KONTAKTE - Fünfunddreißig

Aufschreiber

Mitglied
Der Start der beiden Raumschiffe verlief absolut glatt. Nicht die kleinste Unstimmigkeit oder Unklarheit war aufgetaucht, bevor der beeindruckende Kreuzer und der elegante Raumer in den Hyperraum eintauchten.
Die außerirdischen Passagiere nahmen all das mit Gelassenheit. Sie waren diese Transfers im nichteuklidischen Raumkontinuum gewohnt. Die beiden menschlichen Frauen jedoch saßen, jede an Bord des ihr zugewiesenen Schiffes, fasziniert in ihren Kabinen und verfolgten dieses Wunder an ihren Terminals. Völlig unabgesprochen konzentrierten sie sich dabei auf unterschiedliche Aspekte der Technologien, die Raumsprünge erst möglich machten.

Anh, der der Zugriff zu allen militärisch genutzten Technologien verwehrt blieb, beschäftigte sich eingehend mit der Navigation. Sie durchwühlte, von einem Pr'aksischen Offizier "unterstützt", die Datenbanken des Kreuzers und übertrug alles, was sie zu den Themen Transfertrassen und Navigation, sowie Kommunikation und Sicherheit herausfand, auf ihren eigenen Informationsspeicher.
Kr'Akso, der Beobachter, half ihr bei allen Untersuchungen, wobei er peinlichst darauf achtete, dass keine unerwünschten Recherchen stattfanden.

An Bord des Telonischen Raumers verlief alles bedeutend entspannter. Fok'Enh, die wissenschaftliche Leiterin des Teams, hatte sich zu Jenny gesellt und erklärte geduldig die Theorien hinter dem Antrieb und den wichtigsten Schutzvorrichtungen. Die Energie für die Transfers wurde aus sogenannten CSW, einem Phänomen, das Jennys Translator mit "Counter Space Wavelets" übersetzte, gewonnen.
Die junge Frau hatte noch keine klare Vorstellung davon, wie das Ganze funktionierte, aber sie hatte begriffen, dass die CSW nur innerhalb der Hyperraum - Konfiguration auftraten. Um in diese Struktur zu gelangen, benötigte man einen dreiphasigen Annihilator, der neben dem Schub auch die Raumkrümmung so anpasste, dass eine Magistrale, eine Art Raumportal, entstand. Durch diese glitt das Schiff hinauf in das siebendimensionale Kontinuum.

Fok'Enh ließ ein klick - klackendes Lachen hören, als ihre irdische Schülerin versuchte, ihr etwas von ihrem Verständnis der Sache darzulegen.
"Entschuldige bitte", bat sie, als sie sich wieder beruhigt hatte. "Es ist, als höre man einem Kind zu, das mit ernster Miene erklärt, warum der Tak' GinP'kenh Onh'ik, der einzige Feind den die Teloni während ihrer Entwicklung hatten, eine rosafarbene Küche haben müsse, denn so hätte es Trak'Unh, der Zauberer bestimmt."
Jenny nickte nachdenklich. "Das glaube ich dir."
Sie hob ratlos die Schultern. "Aber ich bin einfach keine so gute Technikerin. Darfst Du mir die Daten auf den Holon übertragen?"
Sie hielt ihrer Mentorin das kleine Gerät hin.
"Ich weiß es nicht", antwortete diese, "Aber man hat es nicht explizit verboten. Also nehme ich an, dass es nicht untersagt ist." Sie legte den schwarzen Kristallwürfel auf eine bläulich irisierende Fläche. Um den Datenträger tanzten bunte Blitze, dann ertönte ein Klicken.
Ob es von der Mechanik her rührte, die den Speicher ergriff oder ob es sich um eine Telonische Programm - Meldung handelte, konnte Jenny nicht ausmachen. Fok'Enh entnahm dem filigranen Greifer, der den Würfel empor gehoben hatte, das Datenmodul und gab es ihrer Schülerin zurück.
"Da wir nicht sicher sind, wie sehr dieser Austausch erwünscht ist, wäre es vielleicht klug, nicht davon zu sprechen", ermahnte sie Jenny.

