Klapaida Teil 10

Haarkranz

Mitglied
Klapaida
Hi, hi, hat den lieben Bernd ja mächtig gerissen, der Anblick der Hexe. Schwante dir,
mein Junge, du seiest mir schon einmal begegnet, hast meine Augen nicht vergessen. Na warte, bis du das Tagebuch lesen wirst, fein verknüpft hab ich euch, den doppelten Bernd mit der doppelten Nora. Verknüpft über die Jahrhunderte. Heute Nacht wirst merken, ist garnicht so lang und nicht so anders. Gleiche Menschen, ähnliche Probleme. Wie deine Kornmuhme, semper idem. Freu mich auf Maschas Augen, ihr Leuchten, wenn die frisch Verlobten sie einweihen in ihr Glück. Darf Mascha nicht vergessen, wird die meine werden, kann es kaum mehr erwarten. Wirst mitmachen, Bernd, Seite an Seite mit Nora, mir und Mascha, den Liebestraum träumen.
Was willst, Rogar? Könnte das Spiel beenden, hab sie zusammen an einem Platz, den Zeitspalt schließen? Habe nicht verstanden, Rogar. Sprich deutlicher! Was? Willst dir`s überlegen? Gut, nur nicht zu lange, ewig bleibt unser Urlaubspaar nicht hier. Bitte denk drüber nach. Rumpel meint, günstige Gelegenheit. Sagst nichts? Also brumm nicht ewig mit mir, die Zeit kommt, da brauchst mich sicher wieder!
Furchtbar, der Rogar, ziert sich, als wäre er wer weiß was! Wie oft hab ich ihm schon die Schwarte geschuppt, Tränklein gebraut, konnt sich nicht lassen vor Freud an der Wollust, schon vergessen, mein Freund? Sieh dich vor, ich hab ein langes Gedächtnis.

2003
Nachdenklich saßen Nora und Bernd hinter Rogowski im Wagen, jeder hing seinen Gedanken nach. Es dämmerte, als sie am See ankamen. Was soll ich auftischen zur Nacht, wollte ihr Kutscher wissen. Doch beiden war nicht nach essen. „Nichts, mein Lieber," entschied Bernd, und Nora stimmte zu, „der Streußelkuchen hat gelangt, zur Not liegt der Räucheraal noch im Korb. Müssen einen Gang zurückschalten mit der Futterei, sonst passt uns bald keine Hose mehr."
Als Rogowski erkannte, es war ihnen ernst, machte er ein betrübtes Gesicht und fragte: „Aber Frühstück dürfen wir doch bringen?“ Nora war aus dem Wagen gesprungen, nahm seine schlaff herunterhängende Hand: „Lieber Beschützer Rogowski," sagte sie lachend, „wir sind einfach nur satt, die herrlich deftige Landkost muss verdaut werden! Verdaut werden von Stadtmägen, die solcher Sachen total entwöhnt sind, wenn sie denn je solches geboten bekamen. Also, mein Lieber, mach ein fröhliches Gesicht, wir freuen uns jetzt schon auf den Frühstückskorb!"
„Gut, wie die Herrschaften befehlen," schickte sich Rogowski, „dann also bis morgen früh, werde, wenn wir kommen, läuten.“ Er schnalzte mit der Zunge. Karlchen zog an, fiel, den nahen Stall witternd in kurzen Trab, und bald war Wagen, Pferd und Kutscher hinter den hohen, das Seeufer säumenden Weiden verschwunden.
Nora lief voraus, Bernd musste eilen, um nachzukommen. „Warum rennst du so, Komtesschen,“ fragte er, nachdem er sie eingeholt hatte. Sie drehte sich um, ließ ihn dicht herankommen, sich in die Arme nehmen, um ihm ins Ohr zu flüstern: „Bitte Liebster, sag nicht Komtesschen, nachgerade graust mich vor den Kelms. Seit der Rogowski mich geoutet hat, ist etwas anders geworden, bin nicht mehr ich, Nora, so selbstverständlich, wie ich mir, meiner selbst unbewußt, bewußt war. Es gibt hier noch jemanden, jemanden der mit mir ist, mich beschwert. Bernd, lass uns abreisen, bitte. Sei nicht böse, es ist keine Albernheit, mag es auch so aussehen. Nenne es Intuition, meinetwegen weibliche Intuition, Vorahnung. Ich kann mir einfach nicht helfen, meine Leichtigkeit ist dahin.
Wir müssen es nicht sofort entscheiden, kann sein, der Zusammenprall mit der Vergangenheit, bewirkt meine Stimmung. War eben nie Jemand, will Ich sein, nicht Figur, Komtess! Lass uns drüber schlafen, so Gott will, schlafe ich die Grille tot, doch sollte es keine Laune sein, muss ich hier weg!“
Bernd drückte sie an sich, so fest er konnte, küsste sie, streichelte ihr Haar, ihre Arme, ihren Rücken. „Nora, Liebste, sorge dich nicht,“ er sah ihr ganz fest in die Augen, als er fortfuhr „sollte dich morgen nur die kleinste Sorge beschweren, packen wir! So schön es hier sein mag, kann es mir nicht gefallen, solltest du dich nicht wohlfühlen.“
„Danke Bernd, das erleichtert mich, will nicht zicken, doch mir ist unerklärlich mulmig.“
Wenn du wüsstest, wie recht du hast, dachte Bernd bei sich, sagte aber: „Komm, lass uns weitergehen, nacher kippen wir vor lauter liebevoller Umarmung ins Wasser, wogegen ich was hätte.“
Nora löste sich aus seinen Armen, bald saßen sie bei Petroleumsfunzellicht am Tisch, und machten sich über die Reste aus dem Frühstückskorb her. Bernd hatte es vor allem der Aal angetan. „Weißt du, Schönheit," dozierte er, „der Aal ist, nimmt du es genau, die Ursache für den Schnaps. Ohne die fetten, ach so leckeren Biester, die leider schwer im Magen liegen, hätten unsere Altvorderen sich nie den Kopf zerbrochen, wie dem Unwohlsein nach Aal, zu begegnen wäre. So aber mussten sie nach jeder fetten Mahlzeit, aufs Neue grübeln. Bei dieser Grübelei erinnerten sie sich der Schweine, wenn die torkelten und quickten, hatten die sich an überreifen, gärenden Äpfeln, Beeren oder jeder Art von Fallobst satt gefressen.
Das lustige, spielerische Gehüpfe der Tiere, mag unsere Vorfahren auf den Gedanken gebracht haben, es einmal mit Vergorenem zu versuchen. Darauf folgte, nachdem Alkohol auf diese Weise ausbaldowert worden war, ein Geistesblitz dem anderen. Ich mache es kurz, enden tat das Ganze mit der Flasche, die ich jetzt aus dem See ziehe.“
Nora sah ihn misstrauisch an: „Also, die Geschichte, mein Lieber, steht auf wackeligen Beinen, an sich sollt ich sagen, hat weder Hand noch Fuß. Doch erkläre mir bitte, welche Flasche ziehst du aus dem See?“
„Ach, schönstes der Mädchen, verstehe doch eine durstige Männerseele. Die Flasche eben, von der ich die ganze Zeit sprach, die von den Altvorderen gegen das Unwohlsein nach Aal entwickelt wurde!“
„Warum aus dem See? Bitte klär mich auf.“
„Noraleben, weil sie an einer Leine seit gestern im See hängt, um kalt zu bleiben für den Genuß!"
„Alte Schnapsdrossel, sauf nur, mich aber traktier bitte nicht mit dem Teufelszeug!“
„Ein Schlückchen, Nora, möchte ich dir anschmeicheln. Wegen der Liebe, versteh bitte. Mit einem klitzekleinen Schlückchen im Magen, werden deine empfindlichen Nüstern mein kleines Fähnchen nicht wittern, keine der Liebe abträgliche Abscheu wird entstehen.“
„Gut, liebster Säufer, einen Schluck gegen Abscheu. Ich mag Abscheu nicht zusammen mit Liebe sagen, aber weil wir schon von Liebe sprechen: Ich bin satt, geht beim besten Willen nichts mehr rein, in Nora. Was hält uns davon ab, Liebe zu machen? Hast du eine Erklärung, liebster Mann?“
„Um ehrlich zu sein, keine. Wüsste nicht, was zu erklären wäre, außer, warum wir so gemächlich dem Wollustlager zustreben und nicht schnell wie der Blitz!“
„Auf, Liebster, auf! Dass uns keine süße Sekunde durch die Lappen geht, wie ihr am Niederrhein sagt! Nimm deinen Schnaps mit, lass uns eilen, kann nicht länger warten, zwischen meinen Beinen brennt ein Höllenfeuer, nur du, mein starker unermüdlicher Rackerer kannst es löschen." Nach ausgiebigem Rackern und erfolgreichem Löschen, glitten sie fest umschlungen hinüber in ihre Träume.

1818Traum2003
Nora staunte nicht einmal mehr, als sie sich kaum eingeschlafen, in der Kutsche neben Bernd auf dem Weg von Lyck nach Steinfeld fand. Sie hatte sich mit ihm verlobt, da biss keine Maus den Faden ab. Rief sie sich die vergangenen, unendlich sich ziehenden Wochen, voll Hoffen auf eine Wiederholung des Kussereignisses nach der Gans ins Bewußtsein, so konnte sie sich nur schlecht mit der Eile anfreunden, mit der jetzt die Dinge in Fahrt gekommen waren. In spätestens einer halben Stunde würden sie Mascha mit der hoffentlich, nein, sicher frohen Botschaft gegenüber stehen.
