KONTAKTE - Vierundvierzig

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Im Verlauf der nächsten Tageseinheiten - auf den Raumschiffen regierte nur den Dienstrhythmus - gab es keine Anzeichen für eine Anwesenheit des Zrrgll. Nach und nach ebbte die Aufregung und Wachsamkeit ab und man wandte sich wieder der eigentlichen Aufgabe zu, der Kontaktaufnahme mit der anderen neu entdeckten Spezies.

Nach den Erfahrungen mit dem Energiewesen beschloss die Versammlung der Rassen, die auf dem Telonischen Schiff zusammentrat, dass der Kreuzer der Pr'aksi die "Po'kh Enh'kok'Unh Anh 'grak'inh" begleiten würde. Die Teloni verfügten über Geräte wie den planetaren Bohrer, die sich als Waffen einsetzen lassen würden, doch - so kam man überein - es war besser, ein Schiff zu haben, das von seiner ganzen Konstruktion auf Verteidigungsaufgaben ausgelegt war.

Nadine und Kren waren wieder auf das Forschungsschiff zurückgekehrt. Sie würden mit diesem reisen, denn es wäre im Fall einer Auseinandersetzung nicht gut, die Kontaktexperten im Kampfgetümmel zu haben, statt auf dem friedlichen Raumfahrzeug.
Man hatte auch Anh vorgeschlagen, zum Telonischen Raumer überzusetzen, doch sie hatte das abgelehnt. Sie wollte mehr Erfahrungen mit der Technik und Besatzung des Pr'aksischen Schiffes machen. Über diese Gründe äußerte sie sich freilich nicht, sondern schob vor, dass sie die Gemeinschaft mit den Vertretern aller Rassen suche und daher gern Gast der Pr'aksi bleiben wolle.

* * *

Zrrgll war nicht verschwunden, wie alle glaubten, sondern hatte sich auf verschiedene Wirte verteilt, wie es das schon seit langem einmal hatte tun wollen. Es versuchte nicht, die Individuen zu beeinflussen, sondern erforschte sie nur.
Es war unglaublich, wie unterschiedlich die verschiedenen Spezies dachten, fühlten und funktionierten.
Die Menschen kannte es ja schon ziemlich gut, obwohl auch sie gelegentlich überraschend reagierten.

Die Teloni waren erstaunlich ausgeglichen, erlebten nur wenige und relativ schwache Extreme in ihren Emotionen. Zrrgll konnte sich das nicht erklären. Es untersuchte die Geschwindigkeit der Reizleitung im Nervensystem, die Empfindlichkeit der Organellen, die in der Anatomie der Ameisenwesen die Aufgabe der menschlichen Ganglien und Synapsen hatten. Es konnte keinen Grund für dieses emotionale Gleichgewicht finden. Nach einigen erfolglosen Experimenten beschloss es, sich den Pr'aksi zuzuwenden, die ihm nicht gänzlich unbekannt waren.

Die Echsenwesen erschienen auf den ersten Blick emotionslos, beinahe maschinenhaft. Doch es dauerte nicht lange, bis Zrrgll herausfand, dass das nicht ganz stimmte. Vielmehr sprangen die Emotionalen Zustände dieser Spezies zwischen den unterschiedlichen Extremen hin und her, sobald eine gewisse Grenze der Erregung erreicht war. Der normale Pr'akso war logisch, effizient, sehr anpassungsfähig. Doch unter dem Einfluss starker Stimuli kippte die Stimmung vollständig. Ein Pr'akso konnte im Bruchteil einer Sekunde sehr zornig, aber auch sehr lustig werden, um in der nächsten Minute wieder ganz unbewegt zu sein.

Zrrgll untersuchte den Körper, in dem es sich niedergelassen hatte und staunte. Diese Wesen besaßen tatsächlich biotechnische Körperelemente. Das hätte ihm eigentlich klar gewesen sein müssen, sobald es in die Maschinen des Raumschiffes eingedrungen war. Dennoch war es ein bisschen überrascht, dass diese Spezies nicht nur die Technologie biologisiert hatte, sondern auch den umgekehrten Weg beschritten.

Zrrgll war recht zufrieden, mit seinen Erkenntnissen. Es beschloss, nun diese Wesen zu verlassen und sich in dem Sternenbereich auszubreiten, den die Schiffe gerade durchflogen, solange sie noch nicht in den Bereich der "Vielplätze" abgetaucht waren.

