Katzengrau

5,00 Stern(e) 4 Bewertungen

Ubertas

Mitglied
Wenn die Nacht nicht mehr reicht:
Bäume umschleicht die graue Katze.
Klettert. Bis kurz vor dem dünnen Ast
Weiß auch der Vogel zu landen.

Wenn das Licht nicht mehr reicht:
Bäumen entweicht die graue Katze.
Jagt. Bis kurz vor dem dämmernden Schein
Weiß auch die Maus noch zu warten.

Wenn der Mensch nicht mehr reicht:
Bäume entreißt. Der grauen Katze
Fell. Bis kurz vor dem faulenden Gras
Weiß auch das Herz nicht vom Garten.
 
G

Gelöschtes Mitglied 26800

Gast
Wow, was für starke Zeilen, liebe Ubertas. Gerne mit der Katze durch die Nacht gezogen.

Nachdenkliche Grüsse
Galadriel
 

anbas

Mitglied
Hallo Ubertas,

ein, wie ich finde, melancholisch schönes Gedicht.

Im Moment kreise ich ein wenig um die dritte Strophe. Und vielleicht denke ich auch zu schematisch. Diese Strophe weicht von ihrem Aufbau leicht von denen davor ab.
In den Strophen zuvor endet z.B. die jeweils letzte Zeile mit einem Verb, hier nun mit einem Substantiv. Nachdem mir dies ins Auge gesprungen ist, keise ich also um diese Stelle: Würde z.B. etwas passen wie "Weiß auch das Herz nicht zu leben"? Ginge das in eine völlig andere (falsche) Richtung? "Stolpere" ich über das "fehlende" Verb am Ende der Zeile oder ist es das Wort "Garten"?
Auch die dritte Zeile ist ein wenig anders als die in den anderen Strophen. Statt einem allein für sich stehenden Verb steht hier das letzte Wort des vorangegangenen Verses.
Bei solchen Abweichungen frage ich mich, ob dies bewusst gewählte inhaltliche Gründe hat, oder sind sie der Metrik "geschuldet"? Und vielleicht mache ich mir Gedanken um etwas, das gar keinen tieferen Sinn hat :rolleyes:.

Aus meiner Sicht geht es hier auch um mehr als nur um das Begleiten einer Katze durch die Nacht. Das Thema "Mensch und Natur" sehe ich ebenfalls.

Diesmal sind es also Deine Zeilen, die mich zum Nachdenken anregen. Mal sehen, ob ich noch weiter kreise, und wenn, wohin mich dies führt ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @Galadriel ,
danke für dein Lob, die Sterne und deine nachdenklichen Grüße. Denn das ist ein schönes Gefühl, wenn das, was man sagen will, ankommt. Ich freue mich sehr darüber.
Liebe Grüße:)
ubertas
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @anbas ,
Lieber Andreas,
ich danke dir für die Umkreisung meines Gedichts:) ich hoffe, du kreist nicht mehr, sonst kommt der Drehwurm!
Spaß beiseite - danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Zeilen zu durchdenken. Schematisch gefällt mir;-)
Was dir aufgefallen ist, freut mich um so mehr! Meistens bin ich der Collegeblock/Bleistift/Wein(guter)/bei Kerzenscheinschreiber. Die Abweichungen in der dritten Strophe sind tatsächlich Absicht.
Menschen begehren. Bereuen zu spät. Deine Variante "weiß auch das Herz nicht zu leben" finde ich wunderschön. Sie ist das Ergebnis dessen, was ein Herz nicht erfährt, weil es den Garten, das Paradies vor seinen eigenen Augen nicht zu würdigen weiß. Menschen wollen immer mehr. Erst wenn es ihnen an den Kragen geht, nicht nur der grauen Katze - sobald sie selbst faulen, beschleicht sie ein Gefühl später Reue. Davon halte ich nichts.
Pflanzen und Tiere führen ihren eigenen Kampf, aber niemals mit der Grausamkeit, zu der Menschen bereit sind.
Ein Weiterkreisen führt zu neuen Umlaufbahnen:)
Ich danke dir für deine tiefe Auseinandersetzung. Das ist nicht selbstverständlich!
Liebe Grüße zurück
ubertas
 

Perry

Mitglied
Hallo Ubertas,
der Mensch als "Störfaktor" im Reigen der Natur!
Konstruktiv frage Ich mich, ob der Schluss nicht auch
"Bis kurz vor dem faulenden Gras
Weiß auch das Herz nichts vom Garten."
lauten könnte?
Gern mit durch die Nacht geschlichen und LG
Manfred
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Manfred,
ganz lieben Dank fürs Lesen und deinen Vorschlag. Auch einem nichts stünde nichts im Wege:)
Ich habe das "nicht" gewählt, weil es mir mehr um das Unwissen des Menschen über die Bedeutung des "Gartens" ging. Weniger im Sinne eines generellen "nichts" wissen. Aber das ist das Schöne: je nach der eigenen Lesart sollte es immer einen Spielraum geben. Ich freue mich sehr über dein Nachsinnen, es hat auch mich zum Nachsinnen gebracht!
Liebe Grüße ubertas
 

wiesner

Mitglied
Ja, Andreas hat eine sehr schöne Text/Empfindungsanalyse dargestellt. Es ist ein sehr schwieriger Text, dessen Schwingungen nicht eben regelmäßig berühren. Die Binnenanapher 'Bis kurz vor' hält ordentlich auf Trab, das faulende Gras schwebt über den Schluss hinaus ...

Gut gemacht, Ubertas!

Gruß
Béla
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
ich freue mich sehr über deine Worte:)
Andreas hat es wirklich sehr gut auf den Punkt gebracht, genauso wie du!
Ein wunderbares Gefühl, wenn die Zeilen trotz Schwerkost angekommen sind:)
Danke für dein großes und die tolle Bewertung.
Hab ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße ubertas
 



 
Oben Unten