Danach würde jegliches auf Steinfeld, sofern es die Frauen und deren Kompetenz, bei der Einrichtung eines neuen Hausstandes betraf, dem kommenden Ereignis der Hochzeit, untergeordnet werden. Ein leichtes Zittern, nein kein Zittern, es war ein Beben, das sich ihrer bemächtigte, ihr die Haut eng machte, so, als ob etwas sie schraubte und nicht aufhören wollte mit der Bedrückung.
In ihrer Not, zu der sich das Unerklärliche auszuwachsen begann, griff sie Bernd in die Zügel. Der brachte augenblicklich die Pferde zum Stehen: „Nora, was ist dir? Du bist bleich, jeder Blutstropfen ist aus deinem Gesicht gewichen?“
„Bernd! Nimm mich in den Arm, schnell, ja so und küss“ mehr konnte sie nicht sagen. Bernd verschloß ihr den Mund, seine Lippen raubten ihr den Atem, und sie fühlte, wie das Blut zu ihrem Herzen zurückströmte. Er hielt sie lange an sich gepreßt. Als sie sich vorsichtig voneinander lösten, er ihr prüfend ins Gesicht sah, war er erleichtert. Ein rosiger Hauch färbte ihre Wangen. Als sie die Augen aufschlug, blitzte wieder Schalk und Mutwillen in ihrem Blick.
„Was war dir, Liebste? Hast mich doppelt erschreckt, als Bräutigam und Arzt.“
„Ich weiß es nicht, Bernd, es überfiel mich, machte mich beben und zittern zugleich. Als ob siedendheißes, und eiskaltes sich in mir träfen. Es ist vorüber, fühle mich wieder wohl. Möglich hat das Gute mit dem Bösen in mir, um die Vorherrschaft gerungen.“
„Ach, liebste Nora, da bin ich bester Hoffnung für das Gute! Fahren wir weiter?“
Nora nickte, und Bernd ließ die Pferde traben.
Sie aber hing weiter ihren Gedanken nach. Gefangen hatte sie sich, aber stimmig war ihre Erklärung von Gut und Böse nicht. Sie konnte sich eines Bildes nicht erwehren, sah sich und Bernd im Haus am See, als ein Paar ineinander verschlungen liegen. Im letzten Moment gelang es, einen ihr in die Kehle steigenden Schrei zu ersticken, als ihr die Doppelexistenz bewusst wurde, sie erkannte, das Paar da auf dem Bett sind wir, Bernd und ich, wie die Beiden hier im Wagen.
Moses Libeskind, den sie nie gesehen, war Zeuge ihrer Verlobung, hat ihr, der Komtess gratuliert, uns viele, liebe Kinder gewünscht. Ein Traum, in dem ich war und wieder bin. Dazwischen die Besichtigung von Seegrund, der Kaffeeklatsch, die Fahrt mit Rogowski. Warum sagt Bernd nichts, er war dabei und ist es wieder! Wenn die zwei Noras eine Person sind, wie ist es dann mit den Bernds? Nach Anzug und Umgebung zu urteilen, liegen zwei Jahrhunderte zwischen unseren Auftritten. Also Traum, mein, Noras Traum. Den Bernd neben mir halluziniere ich mir dazu, kann eben nicht ohne ihn sein. Der verrückte Traum ein einziges Vergnügen, wäre noch vergnüglicher, wollte die Urlaubs Nora mich allein machen lassen. Verdirbt mir den Genuß mit ihren Durchblicken. Ich will die Traumverlobung, die Traumhochzeit, das Traumleben mit meinem Bernd. Werde später das Buch schreiben über seinen Alltag als Doctor, es mir dann, in meiner anderen Leben, nach unserer ersten Liebesnacht, von ihm schenken lassen.
Nur stör mich jetzt bitte nicht mehr, Nora! Will genießen, will Mascha als Mama sehen, den Papa sah ich noch nicht, werde ihn schon erkennen, wird schon werden. Die letzten Worte klangen wie ein Echo, mein Echo, fragte sie sich. Wird schon werden, hab ich das gesagt? Ach was solls, sie fühlte eine plötzliche Müdigkeit, meinte ihren Kopf auf die Brust sinken zu fühlen, und war gleich darauf wieder wach und in der Welt.
Bernd, Liebster, dachte sie, und rückte so nahe es ging an ihn heran, Bernd, ich deine Verlobte, darf dich Liebster nennen, mich ganz eng an dich kuscheln, obwohl ich deine Liebste noch gar nicht bin. Weißt du, Liebster, dass ich mich genauso affig benehme wie die Bräutchen, die ich schon erlebt, über die ich mich nicht genug mockieren konnte. Mama hat mich oft verwarnt: Nora Mädchen, hat sie gedroht, ich merke mir deine Sotissen, werde sie dir zu gegebener Zeit auftischen! Glaube nur nicht, die Liebe verschont dich! Bisher hat sie Weiber immer noch zu Närrinen gemacht, jedenfalls temporär. Dich auch, liebe Mama, setzte ich nach, doch Mascha blieb Herrin der Lage: Geh davon aus, Kind, habe mich nur von innen gesehen. Was sich die Umwelt dachte, verschwieg sie mir.
Bernd schreckte sie mit lautem Peitschengeknall, aus ihren Gedanken. Sie bogen eben ein auf den Hof von Steinfeld. Etwas enttäuscht erkannte Nora, kein Begrüßungskomitee.
Bernd reichte ihr die Hand als sie vom Wagen sprang, sah sie an und fragte: „Seh ich da wieder einen Schatten in den schönen Augen?“ sie nickte, „Ja du siehst! Du siehst den Schatten einer Enttäuschung, deiner, wie ich meine, total affigen Braut. Ich muss dem schnell Einhalt gebieten, denn eine ausgewachsene Schimpansin werdet Ihr nicht zum Traualtar führen wollen, Herr Doctor Bern, oder irre ich?“
Bernd fragte lachend zurück: „Was, meine Liebe, enttäuscht dich?“
„Ach Bernd, ich erkläre es ungern. Deine kleine Äffin hat sich ausgemalt, mit großem Hallo empfangen zu werden, wie es sich für ein frisch verlobtes Paar geziemt. Vergaß, keiner weiß von unserem Glück!“
„O Norchen, lass das man nach, mit der kleinen Äffin. Sowas schleicht sich allzu schnell ein, wird leicht zu einer Unart, die dich ärgern könnte. Lass deine Brüder das Äffchen nur einmal hören, und du wirst ein Leben lang das Äffchen für sie sein!“
„Wie recht du hast, Bernd. Werde mir die Dummheiten aus dem Kopf schlagen, mich auf die würdevolle Stellung einer Frau Geheimer-Ratsmedicus vorbereiten. Lautet dein Privileg nicht ähnlich? Oder kommt königlich preußisch darin vor? Jedenfalls soll es Ehrerbietung erzeugen, nur aus diesem Grund vergibt Majestät all die Titellagen oder heißt es Titulaturen? Majetät ist doch nichts anderes, als eine im Spreizgang daher gravitärende Titulatur? Stimmt`s? Sag, dass es stimmt! Wiederhole es bitte für mich, habe ich doch schön gesagt oder besser noch: Gravitärende Titularspreize?“
„Nora! reitet dich wieder der Teufel?“ Mascha stand oben auf der Treppe, hatte ihrer Tochter Eskapade mit angehört. „Was hat es gegeben, Bernd? Wenn Nora so überdreht ist, hat sie sich entweder erschreckt oder schrecklich gefreut?“
„Was soll ich dazu sagen, Mascha? Nein, für diesmal streiche ich die Mascha, sage einfach Schwiegermutter!“
Mascha, neun Stufen über ihnen, griff haltsuchend nach dem Türrahmen, ob dieser sie völlig überraschenden Nachricht, doch sie fasste sich augenblicklich.
„Claus!“ rief, nein schrie sie. „Claus Kelm komm, lass alles stehen und liegen!“ Zu Nora und Bernd, die noch am Fuß der Treppe standen. „Bitte bleibt, wo ihr seid. Solche Augenblicke hat das Leben nicht oft, die müssen gebührend begangen werden. Wo bleibt der Papa denn?“ Bevor sie nochmal Claus schreien konnte, stand Kelm neben ihr.
„Wo brennts, meine Liebe?“ fragte er ein wenig überrascht, Exaltation war so gar nicht die Art seiner Frau.
„Siehst du nichts, Claus? Fühlst du nichts? Du fragst zu Recht, wo brennts, ja das Haus brennt und du bleibst unberührt? Sieh, wer dort unten an der Treppe steht!“
„Unsere Tochter“ begann Claus Kelm den Satz, den Bernd mit „und dein Schwiegersohn in spe," beendete.
„Potztausend! Potztausend noch mal!“ entrang es sich des Papas Brust, was prompt dazu führte, dass Mascha fauchte: „Mein Gott, dieses stupide Potztausend, fällt dir nichts anderes zur Verlobung deiner Ältesten ein?!“
Statt einer Antwort, sprang Claus mit drei schnellen Schritten die Stufen herunter, und nahm Nora und Bernd in die Arme. „Oh, wie mich das freut für dich, Nora,“ quetschte er mit tränenfeuchter Stimme hervor, „einen besseren konntest du in der ganzen Provinz, was sag ich, im ganzen Königreich nicht finden. Kommt Kinder, das muss gefeiert werden!“
Mascha stand währenddessen noch oben auf der Treppe, sah hinab auf die Dreiergruppe zu ihren Füßen. Erst als Claus rief: „Mascha, nun komm schon runter,“ stieg sie langsam die Stufen hinab, wobei ihr allererlei Ungrades durch den Kopf raste. Nora und Bernd, klopfte ihr Herz, sie spürte sein starkes Klopfen bis in die Schläfen. Nicht Mascha und Bernd, nie hatte sie sich getraut zu denken, was ihr jetzt auf der Zunge lag. Bernd, von dem sie geträumt hatte, der in Traumnächten der ihre gewesen, Gestalt geworden, sie bis an die Pforten des Glücks geleitet, um als Erfüllung nah, ja hätte geschehen können, Chimäre zu werden.
