Kommissar Zufall ermittelt weiter, Teil 2

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Bedrohung oder Täuschung?


Am Montagmorgen war Achim zum regulären Dienstbeginn noch nicht im Revier. Hat er vergessen, dass er heute wieder arbeiten muss?
Im nächsten Augenblick kam er herein. Ich schaute demonstrativ auf die Uhr. Da er sofort lachte und um Entschuldigung bat, schmunzelte ich, fragte ihn, wie der Urlaub war.
Saskia stand in Hörweite in der Küche, wo sie gerade den Kaffee zubereitete.
„Oh, Leute, das war ein Traum“, schwärmte er.
Saskia wurde offenbar hellhörig, trat aus der Küche heraus auf den Flur, fragte ihn: „Wo warst du denn?“
„Wir waren in Irland.“
Saskia stutzte. „Wir?“
Ich grinste. Saskia wusste natürlich nichts von dieser überraschenden Entwicklung, die offenbar Bestand hatte, wenn ich Achims gute Laune richtig deutete.
„Ja, wir, liebe Saskia. Katja und ich.“
„Katja? Kenne ich die?“
Achim lachte. „Kann schon sein. Bist du eifersüchtig?“, neckte er sie.
„Achim, bitte“, meinte ich. „Das muss nicht sein.“
„Entschuldige, Saskia. Ja, du wirst sie kennen. Katja Ross, die nette Dame aus dem Reisebüro am Markt.“
„Das heißt, ihr seid ...“ Saskia schluckte.
„Du bist doch eifersüchtig, was? Ja, wir sind ein Paar.“
„Wie lange schon?“
„Hey, Saskia!“, rief ich dazwischen. „Das geht uns nichts an. Mich nicht und dich ebenso wenig.“
„Ja, ja. Schon gut“, maulte sie.
Ich fragte mich, ob sie doch eifersüchtig war. „Okay, Achim. Du bist ein bisschen zu spät, weil ihr“, ich schaute Saskia an, „nicht aus dem Bett gekommen seid. Ja?“
Achim lachte wie ein ertappter Lausbube.
Saskia hingegen zog eine Schnute, wandte sich ab und ging zurück in die Küche.
Sie war eifersüchtig, dachte ich, grinste.

Die Eingangstür ging auf, eine junge Frau trat auf uns zu, schaute uns fragend an.
Achim ergriff die Initiative. „Was kann ich für Sie tun, junge Frau?“
„Meine Tochter ist verschwunden.“
„Wo und wann haben Sie Ihre Tochter denn zuletzt gesehen?“
„Na, gestern Abend, bevor ich zur Arbeit gegangen bin. Ich habe eine Babysitterin. Die ist auch nicht da. Sie hätte auf mein Kind aufpassen sollen, während ich aus dem Haus bin.“
Da ich mithörte, fragte ich: „Sie machen also Ihre Babysitterin für das Verschwinden Ihrer Tochter verantwortlich? Wie alt ist Ihre Tochter denn?“
„Melina ist sechs. Sie wird dieses Jahr eingeschult.“
„Haben Sie denn versucht, die Frau telefonisch zu erreichen?“
„Sicher. Sie geht nicht dran. Wer weiß, was die mit meinem Kind angestellt hat? Vielleicht hat sie Melina entführt!“
„Sie sind alleinerziehend?“
Sie reagierte schnippisch. „Ja. Ist das ein Problem, oder was?“
„Um Himmels willen. Nein, Frau ...“
Sie seufzte. „Ach, entschuldigen Sie. Maria Sommer.“
Ich lächelte. „Ich bin Hauptkommissar Bernd Zufall. Frau Sommer, jetzt nehmen wir das erst mal auf. Kommen Sie bitte mit in mein Büro.“
Achim begleitete uns.
Sie grinste. „Heißen Sie wirklich so? Ist ja ein lustiger Name, aber …“, sie räusperte sich, „entschuldigen Sie.“
„Schon in Ordnung. Sie sind keineswegs die erste, die mir das sagt. Jetzt erzählen Sie mal ein bisschen über sich, über Ihre Tochter, Ihre Lebensumstände. Ja?“
Ich hatte das Gefühl, ich musste sie zunächst ein wenig beruhigen, wieder auf den Boden zurückholen, weil sie sich sehr über das Verschwinden ihrer Tochter und der Betreuerin aufgeregt hatte.
Da sie zu reden begann, gar nicht mehr aufhören wollte, ließ ich sie halt reden. Sie erzählte mir ihre ganze Lebensgeschichte, hatte ich das Gefühl.
Sie bekam ihre Tochter, da war sie noch nicht mal siebzehn. Der Vater war da schon neunzehn. Er blieb bei ihr, weil ihre Eltern ihm mit einer Anklage wegen Verführung einer Minderjährigen gedroht hatten. Kaum war die Mutter achtzehn, heirateten die beiden.
Die Ehe hielt keine drei Jahre, wurde vor knapp einem Jahr geschieden. Seitdem war Maria Sommer allein mit ihrem Kind. Der Vater kam aus vermögendem Elternhaus, zahlte angesichts der nach wie vor im Raum schwebenden Anklage ordentlichen Unterhalt, sagte sie.
Da Frau Sommer lediglich einen einfachen Hilfsjob ausübte, reichte das Geld gerade so zum Leben.
„Habe ich das richtig verstanden, Frau Sommer? Sie arbeiten nachts, auch sonntags?“
„Ja. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann. Wie Sie sich sicher denken können, hatte ich keine Zeit für eine ordentliche Ausbildung. Ich hatte ja mein Kind.“
„Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Frau Sommer.“
„Diese Babysitterin ist eine arme Frau. Sie kann keine eigenen Kinder bekommen, hatte sie mir mal anvertraut. Vielleicht hat sie meine Tochter tatsächlich entführt, um ein Kind zu haben.“
Sollte bei einer Fremdbetreuung nicht ein gewisses Vertrauensverhältnis gegeben sein? Sollte es so sein, wie Frau Sommer mir berichtete, dann wurde dieses Vertrauen schändlich missbraucht.
Frau Sommer nannte mir Namen und Anschrift der Frau.
Ich bat Sabrina, eine Fahndung nach einer gewissen Fabia Rosenbaum, 27 Jahre alt, kurzes schwarzes Haar, vollschlanke Statur, etwa eins siebzig groß, wohnhaft in der Kernstraße 54, herauszuschicken.
Die Frage nach einem neuen Lebensgefährten verneinte Frau Sommer.
Mehr konnten wir zunächst nicht für sie tun, baten um ein Bild ihrer Tochter, schickten sie dann nach Hause.

„Sag mal, Achim. Was hältst du von ihrer Geschichte?“
„Eine Babysitterin, die das ihr anvertraute Kind entführt, weil sie kein eigenes hat? Okay, ein nachvollziehbares Motiv wäre das schon. Aber diese Frau Sommer wirkte auf mich ziemlich unterkühlt. Trotz der Aufregung blieb sie doch recht gefasst. Findest du nicht?“
„Na ja, wenn ich mir vorstelle, dass man ihr die Tochter weggenommen hat ... Sie hat ein bisschen viel erzählt, was für uns nicht wirklich von Belang ist. Dafür wusste sie nicht mal sicher zu benennen, wie das Kind bekleidet war, als sie es zuletzt gesehen hatte. Das war schon ungewöhnlich.“
„Das fand ich auch seltsam.“
„Wir warten erst mal ab, was die Fahndung bringt. Da gibt es vielleicht schon ein paar Hinweise von anderen Menschen, die etwas beobachtet haben. Wir werden mal in der Nachbarschaft nachfragen. Komm, Achim.“
Ich schickte Nathalie und Tobias auf Streife durch die Stadt, um nach den vermissten Personen zu suchen.

Unsere Befragungen in der Nachbarschaft waren nicht gerade erfolgreich. Dort schien sich niemand für andere Mitbewohner in diesem Mehrfamilienhaus zu interessieren.
Frau Sommer hatte uns auch die Adresse ihres Exmannes gegeben. Es konnte nicht schaden, die Geschichte der Beziehung auch aus der anderen Perspektive zu kennen. Also fuhren wir zu ihm.

Kaum hatte ich geklingelt, öffnete jemand die Tür des Einfamilienhauses. Eine Frau mittleren Alters trat uns entgegen.
„Guten Tag. Hauptkommissar Zufall, mein Kollege“, ich wies mit der Hand auf ihn, „Kommissar Weyde. Frau Roschke?“, fragte ich.
„Ja, die bin ich. Warum bekommen wir Besuch von der Polizei?“
„Wir würden gerne mit Ihrem Sohn sprechen.“
„Hat er etwas angestellt?“
Ich lachte. „Kommt das von Zeit zu Zeit vor? Nein. Seine Exfrau, Frau Maria Sommer hat uns berichtet, dass ihre Tochter verschwunden wäre.“
„Mein Sohn hat mit dieser Person nichts mehr zu tun. Sie bekommt genug Geld von ihm. Das ist genug Buße für seine jugendlichen Dummheiten seinerzeit.“
„Trotzdem ist es auch seine Tochter. Ist er zu Hause?“
„Sie wollen unbedingt mit ihm sprechen?“
„Ich bitte darum, Frau Roschke.“
Widerwillig ließ sie uns eintreten, bat uns, im Foyer zu warten.

„Geld spielt in diesem Haus keine Rolle“, flüsterte Achim mir zu. „Ich habe aus ihren Worten herausgehört, dass zu Frau Sommer keinerlei Kontakt besteht.“
„Das sehe ich genauso. Dennoch ist es auch sein Kind.“
Frau Roschke kam zurück. Ein junger Mann folgte ihr. Er machte ein ernstes Gesicht.
„Guten Tag, Herr Roschke“, sagte ich. „Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns haben.“
„Sie haben die besseren Argumente, Herr Kommissar. Wenn ich mich weigere, finden Sie andere Wege, mich zu verhören.“
„Das sehen Sie falsch, Herr Roschke.“
„Meine Mutter sagte mir bereits, worum es geht. Was will diese Schlampe?“
„Entschuldigen Sie mal!“, empörte ich mich. „Wenn Sie derart abfällig reagieren, könnte ich vielleicht doch noch andere Wege finden. Also bitte, Herr Roschke. Bleiben wir mal bei einer neutralen Erzählweise.“
„Ja, ja, schon gut. Aber es ist so. Die Maria hat mich damals echt gelinkt. Sie sagte, sie nähme die Pille.“
„Entschuldigen Sie, Herr Roschke. Da hätten Sie vielleicht, mal abgesehen von der Tatsache, dass die junge Frau zu der Zeit noch minderjährig war, selbst Vorkehrungen treffen können. Es gibt Kondome.“
„Dass sie erst sechzehn war, hat sie mir auch nicht gesteckt. Sie wollte einfach ficken.“
„Bitte, Herr Roschke“, ermahnte Achim ihn.
Ich verdrehte nur die Augen. Ich schätzte diesen jungen Mann so ein, dass er sich stets nahm, was er begehrte. Wer damals wen aufgefordert hatte, war ohnehin nicht von Belang. Der Tatbestand als solcher war entscheidend. Das Ergebnis war das gemeinsame Kind. Und das musste nun im Vordergrund stehen.
„Bevor Sie fragen: Ich habe seit der Scheidung keinen Kontakt mit ihr gehabt. Weder telefonisch noch persönlich, noch sonst wie. Alles klar?“
„Herr Roschke! Es ist trotz allem auch Ihr Kind, das nun vermisst wird“, sagte ich. „Kennen Sie vielleicht die Babysitterin, die auf die Kleine aufpassen sollte, während Frau Sommer auf ihrer Arbeit war?“
„Woher sollte ich die kennen? Nein!“
„Hätte ja sein können.“
„Ich sagte doch, ich hatte in keiner Weise Kontakt zu meiner Exfrau.“
Ich kam zu der Ansicht, dass ihn das Schicksal seines Kindes, das er am liebsten vermutlich sogar verleugnen würde, überhaupt nicht interessierte.
Kurzerhand brachen wir das Gespräch ab, verließen das Haus.

„Sag mal, was ist das denn für ein Arsch?“, polterte Achim im Wagen.
„Dem ist das scheißegal. Aber ich glaube, das würde sich ändern, wenn er endlich kapiert, dass er da eine Verantwortung hat.“
„Ganz ehrlich, Bernd. Ich traue Frau Sommer zu, dass sie da Druck machen wird. Ich weiß nicht, wie. Aber ...“
„Gehen wir von der mutmaßlichen Entführung aus. Dann müsste ja normalerweise eine Lösegeldforderung kommen. Sie könnte die keinesfalls aufbringen.“
„Genau. Sie wird auf ihn zugehen. Ganz sicher. Sie wird sich hemmungslos ausheulen und Geld von ihm fordern.“
Ich war skeptisch. „Ob er das wirklich geben würde?“
„Da müssten wir ihn wahrscheinlich entsprechend animieren. Es ist sein Kind, seine Verantwortung.“
„Das ist aber nicht seine Sichtweise.“
„Dann müssen wir wohl erst mal abwarten, was passiert, wenn uns niemand irgendwelche Hinweise geben kann.“
„Das ist echt unbefriedigend“, lamentierte ich.

