bus und fing an, den Motor zu reparieren. Das alles dauerte sicher zwei Stunden, und es war spät nachts, als sie in Kairo ankamen. Sie nahmen ein Zimmer in einem gehobenen Hotel mit Klimaanlage, aber an Schlaf war nicht zu denken. André verbrachte die halbe Nacht damit, Judith seine Lebensgeschichte zu erzählen. Sie war eine gute Zuhörerin.
Am nächsten Tag gingen sie in ein Reisebüro und buchten einen Flug für André. Von Petra sahen und hörten sie nichts. Aber Kairo war auch groß, da konnte man sich aus den Augen verlieren.
[ 4]Bis zuletzt hatte André Angst, dass noch etwas dazwischen kommen könnte und sein Projekt zum Scheitern verurteilt war. Aber dann fuhren sie zum Flughafen, und als sie im Flugzeug saßen und der Pilot die Maschine auf die Startbahn steuerte, nahm André Judith bei der Hand und wusste, das irgendwo in der Einöde der westlichen Wüste ein tiefes Geheimnis unter dem Sand schlummerte, das ans Licht zu bringen künftigen Generationen vorbehalten war. Das Jahrtausendgrab war vollendet, und auf André wartete eine goldene Zukunft, denn die Erde hatte ihn wieder.


Ende
 

flammarion

Foren-Redakteur
schade.

fing einigermaßen viel versprechend an und wurde in den letzten drei kapiteln rapide schwächer. hast eine menge möglichkeiten vertan.
und wozu muss petra noch geohrfeigt werden? völlig unnötige aktion. der judith hat das gewiss auch nicht gefallen und sie wird es sich sehr überlegen, ob sie mit dem typ weiterreist.
lg
 
Happy End

Hast Recht, gegen Ende gingen mir ein bisschen die Ideen aus. Aber jetzt werde ich es nicht neu überarbeiten. Die Petra hat den Kürzeren gezogen, klar, Andre kann auch fies sein. Aber die Geschichte mit dem Haschisch im Reisegepäck war auch nicht so toll. Die Lovestory zwischen Judith und Andre wird gewiss nicht von Dauer sein, aber wenigstens ist es ein Happy End.
Gruß Marcel
 

flammarion

Foren-Redakteur
prust!

braucht ein sci-fi-roman ein happy end? ich hatte so gehofft, dass man sich in 1000 jahren mit den errungenschaften der gegenwart auseinandersetzt. schön, alles gedruckte ist unter der erde zerfallen, aber die vasen, bilder, texte auf den cds - das gibt doch allerhand her. stattdessen zeigst du nur, dass das gold im wert steigen wird. nee, du, das reicht nicht für sci-fi.
lg
 
sci-fi

Hallo,

vielleicht hast du Recht und ich sollte es zum nächsten Mal mit einem bodenständigen Krimi versuchen. Ich muss erst mal sehen, was Ralf zu dem Manuskript sagt. Er wollte die Sache mit dem Jahrtausendgrab tatsächlich durchziehen, aber dann ist ihm einiges dazwischen gekommmen.

Gruß Marcel
 

flammarion

Foren-Redakteur
ei,

was für n ralf? lapismont? wenn der dir hilft, dann wird es ganz toll. ich halte ihn für einen sehr guten autor.
lg
 
Ralf

Nein, Ralf Schmidt, den kennst du nicht, ein Bekannter von mir, der selber nicht schreibt, aber mir manchmal mit der ein oder anderen Idee aushilft.
 



 
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