Ihre Arme reichten nicht, um Tochter, Schwiegersohn und Mann zu umfangen. So nahm sie sich jeden Kopf einzeln vor, küsste die linke Wange für Gesundheit, die rechte für Reichtum und den Mund für das Glück. Als sie Bernd auf seinen, für einen Mann wie sie oft gedacht, zu verführerisch roten Mund küsste, wußte sie, jetzt muss bald ein Stuhl her, sonst ist Auflösung nicht mehr weit. Sie musste noch Claus küssen, war froh, sich an ihm festhalten zu können, als er befahl: „bitte mir zu folgen,“ sie schnurstracks in die Bibliothek führte, selbst im Keller verschwand, um, wie er sagte, nicht das Beste, nein das Allerbeste zu Tage zu fördern!
Als Mascha saß, fühlte sie, wie der Abgrund dem sie so nahe gewesen, sich langsam schloss.
„Nun Kinder, erzählt bitte, was euch veranlasste, euch so plötzlich aus heiterem Himmel ins Unglück zu stürzen?“ rettete sie sich in Konversation.
„Ins Unglück?“ protestierte Nora.
„Nora Liebes, du weißt doch, das allerhöchste Glück muss, sprichtst du zum erstenmal davon, zum Schutz vor Götterneid, gegenteilig benannt werden.“
„Ach Mama, dein alberner Aberglaube!“
„Lass nur, Nora, sollte er nicht nützen, der Aberglaube, schaden tut er sicher nicht.“
Hier nahm Bernd das Wort: „Du weißt, Mascha, ich musste nach Lyck, um mit Moses wegen des Hausbaues zu sprechen, und gleichzeitig erkunden, wie es mit Bewilligung und Genehmigung aus Königsberg stand. Um es kurz zu machen, beides liegt vor, wobei die Bewilligung höchst großzügig und komfortabel, mit Zehntausend Talern ausgestattet ist. Dies hören und begreifen, gleichzeitig Nora um ihre Hand bitten, war ein Gedanke, eine Handlung, ein Atemzug. Moses kann es bezeugen. All dies hat stattgefunden, auf offener Straße vor seinem Haus!“
„Halt, halt, wartet mit dem Erzählen, kein weiteres Wort bitte, muss nur die Flaschen vom Staub und seinen Netzen erlösen lassen!“ schnaufte Claus, als er aus dem Keller hochkam und etwas atemlos nach der Mamsell rief. „So, jetzt bin ich ganz Ohr, habe ich schon viel versäumt?“
„Aber Claus," lachte Bernd, „gewiss nicht, ich erzähle es nur zu gerne noch einmal, zumal mir schwant, werde es noch oft berichten müssen, da schadet ein wenig Übung nicht.“
Während Bernd sprach, rührte Claus ungeduldig in dem Kübel mit Eiswasser, in dem die Champagnerflaschen lagen, die die Mamsell mit Hilfe eins Küchenjungen auf den niedrigen Rauchtisch der Bibliothek gewuchtet hatte.
„Also," erläuterte Bernd, „die bewilligten Zehntausend Taler, erlauben Wohnhaus und Spital großzügig zu gestalten, und für eine Apotheke für Mascha und Klapaida wird es auch noch langen.“
„Wunderbar, ach wie ich mich freue,“ jubelte Mascha, „zu korregieren ist die Namensabfolge: Klapaida und Mascha muss es heißen.“
Mittlerweile hatte Claus die ersten zwei Flaschen entkorkt: „Habt acht auf dieses Tröpfchen, geboren noch vor Ludwig des Sechzehnten Tod! Lass mich mit dir anstoßen, lieber Bernd, dich hatte ich vom ersten Tag in mein Herz geschlossen! Dass es nun zu einer Verbindung durch die Liebe kommt, macht uns überglücklich. Ich sagte uns, als Familienoberhaupt, spreche ich für alle Kelms. Was die Verbindung so besonders illuminiert, ist das Fehlen jedes majoratsherrlichen Kalküls, in diesen Breiten eine Seltenheit!“
„Bravo Papa!“ klatschten Mutter und Tochter Beifall, eine schönes Stegreifwillkommen für unser neues Familienmitglied, ergänzte Mascha, die sonst die kleinen Ansprachen zu halten pflegte.
„Wisst ihr,“Bernd nahm einen ersten Schluck, hob die Augen zur Decke und schnalzte geniesserisch. „Wisst ihr,“ begann er nochmals „von unserer Verlobung, so wie sie sich äußerlich abspielte, ist alles erzählt. Was in uns, Noras Seele und meinem Herzen geschieht, kann nicht berichtet werden. Aus diesem Grunde möchte ich vorschlagen, Ihr, liebe Schwiegereltern, steigt hinab in eure Vergangenheit, erzählt uns von eurer Verlobung und wie es dazu kam.“
„Potztausend! Unsere Verlobung, Mascha, ein Menschenalter her, erinnerst du dich?“
„Hätte ich damals gewußt, wie oft dein Potztausend meine Ohren beleidigen würde, mein lieber Mann, erinnerte ich mich nicht, es hätte keine Verlobung gegeben!“
„Mascha, halt ein,“ erhob Bernd Einspruch, „denke bitte an mich, ohne Verlobung keine Nora!“
„Ist ja schon gut," besänftigte Mascha, „Claus weiß genau, wie mir sein ewiges Potztausend widersteht. Warum sagt er nicht, Ach Herrje, oder sonst was?“
„Weil,“ verteidigte sich Claus, „das dumme Potztausend an die Stelle von Ach Herrje getreten ist, denn dieses verstößt gegen das erste Gebot: Du sollst den Namen Gottes in Ehren halten. Ach Herrje meint: „Ach Herr Jesu,“ so wurde sein Name von jedermann alle naselang im Mund geführt, bis es durch das harmlose Potztausend ersetzt wurde. Bei Maschas ständigem:Herrje!, bin ich nicht sicher, wie beim Jüngsten Gericht, wo bös und gut nach Gramm bemessen, Herrje gewichtet werden wird.“
„Claus, du machst dich," lenkte Mascha ein. „Aber jetzt genug des Gezerres, wir sollen von unserer Verlobung berichten, da bist du der kompetentere Berichterstatter, ich war damals nicht mehr als ein hübsch anzusehendes, unerfahrenes Gör.“
Nora sah ihre Mama nach dieser Erklärung mit hochgezogenen Brauen an. Mascha merkte das wohl, und gab ihr sofort Bescheid: „Nora, guck nicht so, erstens war ich zwei Jahre jünger als du jetzt, und zweitens habe ich an meinen Kindern gutgemacht, was meine Eltern an den ihren versäumten. Als ich erkannte, wie unwissend ich war, habe ich mich unter Papas Anleitung, in die Bücher unserer Bibliothek hier vergraben.“
„Hat sie,“ bestätigte Claus. „war wie ein Schwamm, was ich und die Bücher wussten, saugte sie ein, konnte nie genug kriegen.“
„Interessant, was man an seinem Verlobungstag so erfährt“, schüttelte Nora ungläubig den Kopf. „Umso gespannter bin ich jetzt auf eure Geschichte! Spann mich nicht länger auf die Folter, Papa, fang an!“
„Nora!“ Mascha hob einen mahnenden Finger, wie zu Kindertagen. Es heißt: Spann uns nicht länger auf die Folter. Aus dem ich, wird durch Verlobung und Ehe ein wir!“
Ein wenig errötete Nora, als sie sich abbittend Bernd zuwandte, ihre Hand auf seine legte, versucht war ihn zu küssen, aber sie sagte nur: „Ich lerne das noch, Liebster!“
„Also“ Claus fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, hielt in der Bewegung inne, verharrte sich sammelnd einen Augenblick und begann: „Also, gar nicht so einfach, den Einstieg zu finden. Sollte ich bei unserer Verlobung anfangen, ist meine Geschichte so schnell zu Ende wie eure. Was käme und Zeit bräuchte, wäre die Geschichte unserer Ehe, also Teil deiner Geschichte, Nora.
Aber ich habe den Anfang jetzt, muss noch einmal also sagen, und bin schon im Jahre 1792. Damals war ich eben fünfundzwanzig Jahre jung geworden, hatte, wie meine Zeitgenossen erst mit Erstaunen, dann aber mit wachsender Besorgnis, die Ereignisse im fernen Paris beobachtet. Schon hier sollte ich korregieren, beobachtet trifft es nicht, denn bis wir hier erfuhren, was sich dort zugetragen hatte, war das, was wir für den akuten Zustand hielten, längst wieder abgeräumt und von anderen Machinationen ersetzt worden.
Wirklichkeit, und nicht Handlung wie auf dem Theater wurde das Ganze, als die französische Republik dem König von Böhmen und Ungarn am 20.4.1792 den Krieg erklärte. Mit dem König von Böhmen und Ungarn war der Kaiser gemeint, so wollten die Revoluzzer vermeiden, sich das Heilige Römische Reich, dessen Kaiser der Habsburger war, zum Feinde zu machen.
Ich will nicht auf all die sich überstürzenden Einzelheiten eingehen, nur soviel, Ludwig der XVI. wurde am 21. September 1792 abgesetzt und am 21. Januar 1793, wie uns allen bekannt, guillotiniert. Da hatten die republikanischen Truppen bereits Belgien und in einem Zuge gleich das linke Rheinufer bis Mainz besetzt, korrekt ist annektiert, und den Rhein zur natürlichen Grenze ihrer Republik erklärt.
Österreicher, Preußen und etliche Reichsfürsten, hatten sich mittlerweile berappelt, und zu einer Koalition gegen Frankreich zusammenfindend, drängten sie die französischen Truppen erfolgreich zurück. Ich gehörte zum preußischen Kontingent dieser Truppen, als Leutnant im Kavallerieregiment Nr. 5, unter dem Kommando von Oberst Graf Werdenau.