Wir mussten jedoch nicht lange warten. Bereits mittags kam Frau Sommer erneut ins Revier. Sie hatte tatsächlich eine Lösegeldforderung erhalten. Darin wurde von ihr eine völlig absurde Summe gefordert. Aus dem Schriftstück, das sie uns vorlegte, war jedoch nicht ersichtlich, von wem diese Forderung kam.
Als ich dieses ansprach, lenkte sie sofort ab. „Woher soll ich denn bitte dieses Geld bekommen? Mein Einkommen reicht zusammen mit dem Unterhalt ja geradeso zum Leben.“ Sie schluchzte.
„Ich halte das für einen bitterbösen Scherz, Frau Sommer“, sagte ich. „666.666 Euro. Wer denkt sich eine solche Summe aus?“
„Sehen Sie nicht die Symbolik in dieser Zahl?“
„Ich bitte Sie, Frau Sommer. Jetzt kommen Sie mir nicht noch mit solchen Geschichten. Wenn Sie das Geld nicht aufbringen, dann sehen Sie Ihre Tochter nie mehr wieder. Das ist alles, was ich daraus lesen kann.“
„Aber wer soll mir denn dieses Geld geben? Zur Bank brauche ich bestimmt nicht gehen. Aber mein Mann, Exmann. Den muss ich fragen. Es ist auch sein Kind. Auch wenn er das verdrängt hat.“
„Glauben Sie ernsthaft, dass er Ihnen so viel Geld geben würde? Ich habe da meine Zweifel. Wir haben mit ihm gesprochen. Er war, gelinde ausgedrückt, abweisend.“
Sie lachte. „Ich hasse ihn ebenso. Da machen Sie sich bitte keine Illusionen, Herr Kommissar. Aber er wird es tun.“
„Was macht Sie da so sicher?“
„Die Klage kann ich ihm immer noch anhängen. Dann geht er in den Knast. Er ist so oder so in der Verantwortung.“
„Das ist Erpressung, Frau Sommer“, sagte ich.
„Es ist mir egal, wie Sie das nennen. Ich will mein Kind zurück.“
„Was wollen Sie jetzt tun? Wollen Sie vielleicht, dass wir mit ihm reden?“
„Meine Brüder werden mit ihm reden“, bestimmte sie, drehte sich auf dem Absatz um und ging.
„Frau Sommer!“, rief ich ihr nach, doch sie eilte hinaus.
„Komm, Achim. Da müssen wir jetzt hinterher.“
„Die hat doch 'ne Meise!“, klagte Achim. „Ihre Brüder werden ihm Gewalt androhen. So deute ich diese Variante, die sie sich da ausgedacht hat.“
„Moment“, sagte ich, ging zu den Kolleginnen nach nebenan, reichte ihr meine Notizen. „Saskia, kannst du vielleicht mal versuchen herauszufinden, wer diese Brüder sind?“
„Bei einem derart Nullachtfuffzehn-Namen ist das aber sicher nicht so einfach.“
„Versuch es einfach. Und die Familie Roschke könnt ihr auch mal unter die Lupe nehmen. Danke. Wir müssen da jetzt hinterher.“
„Klar.“

Als wir auf die Straße traten, war Frau Sommer weit und breit nicht zu sehen.
„Scheiße! Was machen wir jetzt, Achim? Hast du eine Idee?“
„Wir fahren am besten gleich zum Roschke.“
„Gut. Wir reden noch mal mit ihm.“

Auf dem Weg kontaktierte ich Nathalie und Tobias im zweiten Wagen, fragte, ob sie schon eine Spur hätten, wo das Kind und die Betreuerin sein könnten.
Leider Fehlanzeige.

Frau Roschke zeigte zunächst wenig Bereitschaft, uns erneut ins Haus zu lassen.
„Frau Sommer wird sich gewiss in Kürze an Ihren Sohn wenden. Es gibt nämlich ein Problem“, sagte ich.
„Was denn für ein Problem? Diese Frau ist das Problem. Sie soll sich hier nicht mehr sehen lassen. Dann werde ich Sie rufen, Herr Kommissar. Sie sind also ganz umsonst hergekommen.“
„Sie scheinen den Ernst der Lage nicht zu erkennen, gute Frau. Das Kind ist entführt worden. Frau Sommer hat eine Lösegeldforderung erhalten.“
Sie lachte nur, bat uns zu gehen.
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Komm, Achim.“

Wir setzten uns in den Streifenwagen.
„Also ich sehe das noch nicht, dass der junge Mann das Geld bereitstellen wird. Der Mutter scheint das Thema ja ebenso gleichgültig zu sein“, meinte ich. „Wir warten jetzt hier und schauen, was passiert.“
„Und wenn die Sommer ihre Brüder schickt? Wie stellt sie sich das vor?“
„Gute Frage. Wir werden den Herrn Roschke unter Beobachtung halten müssen, fürchte ich.“
„Ich frage mal Sabrina, was sie zu dieser offenbar schwerreichen Familie herausgefunden hat“, sagte Achim.

Sabrina hatte in Erfahrung gebracht, dass der Sohn, Marcel Roschke, eine eigene Firma besaß, die in den letzten drei Jahren gigantische Gewinne eingefahren hatte. Er war also außerordentlich vermögend.
Auch die Firma des Vaters war ein Globalplayer. Mit anderen Worten, die Familie hatte ein mehrfaches Millionenvermögen.
Dass dieser Umstand allerdings noch längst keine Garantie dafür war, dass das geforderte Lösegeld zur Verfügung gestellt würde, war mir klar. Es war mir jedoch ebenso bewusst, dass Maria Sommer ganz genau wusste, dass das Geld vorhanden war.
„Achim, die weiß ganz genau, dass der genug Geld hat. Sie wird es von ihm erzwingen. Womöglich mit Gewalt durch ihre Brüder“, mutmaßte ich.
„Wir müssen also nur warten, bis die hier aufkreuzen.“
Ich rief Frank Martani von der Spurensicherung an. Er berichtete mir, dass auf dem Schriftstück mit der Lösegeldforderung ausschließlich die Fingerabdrücke von Frau Sommer zu finden waren. Okay, dachte ich, der Erpresser hat Handschuhe getragen, war diesbezüglich sehr gründlich.
Ein blutroter Porsche Carrera fuhr in die Einfahrt. Es war Marcel Roschke.
„Komm, Achim. Wir reden nochmal mit ihm.“
Wir beeilten uns, um ihn zu erwischen, bevor er ins Haus ging.
„Herr Roschke! Bitte warten Sie!“, rief ich.
Er wandte sich um, verdrehte die Augen. „Was wollen Sie?“
Wir liefen ihm entgegen.
„Herr Roschke. Es hat eine Lösegeldforderung gegeben.“
„Was interessiert mich das?“
„Es ist ihr Kind, um das es geht. Das müssen Sie nun mal akzeptieren. Und der Erpresser scheint das zu wissen. Frau Sommer wäre niemals in der Lage, die geforderte Summe aufzubringen.“
„Und Sie glauben, die wird jetzt auf Knien angekrochen kommen, um mich um dieses Geld anzubetteln? Das kann sie vergessen!“
„Das wird sie tun. Ja, Herr Roschke. Das hat sie zumindest angedeutet. Aber sie wird womöglich nicht allein kommen.“
„Ihre kriminellen Brüder, ja?“
„Erzählen Sie bitte.“
„Die leben nicht hier. Wenn Maria das heute anleiert, werden die erst morgen hier sein. Die haben nämlich fast tausend Kilometer Anreise. Die kommen aus Norditalien.“
„Das erklärt den Umstand, dass unsere heimischen Quellen nichts zu diesen Herren gefunden haben.“
„Die zwei haben es faustdick hinter den Ohren.“
„Woher wissen Sie das alles?“, hakte ich nach.
„Weil dieses Weibsstück mir schon einmal mit denen gedroht hat. Die haben mir diktiert, wie viel Unterhalt ich mindestens zahlen muss, damit sie mich in Ruhe lassen.“
„Sehr interessant. Dann haben sie aber wohl nicht so wahnsinnig viel herausgeschlagen. Laut Frau Sommer reicht das Geld gerade zum Leben.“
„Dass ich nicht lache! Hat sie Ihnen denn gesagt, wie viel sie von mir bekommt?“
„Zugegeben“, ich schluckte ob dieser Nachlässigkeit, „das haben wir nicht überprüft. Aber mit ihrer einfachen Lagertätigkeit kann sie gewiss keine großen Sprünge machen.“
„Lagertätigkeit? Sie arbeitet nachts, Herr Kommissar. Jeden Tag. Glauben Sie, ich wüsste nicht, was sie da so nebenbei einsteckt? Auf jeden Fall deutlich mehr als das, was sie von mir bekommt. Wie viel das ist, müssen Sie schon selbst in Erfahrung bringen.“
Ich musste mir eingestehen, dass wir uns die Vermögensverhältnisse und die Arbeit, der sie nachging, nicht näher angesehen hatten. Allerdings fragte ich mich, woher Marcel Roschke so detaillierte Informationen zu den Lebensumständen von Frau Sommer hatte, wo er doch betont hatte, keinerlei Kontakt zu ihr zu haben.
Wir gingen zurück zum Wagen, um abzuwarten, ob die besagten Brüder mit Frau Sommer herkommen würden.

„Der weiß verdammt gut Bescheid, was seine Ex so tut, habe ich das Gefühl“, meinte Achim.
„Was glaubst du, was er meinte mit dem 'was sie so nebenbei einsteckt'?“
„Zumindest, dass die Lagertätigkeit nicht ihre Haupteinnahmequelle ist. Und da fällt mir eigentlich nur eins ein: Prostitution.“
Ich nickte. Dann rief ich im Revier an. Zwei Beamte sollten Frau Sommer beobachten, wenn sie zur Arbeit geht und was sie sonst noch tut.

Zwei Stunden saßen wir nun schon auf der Lauer. Doch nichts passierte. Offenbar war die Annahme, die uns Roschke gesteckt hatte, nicht ganz abwegig. Die Brüder, wenn sie denn kommen sollten, würden erst am nächsten Tag vor Ort sein.
Sabrina meldete sich. „Frau Sommer hat das Haus verlassen, ist zur nahegelegenen Bushaltestelle gegangen. Dem Bus werden wir folgen, wenn sie eingestiegen ist.“
Sie war mit Tobias unterwegs, denn er war mit Nathalie inzwischen zurück im Revier, ohne verwertbare Informationen erhalten zu haben. Er vermeldete: „Sie hat einen kleinen Rucksack dabei, aber keine Handtasche. Die Kleidung würde ich jetzt nicht unbedingt arbeitstauglich nennen.“
Sabrina lachte. „Nee. Also im engen Mini im Lager arbeiten macht nicht wirklich Sinn.“
Ich stimmte mit ein. „Klar, dann schicken die Jungs sie ständig auf die Leiter. Da ist was faul. Roschke machte so eine Andeutung.“
„Du meinst, der Lagerjob ist nur ein Alibi?“
„Klar, Sabrina. Das Geld, das sie da verdienen würde, reicht ganz sicher nicht zum Leben. Und wie viel Unterhalt sie bekommt, wissen wir nicht. Roschke äußerte sich nicht dazu.“
„Wir bleiben hier mal dran. Kriegst morgen früh den Bericht.“
„Danke, Sabrina.“

Kurz vor Mitternacht fuhr Marcel Roschke noch einmal fort. Wir folgten ihm. Über das Ziel waren wir erstaunt: Kernstraße.
„Der kennt die Babysitterin!“
„Achim, du hast es erkannt. Der Verdacht liegt zumindest sehr nahe.“
Roschke hatte offenbar nicht bemerkt, dass wir ihm gefolgt waren. Arglos ging er zur Hausnummer 54, hatte sogar einen Schlüssel. Es war ein Mehrfamilienhaus, ganz ähnlich jenem, in dem Maria Sommer wohnte. Reiche Leute wohnten dort gewiss nicht.

Er blieb die ganze Nacht in diesem Haus. Erst am nächsten Morgen um halb acht verließ er es, stieg in seinen Porsche und fuhr davon.
„Dann werden wir da jetzt mal klingeln“, meinte ich. „Mal sehen, was sie uns zu sagen hat.“
Wir stiegen aus dem Wagen, gingen hinüber und klingelten bei Rosenbaum. Die übrigen Namen beachteten wir nicht.
Niemand öffnete. Das änderte sich auch nach mehrfachem Versuchen nicht.
„Da stimmt etwas nicht“, meinte Achim. „Licht sehe ich da keines. Die ganze Zeit war in dieser Wohnung kein Licht.“
„Vielleicht liegt sie nach hinten raus.“
„Dann müssen wir den jungen Mann wohl noch einmal behelligen.“
Wir fuhren erneut zu Roschkes.
Unterwegs kontaktierte ich Sabrina. Sie berichtete, dass Frau Sommer mehrere Firmengebäude im Gewerbegebiet aufgesucht hatte. In jedem blieb sie zwischen einer und zwei Stunden. Mit dem ersten Bus fuhr sie dann zurück nach Hause.
„Die wird jetzt zumindest ein paar Stunden schlafen, denke ich. Fahrt wieder ins Gewerbegebiet, schaut, wer da zu den normalen Bürozeiten so reingeht.“
„Und wenn sie doch gleich wieder aus dem Haus geht?“, reklamierte Sabrina.
„Haste recht. Okay, dann schick Nathalie und Arnold dahin.“
Arnold war zusammen mit Achim Ende 2016 zu uns gekommen.