Im Flur ertönte eine Art Fanfare. Anschließend erfolgte eine Meldung in Telonischer Sprache. Diese wurde von Übersetzungen in Pr'ak und Yamon'In ergänzt. Endlich kam auch das irdische Unilingo an die Reihe:
"Bitte begeben sie sich alle auf ihre Positionen. Personen ohne definierte Aufgabe halten sich bitte in ihren Unterkünften auf, damit sie den Ablauf nicht stören! Wir erreichen in wenigen Minuten die Position des irdischen Raumschiffes "Un-brakeable".

Jenny spürte, wie ihr Innerstes zu vibrieren begann.
Auf dem Kreuzer brach große Betriebsamkeit aus, die dennoch nicht hektisch erschien. Kr'Akso bat Anh, ihre Kabine nicht zu verlassen und eilte dann hinaus, um seine Gefechtsstation zu besetzen.

Seltsamerweise fühlte sich die zierliche Asiatin vollkommen sicher und ruhig. Diese Wesen wussten, was sie taten.

* * *

Zrrgll war schon einige Zeit vorher auf einige eigenwillige energetische Fluktuationen aufmerksam geworden. Was mochte das sein? - Es zog alle Bewusstseins - Fragmente aus der Umgebung zurück und dehnte seine Wahrnehmung in alle Richtungen aus. in der normalen Raumzeit gab es nichts zu entdecken. Doch da gab es noch die Krrngllisass, die "Vielplätze", wie man das Wort ins Menschliche übersetzen könnte.
Zu dumm, dass Zrrgll noch nicht weit genug entwickelt gewesen war, um ein Dorrturll, ein Portal in diese Raumstruktur zu erzeugen, als es losgezogen war. Es wusste nur, dass man die eigene Zusammensetzung auf ganz bestimmte Weise manipulieren musste, um dort hin zu gelangen. Aber wie?
Es durchsuchte sein Bewusstsein, fand aber nur einige Andeutungen und die Aussage eines alten Frrmllo, das beteuerte: "Dieses Wissen wirst du erwerben, wenn du die Phase des Gankk Etso Fllompinn erreicht hast."
Oh ja. Zrrgll wusste wohl, was das bedeutete. Es war die letzte Entwicklungsstufe vor dem Ende der Bildungszeit; - eine Vor - Reife. Hatte man sie erreicht, musste man nur noch ein selbst gewähltes wissenschaftliches Projekt abschließen, um als vollwertiges Frrmllo akzeptiert zu werden.
Es geschah sehr selten, dass man die Forschungsarbeit vor dem Gankk ... fertigstellen durfte. Zrrgll war Nachkomme der Frrmllokk Hnssi, der mächtigsten Sippe in der Gesellschaft. Ihm würde man diese Ausnahme zugestehen. - Und genau das war auch der Grund für seinen Alleingang, seine tausendjährige Odyssee gewesen.

Die Energieschwankungen wurden stärker. Plötzlich verstand Zrrgll, was da vor ging. Es würde sich ein Dorrturll bilden. Das war großartig. Es würde in die Krrngllisass gelangen können ...

Da! Jetzt verschob sich die Raumzeit an einem bestimmten Punkt. Es konzentrierte seine Präsenz auf diesen Ort.
Jetzt! - Es glitt in den Chaos - Strudel des Portals hinein ...

Halt! Hatte es nicht eben ein ... Gebilde passiert? - Ein weiteres von diesen ... Raumschiffen?
Gerade als es sich neu orientiert hatte, erschien ein zweites Schiff. Zrrgll drang durch die Hülle, als gäbe es einen riesigen Abstand zwischen den einzelnen Molekülen. Es fand das Arteriengewirr der Maschinen und nistete sich dort ein. Wenn sich alles wieder beruhigt hatte, würde es ein paar Untersuchungen anstellen.
Als das Schiff das Portal passierte, bildeten sich kleine Wirbelmuster in Zrrglls energetischer Konfiguration. Das war beinahe so, wie das Streicheln des Menschen Kren, damals im Illusor.

Das Bewusstsein des blinden Passagiers begab sich zur Ruhe. Es hatte keine Eile.
 



 
Oben Unten