Eines morgens erhielt ich Befehl, das vor uns liegende Gelände, eine mit Hecken und Büschen durchsetzte Landschaft zu erkunden, um sicherzustellen, unser Tross konnte unbeschadet dort irgendwo sein Biwak aufschlagen. Ich nahm mir den Reiter Klaus Wirgus, unseres Müllers Sohn, der mit mir eingerückt war, und einen Trompeter der durch Signal Verstärkung herbeirufen würde, sollte es die Lage erfordern. Wir ritten los und fanden das Gelände unbesetzt vom Feind.
Ich wollte eben dem Trompeter Order geben, das Signal, 'Feind frei, nachrücken', zu blasen, als mehrere Schüsse krachten. Klaus Wirgus riss es vom Pferd, ich duckte mich tief auf den Hals meines Braunen und versuchte herauszufinden, wo die Schützen saßen, als mir wieder die Kugeln um die Ohren pfiffen. Diesmal hatte ich das Blitzen der Mündungsfeuer ausgemacht, sofort trieb ich mein Pferd vorwärts auf eine Hecke zu, keine fünfzig Meter von unserem Standort entfernt. Meine Chance war, da zu sein, bevor die Musketen nachgeladen waren, das Risiko noch nicht abgeschossener Musketen eingehend. Das sind Gedanken im Nachhinein. Im Moment war da nur geballte Kraft und Konzentration. Den Säbel schlagbereit hoch über dem Kopf, sprengten wir in die Hecke und hieben auf alles ein was sich regte.
Ich sah, wie ein Mann in Zivil, eher noch ein Junge, als Kombattant nur mit der rot weiß blauen Kokarde der Revolution ausgewiesen, sein Gewehr auf mich richtete, doch mein Säbel streckte ihn zu Boden, bevor er abdrücken konnte.
Auch mein Trompeter hatte sein Blasinstrument fallen lassen, zum Säbel gegriffen und gleich mir totgeschlagen, was totzuschlagen war. Drei zerhauene Franzosen hingen in der Hecke, vier weitere hatten die Beine in die Hand genommen, rannten, was das Zeug hielt, davon. Wir sahen von einer Verfolgung ab, die uns schnell in weitere Hinterhalte hätte führen können.
Als Nächstes kümmerte ich mich um Klaus, meinen Spielkameraden aus Kindertagen, doch da war nichts mehr zu machen, eine Kugel hatte ihm den halben Kopf abgerissen.
Der Trompeter blies 'Feindberührung erfolgreich abgewehrt' und wir warteten an Ort und Stelle auf Verstärkung. Erst jetzt merkte ich, meine Beine trugen mich kaum noch. Da kam schon mein Trompeter, zog ein scharfes Messer aus der Tasche und schnitt mir die Uniformjacke vom Leib. Es tat höllisch weh, aus meiner Brust quoll Blut. Mein Helfer rollte, was von meiner Uniform geblieben zusammen, hieß mich niederlegen und schob mir das Bündel unter den Nacken. Dann knöpfte er mir das Hemd auf und untersuchte:
„Herr Leutnant, da haben wir die Bescherung. Tut das Atmen weh?“ Ich nickte, an meinem Gesicht wird er erkannt haben, wie sehr.
„Herr Leutnant," fuhr er fort, „mein Vater ist Tierarzt. Will sagen, er hilft bei Geburten, ist oft schwer für die Kühe, Ihr wisst, die Kälber haben so dicke Köppe. Sonst verarztet er, was kommt, ich habe oft zugesehen und geholfen.
Ihr, Herr Leutnant, seid nicht tot, weil eine Rippe die Kugel vor dem Herzen abgefangen hat. Ich sehe die Kugel oder was von ihr übriggeblieben ist. Bitte um Befehl, das Ding entfernen zu dürfen, danach die Wunde zu säubern. Tut höllisch weh, geht aber schnell und wird kein Brand werden.“
Ich nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Der Schmerz dachte ich, kann gar nicht grösser werden. Ich sollte mich getäuscht haben.
Mein Arzt holte eine Flasche Branntwein aus seiner Satteltasche, und wusch seine Hände mit einem gehörigen Schwall von dem Schnaps. Dann war er über mir, und verursachte einen so höllischen Schmerz, dass mir die Sinne schwanden. Als ich wieder zu mir kam, war mir mein Hemd als Verband um die Brust gebunden. Wo die Kugel gewesen war, hockte neben dumpfer, mir kaum Raum zum Atmen lassender Bedrängung, ein kreischender greller Schmerz, wie von einer Säge im Fleisch.
„Geht’s, Herr Leutnant?“ fragte mein Helfer. Ein ordentlicher Schluck aus der Pulle mag helfen, empfahl er, und weiter sagte er:“Haben Glück gehabt, der Herr Leutnant. Die Kugel hier, er hielt ein verdrehtes Stück Blei zwischen Daumen und Zeigefinger hoch, ist zu klump, aber nicht zersplittert, so dass keine Eiterung möcht eintreten.
Habe die Wunde gut mit Schnaps versorgt, was Herr Leutnant als Brennen fühlen tut. Empfehle Herrn Leutnant, keine Feldscher oder Ärzte mit ihren schmutzigen Fingern an sich dranzulassen. Die armen Luders sterben oft nicht an der Kugel, sterben an die dreckigen Hände von Feldschern und hochwohlgeborenen Ärzten. Bitte Herrn Leutnant, das überhört zu haben, aber zu tun, was ich sagte.“
War gar nicht so einfach, mir die fachkundigen, dreckigen Finger vom Leibe zu halten. Ein Werdenfels nahestehender Arzt ging soweit, mir nachzusagen, ich verweigerte mich der Untersuchung, um vor weiterem Kombatt verschont zu bleiben. Ich forderte ihn auf Pistolen oder Degen, ganz nach seinem Belieben, aber der Kerl kniff.
Nicht nur für mich war der Krieg zu Ende, auch Preußen zog es vor, aus der Koalition unter Verzicht auf das linke Rheinufer, also Obergeldern, sowie die Städte Cleve und Moers samt Umland, auszuscheiden. Eine schändliche Handlungsweise, die mit dem Friedensschluß zu Basel festgeschrieben wurde.“
„Was ich bestätigen kann, Claus,“ unterbrach Bernd „ich war die längste Zeit meines Lebens französischer Bürger. Was im Übrigen nicht nur von Nachteil war, mit dem Code Civil schenkte uns Napoleon eine gerechtes, modernes Gesetzbuch. Wir täten uns verteufelt schwer, mit den Vorschriften des restaurativen Preußen, Gott sei Dank ist der Code Civil bei uns in Cleve und dem linken Niederrhein nach wie vor in Kraft.“
„Pflichte dir bei, Bernd, nur lass uns nicht in die Politik abschweifen. Von Politik hat niemand der zur Zeit in Berlin Herrschenden eine Ahnung. Da geben irrlichternde Pastoren den Ton an, während ein Mann wie vom Stein vergessen ist und Hardenberg mit der Fürstung seine Vergangenheit ad acta legte.
Aber ich habe Berlin gesagt, lasst mich bei Berlin bleiben, könnte mich in Einzelheiten verheddern, und eure Aufmerksamkeit strapazieren. Also, ich nahm meinen Abschied als Oberleutnant und verließ, ohne dass ein Doktor mich untersucht hätte die Armee putzmunter, meinem Trompeter sei Dank!
In Berlin war mein erster Weg nach Charlottenburg, wo die Eltern in der Seydlitzstraße eine Stadtwohnung gemietet hatten. Berlin war mir ein Buch mit sieben Siegeln, also nahm ich mir eine Droschke und ließ mich hinfahren. Die Eltern residierten in der Belle Etage, also die breite Freitreppe hinauf und ich stand vor ihrer Wohnungstür. Betätigte den Türklopfer, nichts rührte sich. Klopfte nochmal, diesmal heftiger. Nach einer Weile hörte ich Schritte und dann eine zaghafte Stimme: Es ist niemand zuhause, die gnädige Frau kommt erst nächste Woche zurück.
Ich erkannte Elfriede, die Zofe meiner Mutter, gab mich zu erkennen und begehrte Einlass.
Die Tür flog auf und Elfriede stand in Tränen aufgelöst im Rahmen. Schluchzend erklärte sie, der gnädige Herr sei vor zwei Monaten verstorben, und die gnädige Frau habe sich seitdem, nicht aus ihrem Schlafzimmer gerührt.
Der Tod meines Vaters traf mich, aber noch mehr das sonderbare Verhalten meiner Mutter, die ich als resolute, meinen Vater lenkende Person kannte. Da musste noch andere Ursache, als sein Tod vorliegen. Ich klopfte an die Tür ihres Zimmers, sie erkannte meine Stimme, öffnete, und ich erlebte das gleiche Tränenschauspiel wie bei Elfriede.
Um es kurz zu machen, die Mama verbarg sich vor den Gläubigern meines Vaters, die mit immer neuen Forderungen und Wechseln, auf Zahlung drängend über sie hergefallen. In ihrer Not hatte sie Elfriede angewiesen, sie zu verleugnen, in der Hoffnung, dass ich, da der Krieg zu Ende, ehestens auftauchen würde oder alles sei dahin. So drückte sie sich aus: Alles dahin!
Bitte Mama, versuchte ich sie zu trösten, sagt mir, um welche Gläubiger und welche Schulden es sich handelt. Ich werde die Gläubiger aufsuchen und mit ihnen reden. Verstecken bringt da gar nichts. Wieder entquoll ein Tränenstrom ihren Augen, ich schäme mich so mein Junge, entrang es sich ihr unter heftigem Schluchzen, es sind Spielschulden!