Der rote Porsche stand in der Einfahrt.
Herr Roschke machte uns selbst auf. „Sie schon wieder!“
„Herr Roschke, wo waren Sie heute Nacht?“, fragte ich.
„Warum interessiert Sie das? Bei meiner Freundin.“
„Wie heißt die denn?“
Er schwieg.
„Herr Roschke! Den Namen bitte!“
„Leonida Ferrada. Aber warum interessiert Sie das?“
„Weil wir Sie heute Nacht in der Kernstraße 54 gesehen haben. Dort wohnt auch die Babysitterin ihrer Exfrau.“
Er lachte. „Ach, und Sie glauben jetzt, dass ich … Nein, Herr Kommissar. In diesem Haus wohnen zwölf Familien oder, wie Leonida, Einzelpersonen. Das ist dann wohl ein dummer Zufall, dass da auch diese Frau wohnt, die Sie suchen.“
„Hatten wir das gesagt?“, foppte ich ihn.
Er zuckte kurz zusammen.
Bingo, dachte ich. Er lügt. „Herr Roschke, wie heißt Ihre Freundin?“
„Was soll das jetzt? Leonida ist Portugiesin.“
Mein Telefon klingelte. Ich holte es hervor, schaute auf die angezeigte Nummer. „Moment bitte“, sagte ich zu Roschke, ging ein paar Schritte fort, nahm das Gespräch dann entgegen. „Sabrina, was gibt es?“
„Wir folgen Frau Sommer. Jetzt rate mal, wo sie hinfährt.“
„Nun sag schon.“
„Kernstraße.“
„Das ist ja spannend. Versucht unbemerkt mit ins Haus zu gelangen. Und schaut mal auf das Klingelbrett, ob da eine Leonida Ferrada draufsteht.“
„Alles klar.“
Danach telefonierte ich mit Saskia im Revier, beauftragte sie, den Vermieter des Hauses Kernstraße 54 ausfindig zu machen, um die Mietverträge zu überprüfen. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwer ein falsches Spiel spielte. Was wollte Frau Sommer dort?
Erneut rief mich Sabrina an. Frau Sommer hatte sogar einen Schlüssel, nicht nur, um ins Haus zu gelangen, sondern ebenso für die Wohnung.
„Sag mal, was läuft denn da?“, fragte ich. „Ihr geht jetzt da rein! Stellt sie zur Rede.“
„Okay, ich melde mich, wenn wir neue Informationen haben.“
Ich ging wieder zurück zu Achim und Herrn Roschke. „Entschuldigung. So, Herr Roschke. Ich bitte sie noch einmal: Sagen Sie uns die Wahrheit.“
„Verdammt, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Okay, sagen Sie mir, wie diese Babysitterin heißt. Vielleicht kenne ich sie ja doch, wenn sie im selben Haus wohnt wie Leonida.“
„Ich habe eine bessere Idee. Sie steigen jetzt bei uns ein, und dann fahren wir gemeinsam in die Kernstraße. Rufen Sie ihre Freundin an, dass sie bitte zu Hause sein soll.“
„Das geht nicht. Wie stellen Sie sich das vor? Sie muss arbeiten.“
„Rufen Sie an!“
Missmutig holte er sein Telefon hervor, wählte eine Nummer. Die säuerliche Miene, die er dazu machte, zeigte mir, dass ihm die ganze Sache nicht passte. Nach einigen Augenblicken verkündete er: „Sie geht nicht dran.“
„Dann fahren wir jetzt hin. Punkt!“, beschloss ich.
„Kommen Sie, Herr Roschke“, forderte Achim ihn auf.
„Das wird nichts bringen“, lamentierte er.
„Das werden wir dann sehen.“

Unterwegs rief Sabrina an. Sie hatten Frau Sommer gestellt und verhört. Eine Frau Ferrada wohnte sehr wohl in diesem Haus, diese haben sie jedoch nicht angetroffen.
„Wir sind unterwegs“, sagte ich. „Bis gleich.“
Roschke schwieg auf der Fahrt, schien zu grübeln. Hatte er uns etwas verschwiegen, dachte jetzt darüber nach, wie er aus dieser Nummer wieder herauskommt?
Nach zwanzig Minuten erreichten wir die Kernstraße.
„Was wollen wir jetzt hier?“, fragte Roschke. „Meine Freundin ist nicht zu Hause. Das habe ich Ihnen gesagt.“
„Wir wollen gar nicht zu Ihrer Freundin, Herr Roschke“, meinte ich. „Wir besuchen Ihre Exfrau in einer fremden Wohnung.“
„Wie bitte? Nein! Ich will diese …“, er schluckte offenbar das unflätige Wort hinunter, „diese Frau nicht sehen! Nein!“
„Da müssen Sie jetzt durch.“
Er verdrehte die Augen, wirkte unruhig.
Ich klingelte, sogleich summte der Türöffner.
Mit dem Aufzug fuhren wir in die vierte Etage.
Tobias begrüßte uns an der Wohnungstür. „Sie ist nicht sehr gesprächig.“
„Ich bin sicher, sie will etwas verbergen. Ich weiß nur noch nicht, was“, antwortete ich.
„Das Kind ist nicht hier, falls ihr das vermutet hattet.“
„Nee. Das hatte ich nicht erwartet. Aber warum hat sie einen Schlüssel?“
Wir betraten den Wohnraum.
Frau Sommer begann sogleich zu jammern. „Oh, Marcel. Deine feine Freundin hat mein Kind entführt und will jetzt eine Menge Geld von mir. Wo soll ich das hernehmen? Du musst mir helfen, Marcel.“
„Spinnst du? Wovon redest du?“
Ich hatte sehr wohl genau hingehört. „Ihre Freundin, Herr Roschke? Frau Rosenbaum ist Ihre Freundin?“
„Quatsch! Wer soll das denn sein?“
Frau Sommer lachte albern. „Na, die Babysitterin, das Kindermädchen für unsere kleine Melina. Die du zu mir geschickt hast. Du!“
„Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Was spielen Sie beide mir hier für ein Theater vor?“, fluchte ich.
„Ich kenne diese Frau nicht, die hier offenbar wohnen soll. Das habe ich doch jetzt richtig verstanden, ja? Dieses Kindermädchen wohnt hier. Aber warum hat Maria dann einen Schlüssel?“
„Das wüsste ich allerdings auch gerne. Frau Sommer?“
„Sie hat einen Schlüssel für meine Wohnung, damit sie jederzeit rein kann, wenn ich sie rufe. Also wollte ich im Gegenzug einen Schlüssel für ihre Wohnung.“
„Okay, wenn Sie sich darauf geeinigt haben, ist das in Ordnung. Aber was wollen Sie jetzt in dieser Wohnung?“
„Ich suche nach Hinweisen, wo sie mein Kind versteckt haben könnte.“
„Das ist nicht Ihre Aufgabe, Frau Sommer!“
„Herr Kommissar!“, raunte mich Roschke an. „Diese Frau spinnt sich hier was zusammen!“
„Ich muss zugeben, so ganz schlau werde ich aus diesen ganzen Märchengeschichten nicht. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit. Frau Sommer? Herr Roschke? Wo ist Frau Fabia Rosenbaum?“
Mein Telefon klingelte. Saskia rief an. Ich zog mich in einen Nachbarraum zurück, schloss die Tür. „Saskia, was hast du herausgefunden?“
„Ich habe den Vermieter dieses Hauses befragen können. Welche Namen brauchst du?“
„Fabia Rosenbaum?“
„Vierte Etage ganz links.“
„Da sind wir jetzt. Okay. Leonida Ferrada?“
„Hm, der Name steht hier zwar, aber den Mietvertrag hat ein Herr Marcel Roschke abgeschlossen. Erste Etage rechts.“
„Sehr spannend. Danke, Saskia. Das waren die benötigten Informationen.“ Ich ging zurück zu den anderen. „So. Haben Sie sich ein paar Antworten überlegt, mit denen ich etwas anfangen kann?“
„Was wollen Sie von mir, Herr Kommissar?“
Diese ganze Kungelei ging mir so langsam auf die Nerven. „Hauptkommissar, bitte, Herr Roschke.“
Er verdrehte die Augen. „Ja, gut. Herr Hauptkommissar.“
„Herr Roschke, warum haben Sie die Wohnung in der ersten Etage für eine gewisse Leonida Ferrada gemietet?“
„Weil die junge Dame meine Freundin ist. Ich wollte ihr was Gutes tun.“
„Dann rufen Sie bitte Ihre Freundin noch mal an. Ich will mit ihr sprechen. Und wimmeln Sie mich nicht noch einmal ab. Ich glaube Ihnen nicht, dass sie nicht ans Telefon geht.“
„Glauben Sie doch, was Sie wollen“, maulte er.
Während er zu telefonieren versuchte, fragte ich Frau Sommer erneut. „Was ist mit Ihrer Antwort? Haben Sie in dieser Wohnung irgendwelche Hinweise gefunden? Ich glaube kaum.“
„Ich wollte mal den Computer starten. Vielleicht hat sie die Lösegeldforderung damit geschrieben.“
„Sie lassen mal schön die Finger davon.“ Ich wandte mich an Sabrina. „Rufst du bitte mal die Spusi?“
„Klar. Mache ich.“
„Ich frage mich langsam, wo Frau Rosenbaum abgeblieben ist“, sagte ich. „Sie muss doch irgendwann nach Hause kommen.“ Ich beobachtete Roschke. „Na? Was ist nun?“
„Sie werden mich erneut für einen Lügner halten, aber sie geht echt nicht dran.“
„Was macht sie für einen geheimnisvollen Job, dass sie während der Arbeit nicht mal ans private Telefon gehen darf? Das macht heutzutage jeder. Jeder!“
„Sie hat es nicht eingeschaltet.“
„Sie haben schon recht. Ich glaube Ihnen das nicht.“
So langsam fiel mir nichts mehr ein, wo ich ansetzen konnte, um die beiden aus der Reserve zu locken. Es war gut möglich, dass beide ihre eigenen Lügenmärchen erzählten. Nur die Beweislage war schwierig. Ich konnte es ihnen nicht beweisen. Alles hing derzeit an der Frage, wo sich Frau Rosenbaum aufhielt. Hatte sie wirklich das Kind entführt?
Achim schien noch eine Idee zu haben, sprach Frau Sommer an. „Sagen Sie, wissen Sie, welcher Arbeit Frau Rosenbaum nachgeht? Die Betreuung Ihrer Tochter wird doch nicht die einzige Beschäftigung sein.“
Frau Sommer schaute ihn erstaunt an. „Irgendeinen Bürojob, nehme ich an. Ich weiß es nicht genau.“
„Und wie viel bekommt sie für die Betreuung Ihrer Tochter?“
Diese Frage schien ihr gar nicht zu gefallen. Ihre Vermögensverhältnisse ließen es nach eigenen Angaben schließlich kaum zu, größere Ausgaben zu begleichen. Frau Rosenbaum machte diese Betreuung kaum kostenlos. Ich hakte ebenfalls ein. „Wie viel, Frau Sommer?“
Sie druckste unsicher herum. „Ach, wissen Sie ...“
„Frau Sommer!“, schrie ich sie an.
„Ach, ja, verdammt!“, schrie sie zurück. „Nen Fuffi am Tag.“
„Sie arbeiten sieben Tage die Woche je acht Stunden. Da sind fünfzig Euro nicht gerade viel. Aber es sind dennoch 1.500 Euro im Monat. Frau Sommer! Woher nehmen Sie dieses Geld?“
„Ach, verdammte Scheiße! Ich ...“ Sie begann zu weinen.
„Du gehst auf den Strich, du dreckige Schlampe!“, rief Roschke.
Ich packte ihn am Arm, riss ihn herum und brummte ihn an. „Das reicht jetzt, Herr Roschke! Sie sagen uns ebenso wenig die Wahrheit.“
„Das Geld für die Betreuung kann nur daher kommen. Und sie wird mit Sicherheit nicht für einen Zehner die Beine breit machen. Also kassiert sie da deutlich mehr als die 1.500.“
„Davon gehe ich allerdings ebenfalls aus. Frau Sommer, mit dieser illegalen Prostitution nehmen Sie sicher einige Tausend Euro im Monat ein. Wir haben Sie beobachtet.“
„Ihr habt ja alle keine Ahnung!“, schrie sie, heulte los und brach zusammen. „Männer sind solche Schweine!“
„Ich würde sagen, wir fahren jetzt alle zusammen ins Revier. Und da will ich von jedem die Wahrheit hören. Nichts als die reine Wahrheit. Ist das klar?“
Frau Sommer schaute zu mir auf. Ich reichte ihr meine Hand, die sie ergriff und mühsam wieder auf die Beine kam. „Dieser“, sie zeigte auf Roschke, „Mistkerl hat mein Leben versaut. Aber ich war damals einfach zu naiv.“
„Und du hast gnadenlos gelogen!“, gab er zurück.
„Na, dann kommen Sie jetzt bitte. Fahren wir ins Revier“, meinte ich.

