KONTAKTE - Sechsundzwanzig

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Das Miniraumschiff, in dem die beiden irdischen Frauen angereist waren, nahm sich gegenüber dem Kleinraumer der Teloni wirklich wie eine Nussschale aus. Es landete problemlos in dessen Container - Hangar. Die Luke öffnete sich und die beiden Passagierinnen verließen ihr Vehikel, um den drei kindergroßen Ameisenwesen zu begegnen, die in angemessener Entfernung warteten.

Anh und Jenny hatten kaum zehn Schritte getan, als von der linken Seite her ein kleines automatisches Fahrzeug auf sie zu rollte. Es blieb neben ihnen stehen und eine klickende, leicht quäkende Stimme sprach: "Bitte vertrauen Sie mir ihr Gepäck an!"
Jenny betrachtete das kleine Gefährt und lächelte. Dann wuchtete sie ihren Seesack auf dessen Ladefläche, den sie bisher auf seinen Bodenrollen hinter sich her gezerrt hatte. Anh ließ ein "Sehr wohl" hören und tat es ihrer Gefährtin gleich.

Nun gewann die Fortbewegung eine bedeutend angenehmere Qualität, als das Trippeln mit dem Sack im Schlepptau. Die beiden Frauen schritten auf das Empfangskommittee zu, aus dessen Reihen sich das größte und am buntesten schillernde Insekt löste.
"Willkommen an Bord", klick - klackte die Stimme des Aliens, dem die Artikulation irdischer Laute offensichtlich nicht leicht fiel. "Mein Name ist Tei'Anh, ich bin eine weibliche Person und ich bin die leitende Kontakterin in unserer Einheit. Bitte wenden Sie sich mit Fragen und Wünschen hauptsächlich an mich!"

Anh verbeugte sich leicht und senkte den Blick. Jenny, der diese Art Kontaktaufnahme vollkommen neu war, beeilte sich, diese Gesten zu imitieren.
"Vielen Dank für ihre freundliche Begrüßung", sagte Anh, "Leider sind wir physisch nicht in der Lage, die Laute der Telonischen Sprache zu formen, daher danken wir ihnen umso mehr, dass sie sich die Mühe machen, Unilingo zu sprechen. Ich gestehe, dass ich die Kommunikation mittels Translatoren als unangenehm und fehlerträchtig empfinde, was meine Dankbarkeit noch vergrößert."
"Wir freuen uns, Ihnen begegnen zu können. Jeder Kontakt zwischen unseren Spezies kann nur ein Resultat bezwecken, nämlich die Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses und die Stärkung der Zusammenarbeit, über alle Hindernisse hinweg."
Auch Tei'Anh versuchte sich an dieser leichten Verbeugung, die ihre Gäste gezeigt hatten. Als ihre Anatomie dies nicht zufriedenstellend zuließ, vollführte sie stattdessen die Telonischen Gesten des Wohlwollens und der Zufriedenheit.
"Bitte folgen Sie uns!", forderte sie anschließend die Neuankömmlinge auf. Die Teloni formierten sich zu einem Dreieck, mit Tei'Anh an der Spitze und geleiteten ihre Gäste zu deren Kabinen. Als sie vor der ersten Tür angekommen waren, wandte sich die Kommandantin um und fragte: "Ist es Ihnen Recht, wenn sie getrennte Wohnräume erhalten? Es wäre auch unproblematisch, zwei der Einheiten zu einer zu verbinden."

Anh und Jenny wechselten kurze Blicke und antworteten dann gleichzeitig: "Ein gemeinsamer Wohnraum wäre schöner."

* * *

Damian war gespannt. Er hatte für diesen Abend gleich die schweren Geschütze aufgefahren und für sich und Marika, sowie für ein weiteres Pärchen, das er aus der Simulationsentwickler - Szene kannte, Karten für das "Full Groove" bestellt, eine Diskothek, in die man nur als VIP oder mit sehr guten Beziehungen hinein kam. Damian war sicher kein Star, kannte aber dennoch eine ganze Menge Leute, die nichts dagegen hatten, wenn ihre Illusoren gelegentlich ... nicht ganz legale Simulate produzierten. Und diese "Klienten" sorgten nicht nur dafür, dass er sich seine Luxuswohnung leisten konnte, sondern einige von ihnen kannten jemanden, der jemanden kannte ...
Marika hatte die Nase gerümpft, als er ihr erklärte, was sie für den Abend vor hätten. "Oh, toll!", hatte sie gegiftet, "Wir gehen zu den zugedröhnten Sternchen der Unterhaltung und hopsen mit ihnen um die Wette."
"Warte ab!", hatte Damian entgegnet, seine Irritation nicht ganz mühelos unterdrückend.