Na gut, Mama, sind es eben Spielschulden. Papa konnte, wie wir beide wissen, keinem Spiel aus dem Wege gehen. Gibt es Schriftliches über die Höhe der Schulden, und wem schulden wir was?
Sie ging zu ihrem Sekretär, und gab mir einige Schriftstücke, in denen fein säuberlich die von meinem Vater akzeptierten Wechsel, samt Zinsen und Zinseszinsen, aufgelistet waren. Es stellte sich heraus, einige der Papiere kursierten schon seit Jahren, waren immer wieder vorgelegt und nicht bezahlt, sodann mit ständig steigendem Zins, für später fällig gestellt worden. Der Zins, der aufgelaufen, übertraf die tatsächlich entliehene Summe beträchtlich. Alles in allem schuldeten wir ca. 8000.- Taler, sofern sich nicht noch weitere Gläubiger meldeten.
Ich machte mich stracks auf zum Besitzer der Wechsel, Herrn Herschel Serpent, einem, wie ich schnell eruierte, im Dunstkreis der Offizierscasinos wohlbekannten Geldverleiher. Herr Serpent war freundlich und zuvorkommend, fürchtete, wie er beteuerte, nicht um sein Geld, gab es doch das Gut Steinfeld, ein mehrfaches die Summe wert, die der selige Herr Graf verspielt hatte.
Meine Frage nach weiteren Gläubigern konnte Serpent nicht beantworten, meiner Bitte um einen Monat weitere Stundung, war er gern bereit nachzukommen. Auch länger, wenn der Herr Graf wollen, beeilte er sich einzuräumen, nur verliehenes Geld bringt Zinsen, in meiner Kasse verfault es nur.
Auf meine Frage, warum er die Gräfin Kelm dann bedrängt habe, reagierte er verständnislos. Ich soll die Gräfin bedrängt haben? Ja, glaubt Ihr, ich will mich um mein Geschäft bringen? Ich verleihe Geld nur an Leute, deren Bonität ich geprüft habe, wie könnt ich mich erdreisten, die gnädige Frau zu bedrängen! Weder schriftlich noch persönlich, bin ich nach dem Tod Ihres Herrn Vaters vorstellig geworden! Ich bedankte mich und wusste, es gab weitere Gläubiger.
Die Sache wuchs mir über den Kopf. Was ich dringend brauchte, war sachkundiger Rat. Gott sei Dank es gab eine Person, die den erteilen konnte. Ich schloss die Wohnung, hinterließ beim Vermieter Nachricht, ich sei in spätestens drei Wochen zurück, um die Angelegenheiten meines verstorbenen Vaters zu regeln, bis dahin bäte ich um Geduld. Packte die Mama und Elfriede in eine Extrapost, und schon waren wir auf dem Wege nach Lyck. Je näher wir Masuren kamen, umso mehr beruhigte sich die Mama, die meiste Zeit schlief sie.
Wir fuhren drei Tage und Nächte mit nur kurzen Unterbrechungen, die Herbergen an der Poststraße luden wahrlich nicht zum Verweilen ein, da waren wir in der Kutsche besser aufgehoben, zudem wir die einzigen Fahrgäste waren.
Während der langen Stunden in der rumpelnden Post, verlor Elfriede ihre Scheu, erzählte von dem letzten Jahr, da ich im Felde gestanden, und von dem, was in Berlin vorgefallen. Aus ihren Schilderungen schloss ich, Papa war unter schlechtesten Einfluß geraten, die Mama hatte nicht die Kraft aufgebracht, dagegen anzukämpfen. Da war von Etablissements die Rede, einer Mizzi, der er eine Wohnung unterhalten haben soll, einer Beteiligung an dubiosen Geschäften, die in einer Katastrophe endeten.
So konnte ich mir einen Reim darauf machen, wer die Gläubiger waren, die meine Mutter bedrängt hatten. Sicher hatte sie sich noch mehr geschämt, mir von diesen Eskapaden meines Vaters zu berichten, als von seinen Spielschulden.
Ich erkannte, mit dem Entschluss nach Lyck aufzubrechen, richtig gehandelt zu haben und konnte es kaum erwarten, Moses Libeskind meine Sorgen anzuvertrauen.
In Steinfeld angekommen, legte sich die Mama sofort zu Bett um von den Strapazen der Reise auszuruhen, umsorgt von der überglücklichen Elfriede, die sich endlich wieder sicher fühlte. Leider ist zu sagen, die Mama stand von ihrem Lager nicht wieder auf, es waren wohl weniger die Strapazen der Reise, als das Ungemach der letzten Zeit, dem ihr Herz nicht widerstand.
Ich hingegen fühlte mich bestens betreut. Moses Libeskind tanzte vor Freude, als er meiner ansichtig wurde. Lieber junger Graf, wie ich mich freue, Euch lebendig und unversehrt zu sehen, kann gar nicht genug dem Ewigen Dank sagen. Was Eure Kalamitäten betrifft, die lasst meine Sorge sein. Damit kann unsereins besser umgehen als Ihr.
Ich gab Moses Vollmacht, alles nach seinem Gutdünken zu regeln, zu verkaufen und zu bezahlen. Nach drei Tagen saß er in der Extrapost, unterwegs nach Berlin. Ich kam der traurigen Aufgabe nach, die Mama zu begraben. Unser Pastor fand tröstende Worte, ich pflichtete ihm trotz der Trauer bei, die meiste Zeit ihres Lebens hatte die Mama im Glück verbracht.
So Kinder, jetzt nähere ich mich so langsam der Verlobung. Nein, erst muss ich die junge Dame kennenlernen, mit der ich mich alsbald verloben sollte. Ich räume ein, so wie bei euch, rack zack, ging das nicht. Wir hätten uns über den Weg laufen müssen, aber dafür wohnte Mascha nicht nahe genug. Nach Blumenthal bei Insterburg, wann hätte es mich dahin verschlagen sollen, hatte keine Ahnung das es den Ort gab.
Dafür aber ist die stille Post unserer Frauen gut, die es in der Seele nicht ausstehen können, wenn da jemand, Weiblein oder Männlein, sich allein durchs Leben grämt. So ging es mir. Bedurfte derber Hinweise, bevor ich überhaupt bemerkte, dass ich allein und ohne Frau war. Bei der Arbeit, die ich leistete und noch absehbare Zeit zu leisten hatte, bis Steinfeld wieder im Ruder lief, war mir das nicht aufgegangen. Hinweise gab es jedoch genug, die meisten schlug ich in den Wind, kannte die Damen die in Frage kamen, verspürte keine Verlangen, dachte ich an Kinderschar und Konvention.
Bis anlässlich einer Jagd, zu der unsere Nachbarn, die Dönbergs, geladen hatten, Elsa, die Frau des Hauses, mich abends beim Schüsseltreiben beiseite nahm, um mir von einer aparten Blume, Mascha geheißen, die auf Gut Blumenthal des Gepflücktwerdens harre, zu erzählen.
Mein Interesse hielt sich in Grenzen, wegen der Fragen künftiger Schwiegereltern nach meinen finanziellen Verhältnissen, aber auch, weil Insterburg einen strammen Tagesritt von Lyck entfernt lag. Das bedeutete zu lange Abwesenheit von Steinfeld, konnte ich mir einfach nicht leisten.
Moses war mit einem halbwegs akzeptablen Ergebnis aus Berlin zurückgekommen. Er hatte das komplette Interieur, nebst Mamas hinterlassenem Ballschmuck verkauft, die Gläubiger befriedigt, und mit einem Saldo von 22.000.- Talern miese abgeschlossen, wozu noch die 8000.- von Serpent zu rechnen waren. Jeder Posten peinlichst genau in Moses Buchhalter-Schrift dokumentiert, nebst Protokoll der bedrohlichen Verhandlungen mit der Halbwelt, wie er das nannte.
Die Halbwelt berühmte sich Forderungen von 40.000.- Talern an meinen Vater, behauptete Beweise beibringen zu können. Moses erklärte sich einverstanden zu verhandeln, sobald unterschriebene Belege vorlägen. Nach zwei Tagen forderte Halbwelt einen Termin, sämtliche Beweise seien stichhaltig und würden unterbreitet werden.
Moses hatte derweil, durch Vermittlung seiner Berliner Verwandschaft, einen pensionierten Richter engagiert, der die Beweise zu begutachten bereit war. Höre ich mir an, wie die Schulden entstanden sind, meinte der, möchte wetten alte Bekannte bei der Beweisvorlage zu treffen.
Das Treffen war in einem Gasthaus auf der Hasenheide verabredet. Der Richter, Herr von Soltau, kannte den Laden, klassifizierte ihn als üble Spelunke, beruhigte aber Moses: Libeskind, bange machen gilt nicht. Ihr werdet sehen, erkennen die erst einmal in wessen Geleit Ihr fahrt, werden die klitzeklein.
Die Belege, die vorgelegt wurden, erklärte Soltau erst einmal samt und sonders für gefälscht, und zwar deshalb, weil ich dich Rabner, er zeigte auf einen sich im Hintergrund herumdrückenden Menschen, vor sechs Jahren zu zehn Jahren Arbeitshaus verurteilt habe, und mich wundert, was du hier zu suchen hast. Du wirst, wenn wir hier fertig sind, mitkommen, und ich liefere dich da ab, wo du hingehörst, verstanden?! Sollte einer von euch meinen, mir oder Herrn Libeskind im Wege stehen zu müssen, gar einen von uns anrühren, endet ihr alle auf dem Schaffot! Ritz ratz! Klar?
Das Ende vom Lied, aus 40.000.- wurden 22.000.-Taler, die einwandfrei belegt waren. Zinsen gab es keine, Soltau vergaß Rabner mitzunehmen. Moses wandelte alles in eine langfristige Hypothek, zu akzeptablen Zins auf Steinfeld um, ich hatte zehn Jahre Zeit zu tilgen.