* * *

Keines der Wirtswesen bemerkte, wie sich Zrrgll zurückzog. Nur der Gruppenführer der vierten Kampfgruppe auf dem Kreuzer stellte fest, dass der Integrator seiner Einheit nicht mehr so reizbar erschien, wie er es während der letzten paar Dienstschichten gewesen war.
Der große Raumsprung würde bald stattfinden und es gab noch eine Menge zu organisieren. An allererster Stelle stand die Synchronisation der unterschiedlichen Zeitsysteme. Bisher hatte das keine große Rolle gespielt, weil die Aktionen der beiden Schiffe nicht vollständig koordiniert abgelaufen waren. Jetzt aber galt es, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Die Zeitmessung beider Rassen basierte auf unterschiedlichen Grundeinheiten. Während die Basis der Telonischen Zählung ein hexadezimales System war, verfolgten die Pr'aksi den Zeitablauf auf einer ternären* Basis, was eine Einigung dringend notwendig machte.

Es erforderte viel Geduld und Verhandlungsgeschick seitens der Teloni, die Pr'aksi letztenendes vom dezimalen System zu überzeugen, das für beide Spezies ungewohnt war. Anh war sich ziemlich sicher, dass den Ausschlag letztenendes die Anwesenheit von Vertretern der beiden anderen Zivilisationen gegeben hatte, die alle mit der vorgeschlagenen Darstellung von Werten vertraut waren. Sowohl die Yemn'In, als auch die Menschen galten den dominanten Echsen offenbar als unterlegene Spezies, was die letztendliche Zustimmung zu einer benevolenten Geste machte, zumindest in den Augen der Pr'aksi. Mussten die "Primitiven" doch nun nicht mühsam die Zeitangaben umrechnen ...
Nachdem diese Frage geklärt war, stellte sich der Rest der Absprachen als relativ unproblematisch heraus. Innerhalb zweier Schichten war alles geklärt und die Besatzungen bereiteten sich auf einen der weitesten Raumsprünge der bisherigen Geschichte vor.

* * *

Nadine und Kren saßen im Gemeinschaftsraum der "Po'kh Enh'kok'Unh Anh 'grak'inh" mit einigen der Aliens zusammen und tauschten Geschichten und Erinnerungen aus. Jenny kam nach einer Weile hinzu und lauschte, ebenso wie die anderen Anwesenden, der Geschichte vom Auftauchen des Zrrgll.
Auch die vier anderen Menschen, die in der "Un-brakeable" gereist waren, waren aufgetaut worden. Nun, kurz vor dem Sprung, hatten sich alle vier entschieden, sich zum Kreuzer transferieren zu lassen. Das Militär übte ganz offensichtlich noch immer eine große Faszination aus.

Voan'Min, die Yemn'Ina, mit der sich Jenny angefreundet hatte, ruhte zusammengekringelt sich in dem Nest, das zu den Sitzgelegenheiten gehörte, die die gastfreundlichen Teloni für die anderen Spezies bereitgestellt hatten. Sie sah sich, offenbar belustigt, um und sagte, als Nadine ihren Teil der Erzählung beendet hatte:
"Eigentlich ist es sehr ... eigenartig, eine Spezies zu kennen, der man nichts ... anbieten, verkaufen kann. Aber dieses Zrrgll braucht wohl auch nichts, das wir haben."
Alle lachten. Die Yemn'In waren als geschickte Händler und wortgewandte Verhandlungspartner bekannt, die sich einen guten Teil ihres eigenen Fortschrittes erkauft, ertauscht oder - in manchen Fällen - einfach nur erschwindelt hatten. Dennoch gehörten sie nun zum Kreis der großen Raumfahrer, was ihnen allerdings auch gewisse Pflichten auferlegte. So wurde von ihnen erwartet, dass sie für gemeinsame Projekte benötigte Ressourcen bereitstellten oder Wissenschaftler entsandten - oder beides.

Die Zeit war schon ziemlich fortgeschritten, die dezimal umgestellten Uhren zeigten: '03:83'**, als sich die Versammlung langsam auflöste. Nadine und Kren nahmen noch einen letzten Schluck von dem köstlichen "Pokh'wakh", ehe sie sich von Jenny verabschiedeten, die noch einen Moment allein im Raum verweilen wollte.
Die beiden Kontakter begaben sich zu der großen Kabine, die man ihnen zugewiesen hatte. Nadine verschwand in der komfortablen Hygienezelle, während Kren sich entkleidete und anschließend, auf der Bettkante sitzend, die heutigen Ereignisse noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren ließ.

"Kren!", riss ihn plötzlich die Stimme seiner Geliebten aus den Gedanken. Er sprang auf und rannte zur Tür der Zelle. Er riss sie auf und fand Nadine erstarrt, mit blicklosen Augen.
„Sshnaphrutijikosll", formte ihr Mund.

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Fußnoten:

/*ternäres Zahlensystem: System auf der Basis der Zahl 3.
Beispiel: dezimal 10 ergibt ternär: 101,
nämlich 1x 3^2 + 0x 3^1 + 1x 3^0 = 9+0+1

/** 03:83 entspricht 23:00 Uhr, rechnet man die irdische Zeit in dezimale Einheiten um (geteilt durch 6)
 
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