Als wir unser Ziel erreichten, erlebten wir eine Überraschung. Nathalie und Arnold hatten jemanden mitgebracht: Fabia Rosenbaum und die kleine Melina.
„Sie versuchte gar nicht erst, es abzustreiten, als wir sie unverblümt fragten, wo sie das Kind versteckt hielte“, sagte Nathalie.
Weiter berichtete die Kollegin, dass Frau Rosenbaum die Freundin von Marcel Roschke war, bevor sie ihn mit einer anderen erwischt hatte. Er hatte sie zuvor zu seiner Exfrau geschickt, weil er wissen wollte, wie es seinem Kind erginge, wollte Maria Sommer gar das Sorgerecht entreißen, weil das Kind nach seiner Meinung in unwürdigen Verhältnissen aufwuchs. Doch nach dem Seitensprung wechselte Fabia die Seiten. Sie begann mit Maria Sommer eine intime Affäre, machte dieser den Vorschlag mit der vermeintlichen Entführung, um Geld von Marcel Roschke zu bekommen, bot an, das Kind in ihrer Zweitwohnung zu verstecken.
„Die andere Frau ist diese Leonida Ferrada?“, fragte ich.
„Ja. Der Typ muss ja ganz schön blöd sein, seine heimliche zweite Freundin im gleichen Haus einzuquartieren“, spottete Nathalie.
„Möchtest du das Verhör mit ihm machen? Er sitzt in der Eins, Frau Sommer in der Zwei. Eins verstehe ich nicht. Warum hat Frau Sommer das nicht einfach zugegeben? Und warum hat sie sich prostituiert?“
„Sie hatte wohl ernsthaft gehofft, dass Marcel Roschke das Geld zahlen würde. Damit hätte sie ihrer Tochter ein besseres Leben bereiten können. Um den Schein zu wahren, dass sie jeden Tag arbeiten ginge, hat sie sich wohl nicht getraut, die Mitwisserin trotz der inzwischen gefestigten Beziehung zu ihr ohne Lohn zu lassen. So hat zumindest Frau Rosenbaum es vermutet.“
„Gut, dann werden wir die beiden jetzt mal verhören. Mal sehen, was da noch gestanden wird.“

Wie Frau Sommer uns im Verhör schließlich gestand, machte sie diesen unwürdigen 'Job' im Gewerbegebiet bereits seit der Scheidung. Und natürlich verdiente sie dabei weitaus mehr, als es die Entlohnung der neuen Freundin, die währenddessen auf ihr Kind aufpasste, erforderte. Sie begründete dies mit Schulden, die sich von Beginn an angehäuft hatten.
Brüder hatte sie übrigens keine.
Marcel Roschke erklärte, dass er in ständiger Angst lebte, Maria würde die angedrohte Klage irgendwann ausführen, ihn damit ruinieren. Auf das Sorgerecht wollte er jedoch endgültig verzichten, wenn Maria eidesstattlich erklären würde, dass sie ihn, solange er ihr weiterhin den vereinbarten Unterhalt, den er sogar um 400 Euro zu erhöhen gedachte, zahle, keinesfalls verklagen dürfe.





Außergewöhnliche Liebe


Es war bereits nach vier Uhr nachmittags, als mein Telefon klingelte. „Schneider, was gibt es?“
„Hier steht ein Mann, der … ja, er redet seltsames Zeug. Er will jemanden als vermisst melden, aber ...“
„Ja, gut. Bring ihn zu mir. Ich werde mir anhören, was er will.“
„Tut mir leid, Chef.“
„Nun bring ihn schon her.“
Eigentlich hatte ich beabsichtigt, Feierabend zu machen. Daraus wurde nichts.
Die Tür ging auf, Schneider trat ein, wirkte ein wenig verunsichert. „Bitte, Herr Alberti.“
Ich erhob mich von meinem Stuhl, reichte dem Mann die Hand. „Guten Tag, Herr Alberti. Ich bin Hauptkommissar Bernd Zufall. Was kann ich für Sie tun?“
Er lachte. Es klang ein wenig albern. „Ja. Ja. Vielen Dank. Zufall? Das ist ja ...“
„Ja, ja, das höre ich ständig. Was haben Sie für ein Anliegen?“
„Na, ich wollte meine Vivian als vermisst melden.“ Jetzt kicherte er. „Sie … sie ist seit zwei Tagen verschwunden.“
„Seit zwei Tagen? Oha! Wann haben Sie Vivian denn zuletzt gesehen?“
„Das war vorgestern. Beim Frühstück. Meine Frau ist mal wieder auf Dienstreise, müssen Sie wissen. Ich mag es aber nicht so allein beim Essen.“ Wieder kicherte er.
Ein bisschen seltsam war dieser Mann in der Tat. Wie musste ich das jetzt verstehen? War Vivian sein Verhältnis, das er pflegte, wenn seine Frau unterwegs war?
„Herr Alberti, bitte sagen Sie, wer ist Vivian?“
„Vivian? Sie ist meine beste Freundin. Sie ...“
„Freundin oder mehr?“
Schon wieder dieses Kichern. „Ach, wissen Sie, Herr Kommissar. Sie glauben wohl, ich hätte ein außereheliches Verhältnis. Na, so ähnlich ist es wohl. Meine Frau duldet es, weil sie so oft fort ist.“
„Haben Sie vielleicht ein Bild von Vivian?“
„Oh, nein. Das … das kann ich Ihnen leider nicht geben. Aber ich kann sie beschreiben. Sie ist wunderschön.“
„Das hilft leider nicht wirklich weiter.“
„Ja, schon gut. Sie ist 160 Zentimeter groß, hat langes rotblondes Haar, so schön gewellt, aber nicht lockig. Sie hat ein Engelsgesicht und eine Traumfigur: üppige Brüste, schmale Taille, schönes Becken.“
„Herr Alberti, das trifft vermutlich auf Hunderte Frauen hier im Landkreis zu. Wie alt ist diese Vivian denn?“
„Oh, das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen. Ich habe sie seit etwa drei Jahren.“
Dieser Mann hatte irgendein Problem, dachte ich. Doch mir war nicht ganz klar, was er mir damit sagen wollte. 'Ich habe sie seit drei Jahren', sagte er, als wenn Vivian eine Sache wäre. Diese Formulierung war vermutlich seiner etwas eigenwilligen Art geschuldet, dachte ich.
„Können Sie mir jetzt helfen?“
„Herr Alberti, ohne Bild könnte das schwierig werden.“
„Nein, ein Bild habe ich nicht.“
„Dann weiß ich nicht, wie ich Ihnen helfen kann.“
„Suche ich eben selbst“, lamentierte er.
Ja, dachte ich, dann mach das mal.

Ich war erstaunt, als dieser Mann zwei Tage erneut in meinem Büro stand. „Herr Alberti. Haben Sie Ihre Vivian wiedergefunden?“
„Nein! Habe ich nicht!“, schnaubte er. „Jetzt weiß ich, dass meine Frau dahintersteckt.“
„Wie kommen Sie denn auf diese Idee?“
„Sie hat mir gesagt, dass sie Vivian auf ihre Reise mitgenommen hatte, und dass Vivian nun jemand Neues hat.“
„Wie bitte? Ihre Frau hat Ihre Freundin Vivian an jemand Anderen ...“, ich schluckte, „vermittelt? Und das hat Vivian ohne Murren hingenommen?“
„Ganz sicher nicht!“
„Also ist Ihre Frau plötzlich doch eifersüchtig auf Vivian, ja? Glauben Sie nicht, dass die Polizei da der falsche Ansprechpartner ist, Herr Alberti?“
Jetzt schmollte er, wandte sich ab, murmelte: „Ja, ja, die Polizei, dein Freund und Helfer. Aber wenn ich sie mal brauche, wollen sie nicht helfen.“ Dann schaute er mich noch einmal an und verließ mein Büro.
Dem ist nicht zu helfen, dachte ich. Die Sache mit seinen Liebschaften muss er schon mit seiner Frau auseinanderklamüsern.

Regelrecht fassungslos war ich, als Herr Alberti vier weitere Tage später, sprich am Montagmorgen, schon wieder vor mir stand.
„Annabell ist ebenfalls verschwunden?“, wetterte er.
Hatte ich mich verhört? Wer war denn jetzt Annabell?
„Herr Hauptkommissar! Vivian ist fort, und jetzt ist auch Annabell nicht mehr da. Da steckt meine Frau dahinter. Jetzt müssen Sie etwas tun!“
„Herr Alberti! Wer, um Himmels willen, ist Annabell?“
Er schaute zu Boden, seufzte. „Ja, ich habe zwei beste Freundinnen. Aber meine Frau hatte das bisher immer geduldet. Sie hatte nichts dagegen.“
„Es fällt mir schwer, das zu glauben, Herr Alberti. Sehr schwer. Haben Sie Ihre Frau mal dazu befragt?“
„Sie ist heute in aller Frühe mal wieder auf Dienstreise. Bestimmt hat sie Annabell nun auch mitgenommen, um sie wie Vivian anderweitig unterzubringen.“
„Ach, Herr Alberti, das kann doch nicht wahr sein! Sie wollen mich doch verschaukeln. Wann kommt Ihre Frau zurück?“
„Übermorgen.“
„Gut. Ich will mit Ihrer Frau sprechen. Das kann doch nicht sein, dass sie Ihre beiden Freundinnen derart behandelt. Warum tut sie das?“
„Ich weiß es nicht. Sie will mich für irgendetwas bestrafen, habe ich das Gefühl.“
„Wofür? Haben Sie noch andere beste Freundinnen, von denen Ihre Frau nichts weiß?“
Erschrocken schaute er mich an. Das deutete ich als 'Ja'. Er trifft sich mit einer anderen Frau, und seine Gattin hat es herausgefunden, will ihn jetzt vollkommen auf Entzug setzen. Alles andere wäre in meinen Augen absurd.
Doch ebenso absurd war eigentlich, dass ich mich mit diesem Problem, das augenscheinlich keinen wirklichen kriminalistischen Hintergrund zu haben schien, beschäftigte.
„Herr Alberti, gehen Sie bitte nach Hause. Rufen Sie mich übermorgen an, wenn Ihre Frau heimgekommen ist. Und dann reden Sie mit ihr, bis ich ein wenig später dazu komme. Könnten wir das so machen?“
„Ja, gut.“ Er wirkte niedergeschlagen, als er fortging.

Seit zwei Wochen war es ruhig in der Stadt. Es waren Ferien, viele waren gewiss im Urlaub. Aber das Wetter war nicht so berauschend, dass die Leute jeden Tag an den See gingen. Langeweile hatte sich breitgemacht.

Ich machte ein wenig früher Feierabend. Sehr zur Freunde meiner Frau Katharina.
„Hallo, mein Schatz“, jubelte sie, umarmte mich. „Ist immer noch Totenstille im Revier?“ Sie lachte. „Sogar die Ganoven sind im Urlaub.“
„Es scheint so. Aber dieser Herr Alberti war wieder da. Ich weiß echt nicht, was ich von dem halten soll. Wer weiß, wie viele beste Freundinnen der noch hat. Die zweite ist seit heute verschwunden. Und eine dritte scheint es auch noch zu geben, von der seine Frau noch nichts wusste.“
„Es kann doch nicht sein, dass du dich um seine privaten Probleme kümmern musst. Der braucht einen Eheberater.“
„Ach, Liebling, lassen wir doch das Thema einfach. Genießen wir mal den gemeinsamen Abend. Wollen wir zusammen etwas kochen?“
„Oh, ja, das ist eine gute Idee.“
Selten genug war ich unter der Woche mal so früh daheim.