Papas Schulden waren, in Übersichtlichkeit verwandelt, zu ertragen. Was ich zwingen wollte war, aus Steinfeld etwas zu machen. Wollte nicht einfach erben, denn trotz der Hypothek war das Erbe noch höchst respektabel, wobei mir zugute kam, ich war das einzige Kind meiner Eltern. Schulden, wie sie mir hinterlassen, hatten Erben mit vielen Geschwistern in fünfacher Höhe, und oft weit mehr, zu deren Abfindung aufzubringen.
Ich war besten Mutes. Alles ließ sich gut an. Den Krieg hatte ich gesund überstanden, die körperliche Arbeit, als mein eigener Knecht auf Steinfeld, schmeckte mir. Eines Mittag’s, wir waren mitten in der Heuernte, ich stand hoch oben auf dem Heuwagen, Johann, mein Vormann, stakte mir Ballen zu, näherte sich eine Reitergruppe und bat um Auskunft, wo hier der Gutsherr Graf Kelm zu finden sei, auf dem Hof habe man sie hierhin auf die Heuwiesen geschickt.
Johann sah hoch zu mir, dann zu den Reitern, zeigte auf mich und sagte: „Da steht der Graf.“
Ich hatte Elsa Dönberg erkannt, wie sie mich. Sie lacht aus vollem Hals zu mir hinauf, und rief: Das Heu, getränkt von deinem edlen Schweiß, werden deine Viecher besonders gern fressen. Was mich die Frage stellen läßt: Können wir auf Steinfeld mit einer kleinen Erfrischung rechnen? Ich sprang runter vom Wagen, Johann nahm meinen Platz ein, während ich hinter einem, der die Damen begleitenden Herren, aufsaß.
Auf Steinfeld hatte Elfriede Tee gekocht, Sandkuchen aufgetischt, dazu Zucker und Sahne. Ich verschwand schnell, machte mich frisch, und konnte eine Viertelstunde später meine Gäste begrüßen. Als ich an den Tisch trat, lachte Elsa mich aus: „Claus, was ist das für eine Wirtschaft! Elfriede hat sich bitter beklagt, nichts im Haus als ein Stück uralten Sandkuchens. Junge, Junge, was ist aus dem früher so gastlichen Steinfeld geworden. Allerhöchste Zeit für uns, Abhilfe zu schaffen. Bitte, ihr Männer außer Claus, seht euch das Gut an, die Ställe, Werkstätten was ihr wollt. Den Viechern und allem, was Taler bringt, wird auf Steinfeld der Himmel auf Erden bereitet. Ganz Masuren spricht von der vorbildlichen Landwirtschaft des jungen Kelm.
So, mein Lieber, jetzt sind wir unter uns. Vorige Woche war Libeskind bei uns, hat unsere Mastbullen gekauft, kam so von ungefähr die Rede auf den in schwierigsten Verhältnissen wirtschaftenden, armen Grafen Kelm. Der Moses spricht nie über seine Kundschaft, aber sein Gesicht sprach Bände. Eins hat er allerdings gesagt, nämlich:
Gräfin Elsa, reiten Sie ihn doch einmal besuchen, sehen Sie sich seine Wirtschaft an. Danach lassen Sie sich von ihm zu einem kleinen Imbiß, einer Erfrischung einladen, sprechen mit Elfriede, die mit einem einzigen Hilfsmädchen dem Haus vorsteht. Danach wissen Sie, wo Graf Kelm der Schuh drückt. Mehr sage ich nicht.
Im Herbst gab es auf Blumenthal bei den Slawinskis einen Ball, verbunden mit einer Treibjagd auf Hasen. Elsa Dönberg hatte mich schon einen Tag früher zu sich beordert, die Nacht sollte ich auf Palmnicken verbringen, um sicher zu stellen, ausgeruht und pünktlich auf Blumenthal einzutreffen.
Ich beugte mich gern diesem Diktat. Es stimmte ja, ich hatte in den letzten Jahren Steinfeld auf Vordermann gebracht, und konnte stolz sein. Warum also nicht einmal loslassen. Elsa hatte mir die Mascha als Knospe geschildert, die, erst erblüht, eine Schönheit sein würde.
Ich werde den Tag nie vergessen. Mascha kannte mich nicht, Elsas Umtrieben waren ihr nicht bekannt, machte ich mir vor. Als wir auf Blumenthal ankamen, fuhren wir am Blumengarten des Herrenhauses vorbei, die schönste der Blumen in diesem Garten war ein rauschendes Kleid, aus dem helle Juchzer kamen, wenn die Schaukel, auf der die Trägerin des Kleides saß, aus der Höhe hinunterstürzte, um gleich wieder hochzufliegen, und rückwärts zurückzuschwingen.
Elsa sah mich an, das war Mascha, sagte sie. Ich war ein wenig verwirrt, sie ist noch ein Kind, Elsa. Sie ist sechzehn, Claus, auf dem Wege in spätestens einem halben Jahr zu erblühen, ich sagte es schon.
Es wurde eine schöne Veranstaltung, für mich besonders, weil ich alle Gäste zum ersten Mal traf. Damen, Töchter, in Begleitung ihrer Gatten oder Eltern, ein bunter Strauß aus mir noch unbekannten nordostpreußischen Gefilden, nicht nur aufregend wegen der Tänze, mit den der neuesten Mode folgenden, oft abenteuerlich decolletierten Damen, sondern auch angenehm, der freundlichen Aufmerksamkeit wegen, die mir allenthalben entgegenschlug. Unschwer war zu erkennen, Elsa hatte, was meine Person anging, ganze Arbeit geleistet.
Mascha hingegen, war mit ihren sechzehn Jahren noch recht zaghaft, traute sich nicht so recht unter dem beschützenden Fittich ihrer Mutter hervor. Mir gab das mannigfache Gelegenheit, sie zu beobachten, ohne das Mädchen mit seichtem Geschwätz oder gar Avancen zu embarrasieren.
Auf dem Höhepunkt des Balls formierten sich sämtliche Tänzer mit den Damen, die sie gerade im Arm hielten, unter Elsas Kommando, zur Formation einer Quadrille. Unversehens war Mascha mein Gegenüber, und ich konnte ihr unbefangen ins Auge schauen. Nach diesem ersten Blick war es um mich geschehen. Das war keine pomadige Landpommeranze, wie sie in der Abgeschiedenheit unserer Güter so trefflich gedeihen. Nein, diese noch Mädchenfrau, würde sich binnen kurzem, in einen bezaubernden Falter verwandeln, und ich hatte, Elsa sei Dank, das Glück diese Metamorphose mit erleben zu dürfen.
Wir tanzten einige Schritte gemeinsam, sie lächelte unbefangen, ich suchte nach dem passenden Wort, ihr ein Kompliment zu machen. Doch bevor mir Artiges einfiel, war sie schon im Arm eines Anderen. Mich weckte diese kurze Begegnung auf. Ich hatte mich eher halbherzig, von Elsa beschwatzt, nach Blumenthal lotsen lassen. Mir ihre Vorhaltung, ein ziviles Leben auf Steinfeld zu beginnen, zwar angehört aber nicht verinnerlicht, jetzt war das plötzlich anders.
Ich verließ den Ballsaal und ging in den Garten, wo ich alsbald auf die Schaukel stieß, die Mascha bei unserer Ankunft die Freudenjauchzer entrissen hatte. Ich setzte mich auf das Brett, stieß mich mit den Füßen ab, ließ mich absichtslos träge hin und her pendeln. Ohne dass ich mir Zwang antat , stand Mascha vor meinem Auge. Noch zu sehr Mädchen, um meine männliche Fantasie zu entzünden, aber vorhersehbar, in einigen Monaten Frau genug, um Bewerber wie die Flamme die Motten anzuziehen.
Nicht zu vergessen die Mitgift, die Elsa der Kleinen nachrühmte, groß genug, um sämtliche Sorgen auf Steinfeld in Nichts zu verwandeln. Nur, würde sie mich als Freier akzeptieren? Von ihren Eltern hatte ich keinen Korb zu erwarten, da war Elsa vor. Doch das Mädchen? Wie sich ihr nähern? In eindeutiger Absicht, unmöglich. Andererseits war Zuwarten riskant, jemand der meine Skrupel nicht hatte, konnte mir leicht zuvorkommen.
Tief verstrickt, den Zwiespalt zwischen Wägen und Wagen nicht überspringen könnend, hatte ich die Schauckel in heftigere Schwingungen versetzt, fand mich hoch unter dem Blätterdach der mächtigen Linde, an der sie vertäut war, und gleich darauf in rasendem Schwung unter dem gegenüber liegenden Geäst einer anderen Krone.
Jetzt ritt mich der Teufel. Mit einem etwas waghalsigem Manöver zog ich die Füße auf das Sitzbrett, warf mich mit meinem Gewicht in den Schwung bis die Seile ächzten. Bis heute hab ich den Schauer nicht vergessen, der mich bei diesem rasenden auf und ab durchrieselte. Als mir der Atem knapp wurde, setzte ich mich zurück aufs Brett, die Schauckel schwang langsam aus. Ich hing da einige Zeit mit geschlossenen Augen, lauschte der Musik, die vom Haus herüber wehte und fühlte, oder soll ich sagen, begegnete meinem Ich?
