„Keksgeschwader auf Morphinflöten“ (Ein Gedicht, das sich selbst nicht erklärt):

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N. Valen

Mitglied
Blas mir die Datteln vom Nudelparlament,
sprach der Minister für Wackelpudding.
In den Hosentaschen: Spinnengeigen,
schlummernd,
wartend auf die nächste Nationalhymne.


Unten im Kofferraum der Synapsen:
Streitende Socken.
Einer schreit nach Gerechtigkeit,
der andere nach Glitzerkleber.


Ein Keks-General fährt Fahrrad im Magen
und winkt der Bauchspeicheldrüse
mit einer Flagge aus Fenchel.


"Ist das noch Lyrik?",
fragt der Wandkalender und fällt ab.
Am Boden liegt:
Ein halber Satz,
ein ganzer Unsinn,
und ein Zettel:
„Bitte rückwärts verdauen.“
 

mondnein

Mitglied
"Ist das noch Lyrik?",
fragt der Wandkalender und fällt ab.
ich habe schon wesentlich kühnere Sprachspiele und Gedichte gelesen

obgleich Finnegans Wake (Joyce) mit seinen polyvalenden Sprachspielen kein "Gedicht" im engeren Sinne ist,
wie gleichmaßen auch die wilde Metaphorik von "Naked Lunch" (Burrough),
und mein Lieblingsbeispiel, John Lennons "Walrus", als Pop-Art aus der Lyrik-Rezeption herausfällt,

wie auch z.B. sein(e) "Revolution Number Nine" auf der vierten Seite des Weißen Albums (The Beatles) von den Musiktheoretikern wohl kaum wahrgenommen oder gar analysiert wird, obwohl es ganz gewiß das meistgehörte Werk der musikalischen Avantgarde ist (mit einem Kratzer an der Stelle, wo die Hörer die Nadel von der Vinylplatte abzuheben pflegten).

In der bildenden Kunst dagegen gilt Pop-Art als absolut klassisch und maßgeblich.

Nicht so in der Dichtung.

grusz, hansz
 

N. Valen

Mitglied
Lieber Hansz,

danke für deine kunsthistorische Schneise – Joyce, Burroughs, Lennon, Beatles… da flattert mein Keksgeschwader fast schon verlegen durch die Luft.
Mir ging es hier nicht darum, kühner als die Kühnsten zu sein. Eher um den Spaß, Sprache in den Mixer zu werfen und zu schauen, was am Ende klebt: ein halber Satz, ein ganzer Unsinn, ein Keks auf Morphinflöten.

Vielleicht ist das eher Pop-Art als Avantgarde: bewusst albern, aber mit dem Ernst, dass auch Unsinn zum Stoff der Lyrik taugt.
Und wenn der Wandkalender dabei von der Wand fällt, dann darf er das ruhig ohne Lennon tun.

Viele Grüße
N. Valen
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Ich habe schon kühnere Sprachspiele gesehen, aber das hier ist nicht kühn allein, sondern gefährlich nahe an der Wahrheit. Also doch kühn. Die dada-ähnliche Sprache und die Logik ähneln auch Fatras und Fatrasien. Was ist eigentlich Kühnheit? Es ist Hervortreten und Tun. Hier kommt aber Denken dazu. Von mir eine Empfehlung.
Viele Grüße
Bernd

PS:
Das ist der Mut dazu, nicht zu kämpfen. Lob der Entkühnung.

Warten auf Godot statt Finnegans Wake von Beckett, aber viel kürzer.
Oder "Das Streichholz" von Dumitru Solomon.

Warum tun wir das? weil es schön ist.

Aber: wer ist WIR?
Ich habe Dein Werk gern gelesen, weil ich viele Zusammenhänge zur Geschichte fand.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
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PS:
Hier ein Vergleich zu Samjatin:


Resonanzen zwischen „Wir“ und „Keksgeschwader“
Samjatin („Wir“)Valen („Keksgeschwader“)Typologische Verbindung
Der „Einzige Staat“ als totalitäre Ordnung - ein positiv sein sollender menschenfreundlicher StaatDas „Nudelparlament“ als groteske InstitutionVerspottung durch kulinarische Metapher
Nummern statt IndividuenStreitende Socken im Kofferraum der Synapsen Subjektivität der Socken. Socken sind unbequeme Menschen. Bekannt besonders durch "rote Socken" - und leider streitet die Linke sowieso immer mit sich.
Gehirnoperation zur Entfernung des Fantasiezentrums„Bitte rückwärts verdauen“ --- Das Gedicht wird ausgeschieden, dahin, woher es kam.Performative Umkehrung der Rezeption, ich denke, das langt als Kommentar.
Tagebuch von D-503 als KontrolltextWandkalender als Kontrolltext fällt ab,
aberGedanken brennen nicht.
Zeitstruktur bricht, Archiv kollabiert
wenn auch nur scheinbar.
Rakete „Integral“ als Exportmittel der IdeologieKeks-General fährt Fahrrad im Magen - als Hilfe und BrechmittelModerne Technik wird absurd und wirkt wie Zauberei.
 



 
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