Dienstag, wieder kurz vor Feierabend, rief Herr Alberti an. Er ließ sich nicht abwimmeln, sagte Schneider vom Empfang. Daher stellte er den Herrn zu mir durch. Er hatte ausdrücklich darum gebeten.
„Herr Alberti, ist Ihre Frau schon zurück?“
„Sie kam schon heute Morgen wieder heim. Ich habe ein Problem, Herr Hauptkommissar.“
Das weiß ich, dachte ich. „Was ist passiert?“
„Sie hat mich bedroht. 'Ich bringe dich um', hatte sie gesagt.“
„Hoppla. Hat sie Sie mit einer neuen Freundin erwischt?“, fragte ich mit einem Schuss Sarkasmus in der Stimme.
„Ich war gestern mit ihrer besten Freundin Dagmar aus. Und da hat sie uns wohl gesehen. Ja, verdammt.“
„Ich will ja nicht indiskret sein, es geht mich auch nichts an, aber dennoch frage ich mich, wie intim diese Verabredung war.“
„Wir haben uns geküsst. Und dann kam Marianne, das ist meine Frau, aus ihrem Versteck und hat uns angebrüllt.“
„Zu Recht, würde ich annehmen. Von dieser Verbindung wusste Ihre Gattin bislang nichts. Richtig?“
„Natürlich nicht.“
Wieder trieb mich der Sarkasmus. „Na ja, zwei beste Freundinnen kennt sie ja schon. Da kommt es auf eine mehr oder weniger doch nicht mehr an. Herr Alberti, wie soll ich Ihnen da jetzt helfen? Was sie brauchen, ist wohl eher ein Eheberater.“
„Meine Frau will sich entweder scheiden lassen oder mich umbringen.“
„Das käme am Ende auf dasselbe heraus“, stichelte ich.
„Nein! Sie ist im Grunde ihres Herzens eine gute Frau. Aber ihre dauernden Geschäftsreisen haben unsere Ehe belastet.“
„Und da kamen Sie auf die Idee, sich anderweitig umzusehen. Sie stellten ihr Vivian vor, dann Annabell. Die beiden hat sie ohne Murren akzeptiert?“
„Ja. Ja, sie hat gesagt, die beiden wären okay. Aber mehr durften es nicht werden.“
Ich war sicher, dass er mich von Anfang an verschaukeln wollte. Welche Ehefrau duldet derart generös gleich zwei Geliebte an ihrer Stelle? Ich schüttelte mit dem Kopf, meinte dann zu ihm: „Und dann fangen sie was mit ihrer besten Freundin Dagmar an ...“
„Dagmar hat mich verführt!“
„Das ändert natürlich alles“, prustete ich. „Herr Alberti! Wollen Sie mich verschaukeln? Reden Sie mit Ihrer Frau! Und dann gehen Sie beide zu einem Eheberater!“
„Aber ...“
„Nichts 'aber'! Ich will nichts mehr davon hören, Herr Alberti. Auf Wiederhören.“ Dann legte ich auf.
Ich warf mich gegen die Rückenlehne meines Sessels, atmete tief durch, stand dann auf und ging nach vorn zum Kollegen Schneider.
„Schneider, bitte. Tun Sie mir einen Gefallen. Wenn dieser Mann hier noch einmal anruft, dann legen Sie sofort wieder auf. Ja?“
„Er hat mich ja auch erst mal vollgequatscht, bevor er zum Punkt kam. Der Mann hat irgendwelche Probleme.“
„Ja, aber die sind nicht kriminalistischer Natur. Sein Problem ist nicht unser Job, Schneider. Alles klar?“
„Ja, Chef.“
„Danke.“

Die nächsten zwei Tage plätscherten so dahin. Noch immer gab es nichts, was dringend zu behandeln wäre. Am Freitagmorgen jedoch klingelte mein Telefon.
„Schneider, wen haben wir denn?“, fragte ich den Kollegen, der mir diesen Anruf übergeben wollte.
„Frau Alberti, Chef. Sie klingt ziemlich verstört.“
„Nicht er, diesmal sie? Na gut. Gib her. - Frau Alberti, was kann ich für Sie tun?“
„Herr Hauptkommissar, Sie müssen mir helfen. Mein Mann ...“
„Ich kenne Ihren Mann.“
„Ja, ich weiß. Er hat es mir erzählt. Ich … Ich mache mir Vorwürfe. Vielleicht war ich zu hart zu ihm. Wer konnte denn ahnen, dass er was mit meiner besten Freundin anfängt. Ich hätte ihm Vivian und Annabell lassen sollen.“
„Bitte, Frau Alberti. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Mein Mann ist gestern nicht von der Arbeit heimgekommen. Er hat sich nicht gemeldet. Ich habe ihn verärgert, aber ...“
„Sie meinen, er will Sie einfach so verlassen? Das glaube ich nicht. Er hatte durchaus Wertschätzung für Sie geäußert. Aber er war verärgert. Das ist richtig.“
„Verlassen? Nein. Ich habe mit Dagmar gesprochen. Bei ihr ist er nicht.“
„Frau Alberti, ich muss gestehen, ich blicke noch immer nicht so recht durch. Vivian und Annabell haben Sie geduldet. Das ist ja schon mal bemerkenswert. Aber die Affäre mit Dagmar war Ihnen dann doch zu viel?“
„Ach, Herr Hauptkommissar. Wissen Sie, Vivian und Annabell habe ich ihm gelassen, damit er nicht fremdgeht. Sie sind keine Gefahr, wenn Sie verstehen.“
„Nein, ich verstehe nicht.“
„Vivian und Annabell sind lebensechte Liebespuppen.“
Ich dachte, mich verhört zu haben. „Wie bitte?“ Will die mich jetzt verschaukeln? Ich war wütend. „Frau Alberti! Sie wollen mir jetzt allen Ernstes erzählen, dass Ihr Mann zwei Liebespuppen als vermisst gemeldet hatte?“
Sie lachte. „Oh, dieser Schelm. Hat er Ihnen das nicht gesagt?“
„Würde ich dann fragen?“
„Tut mir leid, Herr Hauptkommissar.“
„Wo sind diese beiden Puppen jetzt?“
„Dagmar hat sie.“
„Warum?“
„Ach, wissen Sie. Sie ist meine beste Freundin. Ich hatte ihr natürlich davon erzählt. Und da war sie neugierig. Ich wollte die Puppen heute zurückholen. Aber da mein Mann jetzt verschwunden ist, sah ich den Anruf bei Ihnen als wichtiger an.“
„Gut. Aber haben Sie eine Idee, wo er jetzt sein könnte?“
„Nein. Überhaupt nicht.“
„Doch bei einer anderen Frau, von der Sie nichts wissen?“
„Nein. Dagmar hat sich schon bei mir entschuldigt. Sie hat ihn verführt, hat sie zugegeben.“
„Aber offenbar hat sie ihm nichts davon gesagt, dass sie seine Puppen hat. Finde ich ein wenig seltsam. Gut, Frau Alberti. Ich nehme zur Kenntnis, dass Ihr Mann gerade nicht auffindbar ist. Üblicherweise ist die Frist, die man abwartet, vierundzwanzig Stunden.“
„Dann weiß ich Bescheid. Er geht ganz gern im Wald spazieren. Vielleicht finde ich ihn dort irgendwann.“
„Sie glauben, er könnte seit gestern Abend durch den Wald spazieren? Das halte ich doch eher für unwahrscheinlich.“
„Seltsam schon. Ja. Aber Sie kennen ihn nicht. Er hat das schon einmal gemacht, ist erst nach Mitternacht heim gekommen.“
„Wenn Sie es sagen ...“
Noch konnte ich mir nicht vorstellen, dass sich da etwas in kriminalistischer Form ergeben würde. Doch das änderte sich nur eine Stunde später.

Mein Telefon klingelte.
„Schneider, was gibt es?“
„Da ist eine Frau Bertholds in der Leitung. Sie will einen toten Mann gefunden haben.“
„Ja, her damit. - Frau Bertholds? Hauptkommissar Zufall. Was kann ich für Sie tun?“
„Hier liegt ein toter Mann. Und zwei ...“ Sie begann zu weinen. „Das ist ja der Marius“, stammelte sie.
„Frau Bertholds, wo sind Sie gerade?“
„Im Wald. Ich … ich habe gerade einen Spaziergang gemacht.“
„Können Sie mir Ihren Standort bitte etwas genauer benennen?“
„Nein, nein, oh mein Gott. Ja, ich bin von der Blumenallee gekommen. Am See vorbei, dann links. Der See ist rechts.“
„Okay, das werden wir finden.“
Ich informierte Frank Martani von der Spurensicherung und unsere Rechtsmedizinerin Britta Kränz. Beiden beschrieb ich den Weg zum Fundort.
Dann ging ich hinüber zum Kollegen Arnold Wollgang.
„Bernd, jetzt sag bloß, es gibt endlich was zu tun?“
„Arnold, du wirst es nicht glauben, aber da hat jemand einen Toten im Wald gefunden“, antwortete ich.
„Das war ja die letzten zwei Wochen echt zum Einschlafen. Endlich wieder Action.“
Ich lachte. „Na, dann komm mit.“

Nach fünfzehn Minuten erreichten wir den Waldweg. Frank und Julia sperrten bereits den Fundort weiträumig ab.
Ich erblickte Britta. Sie war bei dem Toten. „Komm, Arnold. Da drüben.“
Eine attraktive Frau stand bei ihr. Das musste wohl Frau Bertholds sein, dachte ich. Ich ging auf sie zu.
„Hallo, Bernd“, meinte Britta. „Das ist Frau Bertholds. Sie hat den Toten gefunden.“
„Danke, Britta.“ Ich wandte mich an die Zeugin. „Frau Bertholds, ich bin Hauptkommissar Zufall, mein Kollege Oberkommissar Wollgang. Sie haben hier etwas gefunden.“ Ich schaute mich um, stellte verwundert fest, dass auf dem Leichnam zwei menschliche Puppen lagen. Waren das Vivian und Annabell?
„Ja, das ist Marius Alberti. Ich bin mit ihm befreundet. Seine Frau ist meine beste Freundin.“
Zumindest sagte die andere es auch umgekehrt, dachte ich. Also gab es wohl kein böses Blut.
Die Kollegen von der Spurensicherung begutachteten gerade den Fundort, räumten die Puppen beiseite, damit Britta an den Toten herankonnte.
Das Opfer lag auf dem Rücken, aber unter ihm war der Boden blutrot. Das konnte ich erkennen. Als Britta den Leichnam auf die Seite rollte, erkannte man die Stichwunden im Rücken. Hinterrücks niedergestochen, dachte ich. Wie feige. Aber was sollte die Nummer mit den Puppen, die auf ihm lagen? Diese waren ebenfalls zerstochen.
Ich wandte mich wieder an die Zeugin. „Frau Bertholds, haben Sie eine Idee, wer Herrn Alberti nach dem Leben getrachtet haben könnte?“
„Ach, mein Gott, der Marius war so ein lieber Kerl. Wer sollte da ...“ Unvermittelt begann sie zu weinen, schluchzte. „Entschuldigen Sie, aber ...“
„Schon in Ordnung. Sie standen sich sehr nahe, wie Frau Alberti mir neulich sagte.“
Erschrocken blickte sie auf.
„Frau Bertholds, wie nahe standen Sie sich?“
„Ja, wir haben schon mal ein bisschen geschmust. Das stimmt schon. Die Marianne – Frau Alberti – hat uns da zuletzt erwischt.“
„War das alles? Oder ist da mehr passiert? Sie wissen schon, was ich meine.“
Sie schaute stumm zu mir auf, nickte, senkte dann den Blick.
„Okay, Frau Bertholds. Lassen wir es jetzt dabei bewenden. Würden Sie aber bitte heute Nachmittag zu mir ins Revier kommen, damit ich Ihre Aussage aufnehmen kann?“
„Ja“, flüsterte sie. „Darf ich jetzt nach Hause?“
„Kommen Sie allein klar, oder soll Sie jemand begleiten?“
„Nein, nein, das geht schon. Wäre Ihnen um drei Uhr recht?“
„Heute Nachmittag um drei. Ja, das ist in Ordnung.“
Gemächlichen Schrittes ging sie fort.

„Britta, wie sieht es aus?“
„Tja, Bernd. Relativ klar. Von hinten mit mehreren Stichen getötet. Ein bisschen Wut muss der Mörder auf ihn gehabt haben. Wenn ich das richtig beurteile, sind die Stiche ziemlich tief eingedrungen, haben auch das Herz erwischt.“
„Barbarisch. Wann ist das ungefähr passiert?“
„Irgendwann am frühen Morgen.“
„Die Tatwaffe?“, dabei schaute ich zu Frank hinüber.
„Bisher nichts gefunden“, antwortete er. „Fußspuren jede Menge. Aber Fingerabdrücke auf den Puppen beispielsweise gibt es mindestens drei verschiedene. Von wem die sind, müsstest du noch klären. Wer kommt da infrage?“
„Was ist mit sonstigen Hinterlassenschaften, Hautpartikeln und so weiter?“
„Ebenfalls verschiedene. Aber nicht, dass du glaubst, die Puppen wären benutzt. Da ist nichts. Die sind sauber.“
„Erstaunlich.“
„Wieso? Ich denke mal, der Benutzer machte sie anschließend – na, du weißt schon – doch bestimmt ordentlich sauber.“ Frank lachte, verzog dann das Gesicht. „Wenn nicht, dann … Nee! Wer sollte sie denn sonst benutzt haben?“
„Der Mörder?“
„Hier?“
„Wer weiß … Na gut, also nicht. Mindestens drei, sagtest du. Also er selbst, seine Frau und Frau Bertholds. Wäre eine der beiden dann die Mörderin? Oder hat der noch unbekannte Täter Handschuhe getragen?“
„Tja, Bernd. Das ist dein Job.“
„Ich werde erst einmal die beiden Damen befragen, ob es Anzeichen gab, die diese Tat heraufbeschworen haben könnten.“ Ich wandte mich erneut an Britta. „Hast du bei dem Toten einen Ausweis gefunden?“
„Ja, kannst die Brieftasche gleich mitnehmen. Ist alles noch da. Raubmord war es also nicht.“
„Danke, Britta.“
Ich schaute nach dem Ausweis, um die Anschrift herauszufinden. Dann machte ich mich mit Arnold auf den Weg zu Frau Alberti.