Eine Stimme, etwas schüchtern, ließ mich aufblicken. Mascha stand da, eingefasst vom Kerzenschein, der aus einem Fenster des Saales in den Garten fiel: „Das war gewagt, wie Ihr schaukeltet, mahnte sie. So hoch hat noch keiner die alte Schauckel ausgereizt, stellt Euch vor, ein Seil wäre gerissen!“
„Ja Mascha,“ antwortete ich, „da wäre ich wohl dahin oder schwer blessiert. Hätte mich in eine Kanonenkugel verwandelt, wäre wer weiß wohin geflogen!“
„So hätte es kommen können, Graf Kelm.“ „Mascha," antwortete ich schnell, „ich nenn Euch bei Eurem Vornamen, tut das gleiche bitte mit mir. Ich bin der Claus. Sollte ich noch eine Bitte äußern dürfen, dann bitte ich, die Förmlichkeit an meiner statt wer weiß wohin zu schießen, und mich Claus und du zu rufen.“
Zu meiner Freude willigte Mascha ohne Zögern ein. Seitdem rufen wir uns Claus und Mascha, wie ihr gehört haben werdet, mit nach Laune und Zeiten gestalteten Abwandlungen.“
„Papa, eine interessante Geschichte und wie ich finde, sehr romantisch, finde da nur wenig gutsherrliche Absicht. Dass Mascha eine Mitgift mitbringt, war und ist doch richtig, ich werde doch auch entsprechend ausgestattet werden?“
„Aber ganz sicher, Kind, wirst du deine Mitgift bekommen. Wenn Mama und ich unsere Verbindung als mehr auf den Zweck gerichtet erlebt haben, hing das mit den Zeitläufen zusammen, wie du gleich erfahren wirst, wenn ich weiter erzählen soll?“
„Aber bitte, Papa, kein Wort möchte ich missen von dem, was du erzählt hast!“
„Gut, also Mascha stand neben mir, ich saß auf der Schauckel. Nach Tanzen war mir nicht, so fragte ich sie, ob sie sich mir für ein moderates Schauckelvergnügen anvertrauen würde.
Wenn du mir Platz machst, antwortete sie und machte sofort Anstalten, sich neben mich zu zwängen. Ich machte mich so schmal als möglich, und da sie ein Püppchen war, und wie der Augenschein lehrt noch ist, fanden wir beide Platz auf dem Brett.
Vorsichtig brachte ich uns in die Schwebe, ganz, ganz sachte stieß ich meine Füße gegen den Boden und versetzte uns in sanfte Schwingungen. Der Mond stand voll und leuchtend am Himmel und tauchte den Garten, das Haus und uns in sein silbriges Licht. Ich wollte eben den romantischen Augenblick nutzen, Mascha auf das schöne Himmelslicht aufmerksam machen, als es ein häßlich ratschendes Geräusch gab, und wir beide uns übereinander, auf dem Boden liegend wiederfanden.
Das verdammte Seil, waren Maschas ersten Worte. Gut, das der Klump nicht vorhin gerissen ist, sonst wärest du jetzt unterwegs zum Mond. Ich rappelte mich zusammen, wollte ihr behilflich sein, aber sie stand schon und half mir auf.
Komm, folge mir, befahl sie, lass uns schauen, ob wir noch unter die Leute können oder uns umziehen müssen. Sie zog mich hinter sich her. Wir kamen in einen großen Raum, in dem anscheinend sämtliche für Haus und Küche bestimmten Vorräte aufbewahrt wurden. An einem rotglühenden Herd hantierte eine dicke Frau mit einem schweren Bügeleisen, dessen Hitze sie mit ihrem im Mund angefeuchteten Zeigefinger prüfte.
Was ist passiert, Mascha? rief sie erschreckt, als wir vor ihr standen. Das schöne Kleid zerrissen, jammerte sie, wobei sie mir einen giftigen Blick zuwarf.
Hör auf zu schimpfen, Bella, fuhr Mascha sie an, sieh lieber nach, wie wir den Schaden schnellstens beheben können. Ich ziehe ein frisches Kleid an, aber Graf Kelm muss repariert werden. Ich sah an mir runter. Tatsächlich war meine weiße Hose am Knie zerrissen, Blut sickerte hervor. Bella packte meinen Ellenbogen und drehte mich einmal ganz herum.
Bis auf das Knie ist alles in Ordnung, befand sie. Das Loch in der Hose werde ich stopfen. Sie ging an einen Schrank, zog eine Hose heraus und gab sie mir mit den Worten: Dort in der Kammer umziehen. Die Hose hat die gleiche Farbe und passen dürfte sie. Eure Hose richte ich, dürfte aber eine Stunde dauern. Nun zieht Euch schon um, ich werde mir dass dann ansehen. Hier noch eine Leinenbinde, fuhr sie fort, wickelt die um den Ratsch an Eurem Bein, aber vorher auswaschen die Wunde, eine Schüssel mit sauberem Wasser steht dort auf dem Tisch.
Als ich umgezogen zurückam, wurde ich wieder gedreht, und von Bella und Mascha für ausreichend angezogen befunden. Mascha hatte ein Kleid an, das sich für mich nicht von dem vorher angehabten unterschied. Sie ging durchs Haus, ich durch den Garten zurück in den Ballsaal. Ich war hochbeglückt, hatte ich doch pötzlich ein Geheimnis mit Mascha. Was noch wichtiger war, die kleine Konspiration hatte den Bann der Fremdheit gebrochen. Ich machte gleich das Beste aus der Situation. Als ich Mascha im Dunstkreis ihrer Mutter erspähte, ging ich auf die Beiden zu und engagierte Mascha für den nächsten Tanz, nicht ohne ihre Mutter um den folgenden zu bitten.
So entwickelte sich im weiteren Verlauf des Abends eine vergnügte Tanzerei, bei der vornehmlich Elsa Döhnberg, Maschas Mutter und Mascha meine Partnerinnen waren. Als der Hausherr mit ein paar Noten des Zapfenstreichs, das Ende des Festes ankündigte, wusste ich, so glücklich und vergnügt war ich noch nie im Leben gewesen.
Am nächsten Morgen ging es auf Hasenjagd. Zum Vergnügen, aber auch aus Eigennutz, wie mir Baron Slawinski erklärte. Die drolligen Biester sind zwar schön anzuschauen, wenn sie am Feldrain sitzen und die Lauscher spielen lassen, aber sie fressen dir die Haare vom Kopf, hälst du sie nicht kurz. Die Strecke war gewaltig, die Treiber freuten sich, auf jeden Kopf kamen vier Hasen, da hatten die ordentlich was im Topf, und die Hatz auf Wildschweine, bei der wieder für sie abfiel, stand kurz bevor.
Slawinski war zufrieden, wir selbst nehmen von dem Wild nur, was unmittelbar verzehrt wird, den ganzen Rest kriegen die Leute, erklärte er. Die nehmen das Zubrot dankbar an, schont das doch ihre eingepökelten Vorräte, so kommen sie gut über den Winter und müssen nicht Wildern. Nach der Jagd gab es noch eine ordentliche Sause, danach machten sich die entfernter Wohnenden langsam auf den Weg.
Mir gelang es noch ein Viertelstündchen mit Mascha zu ergattern. Diesmal saßen wir auf einer Gartenbank, die etwas erhöht auf einem künstlichen Hügel stand, sich durch dicht wachsenden Goldregen und Dahlienbüschen jeder Sicht entzog, selbst jedoch vorzüglichen Überblick gewährte.
Kaum hatte Claus das gesagt, kam Mascha‘s Einspruch. „Claus, bisher hast du wahrheitsgetreu berichtet, bleib bitte dabei!“
„Einverstanden, Mascha, also ich hätte sagen müssen: Mascha gelang es, noch ein Viertelstündchen mit Claus zu ergattern.......richtig?“ Also die Gartenbank und wir, Mascha und ich nebeneinander darauf. Wenn ihr jetzt glaubt, das Unvermeidliche sei geschehen, wir hätten uns geküsst, liegt ihr schwer daneben. Die Knospe neben mir, musste ich erkennen, hing zwar körperlich noch zwischen Mädchen und Frau, aber im Oberstübchen war schon Ordnung.
Da keine Zeit war, kam sie stracks zur Sache: Claus, drang sie in mich, ich soll verheiratet werden. Auch dich hat Elsa hier angeschleppt, um mich zu besichtigen. Du glaubst nicht, wie ich das hasse. Nun erzähl mir nicht, du hättest davon nicht gewusst, nehme es dir nicht übel. Was ich möchte ist, du lässt bei den Eltern beim Abschied durchblicken, du könntest dir ernste Absichten in Bezug auf meine Person vorstellen. Das hält mir erst einmal weitere Zurschaustellungen vom Leibe. Kein Risiko für dich, weil du als Freier für mich nicht in Frage kommst.
Da hatte ich meinen Groschen gewechselt. Das sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen: Weil du als Freier für mich nicht in Frage kommst.
Ich muss ein ziemlich belämmertes Gesicht gemacht haben, denn Mascha schmiegte sich an mich, und gab mir einen Kuss auf die Wange. Claus, so habe ich das nicht gemeint. Sagen wollte ich, dich sehe ich als Freund, nicht als gelackten Fiesling, vor dem mir ekelt. Solltest du mich später als Frau, als erwachsene Frau wollen, bist du mir möglich lieber als jeder Andere. Nur im Moment sind mir Männer und ihre Absichten zuwider.
Das hörte sich schon besser an, und kam meinen Intentionen entgegen. Noch ein zwei Jährchen warten, und dann heiraten, konnte ich mir gut vorstellen.
Sagen tat ich: Ich habe verstanden, Mascha, werde bei deinen Eltern entsprechend vorstellig werden, sie gleichzeitig bitten, dir meine Werbung zu verschweigen, um dir Zeit zu lassen, dich von der Kindheit zu verabschieden.
So geschah es. Maschas Vater, Baron Slawinski, strahlte vor Freude. Von seiner Frau kann ich das nicht sagen, meine zukünftige Schwiegermutter schien es eilig zu haben, den Wirbelwind unter die Haube zu bringen.