Und nun stand er, gemeinsam mit Adela und Yuri, seinen beiden Bekannten, vor dem Wohnheim, in dem Marika hauste. Nun ja, ganz so schlimm, wie es das Wort vermuten ließ, war die Unterkunft sicher nicht, aber andererseits wohl in keiner Weise mit Damians Palazzo zu vergleichen. Der Hauch der Askese umwehte die Außenmauern des Gebäudes, dessen beste Tage ... vergangen waren.
Sie betraten es nicht.
Damian kontaktierte den Butler des Komplexes: "Teile Marika Veszigyi mit, dass drei Personen vor dem Gebäude auf sie warten!"
"Sehr wohl!", schnarrte es aus einem alten, leicht schief in seiner Fassung hängenden Sonor.
Dennoch verging fast eine halbe Stunde, ehe hinter der Eingangstür eine Bewegung zu erkennen war.

Marika kam heraus gestürmt, so knallbunt bemalt, dass Damian sie erst auf den zweiten Blick wirklich erkannte. Ganz offensichtlich nahm sie es als Sport, sich so unmöglich zu machen, wie sie nur konnte.
"Interessanter Look", grinste Yuri
Adela brach in ein helles Kichern aus und schmiegte ihr Gesicht an die Schulter ihres Freundes.
"Was?", platzte Marika heraus.
"Nichts", beteuerte Damian, "Jeder macht sich so zurecht, wie er sich am wohlsten fühlt." Er lief um den Farbklecks herum und blieb dann mit einem leisen Pfeifen stehen. "Alles klar. Es hätte nicht anders sein können."
"Was meinst Du?"
"Lévy - C, stimmt's?"/1, schmunzelte der Gastgeber.
"Ok. Du hast es erkannt." Selbst unter der Farbenvielfalt konnte man Marikas Erröten erkennen.
"Ist doch ok - oder?"

Er nahm sie einfach bei der Hand und die Vier schlenderten zum Parkdeck.
"Oder?", wiederholte Marika - nun doch nicht mehr so selbstsicher, wie sie hatte erscheinen wollen.
"Schon gut. Wenn du die dummen Sprüche der VIPs ertragen kannst, lass es so. Andernfalls verziehst du dich mit Adela eben mal auf die Toilette ..."

"Danke." Das klang so erleichtert, dass selbst Damian stutzte. Was entdeckte er da für neue Seiten an der - ach so selbstbewussten - Wissenschaftlerin?

* * *

General Pham trat eben unter die Dusche, wie er es meistens tat, ehe er seinen Dienst beendete. Als er den Diffusor startete, hörte er, wie sich die Tür zum Vorraum der Hygienezelle öffnete und schloss. Was sollte denn das? Wer hatte hier kein Benehmen?
"General Pham!" Diese Stimme kannte er. Der Kerl konnte warten. Für wen hielt der sich eigentlich? Er gönnte sich eine ausgiebige Dusche, gefolgt von einem Massage - Jet und anschließender Pflege - Lotionierung. Erst dann trat er, Handtuch um die Hüfte geschwungen, aus der Zelle.

Der Agent trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. "Wie wäre es mit Frisur, Maniküre, Pediküre?", schnarrte er zornig.
Der General trat vor ihn und schaute ihm in die Augen. "Es ist ihr Problem, wenn sie kein Benehmen haben. Einer meiner Mitarbeiter, der sich so ein freches Eindringen in meine Privatsphäre herausnähme, müsste mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Und wenn sie nicht sofort den Mund halten, überlege ich mir, ob ihr Vorschlag nicht einer näheren Betrachtung wert ist."
"Sie dienen der Sternenflotte", erwiderte der Fremde, "Und da muss eben ihre ... Privatsphäre ..."
"... genau so streng geachtet werden, wie die jedes anderen Bürgers", ergänzte Pham. "Und jetzt verziehen sie sich, bevor ich die Sec rufe, wegen ihres Überfalls!"
Der Agent wich ein wenig zurück. "Nanana! Soweit wollen wir doch nicht gehen - oder?"
"Doch, doch, doch." Der General grinste dämonisch. "Dass ich eine Beschwerde bei ihrer Dienststelle einreichen werde, sollte ihnen klar sein."

Das Gesicht des Fremden wurde nun sehr ernst. "Glauben sie, ich habe nichts anderes zu tun, als ihrem Gesang unter der Dusche zu lauschen? Ihr Kryptowski plant schon wieder irgendwelche Spielchen. Was wissen sie davon?"
"Erstens singe ich nie, in der Kabine, zweitens ist das Ermitteln wohl ihr Ressort und drittens habe ich keinen Schimmer, wovon sie sprechen."
"Marika Veszigyi!", bellte der Agent, "Wir haben sie in seiner Nähe platziert, weil sie ... sagen wir ... sozial unverfänglich ... ist. Sie hat keinerlei Privatleben, keine Sozialkontakte."
Nun musste Pham doch laut lachen. "Und dann kommt dieser Kerl und taut die Eisprinzessin auf ..." Wieder schüttelte ihn das Kichern. "So ein Pech aber auch. Tja, mein Lieber, irgendwas ist an diesem Damian schon dran, nicht wahr?"

Er bekleidete sich und schob den perplexen Geheimdienstler einfach beiseite, als er den Raum verließ.

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/1 Lévy - C ist eine Formel für Fraktale, selbstähnliche Grafiken, ähnlich dem berühmten "Apfelmännchen".
 
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