Wir fanden ein schmuckes Einfamilienhaus vor. Frau Alberti war Unternehmerin. Daher die ständigen Dienstreisen, nahm ich an. In welchem Gewerbe sie tätig war, wusste ich jedoch nicht.
Als ich mit Arnold vor der Haustür stand und auf das Klingelbrett schaute, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Da stand in einer geschwungenen Handschrift geschrieben: 'Alles, was die Liebe schön macht – auch wenn Du allein bist'.
Mit anderen Worten, sie vermarktete Sexspielzeug und alles, was sonst noch damit zu tun hat. Dann hat ihr Mann die Puppen wohl zum Einstandspreis bekommen …
Ich drückte auf die Klingel.
Wenige Augenblicke später öffnete eine sehr attraktive Frau uns die Tür.
„Frau Alberti?“, fragte ich unsicher.
„Die bin ich. Kommen Sie bitte herein.“ Sie sagte das so selbstverständlich, als hätte sie uns bereits erwartet.
„Frau Alberti, wir haben ...“
„Schlechte Kunde. Das weiß ich bereits. Dagmar hatte mich vor wenigen Minuten angerufen. Ich habe das Gespräch sehr schnell beendet, weil sie ohnehin nur am Heulen war.“
„Geht Ihnen das denn nicht nahe? Frau Alberti, Ihr Mann ist heute tot im Wald gefunden worden.“
„Ja, das ist tragisch. Aber das Leben geht weiter.“
Ich konnte es nicht fassen. Diese Frau wirkte eiskalt.
„Entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt sage, aber das klingt so, als wenn Sie nicht traurig darüber sind. Er hatte mir gegenüber erwähnt, dass Sie ihn wahlweise umbringen oder sich von ihm scheiden lassen würden.“
„Ach, ich bitte Sie, Herr Hauptkommissar. Ja, ich habe ihm das vorgeworfen, dass er ausgerechnet mit meiner besten Freundin eine Affäre hatte, aber das ist schon wieder vergessen. Wissen Sie, mein Mann war nicht sehr selbstbewusst. Er brauchte ab und an mal einen Tritt in den … Na, Sie wissen schon.“ Sie grinste.
„Dann sagen Sie mir, wenn Sie es selbst nicht getan haben sollten, wer ein Motiv gehabt hätte, Ihren Mann umzubringen. Frau Bertholds sagte, er sei ein sehr liebenswerter Mensch gewesen. Wie würden Sie Ihren Gatten denn charakterisieren?“
Da schluchzte sie dann doch einmal. „Ach, wissen Sie. Er war ein guter Mensch, aber er war schwach. Er hatte kein Selbstvertrauen. Ich dachte, ich könnte ihm das beibringen. Aber ich war, das gebe ich zu, zu oft außer Haus unterwegs, weil ich ein Unternehmen habe, das vom Kundenkontakt lebt.“
Ich ertappte mich dabei, meine Fantasie schweifen zu lassen, dass ich mir vorstellte, Frau Alberti würde ihre Ware den potenziellen Kunden gegebenenfalls vorführen, um sie zum Kauf zu animieren. Gewiss tat sie dies nicht.
„Wer könnte da anderer Meinung gewesen sein?“
„Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich wüsste niemanden.“
„Das macht die Sache für mich nicht gerade leicht. Ich erkenne kein Motiv. Aber sagen Sie, Frau Alberti, warum haben Sie ihm die Puppen weggenommen?“
„Ach, ich weiß nicht, was mich da geritten hat. Dagmar hatte ich das alles erzählt. Sie war neugierig. Also habe ich ihr mal die Vivian mitgebracht. Und dann wollte sie auch Annabell kennenlernen.“ Sie lachte. „Ist doch albern, oder?“
„Ein wenig skurril würde ich es nennen. Aber warum sind sie dann bei Frau Bertholds geblieben?“
„Sie wollte sie einfach noch ein wenig behalten, sagte sie. Aber die Puppen lagen jetzt auf ihm, als Sie ihn gefunden haben. Habe ich das richtig verstanden?“
„Das ist richtig.“
Sie starrte ins Leere, kratzte sich am Nacken. „Was wollte der Mörder meines Mannes damit sagen?“
„Wenn wir das wüssten, wären wir schon ganz nah dran, schätze ich.“
„Sie werden Dagmar fragen müssen, was sie mit den Puppen gemacht hat.“
„Das werde ich tun, Frau Alberti. Aber halten Sie Ihre Freundin für eine Mörderin?“
Sie lachte. „Die Dagmar? Nie im Leben. Die ist genauso ein Schmusetierchen wie es mein Mann war. Wenn ich Ihnen etwas sehr Intimes anvertrauen darf, Herr Hauptkommissar … Ich konnte meinen Mann nur sehr selten zu einer etwas härteren Gangart im Bett überreden, wenn Sie verstehen.“
„Ach, haben Sie ihm die Puppen bloß zum Kuscheln gegeben?“ Ein Schmunzeln konnte ich nicht unterdrücken.
„Liebe und Sex waren für ihn etwas Sanftes. Er verabscheute Gewalt. Harter Sex war für ihn Gewalt. Verstehen Sie?“
„Und Dagmar Bertholds bot ihm mehr von dieser Sanftheit als Sie?“
„Kann schon sein. Aber sie hat ihn wegen der Puppen auch ein bisschen aufgezogen, sagte sie mir.“
„Frau Alberti, ich glaube, wir drehen uns hier im Kreis. Ich brauche ein Motiv für seinen Tod.“
„Das habe ich nicht. Mag sein, dass Sie mich für kalt und berechnend halten, weil ich nicht offen trauere, aber ich habe Marius geliebt. Ich habe keine Ahnung, wer ein Motiv hätte haben können. Tut mir leid.“
„Sie versichern mir also, dass Sie es nicht getan haben?“
„Natürlich habe ich ihn nicht umgebracht.“
„Aber diese Puppen, die seinen Leichnam bedeckten. Da steckt doch irgendeine Botschaft drin. Was will uns der Mörder damit sagen?“
„Das ist Psychologie, Herr Hauptkommissar.“
„Als Geschäftsfrau, die etwas verkaufen will, nutzen Sie diese gewiss. Schließlich wollen Sie Ihre Kunden animieren. Das hat durchaus etwas mit Psychologie zu tun.“
„Aber eher im Positiven. Diese Botschaft, die Sie suchen, ist wohl eher negativ behaftet.“
Ich dachte nach. „Waren die Puppen nicht genug?“, murmelte ich.
„Was sagten Sie?“
„Das stärkste Motiv, das immer wieder einen Mord aufklärt, ist die Eifersucht, Frau Alberti. Wer hätte Grund zur Eifersucht?“
„Das weiß ich leider nicht.“
„Ich denke, wir sollten hier zu einem Ende kommen. Das Gespräch war sehr aufschlussreich, aber meine Gedanken zum Motiv sollte ich vielleicht besser mit meinen Kolleginnen und Kollegen teilen.“
„Ich bin nicht eifersüchtig auf Dagmar. Wenn er schon fremdgeht, also anstatt mit den Puppen, mit einer echten Frau, dann doch die beste Freundin, die einem alles erzählt. Da gibt es keine Eifersucht. Jedenfalls nicht bei mir.“
„Gut. Dann nehmen wir das mal so mit, Frau Alberti. Vielen Dank für Ihre offenen Worte.“
„Gern geschehen, Herr Hauptkommissar.“ Sie lachte. „Ihr Kollege war die ganze Zeit sprachlos, hatte ich das Gefühl.“
„Ach, das täuscht, gute Frau“, meinte Arnold. „Ich habe sehr viel zwischen den Zeilen gelesen.“
„Oh. Halten Sie mich für eine Mörderin?“
Arnold grübelte, sagte dann: „Nein. Sicher nicht.“
„Danke. Dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Suche. Ich sage Ihnen noch einmal ganz offen und ehrlich: Ich vermisse meinen lieben Marius mehr als Sie glauben.“ Dann seufzte sie. „Auf Wiedersehen.“
Wir verabschiedeten uns.

Als wir im Wagen saßen, sagte Arnold: „Eine beeindruckende Frau. Also, ich glaube ihr. Sie hat ihn nicht umgebracht.“
„Das glaube ich auch nicht. Sehen wir, was uns Frau Bertholds nachher erzählen kann.“
„Du sagtest vorhin etwas von Eifersucht als Motiv. Was ist mit Herrn Bertholds? Wusste er von dem Techtelmechtel seiner Frau mit Herrn Alberti?“
„Das ist eine gute Frage. Wir werden ihn auf jeden Fall ebenfalls befragen.“
„Warum fahren wir dann nicht direkt hin? Dann braucht Frau Bertholds nicht erst ins Revier kommen.“
„Hast eigentlich recht. Hast du die Adresse?“
„Nee.“ Arnold lachte.
Okay, dachte ich, dann kommt sie eben ins Revier, wir befragen sie, bringen sie dann heim, um auch mit ihrem Gatten zu sprechen.

Pünktlich um drei Uhr am Nachmittag kam Frau Bertholds ins Revier.
Ich begrüßte sie, führte sie in mein Büro, bat Arnold dazu. Doch kaum fiel der Name Marius Alberti, begann sie zu schluchzen und zu weinen.
Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, erzählte sie, dass sich die beiden Paare bereits seit der Schulzeit kannten, vor fünfzehn Jahren zusammen Abitur gemacht hatten.
„Aber in all den Jahren war bisher nie etwas passiert. Vermutlich auch deshalb, weil wir unsere Freundschaft sehr hoch schätzten. Aber seit Marianne ständig auf Geschäftsreise ist, da fehlte Marius etwas. Da hat sie ihm die Puppen gegeben.“
„Ist schon ein wenig skurril. Finden Sie nicht, Frau Bertholds?“
Sie lachte. „Ja, schon. Aber sie hat es mir ungeniert erzählt. Er bräuchte halt was zum Kuscheln, hatte sie gesagt. Wenn sie ihn im Bett forderte, ging es wohl ein wenig heißer her. Auch das sagte sie frei heraus.“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. War es wirklich so, dass beste Freundinnen sich alles erzählten? Alles?
„Frau Bertholds, wie kam es dazu, dass die Puppen plötzlich bei Ihnen landeten?“
„Ich hatte danach gefragt. Da hat sie einfach eine mitgebracht. Aber ich habe sie nicht gut genug versteckt. Mein Mann hat sie entdeckt, dachte, ich hätte sie für ihn zum Geburtstag geholt. Als ich das verneinte, war er wütend.“
„Und?“
„Wenn er wütend ist, dann ist er immer sehr rabiat. Ich mag es jedoch lieber sanft und zärtlich. Der Abend verlief sehr angespannt, wir … er hat mich allein ins Bett geschickt, wollte im Gästezimmer schlafen, hatte er gesagt. Und da hat er sich dann diese Puppe genommen und sich ausgetobt.“
„Das ist ja unglaublich!“
„Ja, aber es wird noch schlimmer. Als Marianne die zweite Puppe mitbrachte, war mein Mann zu Hause.“
„Ich ahne, was er sich erhofft hatte.“
„Als Marianne weg war, entriss er mir auch die zweite Puppe und machte sich hemmungslos darüber her.“
„Aber ...“
„Ich durfte die Schweinerei dann wieder sauber machen!“, schimpfte sie.
Ich rümpfte die Nase, grübelte über Sinn und Unsinn dieser Geschichte. Hatten dann nicht die falschen Partner zueinander gefunden? Hatte Frau Alberti sich nicht über die fehlende Härte ihres Gatten beklagt? Und umgekehrt hätten Dagmar Bertholds und Marius Alberti dann nicht besser zusammengepasst? Ebenso wie Frau Alberti und Herr Bertholds? Wenn es um die gewissen Vorlieben ging, wäre das allemal so. Aber was musste ich aus dieser Geschichte herauslesen?
„Frau Bertholds, ich glaube, ich kann mir ein Bild machen.“ Ich schaute Arnold an. Der zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern. „Wir bringen Sie jetzt nach Hause. Ist Ihr Mann zufällig zu Hause?“
„Der Uwe ist fast immer zu Hause. Er hat ein Arbeitszimmer, das er nur verlässt, wenn er einen Kunden besucht. Er ist Versicherungsvertreter, wissen Sie.“
„Gut. Ihn würde ich nämlich ebenfalls ein paar Dinge fragen wollen“, verkündete ich.
„Tun Sie das ruhig. Aber wundern Sie sich nicht, wenn er schnell die Geduld verliert.“
„Kommen Sie, bitte.“

Im Wagen fragte Arnold Frau Bertholds, was sie für eine Arbeit mache. Sie arbeitete im Krankenhaus in der Palliativstation. Bei der Gelegenheit verriet sie uns außerdem, dass Marius Alberti bei der Stadtverwaltung gearbeitet hatte.
Zudem musste sie uns noch die Adresse verraten, die wir ansteuern sollten.
„Hach, das ist ganz einfach“, jauchzte sie. „Fahren Sie, als würden Sie Marianne besuchen. Schräg gegenüber wohne ich mit meinem Mann.“
„Da weiß der Eine immer, wann der Andere aus dem Haus geht“, murmelte Arnold mir zu.
Stimmt, dachte ich. Am Ende war das durchaus gängige Praxis bei beiden Paaren. Da gab es gewiss Zeitfenster, wo sich der oder die Eine mit dem Partner des jeweils anderen treffen konnte. Ich musste also nur die richtigen Fragen stellen.