In den folgenden zwei Jahren, war ich einmal im Monat Gast auf Blumenthal. Mascha hielt, was Elsa von ihr erwartete, sie erblühte in dieser Zeit zu der Schönheit, die sie noch ist. Nein, ich berichtige mich. Die Schönheit ihrer frühen Jahre, durch die Reife veredelt.“
„Schmeichler,“ rügte Mascha, „aber fahre fort.“
Meine regelmäßigen Besuche ließen Nähe zwischen mir, Mascha und ihren Eltern entstehen, die der festen Überzeugung waren, Mascha würde meine Frau werden. Es kam, wenn Mascha nicht anwesend war, von Seiten meiner Schwiegermutter zu deutlicher werdenden Abmahnungen, wann denn nun über die Hochzeit gesprochen werden könne? Meine Einwände wischte sie vom Tisch: Nun, um Gottes Willen, sieh sie dir an, Claus! Sieht so ein Kind aus? Mascha ist ein voll erblühtes Weib, die braucht schnellstens einen Mann, ich ihre Mutter, werde mich jedenfalls nicht weiter an ihr versündigen!
Ja, so war das. Ich war gefragt. Bei nächster Gelegenheit noch am selben Tage, stellte ich Mascha, berichtete was ihre Mutter vorhatte. Nachdem ich geendigt, fühlte ich meine Knie weich werden. Vorbei, ging es mir durch den Kopf. Aus mit den schönen Besuchen auf Blumenthal, zu Ende die berauschende Nähe Maschas.
Ich stand sicher da wie ein Deliquent, der seinen Henker erwartet. Doch statt mein Urteil zu sprechen, sagte Mascha: An sich stimmt, was sie sagt. Meinen Abschied von der Kindheit habe ich in Ruhe nehmen können, und gegen dich, lieber Freund, als meinen Ehemann habe ich nichts, wenn dir das genügt.
Sag das noch einmal, bat ich sie. Doch Mascha schüttelte den Kopf, nein sagte sie, einmal genügt. Willst du mich, dann heiraten wir schnellstmöglich. Ich muss nicht erzählen, wie Gertraude Slawinski völlig aus dem Häuschen geriet. Mein Schwiegervater Jacek schleppte mich in sein Kontor, wo wir uns binnen zwei Stunden einen Liter Wodka einfüllten. Er legte mir bei dieser Sitzung, drei Optionen für Maschas Mitgift vor: Land, Vieh, Gold. Land und Vieh verwarf er im gleichen Atemzug und empfahl: Claus, in den schrecklichen Zeiten in denen wir leben: Gold.
Er kramte einen Schlüssel von einem Bund, den er in einem Lederbeutel um den Hals geschlungen auf der Brust trug, hängte das Bild seines Vaters über seinem Schreibtisch ab, eine sauber verputzte Wand ohne Fugen kam zum Vorschein. Plötzlich schoben sich wie von Geisterhand vier Ziegel vor, ein kleines Geviert entstand. Jacek griff hinein und produzierte ein Säckchen voll klimpernden Inhalts, warf es auf den Tisch und flüsterte: Louidors. Neunzig Teile auf hundert Gold, fast rein! Jedes Säckchen nach heutigem Stand hunderttausend Taler wert. Sollten unsere Herren in Berlin so weitermachen, bald das Zehnfache, was ich nicht wünschen möchte.
Ich besitze einige von diesen Säckchen, sind in unserer Familie Mitgift, werden ansonsten nur bei äußerster Not angegriffen. Musste bisher nicht sein. Ich rate dir, Claus, besprich es mit Mascha. Seit ihr erst getraut, verwahre das Gold an einem sicheren Ort, bis das Kriegsgespenst seine Fratze von uns abgewandt. Möglich, es geht alles zu Bruch, kommt die Furie über uns. Einen sicheren Hort für den Neuanfang in der Hinterhand zu haben, es gibt nichts Klügeres.
Was den Aufbewahrungsort hier in meinem Hause angeht, nur ich, und jetzt du, kennen den. Sage niemandem, auch nicht Mascha, davon, Böse könnten den Weibern das Wissen abpressen. Ich sterbe eher, als dass ich jemandem die Freude gönnte, mit meinen Goldfüchsen abzuziehen, das gleiche weiß ich von dir.
Sollte, wie mir schwant, das Schlimmste eintreten, unser Leben, Haus und Hof zertrampelt werden, ihr jedoch davonkommen, liegt hier ein Neuanfang.
„So, bis hierher und nicht weiter.“ Claus streckte die Arme zur Decke, streckte sich, dass die Knochen knackten.
„Wir sind verlobt, was nun käme wäre Ehe, Kinder und leider Krieg, wie von Maschas Vater vorausgesagt. An sich sollte ich unser Glück an die erste Stelle setzen. Wir überstanden die schweren Zeiten gesund, deine Mutter machte aus Steinfeld einen behaglichen Ort, dank der vergrabenen Goldfüchse ging der Wiederaufbau zerstörter Ställe und Wirtschaftsräume zügig vonstatten, na ja, jetzt sitzen wir hier und feiern unserer Nora Verlobung. So vergeht die Zeit, war mir beim Erzählen, als hätte sich das Ganze erst gestern zugetragen.“
Mascha erhob sich. „Hast du schön und anschaulich erzählt, Claus," lobte sie ihren Mann und küsste ihn auf die Stirn. „Ich kümmere mich um Deftiges zum Ausgleich für den Champagner, der mir heftig zu Kopf gestiegen ist."

Klapaida
Klapaida und Rumpel hockten in Erlengrund. „Na, du alter Oberuhu,“ stieß Klapaida ihren Ratgeber in die Seite, „hast dir doch sicher schon Gedanken gemacht, wie es weiter gehen soll mit meiner Bagage.“
„Sagtest du Bagage, große Zauberin? Ist dir deine Mascha so wenig wert? Bagage heißt Gesindel, Pack! Hab also recht behalten, zuviel Aufhebens, einer Klapaida nicht angemessen!“
„Hörst nicht zu, Rumpel! Ich sagte meiner Bagage!“
„Auch das noch! Folgst du mir, dann ersäufst sie im See!“
„Willst mich ärgern, Rumpel?“
„Bewahre Herrin, wie könnte ich mich unterstehen. Habe nur meine, dir schon bekannte Meinung bekräftigt. Seit du dich in die Mascha verguckt hast, bist du nicht mehr die Alte. Bin nicht nur ich, dem das aufstößt, hör dich mal um!“
„Rumpel, vergiss Mascha. Das Dilemma, das weißt du, entstand, als Nora durch den Zeitriss fiel, nicht ihre Schuld, muss ich dir nicht erklären!“
„Ja, ja Klapaida, deine Schuld und Rogars Wut. Oder deine Ehrpusseligkeit und seine Wut! Was kann er dir denn, der Rogar? Nichts, gar nichts! Was dich umtreibt, er könnte deine Bagage vernichten. Darf doch sagen, deine Bagage? Doch das wär die Lösung! Nimm deine Hand von ihnen, und aus ist‘s! Ein für allemal! Aber nein, ich seh es dir an, so nicht, so nicht mit dir. Willst deine Mascha nicht lassen, hast dich verliebt wie irgendein wesenloses Gör! Es ist zum Auswachsen, Klapaida! Sind doch deine Geschöpfe, die Noras, Bernds, Claus und Maschas, warum?“
„Schluss, Rumpel!“ Sind eigenständige Geschöpfe, ein jedes für sich. Sind keine beliebig vermehrbaren Wesen! Sind Nora, Mascha, Bernd.“
„Klapaida, hast du Wesen gesagt? Doch was frag ich, hab es mit eigenen Ohren gehört, hast die Erscheinungen Wesen genannt! Wesen? Was bin dann ich? Hab mich für ein Wesen gehalten, war mir wesentlich! Doch jetzt, Rumpel gleichgesetzt mit diesen Eintagsfliegen, glibberigem Protoplasmaschrott, scheissend, pissend, schwitzend! Ja was tu ich noch hier, was wird aus mir? Große Klapaida, vernichte, verbrenne mich! Entlass mich ins Nichts, überall fühlt ich mich wohler, als in so eckler Gesellschaft!“
„Bist fertig, Rumpel? Also hör zu: Es wird ein Fest geben. Du gehst zu Rogar und lädst ihn ein. Frag nicht, hör zu, hab ich gesagt! Du erinnerst dich an den Höhlenmann, dem ich beilag, lang, lang ist`s her.
Sag mit Fleiß, lang lang ist`s her. Ist für dich unwesentliches Menschengefühl. Hier irrst du, Rumpel. Bliebst stecken im Alten, hast den Fortschritt verpennt! Könnt sie mit einem Gedanken, einem Wollen, vergessen machen die Menschen, doch was ging verloren! Vom Höhlenmann zur Mascha Traumreise, Rumpel, hast keine Ahnung, drum zürn ich dir nicht.
Wüsstest du, was ich weiß, die Augen gingen dir über, du stolzes Wesen! Ahntest du, was aus Protoplasma wurde, seit meinem stummem Anthropoiden oder war er schon Homo? Gleichviel, sprechen konnte er nicht, mir war er nur als Liebhaber wichtig, unereicht wichtig!“
„Und war dein Geschöpf, Klapaida!“
„War mein Geschöpf. Vergaß dann, gab anderes bis jetzt.“
„Herrin, bitte, du sagtest jetzt! Du erschütterst die Welt! Was ist Klapaida, jetzt? Du sprachst es aus, doch bin mir sicher, hast es nicht gedacht?!“
„Nein Rumpel gesagt, jetzt ist nicht unseres. Doch geben tut es das jetzt, nur was soll`s. Gab das jetzt für den Höhlenmann, doch der konnt es nicht denken. Also tu, was ich sage, lad mir den Rogar!“
 



 
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