KONTAKTE - Neununddreißig

Aufschreiber

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"00 : 01: 00 : 00", zeigten die Hauptmonitore der beiden Schiffe. Die Brückenmannschaften hielten kurz inne, als ein Gong den Beginn der letzten Minute signalisierte.
Anh hatte sich vom Kapitän des P'raksischen Schiffes den Zugriff auf die Anzeigen aller wichtigen Kontrollen und Geräte erbeten. Sie saß in ihrer Kabine und hatte einen ganzen Block von Monitoren an ihrem Arbeitsplatz montiert, zwischen denen ihr Blick wanderte.

"00 : 00 : 30 : 00" Es schien, als erstürben alle Atemgeräusche. Jenny spürte, wie ihr Herz gegen die Rippen schlug, als wolle es sich einen Weg nach außen bahnen. Ohne zu zwinkern starrte sie den Countdown an, in dem die Hundertstelsekunden der Doppelnull entgegen flimmerten. Das Rascheln der Schuppen einer Yemn'Ina, die im Schalensitz ihre Haltung korrigierte, donnerte, als sei es die Brandung eines Ozeans - ohrenbetäubend.

"00: 00 : 15 : 00" Manche von der Brückenbesatzung und den Passagieren atmeten hastig aus und ein, bevor sie erneut regungslos verharrten. Niemand nahm mehr die Hundertstel wahr, denn die Sekunden schienen ihren Lauf zu beschleunigen ...

Keiner der Beobachter nahm den letzten Wechsel der Ziffern bewusst wahr. Urplötzlich sprang das Bild um und man sah, wie sich um einen bestimmten Bereich der Schiffsmaschinerie eine Art leuchtender Kugel bildete.
Es dauerte nur Mikrosekunden, bis die Reaktion des fremden Wesens einsetzte. Die Kugel schien zu rotieren, zu pulsieren. Sie strahlte im gesamten Spektrum der Energie.

Anh fuhr von ihren Monitoren zurück. Sie hatte keinerlei Vorstellung davon, was hier vorging, aber es war ihr klar, dass es dort eine tödliche Gefahr gab.

* * *

In dem Moment, in dem das Portalsystem aktiviert wurde, machte Zrrgll eine weitere vollkommen neue Erfahrung. Totale Überraschung breitete sich in seinem Bewusstsein aus.
Woher kamen all die Krrngllisass? Das gesamte energetische Gefüge begann, verrückt zu spielen. Zrrgll warf sich der "Vielplatz - Kugel entgegen", doch das war dumm. Die Portale transportierten einen Teil seines Seins in den Hyperraum, wo es Mühe hatte, nicht zu zerstäuben. Kaum konsolidierte es sich aber in der Anderswelt, wurde es wieder in den euklidischen Raum zurück geworfen, im Austausch gegen andere Bereiche seiner Struktur.
Das Ganze wurde zu einer Art Pulsation, bei der immer ein Teil von Zrrglls Existenz im Hyperraum koagulierte, während der andere, in alle Richtungen der Raumzeit gezerrt, in der euklidischen Realität verharrte. Das Wesen geriet in Panik und versuchte, seine hiesige Existenz von den Portalen weg zu reißen. Das gelang recht gut, doch schlugen nun die transzendierten Teile mit größerer Wucht wieder ein, was die mühsam konsolidierten Bereiche aufblähte und erneut in gefährliche Nähe der Portale schwingen ließ.

Langsam, ganz langsam ebbte die Fluktuation ab, bis endlich der allergrößte Teil von Zrrglls Struktur wieder im Normalraum verharrte, geschmälert um einen Prozentsatz verlorengegangener Energieanteile, die sich im Hyperraum verflüchtigt hatten.
Zrrgll war gefangen. Es wagte nicht mehr, sich den Krrngllisass zu nähern, deren Netz seinen ganzen Aufenthaltsort umspannte. Es zwang sich zur Ruhe, versuchte, die Situation zu bewerten. Diese Wesen hatten ihm eine wichtige Lektion erteilt. Sie waren in der Lage, überraschende und mächtige Lösungen zu ersinnen, obwohl ihr Intellekt doch dem seinen so weit unterlegen war.

Aber was war das? Auch damit hatte Zrrgll nicht gerechnet.
Die Kugel begann, zu schrumpfen. Das war überraschend, viel schockierender jedoch war, dass ihr Zentrum, mit dem enthaltenen Gefangenen, sich verlagerte, zur Brücke des Pr'aksischen Kreuzers hin.

* * *

Tak'Enh, der Navigator der "Po'kh Enh'kok'Unh Anh 'grak'inh", hatte seinen Posten nicht verlassen können. So war ihm der gesamte Vorgang der Gefangennahme Zrrglls entgangen. Auf dem Schirm des Telono zeichnete sich nun ganz deutlich das kleine irdische Schiff ab.
Der Name "Un-brakeable" sagte ihm nichts, denn es hatte keinen Anlass gegeben, ihn sich übersetzen zu lassen. Das einzige, was ihn interessieren musste, war, dieses zerbrechliche kleine Ding erfolgreich zu bergen. Um die Wiederbelebung der Passagiere würden sich dann die Menschen kümmern, unterstützt von den 'älteren' Rassen.

Jetzt war es soweit. Die Annäherung an die "Un-brakeable" war beinahe ausreichend für eine Bergung ...
"Ist alles in Ordnung?", erklang hinter ihm die Stimme der menschlichen Frau. Tak'Enh schrak aus seinen Gedanken, bewahrte gerade noch genügend Konzentration, um die Übernahme des irdischen Schiffes im richtigen Moment zu starten.
Er drehte sich halb um. "Ja, alles in Ordnung", bestätigte er und wartete die Übersetzung ab. Dann wandte er sich der Irdischen ganz zu. Den Rest würde die Automatik übernehmen.
"Ich hatte dich nicht kommen gehört", erklärte er, ein kleines bisschen beschämt, ob seines Schreckens. "Die Bergung wurde genau in dem Augenblick eingeleitet, in dem du gefragt hast."

Jenny trat auf das Arbeitspult Tak'Enhs zu und ließ sich auf dem zweiten dort wartenden Sattel nieder. "Oh. Dann habe ich wohl gestört?"
"Ich will ehrlich sein, ich bin ein wenig erschrocken, als du plötzlich hier warst. Ich hatte dich nicht wahrgenommen. Aber es ist alles perfekt, in etwa zehn Zeiteinheiten wird sich das Schiff 'Un-brakeable' im Hangar der 'Po'kh Enh'kok'Unh Anh 'grak'inh' befinden. Dann können wir die darin schlummernden Individuen wieder aktivieren."
Jenny errötete leicht. "Ich wollte dich nicht erschrecken. Entschuldige bitte!"
"Es ist nicht so schlimm", beruhigte sie der Navigator, "Dennoch wäre es gut, wenn du künftig den Summer benutzen könntest, auch, wenn die Tür offensichtlich nicht verschlossen ist."
Nun errötete Jenny noch mehr. "Das werde ich tun. Bitte entschuldige noch einmal!"
Tak'Enh vollführte die Geste der Nachsicht und wandte sich anschließend wieder seinen Kontrollen zu.

* * *

Zrrgll hatte das Maximum der Konzentration seiner energetischen Strukturen erreicht. Die Kraftfelder waren nun so dicht, dass es begann, sichtbar zu werden.

Wie eine leuchtende Amöbe hing es in der Sphere, waberte, flirrte ... und
hatte ... Angst.
 



 
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