Auch die Bertholds wohnten in einem gepflegten Einfamilienhaus.
Frau Bertholds wirkte ein wenig aufgekratzt, rief, nachdem sie aufgeschlossen und den Flur betreten hatte, laut nach ihrem Gatten. „Mausebärchen! Wo bist du?“
Eine Tür ging auf. Noch bevor der Mann aus dem Raum herausgetreten war, vernahmen wir seine Stimme. „Verdammt nochmal, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht so nennen …“, in diesem Augenblick hatte er uns erblickt, „sollst. Schon gar nicht vor fremden Leuten!“, polterte er.
„Guten Tag, Herr Bertholds“, sagte ich.
„Guten Tag!“, brummte er.
„Hauptkommissar Zufall, mein Kollege Oberkommissar Wollgang. Herr Bertholds, wir hätten gerne ein paar Fragen an Sie.“
„Worum geht es?“
„Um den gewaltsamen Tod ihres Freundes – das nehme ich mal an ‒, zumindest Ihres Nachbarn Marius Alberti.“
„Freund, Nachbar, na ja, mal so, mal so. Unsere Frauen sind ganz dicke miteinander.“
„Mit anderen Worten, Sie bevorzugen die Beschreibung 'Nachbar', ja?“
„Seit er mit meiner Frau was angefangen hatte, allemal. Hätte mal bei seinen Püppchen bleiben sollen, wenn seine Frau ihm zu unromantisch war.“
Da klang eine Portion Eifersucht heraus, dachte ich.
„Das sagst du, der genauso unromantisch ist“, klagte seine Gattin.
„Du bist eine Mimose. Ich brauche es halt ein bisschen kerniger. Ach“, er machte eine abwehrende Handbewegung, „das geht keinen was an.“
„Die Marianne mag es auch gerne etwas 'kerniger', wie du es nennst. Hat der Marius mir erzählt“, stichelte Frau Bertholds.
„Ja! Die Marianne ist ja auch eine selbstbewusste Frau! Die kann auch mal zupacken!“
„Ach, wie oft hat sie denn bei Ihnen schon mal zugepackt, Herr Bertholds?“, fragte ich.
Erschrocken starrte er mich an.
Seine Frau reagierte entsprechend. „Ich habe es gewusst! Wenn ihr zwei Selbständigen allein wart, habt ihr es miteinander getrieben!“
„Ist das so, Herr Bertholds?“, hakte ich nach.
Wieder erschrak er. „Verdammt! Ja! Ich habe die Marianne gebumst. Das hatte sich aus einem zwanglosen Gespräch ergeben.“
„Du Mistkerl!“, fluchte Frau Bertholds. „Wie lange geht das schon?“
„Wie lange, Herr Bertholds?“, fragte auch ich.
„Ungefähr sechs Wochen“, gab er kleinlaut zu.
Seine Gattin schnaubte. „Und wie oft?“
„Was glaubst du denn jetzt?“, schrie er sie an. „Wann immer es ging! Wir wollten es beide.“
„Oh, du bist so ein Scheusal. Liebst du mich denn gar nicht mehr?“
„Ach, Dagmar. Natürlich liebe ich dich. Aber diese Kuschelei reicht mir eben nicht. Ich brauche mehr Action.“
Sie schaute ihn durchdringend an. „Sei ehrlich, Uwe. Hast du Marius umgebracht?“
Er zögerte mit der Antwort, erkannte ich. „Er hätte dich nicht anbaggern dürfen, Daggi. Er hätte bei seinen Puppen bleiben sollen.“
Entsetzen machte sich breit. Sie hob die Arme, ballte die Fäuste und stürmte auf ihn zu, schlug ihn und schrie „Mörder! Mörder!“.
Er wehrte sich kaum.
„Frau Bertholds“, sagte ich, „es ist gut.“ Ich ging auf die beiden zu. „Herr Bertholds, ich deute das als Geständnis.“
Sie ließ von ihm ab, ließ sich in einen Sessel fallen und begann zu weinen.
„Herr Bertholds, eine Frage: Was sollte die Nummer mit den Puppen auf seiner Leiche?“
„Marianne hatte sie ihm weggenommen. Das war nicht richtig. Er sollte sie auf seinem letzten Weg wieder bei sich haben. Das hätte alles nicht passieren müssen, hätte sie ihn damit nicht bestrafen wollen.“
„Wofür denn bestrafen?“, stammelte seine Gattin. „Weil sie uns einmal miteinander gesehen hat? Da hattet ihr zwei doch schon wochenlang gesündigt. Du bist ein Heuchler, Uwe!“
„Ich weiß. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“, meinte er süffisant lächelnd.
Ohne Gegenwehr ließ er sich anschließend abführen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo zusammen,

weil Weihnachten ist, habe ich euch gleich zwei neue Episoden kredenzt.:)

Viel Spaß beim Lesen und Kommentieren.

Liebe Grüße und ein fröhliches Weihnachtsfest,
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer
die erste Episode habe ich durch und wie schon die anderen davor, fand ich sie spannend und gut zu lesen.
Natürlich habe ich dabei auf Deinen Wunsch hin auch akribisch hingeschaut, etwas ausgesiebt und weitestgehend auch mit die Begründungen dazu geschrieben. Sieht nach mehr aus, als es wirklich ist. Also nicht erschrecken. ;)


Da er sofort lachte und um Entschuldigung bat, schmunzelte ich, und fragte ihn, wie der Urlaub war. (Mit dem »und« dazwischen liest es sich, nach meinem Empfinden, besser.)

„Sie sind Alleinerziehend alleinerziehend

„Um Himmels Willen willen. Nein, Frau ...“
(siehe hierzu, was ich gefunden habe .)

Die korrekte Schreibweise ist "um Himmels willen" -Die kleingeschriebene Präposition „willen“ leitet sich zwar vom Substantiv „Wille“ ab, erfüllt in der Redewendung aber keine Substantivfunktion.


https://www.fehler-haft.de/journal/?p=452
um Himmels Willen / um Himmels willen | Beliebte Fehler – korrekturen.de
Beliebter FehlerRichtige SchreibweiseErläuterung
um Himmels Willenum Himmels willenBei Ausdrücken wie »um Himmels willen«, »um Gottes willen« oder »um des lieben Friedens willen« handelt es sich um Zirkumpositionen, bei denen ein Nominalausdruck eingerahmt wird. Der Bestandteil »willen«, eigentlich ein erstarrter Akkusativ, wird hierbei kleingeschrieben. Die fälschliche Großschreibung »um Himmels Willen« findet sich sogar im Titel einer beliebten TV-Serie wieder.


„Ich bin Hauptkommissar Bernd Zufall. Frau Sommer, jetzt nehmen wir das erstmal erst mal auf.
Erst mal oder erstmal ist eine umgangssprachliche Verkürzung von »erst einmal«. Die Schreibweise mit Trennung ist empfohlen, da die ohne Trennung falsch wäre.

vollschlanke Statur, etwa einssiebzig groß, (eins siebzig würde ich auseinander oder in Zahlen 1,70 großschreiben)

Ich lachte. „Kommt das von Zeit zu Zeit vor?

„Trotzdem ist es auch seine Tochter. Ist er zuhause?“
Sagen Sie hingegen: "Ich bin in der ganzen Welt zu Hause" oder "In dieser Stadt fühle ich mich zu Hause", dann ist die getrennte Schreibweise korrekt. Alternativ können Sie "zuhause" aber auch zusammen und kleinschreiben. Der Duden erlaubt beide Schreibweisen, empfiehlt jedoch "zu Hause".

Das Ergebnis war das gemeinsame Kind. Und das musste nun im Vordergrund stehen.(das nun würde ich weglassen)

Ich habe seit der Scheidung keinen Kontakt mit ihr gehabt. Weder telefonisch, kein Komma noch persönlich, noch sonstwie sonst wie. Alles klar?“
Wenn mit ‚Weder … noch‘ etwas verglichen oder aufgezählt wird, wird kein Komma gesetzt.

ich hatte in keiner Weise Kontakt mit zu meiner Exfrau.“

„Dann müssen wir wohl erstmal erst mal/ erst einmal abwarten,

(erstmal zusammengeschrieben ist zwar auch richtig, wird aber selbst von Duden getrennt geschrieben empfohlen)

Das ist alles, was ist ich daraus lesen kann.“

Anführungszeichen fehlt Moment“, sagte ich, ging zu den Kolleginnen nach nebenan

„Gut. Wir reden nochmal mit ihm.“ Ich bevorzuge die empfohlene Variante, also getrennt)

„Komm, Achim. Wir reden nochmal mit ihm.“ (dito oder Du verwendest auch mal zu Abwechsund ein anderes Wort, wie z. B.: abermals, erneut, noch einmal)
„Noch mal“ ist die verkürzte Form von „noch einmal“, die Du getrennt schreibst. Daher wird die getrennte Schreibweise „noch mal“ auch vom Duden empfohlen. Weil es aber nur eine Empfehlung ist, darfst Du „nochmal“ auch zusammenschreiben.


„Der weiß verdammt gut bescheid Bescheid, was seine Ex so tut, habe ich das Gefühl“,

„Dann werden wir da jetzt auch mal klingeln“, meinte ich. (wieso auch mal klingeln? Hat doch vorher keiner getan. Also ohne das „ auch“)

dem ersten Bus fuhr sie dann zurück nach Hause. (hier verwendest Du die empfohlene Schreibform von Duden, ich in anderen Fällen aber nicht. Wäre es nicht besser, in jedem Fall die gleiche Form zu nutzen?)

„Haste recht. Okay, dann schick Nathalie und Arnold da hin dahin.“ (an diesen Ort, in diese Richtung, zu diesem Zeitpunkt, dann wird es zusammengeschrieben)

Kernstraße. Rufen Sie ihre Freundin an, dass sie bitte zuhause sein soll.“ (richtig, aber empfohlen zu Hause so wie Du sie weiter oben eigentlich auch schon verwendet hattest, eine einheitliche Form wäre besser)

„Was wollen wir jetzt hier?“, fragte Roschke. „Meine Freundin ist nicht zuhause. Das habe ich Ihnen gesagt.“ (dito)

Da sind fünfzig Euro nicht gerade viel. Aber es sind dennoch eintausendfünfhundert Euro im Monat. Frau Schiffers Sommer! Woher nehmen Sie dieses Geld?“ ( Du meinst sicher Frau Sommer, oder??? Den Eurowert würde ich in Zahlen schreiben, also 1.500 €) Hier dazu aus dem Internet:
Wann schreibt man Zahlen aus?

Bei Zahlen, die größer sind als zwölf, können Sie selbst entscheiden. Die Schreibung der Zahlen als Wort oder in Ziffern ist korrekt. Auch hier gilt: Wenn Sie Zahlen in Ziffern schreiben, bekommen diese mehr Aufmerksamkeit. Das kann gezielt eingesetzt werden. Oder eben nicht, wenn der Lesefluss nicht gestört werden soll.
Empfehlung aus dem Duden: Ein- und zweisilbige Zahlen sollen eher ausgeschrieben werden, längere in Ziffern.
Beispiele:
– eins, neun, zwölf, dreißig, hundert
– 45 (statt „fünfundvierzig“)
Tipp: Ungefähre Zahl-Angaben werden als Wort geschrieben. Denn in Ziffern wirken Zahlen exakt. Deshalb schreiben Sie „Rund dreißigtausend Besucher haben das Spiel gesehen“.


So, das war der erste Streich und der zweite … kommt etwas später, aber auf jeden Fall.

Ich wünsche Dir einen fleißigen
Weihnachtsmann und mache mich gleich an die nächste Episode.

Viele liebe Grüße
Sonja
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer,

und da bin ich mit der zweiten Episode.
Die fand ich so richtig super. Der erste Teil war wunderbar amüsand. Mein Kopfkino war sofort angesprungen und die Mundwinkel haben sich beim Lesen nach oben verzogen. Der zwite Teil und die Klärung des Falls war ebenso gut geschrieben.
Nun zu dem was mir dabei untergekommem ist. Es sieht wieder nach mehr aus, als es eigentlich ist. Dabei habe ich auch wieder die Wörte rausgepickt die zwar richtig sind aber die andere SChreibweise dabei empfohlen wird. Ist also Geschmacksache und kein Fehler.


Sie hat ein Engelsgesicht und eine Traumfigur: Üppige Brüste, schmale Taille, schönes Becken.“
(Folgt dem Doppelpunkt weder ein Substantiv noch eine wörtliche Rede oder ein vollständiger Hauptsatz, schreibt man klein weiter. Es ist zwar in der wörtlichen Rede eingebettet, gehört aber zu der Aufzählung. Deshalb würde ich es wohl klein schreiben. Bin mir aber nicht ganz sicher.)

„Suche ich eben selbst“,Leerzeichenlamentierte er.

„Herr Alberti! Wer, um Himmels Willen willen, ist Annabell?“ (Begründung schon in vorhergehender Episode)

„Sie ist heute in aller Frühe mal wieder auf Dienstreise. Bestimmt hat sie Annabell jetzt nun auch mitgenommen, um sie wie Vivian anderweitig unterzubringen.“

Es waren Ferien, viele waren gar nicht hier. (vielleicht besser: ..., viele waren nicht mehr da.)

Dienstag, wieder kurz vor Feierabend, rief Herr Alberti an. Neue Zeile Anführungsstriche Er ließ sich nicht abwimmeln Ausführungsstriche, sagte Schneider vom Empfang. Daher stellte er den Herrn durch zu mir durch.

„Zu recht Recht, würde ich annehmen. Von dieser Verbindung wusste Ihre Gattin bislang nichts. Richtig?“
(In der Wendung „zu Recht“ (im Sinne von „berechtigterweise“) wird ‚Recht‘ großgeschrieben, sofern es nicht als Adverb ein darauf folgendes Adjektiv näher bestimmt. Als Bestandteil von Verben wie ‚zurechtkommen‘, ‚-finden‘ schreiben Sie bitte „zurecht“.)

„Ja. Ja, sie hat gesagt, die beiden wären okay. Aber mehr durfte durften es nicht werden.“

Ich schüttelte meinen den/mit dem Kopf, meinte dann zu ihm:

Ich hatte ihr natürlich davon erzählt. Und da war sie neugierig. Ich wollte sie heute zurückholen. (Wen zurückholen? Dagmar oder die Puppen? Also= Ich wollte die Puppen heut…)

„Dann weiß ich bescheid Bescheid.

Dann ging ich hinüber zu Kollege Arnold Wollgang. (Ich würde wohl eher schreiben: zum Kollegen Arnold…)

Die Kollegen von der Spurensicherung begutachteten gerade den Fundort, räumten die Puppen beiseite, damit Britta an den Toten heran konnte herankonnte. (Falls Du eine Form des Verbs ‚heran(konnte)‘ meintest, wird diese zusammengeschrieben.)

Wer kommt da in Frage?“
Bei der Wendung „ infrage “ handelt es sich um die Verbindung einer Präposition mit einem Substantiv . Beide Schreibweisen — sowohl getrennt als auch zusammen — sind richtig und haben die gleiche Bedeutung. „infrage“ ist aber die empfohlene Schreibweise.

Alberti würde ihre Ware den potentiellen potenziellen Kunden gegebenenfalls vorführen, um sie zum Kauf (auch hier sind beide Schreibweisen richtig, doch die empfohlene ist „potenziell“)

Ein wenig skuril skurril würde ich es nennen.

„Liebe und Sex war waren für ihn etwas Sanftes.

„Ist schon ein wenig skuril skurril. Finden Sie nicht, Frau Bertholds?“

Der Abend verlief sehr angespannt, wir … Er er hat mich allein ins Bett geschickt, (Der Satz ist ja nicht zu ende, die verbessert sich nur. Oder sehe ich das falsch?)

Als Marianne die zweite Puppe mitbrachte, war mein Mann zuhause.“ (Empfohlen zu Hause)

Okay, langsam zweifle ich :(
, ich führe es trotzdem noch einmal mit auf:

„Wir bringen Sie jetzt nach Hause. Ist Ihr Mann zufällig zuhause?“
„Der Uwe ist fast immer zuhause.

Sie arbeitete im Krankenhaus in der Paliativabteilung. Palliativabtilung/ besser: auf der Palliativstation

„Hauptkommissar Zufall, mein Kollege Oberkommissar Wollgang. Her Herr Bertholds, wir hätten gerne ein paar Fragen an Sie.“

Um den gewaltsamen Tod ihres Freundes – das nehme ich mal an ‒ , zumindest Ihres Nachbarn Marius Alberti.“(
Nur hinter einem Komma steht ein Leerzeichen, aber nicht davor.)

So, ich haben fertig.
Wobei, mir ist noch etwas zwischen den beiden Episoden aufgefallen. Erzählen tut Kommissar, oh Verzeihung, Hauptkommissar Zufall doch die beiden Geschichten. Nur kommt da seine Erzählweise eher lax rüber . Viele nochmal und erstmal usw. In der zweiten Geschichte drückt er sich dann schon gewählt aus. Also: erst einmal und noch einmal usw., als würde er langsam zum Hochdeutsch wechseln wollen. Wie gesagt, ist mir nur aufgefallen, schmälert aber keinesfalls die Handlung und das Lesevergnügen.

Viele liebe Grüße
Sonja
 
Guten Morgen, Sonja,

wow! Du bist echt klasse! Das sind zwar meist nur Kleinigkeiten, aber auch die wollen beachtet werden. Aber dass ich manche Sachen mal so und mal anders schreibe, ist nicht zu verzeihen ...;) Da muss ich ran.
Und dann das mit dem falschen Namen. Schiffers hieß die Tussi aus 'Tempolimit'. Da hast Du gut aufgepasst.
Eine Sache ist aber nicht so, wie Du glaubst.

Dienstag, wieder kurz vor Feierabend, rief Herr Alberti an. Neue Zeile Anführungsstriche Er ließ sich nicht abwimmeln Ausführungsstriche, sagte Schneider vom Empfang. Daher stellte er den Herrn durch zu mir durch.

Das ist durchgängig Erzählstimme, also braucht es da keine wörtliche Rede.

Boh, und Danke für den Sternenregen.

Liebe Grüße,
 

Sonja59

Mitglied
Dir auch einen verspäteten guten Morgen Rainer,

immer wieder gern. Und ja, das geht auch als Erzählstimme. Fiel mir nur irgendwie auf. Ich hatte es als wörtliche Rede empfunden. Es wird also wirklich nur durch die Satzzeichen deutlich.

Ich wünsche Dir heute noch einen schönen und dann auch ruhigen Arbeitstag, während wir anderen alle viere gerade sein lassen.

Liebe Grüße
 
Hallo Sonja,

also wir lassen Fünfe gerade sein, wenn wir chillen, wie das neudeutsch heißt, wollen ...;)

Dienstlich war es gestern, da ich weit genug von der Innenstadt entfernt war, trotz der 9 h 12 min Dienstlänge ganz gemütlich. Heute ebenfalls. Und morgen wird es kaum anders sein. Lange Dienste, aber leicht verdientes Geld. Wir haben unsere Weihnachtsfeiern schon an den beiden Wochenenden vor den Feiertagen gemacht. Nächstes Jahr habe ich zumindest Heiligabend planmäßig frei.

Ich schaue mal, ob ich das dieses Jahr noch hinkriege mit den Korrekturen (lange Dienste heißt halt auch weniger Freizeit, weil meine Frau ja auch was von mir haben will).

Liebe Grüße,
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer,

äh …? Fünfe gerade sein lassen? Da frage ich mich jetzt, was bei Euch der fünfte Körperteil ist. Ich meine außer den zwei Armen und zwei Beinen. .... Ich hoffe, Du meinst den Kopf oder wird genau der rot, wenn ich ein weiteres Teil aufzähle, was ich aber nicht habe? ;)
Ja, natürlich ist Chillen mir auch ein Begriff. Nur versuche ich, diesen Jargon meinen Enkeln zu überlassen. Zumal selbst der bei ihnen schon wieder nicht mehr in ist. Das Deutsch wird wirklich in erschreckendem Maße zum Denglisch, dass ich da kaum noch mitkomme. Also lasse ich es lieber gleich ganz. Denn es ist nicht gerade schmeichelhaft von den Enkeln zu hören: „Ach Mensch Oma, das ist doch schon längst out. Das sagt doch keiner mehr so. Damit blamierst du dich nur, wenn du jünger klingen willst als du bist.“ Und recht haben sie, wenn ich so manchen älteren Kollegen zuhöre, die ganz cool rüberkommen wollen, aber manches Mal wirklich nicht wissen, wann für welche Situation das Wort zutrifft, was sie da gerade ganz lässig von sich geben. Meist muss ich mich dann abwenden, erst mal kurz bis zehn zählen, mit den Augen rollen, ehe ich mich wieder zurückdrehe und sie weiter ernst zu nehmen versuche. Also bleibe ich, oller Schuster, lieber bei meinen Leisten.

Oh, und bitte, mache Dir keinen Stress, wegen meiner so schnell hintereinander eingestellten Texte. Es ist doch kein Wettstreit, wer wo und wie welchen Text am schnellsten durchgesehen hat. Da steht weder eine Deadline noch eine Pflicht dahinter. Also alles im grünen Bereich.

Ich wünsche Dir also für morgen eine knitterfreie Stoßstange und ganz freundliche Fahrgäste.
Liebe Grüße
 
Guten Morgen, Sonja,

oh, oh, oh, nein, so meinte ich das natürlich nicht.:D;) Nein, das ist bei uns so eine Redewendung, weil 5 ja nun mal nicht gerade ist.

Ich möchte mir auch gar keinen Stress machen, aber der Spaß dabei und die Neugier auf den Inhalt lockt natürlich. Und ich unterstelle mal, da Du eine Menge dazugelernt hast, wird die Fehlerhäufigkeit auch drastisch geringer sein, als am Anfang. Was mich freut, mir sogar imponiert, dass Du Dein gestärktes Wissen, falls es nicht ohnehin bereits vorhanden war, munter an andere weitergibst. Das ist der Spirit hier in der Leselupe.
Aber dieses Jahr wird das wohl nichts mehr mit den Korrekturen Deiner neuen Teile.:oops:

Heute noch mal einen langen Dienst, morgen ist dann etwas entspannter. Danach ist Wochenende. Aber Silvester und Neujahr muss ich wieder.

Liebe Grüße,
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin,

mal schauen wie es am Wochenende mit meimer Zeit auszieht.
Ich mag eure Diskussion bezüglich Zusammen- und Getrenntschreibung. Da kann man etwas lernen.
Tipp für alle die kein Problem mit Wörtern haben, die heut nicht mehr so geläufig sind. Für 'zu Hause' gibt es eine alternative 'Heim': daheim. Oder auch:
nach heim, Heimweh, Heimat, Heimchen, heimlich, Heimstätte, Heimkehr, heimkehren ... ;)

Liebe Grüße
Ahorn
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin Rainer Zufall,

ich bin wahrlich ein großer Fan deiner Geschichten und die 'Außergewöhnliche Liebe' ist ehrlich brillant.
Aber und dies ist dein größtes Manko - es ist nicht das erste Mal, dass ich es schreibe - dialoglastig. Was an sich nicht schlimm ist, wen es zumindest menscheln würde. Es kommt mir manchmal vor als stünden deine Charaktere, gleich gesichtslosen Puppen, in einem weißen Raum und werfen sich Sätze entgegen. Lade einmal deine besser Hälfte zum Essen ein und beobachtet die andern Gäste, zumindest die, die nicht gebannt auf ihr Smartphone schauen. Beschreibe ruhig die Örtlichkeiten, sein Büro, den Wald, die Häuser, die Einrichtung. Wie riecht es dort, was hört er?
Ich habe mir einfach erlaubt in deinen Text ein wenig Mimik und Gestik einzubauen, nehme es als Beispiel, denn es sind nicht deine Worte. ;)

Liebe Grüße
Ahorn
 

Anhänge

Hallo Ahorn,

ich danke Dir für die vielen guten Hinweise. Eine Sache, die Du da hast einfließen lassen, geht mir allerdings etwas zu weit. Es ist die latente Aufdringlichkeit der Damen. Ich mag zwar Sex'n'Crime, aber das produziert ein falsches Bild, finde ich.

Ich weiß, dass ich manchmal zu steril schreibe, wenn Du so willst. Darum danke ich Dir, dass Du mich erneut darauf hinweist. Irgendwann lerne ich es vielleicht ...;)

Der dritte Band ist komplett. Jetzt geht es ans Überarbeiten der Baustellen, die Du mir sichtbar machst.

Einen schönen Abend noch.

Liebe Grüße,
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
N'Abend,

Es ist die latente Aufdringlichkeit der Damen. Ich mag zwar Sex'n'Crime, aber das produziert ein falsches Bild, finde ich.
Deshalb habe ich es gewählt. Erstens, weil es dir sicher Freude bereitet :p und zweitens, damit du es für die Geschichte nicht verwendest :cool:.
Denk dir gefälligst selbst etwas aus.

Liebe Grüße
Ahorn
 
Moin, Ahorn,

na, klar. Und ich hab's wieder nicht kapiert.;) Schließlich hast Du geschrieben

nehme es als Beispiel, denn es sind nicht deine Worte.

Gefälligst? Kommt von Gefallen, oder?;) Ich denke darüber nach.

Liebe Grüße,
 



 
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